OGH 1Ob150/50

OGH1Ob150/5012.4.1950

SZ 23/95

Normen

ABGB §1419
ABGB §1419

 

Spruch:

Wenn der Käufer die ihm angebotene Ware zu Unrecht abgelehnt hat, so ist der Verkäufer nach bürgerlichem Recht zum Verkauf verderblicher Waren berechtigt. Der Käufer kann nur Herausgabe des Verkaufserlöses fordern.

Entscheidung vom 12. April 1950, 1 Ob 150/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Stainz; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Kläger hat ihm vom Beklagten zu liefernde 700 kg Obst zu Unrecht nicht übernommen. Beklagter hat sie um 350 S verkauft. Kläger hat 700 S begehrt, das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, das Berufungsgericht sprach 350 S zu. Wenn auch der Kläger nicht berechtigt gewesen sei, die Übernahme der gelieferten Birnen abzulehnen, so habe der Beklagte trotz des Annahmeverzuges des Klägers nicht das Recht gehabt, die Birnen zu verkaufen. Habe aber der Beklagte diese Birnen verkauft, so stehe dem Kläger ein Anspruch auf den Erlös dieser Birnen im Betrage von 350 S zu.

Die Revision des Beklagten blieb ohne Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Aus den Feststellungen der unteren Instanzen ergibt sich, daß im Sommer 1947 über die Bezahlung des restlichen Kaufpreises eines gelieferten Wagens eine Vereinbarung zustande kam, wonach der Beklagte sich verpflichtete, 700 kg Mostbirnen dem Kläger zu liefern. Dieser Verpflichtung ist der Beklagte auch nachgekommen; die Birnen wurden vom Kläger, obwohl sie in der Qualität entsprechend waren, nicht angenommen; der Überbringer der Birnen hat daraufhin die 700 kg Birnen an dritte Personen um 50 g pro Kilogramm verkauft.

Aus diesen Feststellungen ergibt sich in rechtlicher Hinsicht, daß der Kläger dadurch, daß er die Mostbirnen, die in entsprechender Qualität geliefert wurden, nicht angenommen hat, in Annahmeverzug gekommen ist. Gemäß § 1419 ABGB. hat daher der Kläger die widrigen Folgen zu tragen.

Wenn nun auch der Beklagte durch den Gläubigerverzug keineswegs berechtigt war, über die nicht angenommene Ware anderweitig zu verfügen, und insbesondere nach bürgerlichem Recht zum Unterschied vom Handelsrecht ihm kein Recht zum Selbsthilfeverkauf zustand, so wird der Schuldner keineswegs nach bürgerlichem Recht von der Sorgfaltspflicht zur entsprechenden Verwahrung der nicht angenommenen Sache - da eine gerichtliche Hinterlegung bei Obst nicht in Betracht kam - befreit.

Da es sich aber um Obst handelte, hat der Beklagte in Ausübung dieser Sorgfaltspflicht als Geschäftsführer ohne Auftrag mit Recht bei dieser leicht verderblichen Ware den Verkauf der Birnen durchgeführt und hiefür einen Preis von 350 S erzielt.

Es erhebt sich nunmehr die Frage, ob, wenn auch gemäß § 1419 ABGB. der Kläger die widrigen Folgen seines Annahmeverzuges zu tragen hat, der Kläger gegenüber dem Beklagten einen Anspruch in Geld hat.

Der Kläger hat diesen Anspruch in der Klage mit 700 S erhoben, während das Berufungsgericht ihm nur 350 S zugesprochen hat.

Da der Kläger in Annahmeverzug geraten ist, hat er auf Lieferung von 700 kg Obst keinen Anspruch mehr. Auch die Interessenklage wegen Nicht-, bzw. verspäteter Erfüllung, bzw. wegen Verzögerungsschadens scheidet infolge Annahmeverzuges des Klägers aus.

Da aber einerseits der Kläger den Wagen seinerseits geliefert hat und anderseits die vom Beklagten hiefür zu erbringende Gegenleistung in Gestalt von 700 kg Mostbirnen zu Unrecht nicht angenommen wurde und infolge der Verderblichkeit der Ware mit Recht verkauft werden mußte, so steht dem Kläger ein Anspruch auf Ausfolgung des für die verkauften Birnen erzielten Erlösbetrages zu, durch den der Beklagte sonst bereichert wäre.

Mit Recht hat daher das Berufungsgericht dem Kläger den Betrag von 350 S (700 kg a 50 g) zugesprochen, zumal seitens des Klägers die Angemessenheit des durch diesen Verkauf erzielten Erlösbetrages nicht bestritten wurde.

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