Spruch:
Der „außerordentliche“ Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die vom Kläger am 7.Juni 1996 beim Bezirksgericht Josefstadt eingebrachte Klage auf Zahlung von 1,195.193,77 S sA und Feststellung der Haftung des beklagten Liegenschaftseigentümers für alle Schäden und Aufwendungen im Zusammenhang mit einem vereinbarten, jedoch gescheiterten Dachbodenausbau wurde vom Bezirksgericht Josefstadt wegen sachlicher Unzuständigkeit zurückgewiesen. Dem Rekurs des Klägers wurde nicht Folge gegeben, weil es sich um keine Bestandsache iSd § 49 Abs 2 Z 5 JN handle und somit keine Eigenzuständigkeit des angerufenen Bezirksgerichts vorliege.
Daraufhin brachte der Kläger am 8.Oktober 1996 eine in Ansehung von Parteien, Tatsachenvorbringen und Urteilsbegehren wortlautgleiche Klage beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien ein. In der Klagebeantwortung erhob der Beklagte die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit, weil das Vertragsverhältnis der Streitteile als Mietvertrag zu beurteilen sei und es sich um eine in die Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichts Josefstadt fallende Bestandsache handle. Am Beginn der (ersten) Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 19.Dezember 1996 beantragten beide Parteien - offenbar nach Belehrung durch den Verhandlungsrichter - „übereinstimmend, die Klage an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht Josefstadt“ (im folgenden nur Erstgericht) zu übertragen. Daraufhin übertrug das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien die Rechtssache gemäß § 31a JN dem Erstgericht, das mit - unangefochten gebliebenem - Beschluß vom 6.Februar 1997 die Klage a limine zurückwies, weil dem Delegierungsbeschluß des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien die Rechtskraft des die Unzuständigkeit des Erstgerichts aussprechenden Beschlusses im Vorverfahren entgegenstehe. Dieser Beschluß sei dem delegierenden Gericht auch als Beilage vorgelegen. Die grundsätzliche Bindung des Adressatgerichts an den Übertragungsbeschluß gemäß § 31a Abs 1 JN bestehe daher ausnahmsweise nicht, handle es sich doch dabei gerade nicht um das „nicht offenbar unzuständige Gericht“. Innerhalb von vierzehn Tagen ab Zustellung dieses Beschlusses beantragte der Kläger die Überweisung der Rechtssache gemäß § 230a ZPO an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Das Erstgericht hob mit Beschluß vom 5.März 1997 seinen rechtskräftigen Zurückweisungsbeschluß auf und faßte einen Überweisungsbeschluß im Sinn dieses Antrags.
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien legte daraufhin den Akt dem Oberlandesgericht Wien „gemäß § 47 JN“ zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt vor. Mit Beschluß vom 10.April 1997 lehnte das Oberlandesgericht Wien eine solche Entscheidung im wesentlichen mit der Begründung ab, das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien habe seine Zuständigkeit noch nicht in einer anfechtbaren Entscheidung verneint. Die Übertragung gemäß § 31a JN sei einer Unzuständigkeitsentscheidung nicht gleichzuhalten, daher müsse das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zunächst über seine Zuständigkeit entscheiden. Daraufhin stellte das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien den erstgerichtlichen Überweisungsbeschluß vom 5.März 1997 den Parteien zu.
Das Rekursgericht bestätigte über Rekurs des Beklagten den erstinstanzlichen Überweisungsbeschluß vom 5.März 1997 und sprach aus, daß der Revisionsrekurs zufolge § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig sei. Nach seinen rechtlichen Erwägungen ist sowohl der Übertragungsbeschluß nach § 31a Abs 1 JN als auch der Unzuständigkeitsbeschluß des Erstgerichts in Rechtskraft erwachsen. Im derzeitigen Verfahrensstadium sei daher nur zu prüfen, ob der Rekurs gegen den Überweisungsbeschluß nach § 230a ZPO zulässig sei. Ein solcher Beschluß sei nur dann zulässig, wenn ein (zulässiger) Überweisungsantrag gestellt worden sei. Hier spreche für die Zulässigkeit des Überweisungsantrags nach § 230a ZPO, daß der Kläger vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien keinen sinnvollen Überweisungsantrag habe stellen können. Zu Beginn der Tagsatzung sei die Rechtssache einvernehmlich dem Erstgericht übertragen worden. Schon das Oberlandesgericht Wien habe in seinem Beschluß hervorgehoben, daß der Übertragungsbeschluß des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien keinem Unzuständigkeitsbeschluß gleichzuhalten sei, weil damit die Zuständigkeit des Erstgerichts, nicht aber die Unzuständigkeit des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien begründet werde. Daher sei ein Antrag gemäß § 31a Abs 1 JN auch keinem Überweisungsantrag nach § 230a ZPO gleichzuhalten. Im Fall des § 31a Abs 1 JN werde die Rechtssache, bevor es noch zu einer Unzuständigkeitsentscheidung kommen könne und ohne daß es eines Antrags nach § 261 Abs 6 ZPO bedürfe, vom zuerst angerufenen Gericht an das überwiesene Gericht übertragen. Daher habe der Kläger in Wahrheit keine Möglichkeit zu einem sinnvollen Überweisungsantrag gehabt. Es stehe ihm daher iSd Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien (richtig: des Obersten Gerichtshofs) EvBl 1993/100 gegen den Zurückweisungsbeschluß des Bezirksgerichts Josefstadt der Überweisungsantrag nach § 230a ZPO offen. Der Kläger hätte gegen den Zurückweisungsbeschluß des Bezirksgerichts Josefstadt aus den verschiedensten Gründen Rekurs erheben können. Die vom Obersten Gerichtshof in 7 Ob 615/84 und EvBl 1987/69 vertretene Ansicht, bei einer Klagszurückweisung nach mündlicher Verhandlung komme grundsätzlich kein Überweisungsantrag iSd § 230a erster Satz ZPO in Betracht, habe ebenfalls gewichtige Argumente für sich. Indes sei der hier zu entscheidende Fall dem in EvBl 1993/100 entschiedenen Fall gleichzuhalten. Der Überweisungsantrag nach § 230a ZPO sei hier zulässig und der antragsgemäße Überweisungsbeschluß demnach unanfechtbar.
Der „außerordentliche“ Revisionsrekurs des Beklagten ist nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Wird die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes ausgesprochen und die Klage zurückgewiesen, ohne daß der Kläger Gelegenheit hatte, einen Überweisungsantrag nach § 261 Abs 6 ZPO zu stellen, und beantragt der Kläger binnen der Notfrist von vierzehn Tagen nach der Zustellung dieses Beschlusses die Überweisung der Klage an ein anderes Gericht, so hat das ursprünglich angerufene Gericht die Zurückweisung aufzuheben und die Klage dem vom Kläger namhaft gemachten Gericht zu überweisen, wenn es das andere Gericht nicht für offenbar unzuständig erachtet (§ 230a erster Satz ZPO). Gegen diesen Beschluß ist, mit Ausnahme der Entscheidung über die Kosten eines allfälligen Zuständigkeitsstreits, ein Rechtsmittel nicht zulässig (§ 230a zweiter Satz ZPO). Nach stRspr hängt die Unanfechtbarkeit eines auf § 230a ZPO gegründeten Überweisungsbeschlusses - wie im Fall des § 261 Abs 6 ZPO, dem der mit der Zivilverfahrens-Novelle 1983 geschaffene § 230a ZPO nachgebildet ist - allerdings davon ab, daß die verfahrensrechtlichenen Voraussetzungen nach dieser Bestimmung tatsächlich vorliegen (RZ 1985/72; 5 Ob 1605/93 ua; RIS-Justiz RS0039142), was nicht der Fall ist, wenn die Überweisung dem § 230a ZPO in einem solchen Maß widerspricht, daß der Sinn des dort verfügten Rechtsmittelausschlusses nicht mehr gegeben ist (8 Ob 607/91, 2 Ob 583/92, 10 Ob 1641/95 ua; RIS-Justiz RS0039142; Rechberger in Rechberger, § 230a ZPO Rz 3; Simotta, Der Überweisungsantrag nach § 230a ZPO in JBl 1988, 366 mit Fallbeispielen und Judikaturnachweisen in FN 62 ff; Petrasch in ÖJZ 1985, 262). Im Verfahren nach § 230a ZPO sind folgende bestätigenden (konformen) Beschlüsse des Rekursgerichts denkbar:
a) Hat das Erstgericht den von der klagenden Partei gestellten Überweisungsantrag nach § 230a ZPO abgewiesen und wurde diese Entscheidung vom Rekursgericht bestätigt, so kann nach der Rspr (8 Ob 571/93, 7 Ob 622/93; RIS-Justiz RS0039084) dessen Bestätigung gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO nicht mittels Revisionsrekurses angefochten werden, weil Gegenstand des rekursgerichtlichen Verfahrens der erstgerichtliche Beschluß über die Abweisung des Überweisungsantrags und nicht die Klagezurückweisung selbst ist.
Die vom Rechtsmittelwerber zitierte Entscheidung 7 Ob 652/92 = EvBl 1993/100 betrifft eine abändernde Entscheidung der zweiten Instanz, die Entscheidung 8 Ob 542/86 = JBl 1986, 529 = EvBl 1987/69 = RZ 1986/61 = HS 17.046 hingegen einen Fall, in dem der Kläger (noch) gar keinen Antrag nach § 230a ZPO gestellt hatte.
b) Hat das Erstgericht wie hier dem von der klagenden Partei gestellten Überweisungsantrag nach § 230a ZPO stattgegeben und das Rekursgericht diesen Beschluß bestätigt, so kann dessen Bestätigung gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO gleichfalls nicht mittels Revisionsrekurses angefochten werden, wenn Gegenstand des rekursgerichtlichen Verfahrens die Überprüfung des erstgerichtlichen Beschluß über die Stattgebung des Überweisungsantrags ist, somit von der zweiten Instanz inhaltlich geprüft wurde, ob die sachlichen Voraussetzungen für eine solche Überweisung gegeben sind. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in dem zu 6 Ob 516/85 = RZ 1985/72 behandelten Rechtsfall ausgesprochen, sollte das Gericht zweiter Instanz die gegen die Voraussetzungen einer Überweisung nach § 230a ZPO vorgetragenen Argumente des Rechtsmittelwerbers nach der gebotenen sachlichen Prüfung nicht als stichhältig befinden, so werde es dem gegen den erstgerichtlichen Überweisungsbeschluß erhobenen Rekurs nicht stattzugeben haben; ein solcher bestätigender Beschluß unterläge keinem weiteren Instanzenzug. Im vorliegenden Fall hat sich das Rekursgericht sachlich mit den Argumenten des rekurrierenden Beklagten zur fehlenden Zulässigkeit eines Überweisungsantrags durch den Kläger auseinandergesetzt, sodaß es zutreffend die Erledigungsform des bestätigenden Beschlusses und nicht die der Zurückweisung des unzulässigen Rekurses des Beklagten wählte. Eine bestätigende Entscheidung setzt einerseits einen identischen sachlichen Inhalt (hier: Auseinandersetzung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 230a ZPO) und andererseits eine Übereinstimmung der vom Gesetz gebotenen Erledigungsart (hier: meritorische antragsstattgebende Entscheidung in beiden Instanzen) voraus (7 Ob 26/87; 3 Ob 53/94; 8 Ob 2076/96v ua; RIS-Justiz RS0044090; Fasching IV 452 f und Lehrbuch2 Rz 2017).
Bei Berechtigung des Überweisungsantrags steht dem Gegner zufolge § 230a zweiter Satz ZPO kein Rechtsmittelrecht zu, es sind somit Zulässigkeits- und sachliche Erfolgsvoraussetzungen des Rechtsmittels an die zweite Instanz verknüpft. Decken sich wie hier Zulässigkeits- und sachliche Erfolgsvoraussetzungen eines Rekurses, so ist, wie bereits das Rekursgericht zutreffend erkannte, der Sachentscheidung gegenüber der Formalerledigung der Vorzug zu geben (RIS-Justiz RS0039126). Wenn somit das Rekursgericht den Überweisungsbeschluß des Erstgerichts nach § 230a ZPO aus in der Sache liegenden Erwägungen als zutreffend erachtet, hat dies in der Form eines zufolge § 528 Abs 2 Z 2 ZPO nicht weiter anfechtbaren Konformatbeschlusses zu geschehen.
Der als „außerordentlicher Revisionsrekurs“ bezeichnete Revisionsrekurs des Beklagten ist - wie das Gericht zweiter Instanz in seinem Ausspruch gemäß § 526 Abs 3, § 500 Abs 2 Z 2 ZPO zutreffend zum Ausdruck brachte - hier jedenfalls unzulässig. Ist ein Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig, so kommt es nicht darauf an, ob die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO abhängt.
Auf die Tatsache, daß das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien mit rechtskräftigem Beschluß vom 24.Juli 1997 den Rekurs des Beklagten gegen den erstgerichtlichen Überweisungsbeschluß vom 5.März 1997 wegen Unanfechtbarkeit und mit Beschluß vom 3.September 1997 die Klage wegen Unzuständigkeit (zufolge Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichts Josefstadt) zurückwies, kann hier nicht eingegangen werden.
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