OGH 1Ob31/95

OGH1Ob31/9519.12.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Robert R*****, vertreten durch Dr.Berthold Martin Breitwieser, Rechtsanwalt in Bad Schallabach, wider die beklagte Partei Gemeinde W*****, vertreten durch Dr.Otto Holter, Dr.Gerald Wildfellner, Dr.Klaus Holter und Dr.Stefan Holter, Rechtsanwälte in Grieskirchen, und des auf Seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten Dipl.Ing.Dr.Peter B*****, wegen S 10.000,-, Leistung (Streitwert S 50.000,-) und Feststellung (Streitwert S 20.000,-), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 30.Jänner 1995, GZ R 880/94-48, womit infolge von Berufungen beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Haag a.H. vom 22.Februar 1994, GZ C 454/92 -34, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird insoweit er die Abänderung des angefochtenen Beschlusses dahin anstrebt, daß die Haftung der beklagten Partei für künftige Schäden im Haus der klagenden Partei durch Eintritt von Kanalwässern aus dem öffentlichen Kanalsystem im Ausmaß von 75 % festgestellt werde,

zurückgewiesen.

Darüber hinaus wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß (Pkt II./2.) wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil in seinen Zuspruch von S 7.500,- s.A. als Teilurteil wieder hergestellt wird.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens wird dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger und seine Ehefrau sind je zur Hälfte Eigentümer eines Baugrundes. Mit Bescheid vom 2.10.1984 erteilte ihnen der Bürgermeister der beklagten Gemeinde die Bewilligung für den Neubau eines Wohnhauses auf diesem Grundstück. Im Baubewilligungsbescheid wurden ihnen unter anderem die Auflagen erteilt, die Bauarbeiten von einem befugten Bauunternehmen durchführen zu lassen und die Abwässer einschließlich der Niederschlagswässer entsprechend den wasserrechtlichen Genehmigungsvorschreibungen in den Ortskanal abzuleiten. Darüber hinausgehende Auflagen für die Errichtung der Abwasserleitungsschächte wurden nicht angeordnet. Erst ab einem späteren Zeitpunkt verpflichtete die Beklagte die Bauwerber unter anderem dazu, sich gegen den Rückstau von Abwässern aus dem öffentlichen Kanalnetz in das angeschlossene Grundstück selbst zu schützen, nötigenfalls durch Einbau von Rückstauverschlüssen auf Kosten der Anschlußwerber. Auch wird nunmehr die Bauausführung ausdrücklich auf Grund der Ö-NORM B 2501 vorgeschrieben.

Der Kläger errichtete sein Haus und den Kanalanschluß im Jahre 1985. Die Ortskanalisation war bereits vorher mit Bescheid des Landeshauptmanns von Oberösterreich vom 22.2.1977 wasserrechtlich bewilligt worden. Der Hausanschluß des Klägers ist in den Endschacht eines Zubringerkanales mit 300 mm Durchmesser eingeleitet, der nach 71 m Lauflänge in einen Nebensammler einzieht. In diesem Bereich weicht die Kanalführung vom projektierten Verlauf ab und wurde jedenfalls für diesen Bereich bisher keine Benützungsbewilligung erteilt. Auch das Haus des Klägers und dessen Anschluß an das öffentliche Kanalnetz sind nicht kollaudiert. Der Kläger hat die Hausentwässerung so gestaltet, daß die gesamten Regen- und Schmutzwässer seines Grundstückes unter das Kellerniveau abgeleitet und dort auf einen einzigen gemeinsamen Ableitungsstrang konzentriert werden. Im Kellerboden befinden sich zwei Bodenabläufe.

Erstmals am 27.6.1992 drang nach heftigem Regen Wasser in den Keller des Klägers ein, überschwemmte ihn bis zu einer Höhe von ca. 20 cm und lagerte auch Schlamm auf dem Kellerboden ab. Dadurch entstand dem Kläger ein Schaden von S 10.000,-. In der Folge wurden die Kellerräume des Hauses noch am 11. und am 21.6.1993 - wenngleich in geringerem Ausmaß - überschwemmt. Die Überflutung im Keller des Anwesens des Klägers wurde überwiegend durch eine Rückströmung aus dem öffentlichen Kanal verursacht. Das Regenereignis vom 27.6.1992 lag über den der Kanaldimensionierung zugrundeliegenden, hypothetisch angenommenen Regenmengen. Es handelte sich jedoch nicht um einen „Katastrophenregen“, sondern um ein Regenereignis wie es - statistisch - alle zwei Jahre vorkommt. Hätte der Kläger die von seiner Liegenschaft abfließenden Regenwässer gesondert und dem Stand der Technik entsprechend in den Anschlußschacht eingeleitet, wäre die Überflutung im Keller erheblich geringer ausgefallen. Der Schaden wäre rund um ein Viertel geringer gewesen.

Mit seiner am 22.7.1992 bei Gericht eingelangten Klage brachte der Kläger vor, eine Untersuchung nach dem Regenereignis habe ergeben, daß der am Haus des Klägers vorbeiführende Gemeindekanal insbesondere in Anbetracht des vorhandenen Gefälles zu gering dimensioniert sei. Auch habe es die Beklagte verabsäumt, dem Kläger im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens die Auflage zur Anbringung eines Rückstauventiles zu erteilen. Die Beklagte hafte wegen der unterlassenen Auflage sowie nach den Regeln des Nachbarrechtes. Der Kläger begehrte zuletzt die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Betrages von S 10.000,- sowie dazu, die vorhandenen Mängel im öffentlichen Kanal im Bereich des Anwesens des Klägers zu sanieren. Im Zuge des Verfahrens dehnte der Kläger sein Begehren dahin aus, daß die Haftung der Beklagten für alle künftigen Schäden im Hause des Klägers durch Eintritt von Kanalwässern aus dem öffentlichen Kanalsystem festgestellt werde.

Die Beklagte wendete ein, die Überschwemmung des Kellers gehe nicht auf einen Rückstau von Wasser im öffentlichen Kanalnetz, sondern darauf zurück, daß die auf der Liegenschaft anfallenden Dach- und Schmutzwässer nicht ordnungsgemäß abgeleitet würden. Der Einbau eines Rückstauventiles sei ausschließlich Sache des Klägers gewesen. Der öffentliche Kanal sei ausreichend dimensioniert. Bei dem Regen vom 27.6.1991 habe es sich um einen sogenannten „Katastrophenregen“ gehandelt, der auf Grund seiner Intensität als ein Fall höherer Gewalt zu beurteilen sei. Die Beklagte sprach sich auch gegen die durch die Erhebung des Feststellungsbegehrens bewirkte Klagsänderung aus.

Das Erstgericht wies mit gemeinsam mit dem Urteil ausgefertigtem Beschluß den Antrag des Klägers auf Ausdehnung des Klagebegehrens zurück und erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger S 7.500,- s.A. zu bezahlen. Das auf Zahlung weiterer S 2.500,- gerichteten Mehrbegehren wies es ebenso ab wie das Begehren, die Beklagte zur Sanierung der vorhandenen Mängel im öffentlichen Kanal im Bereich des Hauses des Klägers zu verhalten.

Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, auch im Verhältnis zwischen Privatgrundstück und öffentlichem Gut seien die Bestimmungen der §§ 364 ff ABGB über den Schutz des Nachbarn vor übermäßigen Einwirkungen anzuwenden. Danach hafte die Beklagte unabhängig von einem allfälligen Verschulden für den eingetretenen Schaden. Es erübrige sich daher, das Vorliegen allfälliger Mängel bei der Planung oder Errichtung der Kanalanlage zu erforschen. Da es sich bei dem den Schaden auslösenden Regen um ein ein- bis zweijähriges Regenereignis gehandelt habe, könne auch nicht von (haftungsbefreiender) „höherer Gewalt“ gesprochen werden. Allerdings habe der Kläger ein Viertel seines Schadens selbst zu tragen, da er für die technisch richtige Ableitung der Dachabwässer nicht Sorge getragen habe. Das weitere, auf Sanierung der Kanalanlage gerichtete Klagebegehren sei abzuweisen gewesen, da das Begehren gemäß § 364 ABGB nur auf Unterlassung von Immissionen, nicht jedoch auf die Erwirkung bestimmter Schutzmaßnahmen gerichtet werden könne. Die vom Kläger vorgenommene Ausdehnung des Klagebegehrens sei unzulässig, weil durch die Zulassung eine erhebliche Erschwerung und Verzögerung des Verfahrens zu gewärtigen wäre.

Das Gericht zweiter Instanz verband mit dem angefochtenen Urteil im Punkt I. den Beschluß, mit dem es die Klagsausdehnung um das Feststellungsbegehren für zulässig erkannte. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes insoweit S 50.000,- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Darüber hinaus gab es im Punkt II. 1. der Berufung des Klägers gegen die Abweisung des Begehrens auf Sanierung des Kanales nicht Folge und hob im Punkt II. 2. das Ersturteil, das im Umfang der Abweisung des Zahlungsbegehrens von S 2.500,- unbekämpft geblieben war, im Zuspruch eines Betrages von S 7.500,- s.A. auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung über dieses Begehren „und das unter Punkt I. 1. b zugelassene Feststellungsbegehren“ auf. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt S 50.000,- übersteige, der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu Punkt II. 2. zulässig und das Verfahren erst nach Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses fortzusetzen sei.

Das Erstgericht habe zu Unrecht die Klagsausdehnung nicht zugelassen. Zwischen den Anspruchsvoraussetzungen des Leistungs- und des Feststellungsbegehrens bestehe kein Unterschied, weshalb die vom Erstgericht angestellten prozeßökonomischen Überlegungen nicht durchzuschlagen vermöchten. Die Klagsabweisung sei nicht zu beanstanden, weil die nachbarrechtlichen Bestimmungen der §§ 364 ff ABGB dem Kläger nicht das Recht einräumten, dem Nachbarn konkrete Vorkehrungen zur Abwehr der Immissionen vorzuschreiben. Insoweit das Erstgericht dem Klagebegehren stattgegeben habe, sei das Verfahren allerdings noch ergänzungsbedürftig. Dem Erstgericht sei darin beizupflichen, daß dem Kläger ein verschuldensunabhängiger nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gemäß § 364 a ABGB zustehe. Das Berufungsgericht entnehme aber der bisher in vergleichbaren Fällen ergangenen Judikatur des Obersten Gerichtshofes, daß das Ausströmen von Wasser aus einem Kanalnetz allein eine generelle Haftung der Gemeinde nicht begründen könne, sondern als zusätzliche Haftungsvoraussetzung eine Mangelhaftigkeit der Anlage oder von durchgeführten Baumaßnahmen vorliegen müsse. Auch bei Erfüllung von Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge durch die Gemeinden sei das Kosten-Nutzenprinzip zu beachten. Es müsse daher als ausreichend angesehen werden, wenn ein Abwasserbeseitigungssystem nach dem im Zeitpunkt seiner Projektierung maßgeblichen technischen Richtlinien nach dem damaligen Stand der Technik und den wissenschaftlichen Erkenntnissen geplant und errichtet wurde. Änderungen im Stand der Technik und der Wissenschaften müßten die Beklagte dann zu einer Sanierung oder Erweiterung ihres Systems veranlassen, wenn diese neuen Erkenntnisse bekannt und auch allgemein beachtet worden seien. Ab diesem Zeitpunkt könne nicht mehr von einer allgemeinen Ortsüblichkeit des ursprünglich ausgeführten Systems gesprochen werden. Die Klärung der Frage, ob das von der Beklagten errichtete Kanalsystem dem Kriterium der Ortsüblichkeit entspreche, mache aber die Aufnahme eines weiteren Sachverständigenbeweises erforderlich. Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht auch über das Feststellungsbegehren zu entscheiden haben.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Aufhebungsbeschluß erhobene Revisionsrekurs ist insoweit unzulässig, als er die Abänderung des angefochtenen Beschlusses dahin anstrebt, daß die Haftung der Beklagten für künftige Schäden am Haus des Klägers durch Eintritt von Kanalwässern aus dem öffentlichen Kanalsystem im Ausmaß von 75 % festgestellt werde.

Das Gericht zweiter Instanz hat zwar den Beschluß, mit welchem es infolge des Rekurses des Klägers die Klagsausdehnung durch Erhebung des Feststellungsbegehrens für zulässig erkannte, gemeinsam mit dem angefochtenen Beschluß ausgefertigt, das Feststellungsbegehren wurde jedoch dadurch nicht zum Gegenstand des allein angefochtenen Aufhebungsbeschlusses. Daran vermag auch die etwas mißverständliche Formulierung des Berufungsgerichtes, das dem Erstgericht im Punkt II. 2. seiner Entscheidung im letzten Halbsatz auch die Entscheidung über das Feststellungsbegehren auftrug, nichts zu ändern, weil damit offenkundig nur auf die durch die Zulassung der Klagsausdehnung erweiterte Entscheidungspflicht des Erstgerichts verwiesen werden sollte. Es mangelt an einer im Sinne des § 519 Abs 1 Z 2 ZPO zu bekämpfenden meritorischen Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz, weshalb der Oberste Gerichtshof, selbst wenn er die Sache für spruchreif hielte, in diesem Umfang nicht entscheiden könnte; ein Fall des § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO liegt daher nicht vor. Der Revisionsrekurs gegen den sich lediglich als Folge der Zulassung der Klagsausdehnung durch das Gericht zweiter Instanz ergebenden Ausspruch über die Verfahrensfortsetzung ist daher unzulässig.

Darüber hinaus kommt dem Revisionsrekurs Berechtigung zu.

Der Kläger hat unter anderem vorgebracht, die Beklagte habe es rechtswidrig und schuldhaft unterlassen, ihm für die Errichtung des Hausanschlusses entsprechende Auflagen, insbesondere durch Vorschreibung des Einbaues eines Rückstauventiles, zu geben. Damit hat er erkennbar seine Ansprüche auch auf den Titel des Amtshaftungsgesetzes gestützt. Gemäß § 8 Abs 1 AHG idF Wertgrenzen-Novelle 1989 setzt die Erhebung eines Amtshaftungsanspruches nicht mehr zwingend die Durchführung eines Aufforderungsverfahrens voraus. Ob daraus, daß das Erstgericht auch über dieses Vorbringen des Klägers verhandelt hat und damit die Zuständigkeitsnorm des § 9 Abs 1 AHG unbeachtet ließ, eine schlüssige Bejahung der sachlichen Zuständigkeit des Erstgerichtes und damit die Begründung seiner Zuständigkeit auch für Amtshaftungssachen abgeleitet werden könnte (vgl 1 Ob 34/89; Schragel AHG2, Erg.heft, 22), muß im Revisionsverfahren nicht mehr geprüft werden, weil der Revisionsrekurswerber auf diesen Rechtsgrund, den das Gericht zweiter Instanz ausdrücklich als nicht in seine Prüfungskompetenz fallend, erachtete, in seinem Rechtsmittel nicht zurückkommt.

Die Haftung nach § 26 Abs 2 WRG, auf welche Bestimmung sich der Kläger in seinem Revisionsrekurs beruft, stellt eine Sonderregelung der sonst gegebenen nachbarrechtlichen Haftung dar und schließt innerhalb ihres Anwendungsbereiches die Heranziehung der Bestimmungen der §§ 364 ff ABGB aus (SZ 54/64; SZ 55/16; JBl 1991, 247; SZ 60/265). Der Regelung des § 26 Abs 2 WRG liegt ein Prioritätsprinzip zugrunde (SZ 59/129; SZ 66/177; Koziol, Österr. Haftpflichtrecht2 II 333). Danach haftet der Wasserberechtigte nur für den Ersatz jenes Schadens, der durch den rechtmäßigen Bestand oder Betrieb einer Wasserbenutzungsanlage an einer Liegenschaft oder einem Bauwerk entsteht, das schon bei Erteilung der Bewilligung bestanden hat (SZ 66/177; 1 Ob 24/92). Nach den Feststellungen erfolgte die wasserrechtliche Bewilligung der Kanalanlage viele Jahre vor Errichtung des Hauses des Klägers, sodaß schon aus diesem Grunde die Norm des § 26 WRG nicht zur Anwendung gelangen kann.

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ist daher ausschließlich nach den nachbarrechtlichen Bestimmungen der §§ 364 ff ABGB zu prüfen. Gemäß § 364 Abs 2 ABGB kann der Eigentümer eines Grundstückes dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen. Unmittelbare Zuleitungen sind ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig. Nach ständiger Rechtsprechung schützt das Nachbarrecht auch Eigentümer von Privatgrundstücken gegenüber Beeinträchtigungen, die von öffentlichem Grund oder öffentlichen Anlagen (selbst wenn diese auf Privatgrund errichtet sind) ausgehen (SZ 51/184; SZ 54/137). Bei einer im allgemeinen Interesse liegenden öffentlichen Anlage, wie etwa dem Kanalnetz der Beklagten, steht dem Geschädigten insoweit kein Unterlassungsanspruch gemäß § 364 Abs 2 ABGB zu, als es sich um eine behördlich genehmigte Anlage im Sinne des § 364 a ABGB handelt oder zumindest eine solche, bei der eine Analogie zu der genannten Gesetzesstelle gerechtfertigt ist. Hauptkanäle, die auf Grund von Gemeinderatsbeschlüssen angelegt wurden, werden als behördlich genehmigte Anlagen angesehen (SZ 51/184). Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch ist insbesondere dann, wenn der Eingriff in das Eigentumsrecht des Nachbarn von einer behördlich genehmigten Anlage ausgeht (§ 364 a ABGB), verschuldensunabhängig (SZ 51/47; SZ 54/137; SZ 60/265; SZ 65/38). Der Ausgleichsanspruch setzt einen der Enteignung verwandten Tatbestand voraus: Der Geschädigte hat einen Entschädigungsanspruch, weil er im Interesse des Nachbarn Eingriffe in sein Eigentum hinnehmen muß, die über die normale Duldungspflicht, wie sie § 364 Abs 2 ABGB vorschreibt, hinausgeht. Die Interessen des Nachbarn sind also von der Rechtsordnung oft wegen dahinterstehender Gründe des öffentlichen Wohles höher bewertet als das Eigentumsrecht des Betroffenen. Auch jede Analogie zu § 364 a ABGB hat an diese Grundsituation anzuknüpfen. Dem Geschädigten muß ein Abwehrrecht genommen sein, das ihn nach dem Inhalt seines Eigentums an sich zugestanden wäre. Auch die Verpflichtung zum Ersatz von Schäden, die Nachbarn durch einmalige Vorfälle durch Eindringen von Wasser entstanden, wurde vom Obersten Gerichtshof stets anerkannt (SZ 55/172; SZ 60/265).

Der Ausgleichsanspruch gemäß § 364 a ABGB würde dem Kläger daher selbst dann zustehen, wenn die Kanalanlage nicht als behördlich bewilligt beurteilt werden könnte, etwa weil sie von dem vom Gemeinderat beschlossenen und wasserrechtlich bewilligten Projekt zur Gänze abweicht. Ob die Feststellung des Erstgerichtes, die Kanalführung weiche im Bereich des Hauses des Klägers vom projektierten Verlauf ab, in diesem Sinne zu werten ist, muß daher nicht untersucht werden.

Der Oberste Gerichtshof hat sich - soweit überblickbar - in den Entscheidungen SZ 51/184; SZ 52/79; SZ 59/5 und SZ 59/47 mit nachbarrechtlichen Ansprüchen infolge von öffentlichen Kanälen ausgehender Schädigungen befaßt. Er hat jeweils grundsätzlich das Vorliegen des verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruches gemäß § 364 a ABGB bejaht. Entgegen der vom Gericht zweiter Instanz vertretenen Ansicht kann aber all diesen Entscheidungen nicht entnommen werden, daß die Gemeinde nur in einem geringeren Umfang zur Haftung herangezogen werden könnte als sonst ein Nachbar. Ganz im Gegenteil lehnte der Oberste Gerichtshof insbesondere in SZ 51/184 ausdrücklich eine Einschränkung der nachbarrechtlichen Haftung auch in den Fällen, in welchen der Schaden durch eine der allgemeinen Daseinsvorsorge dienende Anlage verursacht wird, ausdrücklich ab. Es sei nicht einzusehen, warum der Rechtsträger, der - wenn auch dem Nutzen der Allgemeinheit dienend - Anlagen errichtet, in geringerem Maße haften solle als ein anderer Nachbar. Der Geschädigte könne nicht verpflichtet werden, nur wegen der öffentlichen Aufgaben des Schädigers Schäden selbst zu tragen, wenn dies ohne diese Aufgabe nicht der Fall wäre. Es bedürfte einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung, wollte man einem Geschädigten eine solche Last zugunsten der Gemeinde bzw der Allgemeinheit aufbürden. Von dieser Ansicht abzugehen sieht sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlaßt. Mag auch im Rahmen der öffentlichen Verwaltung eine Kosten-Nutzenrechnung anzustellen sein, kann nach dem Sinn des Gesetzes nicht hingenommen werden, daß einzelne Gemeindebürger wegen der Allgemeinheit zugute kommender Einsparungen Schäden erleiden, für die sie keine Vergütung erlangen könnten. Da es auf ein Verschulden der Beklagten nicht ankommt, ist es in diesem Zusammenhang auch unerheblich, ob die Anlage im Zeitpunkt ihrer Errichtung den Regeln der Technik entsprochen hat und ob sich die Berechnungsparameter in der Folge geändert haben. Selbst wenn die Anlage technisch einwandfrei hergestellt ist, haftet deren Betreiberin für die von dieser ausgehenden Schäden.

Gemäß § 364 Abs 2 letzter Satz ABGB sind unmittelbare Zuleitungen ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig. Sie müssen unter keinen Umständen geduldet werden. Der Störer hat dann nicht die Möglichkeit, sich auf die Ortsüblichkeit zu berufen (SZ 44/131; SZ 55/30). Unmittelbare Zuleitung liegt nicht nur dann vor, wenn die Tätigkeit des Nachbarn unmittelbar auf die Einwirkung gerichtet ist (SZ 45/7), sondern auch, wenn die Zuleitung durch eine Veranstaltung bewirkt wird, die für eine Einwirkung gerade in der Richtung auf das Nachbargrundstück hin ursächlich ist (SZ 50/84; SZ 55/30; JBl 1995, 317). Entscheidend ist somit nicht, daß die Beklagte zum Eintritt der schädlichen Einwirkung auf das Nachbargrundstück nicht unmittelbar beigetragen hat, sondern daß sie durch ihre Kanalanlage die Möglichkeit zum Eintritt von Wasser in den Keller des Klägers eröffnete (vgl SZ 55/30; JBl 1995, 317). Es bedarf daher auch keiner weiteren Feststellungen zur Ortsüblichkeit der von der Beklagten gewählten Dimensionierung der Kanalrohre.

Da sich die Rechtssache somit, soweit das Leistungsbegehren betroffen ist, als spruchreif erweist, ist in Stattgebung des Revisionsrekurses das Ersturteil - wegen des noch zu erledigenden Feststellungsbegehrens als Teilurteil - wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 2 ZPO.

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