Spruch:
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Ein Ehegatte kann enterbt werden, wenn er den Erblasser im Notstand hilflos gelassen hat (§ 768 Z 2 ABGB) oder wenn er seine Beistandspflicht gröblich vernachlässigt hat (§ 769 ABGB). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist unter Notstand jeder Zustand der Bedrängnis - die nicht nur wirtschaftlich gemeint ist - zu verstehen, der nach den Grundsätzen der Menschlichkeit (natürliche Rechtsgrundsätze, § 7 ABGB) gerechterweise zu der Erwartung berechtigt, daß der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser helfen werde (EvBl 1965/198; EvBl 1969/176 je mit Literaturnachweisen; EvBl 1972/220; EFSlg 36.275, 40.988; 8 Ob 549/84; 7 Ob 505/95). Ob ein Verhalten den Tatbestand des § 768 Z 2 ABGB erfüllt (vgl dazu die Fallbeispiele aus der Judikatur bei Welser in Rummel2 § 768 ABGB Rz 3 und bei Eccher in Schwimann, ABGB Praxiskomm. § 768 Rz 8) und auch vorwerfbar ist, betrifft wegen seiner Einzelfallbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO (6 Ob 1522/96). Dies gilt auch für den Tatbestand der gröblichen Vernachlässigung der ehelichen Beistandspflicht nach § 769 - 2.Halbsatz - ABGB; bei der Auslegung dieser Beistandspflicht ist von dem gleichen Begriff wie im § 90 ABGB auszugehen (EFSlg 51.403). Dieser Enterbungsgrund muß, soll er einen Sinn haben, jedenfalls weiter gehen als der allgemeine nach § 768 Z 2 ABGB: Der Erblasser muß sich also weder in einem Notstand befunden haben noch hilflos gewesen sein; die Verletzung der Beistandspflicht muß auch nicht so weit gegangen sein, daß sie einen Ehescheidungsgrund nach § 49 EheG abgibt (Kralik, ErbR 283; Welser aaO § 769 Rz 2). Ob ein bestimmtes Verhalten oder Unterlassen den Tatbestand erfüllt, stellt eine Frage der Einzelfallgerechtigkeit dar. Den Vorinstanzen, die von einer berechtigten Enterbung der Beklagten ausgegangen sind, ist keine unvertretbare Auslegung unterlaufen, die im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müßte.
Nach § 772 ABGB wird die Enterbung nur durch einen ausdrücklich in der gesetzlichen Form erklärten Widerruf aufgehoben. Es ist allgemein anerkannt, daß der Widerruf entgegen dem vom Gesetzeswortlaut erweckten Anschein nicht bloß ausdrücklich, sondern auch stillschweigend möglich ist (zB nach §§ 721 ff ABGB), aber jedenfalls eine besondere Erklärung erfordert, wie sie bei letztwilligen Anordnungen notwendig ist, während ein nur aus gewissen Umständen zu folgernder Widerruf nicht genügt (Weiß in Klang2 III 850 f mwN; Koziol/Welser, Grundriß10 II 392; Eccher aaO § 772 Rz 2). Nach übereinstimmender Lehre und Rechtsprechung bedeuten daher auch Verzeihung und Versöhnung allein keinen Widerruf der Enterbung (Weiß aaO; Ehrenzweig, System2 II/2, 585; Kralik aaO 286; Eccher aaO § 770 und § 772 jeweils Rz 2; Welser aaO § 770 und § 772 jeweils Rz 1; Koziol/Welser aaO; EvBl 1957/20; nur scheinbar gegenteilig GlUNF 3362). Warum diese Ansicht nicht aufrecht erhalten werden könne, wird in der außerordentlichen Revision nicht dargetan, weshalb für die Zulässigkeit dieses Rechtsmittels nicht ausschlaggebend ist, daß eine jüngere Rechtsprechung zu § 772 ABGB fehlt (5 Ob 596/87; 5 Ob 14/95). Die von der Beklagten ins Treffen geführten Umstände könnten allenfalls auf eine - vorübergehende - Versöhnung oder Verzeihung hindeuten, bewirken aber keinen auch nur schlüssigen Widerruf der Enterbung. Auch insoweit zeigt die außerordentliche Revision keine erhebliche Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO auf.
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