OGH 8Ob2076/96v

OGH8Ob2076/96v18.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Langer, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Commerzbank Mattersburg im Burgenland reg.Gen.m.b.H., Schattendorf, Hauptstraße 29, vertreten durch DDr.Rene Laurer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Raiffeisenlandesbank Burgenland-Waren und Revisionsverband reg.Gen.m.b.H., Eisenstadt, Raiffeisenstraße 1, vertreten durch Dr.Peter Hajek, Rechtsanwalt in Eisenstadt, wegen Feststellung (Streitwert S 490.000) infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 20.Dezember 1995, GZ 16 R 256/95-13, mit dem der Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Eisenstadt vom 30.Oktober 1995, GZ 1 Cg 112/95p-9, als unzulässig zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird ersatzlos aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die sachliche Entscheidung über den Rekurs der beklagten Partei aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Rechtsmittelverfahrens.

Text

Begründung

Die klagende Genossenschaft begehrt die Feststellung, sie sei seit 1.1.1995, 0.00 Uhr, in eventu seit 1.1.1996, 0.00 Uhr, nicht (mehr) Mitglied der beklagten Partei.

Der beklagte Revisionsverband, ebenfalls eine Genossenschaft, wendete ein, daß gemäß § 27 seiner Satzung in allen Streitigkeiten aus dem Genossenschaftsverhältnis ein schiedsgerichtliches Verfahren nach den Bestimmungen der ZPO durchzuführen sei. Die genannte Bestimmung sei als Schiedsvertrag im Sinn des § 577 ZPO zu werten und bilde ein Hindernis für die Anrufung des ordentlichen Gerichtes.

Das Erstgericht verwarf in seinem ausführlich begründeten Beschluß die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit. Der Einwand der beklagten Partei, die Schiedsvereinbarung bilde ein Hindernis für die Anrufung des ordentlichen Gerichtes, sei als Einwand der sachlichen Unzuständigkeit zu qualifizieren. Er sei nicht gerechtfertigt, weil nach ständiger Rechtsprechung nur statutarische Streitigkeiten, nicht jedoch solche über Individualrechte unter derartige Schiedsklauseln fielen.

Das Rekursgericht wies den Rekurs der beklagten Partei, in dem beantragt wurde, den angefochtenen Beschluß "ersatzlos aufzuheben" oder dahin abzuändern, daß ihrer Einrede der sachlichen Unzuständigkeit stattgegeben und die Klage zurückgewiesen werden möge, als unzulässig zurück, weil solche Beschlüsse gemäß § 45 JN unanfechtbar seien; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, diesen zuzulassen, den angefochtenen Beschluß zu beheben und dem Rekursgericht die Sachentscheidung aufzutragen. Eine gänzliche Bestätigung des angefochtenen Beschlusses im Sinn des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO liege nicht vor. Der außerordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen und berechtigt, weil die Rechtsansicht des Rekursgerichtes gegen Lehre und Rechtsprechung verstoße, nach der auf Zuständigkeitsentscheidungen, die das Verhältnis zwischen ordentlichen Gerichten und Schiedsgerichten betreffen, § 45 JN nicht anwendbar sei.

Die klagende Partei beantragt in ihrer gemäß § 521 a Abs 1 Z 3 ZPO zulässigen Revisionsrekurs- beantwortung, den außerordentlichen Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihn abzuweisen oder zu verwerfen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der beklagten Partei ist zulässig und im Sinn des gestellten Aufhebungs- und Rückverweisungsantrags an das Rekursgericht auch berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß der Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht jedenfalls unzulässig ist, weil keine Vollbestätigung im Sinn des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO vorliegt. Eine solche ist, wie auch der Revisionsrekursgegner zugesteht, nach herrschender (7 Ob 26/87; 3 Ob 53/94 ua) - von ihm aber für unrichtig gehaltener - Ansicht nur gegeben, wenn in beiden Instanzen meritorisch oder formal entschieden wurde. Das ist hier nicht der Fall, weil das Rekursgericht die Frage der sachlichen Verwerfung der Einrede der Schiedsvereinbarung nicht behandelt, sondern den Rekurs aus rein formellen Gründen zurückgewiesen hat. Ein Beschluß des Rekursgerichtes, mit dem ein an dieses gerichteter Rekurs zurückgewiesen wurde, ist nach herrschender Ansicht (8 Ob 7/90; 8 Ob 522/91 uva; zuletzt 3 Ob 2,3,1006/95) bei Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO anfechtbar, wenn der Entscheidungsgegenstand wie hier S 50.000 übersteigt.

Eine solche erhebliche Rechtsfrage liegt vor, weil das Rekursgericht von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist. Dieser vertritt sei der E EvBl 1957/338, mit der von der früheren Rechtsprechung abgegangen wurde, nunmehr in ständiger Rechtsprechung (SZ 53/159 uva), die von der Lehre (Ballon in FS Fasching 58; Mayr in Rechberger, ZPO Rz 4 zu § 45 JN ua) gebilligt wird, die Ansicht, daß die Berufung auf einen Schiedsvertrag zwar nicht die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges, sondern nur die einer heilbaren sachlichen Unzuständigkeit begründet, daß aber die Anfechtungs- beschränkung des § 45 JN nicht gilt, wenn die Zuständigkeit eines von den Streitteilen vereinbarten Schiedsgerichtes behauptet wurde.

Daran hat sich auch, wie der Oberste Gerichtshof in seiner E SZ 58/60 ausführlich und überzeugend begründet - und in der Folge bestätigt (3 Ob 543/94) - hat, trotz der geänderten Formulierung des § 45 JN durch die Zivilverfahrensnovelle 1983, die vordergründig für die Unanfechtbarkeit einer die Zuständigkeit bejahenden Entscheidung auch im Verhältnis ordentliches Gericht und Schiedsgericht sprechen könnte, nichts geändert. Der Frage, welches von mehreren staatlichen Gerichten zur Entscheidung zuständig ist, kommt nämlich wesentlich geringere Bedeutung zu, als der Frage, ob ein Schiedsgericht zur Entscheidung berufen ist, das wesentlich freieren Verfahrensregeln unterworfen und dessen Entscheidung nur ganz beschränkt bekämpfbar ist. Zu Recht haben die Vorentscheidungen darauf hingewiesen, daß die Frage, ob über eine Rechtssache ein ordentliches Gericht oder ein Schiedsgericht zu entscheiden hat, mit der Frage vergleichbar ist, in welchem Verfahren das Gericht zu entscheiden hat; ein solcher Beschluß ist nach § 40 a JN anfechtbar.

Das Rekursgericht hat infolgedessen den Rekurs der beklagten Partei zu Unrecht - in Abweichung von der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung - ohne sachliche Prüfung zurückgewiesen. Dem dagegen erhobenen Rechtsmittel ist daher Folge zu geben. Der angefochtene Beschluß war somit aufzuheben und dem Rekursgericht die Prüfung der Frage, ob das vorliegende Klagebegehren von der zwischen den Streitteilen geschlossenen Schiedsvereinbarung erfaßt wird oder nicht, aufzutragen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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