OGH 1Ob31/81

OGH1Ob31/817.10.1981

SZ 54/137

Normen

ABGB §364
ABGB §364a
StmkLStVG §26
StmkLStVG §27
ABGB §364
ABGB §364a
StmkLStVG §26
StmkLStVG §27

 

Spruch:

Wurde ein Nachbar nicht bescheidmäßig zur Duldung von Wasser- und Schlammableitung von einer öffentlichen Straße auf seinen Grund verpflichtet, stehen ihm gegen den Träger der Straßenverwaltung nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche für Schäden zu, die aus der unmittelbaren Zuleitung von Wasser über Wasserableitungsanlagen der Straße entstanden

OGH 7. Oktober 1981, 1 Ob 31/81 (OLG Graz 3 R 40/81; LGZ Graz 23 Cg 358/78)

Text

Der Kläger ist Eigentümer von Liegenschaften in der KG R. Mit Bescheid der Gemeinde R vom 28. Oktober 1970, GZ 771/1970, erfolgte die Baugrundwidmung des im Eigentum des Klägers stehenden Grundstückes 579/1, auf dem zwei Appartementhäuser und ein Hallenbad errichtet wurden. Südwestlich davon verläuft höher gelegen die im Eigentum der beklagten Partei, des Landes Steiermark, stehende Landesstraße 722 (Rohrmooser Straße), die in der Zeit zwischen 5. Juli 1971 und 26. November 1973 auf Grund einer von einem Zivilingenieurbüro durchgeführten Planung ausgebaut und neu trassiert wurde. Der Ausbau der Landesstraße wurde mit Bescheid des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 26. November 1970, GZ 3-328 Ro 8/5-1970, genehmigt. Die Baubewilligung für das Appartementhaus I und das Hallenbad wurde mit Bescheid vom 19. Jänner 1971, die Benützungsbewilligung am 18. Dezember 1971 erteilt. Das Appartementhaus II wurde ab Herbst 1972 errichtet, die Benützungsbewilligung wurde am 17. Dezember 1975 erteilt. Durch die Neutrassierung der Straße oberhalb der Gebäude des Klägers wurden die Einzugsflächen für die Abfuhr der Oberflächenwasser wesentlich erweitert; es wurde auch der gesamte Wasserhaushalt beeinflußt, so daß die Anlegung eines neuen Rohrdurchlasses (RD 2) notwendig wurde. Dieser Rohrdurchlaß mundet oberhalb einer Felsböschung in ein darunterliegendes versumpftes Gebiet aus, in dem die Grenze zu den Grundstücken des Klägers verläuft. Ein weiterer Rohrdurchlaß (RD I) wurde an die Verrohrung der talseitig gelegenen Grundstücke angeschlossen. Ein Spitzgraben verhindert zwar ein Abrinnen auf Grund des Quergefälles, bewirkt aber eine Konzentration des Wassers zum talwärts gelegenen Schacht. Im bergwärts gelegenen Teil der Straßenkehre befindet sich oberhalb der Rohrdurchlässe 1 und 2 der Rohrdurchlaß 3 (RD 3). Durch diesen Rohrdurchlaß werden nicht nur die Oberflächenwässer, die im oberen Teil der Straßenkehre anfallen, sondern auch das gesamte Wasser aus der bergseitigen Entwässerungsmulde und aus einem südlich der Straße befindlichen Spitzgraben aufgefangen und abgeleitet. Der bergseitige Einlaufschacht zum RD 1 war ursprünglich mit einem Betondeckel abgedeckt, so daß der Einmundungsquerschnitt zirka 60 cm breit war; die Scheitelhöhe in der Mitte des Betondeckels betrug 20 cm. Die gleiche Dimension wies das dazugehörige, mit einem Holzdeckel versehene Auslaufbauwerk auf. Auch der Querschnitt des Einlaufschachtes des RD 2 war sehr eng. Schon mit Schreiben vom 16. August 1972 wies der Kläger den Bürgermeister der Gemeinde R darauf hin, daß sämtliche Oberflächenwässer der neu trassierten Landesstraße in Richtung seines Grundstückes abgeleitet werden; er sei nicht gewillt, diese Wassermassen aufzufangen und Schaden auf Grund eines Wassereinbruches zu tragen. Davon setzte der Bürgermeister die zuständige Baubetriebsleitung in Kenntnis.

Der Kläger begehrt den Zuspruch eines Betrages von 438 518.05 S samt Anhang. Er brachte vor, die Schachteinläufe der Durchlässe seien unzureichend ausgebildet, die Durchlaßrohre wiesen einen viel zu geringen Durchmesser auf. Während einer Tauperiode am 10. und 11. Jänner 1976 und nach starken Regenfällen am 14. Juni 1977 seien Oberflächenabwässer der Landesstraße, die früher insbesondere vom sogenannten Rohrmooserbacherl aufgenommen worden seien, aber nunmehr aus einem weiträumigen Bereich gesammelt und über die Rohrdurchlässe abgeleitet würden, in die Liegenschaft des Klägers eingedrungen und hätten Garten- und Weganlagen sowie Freizeiteinrichtungen vermurt und beschädigt. Wasser- und Schlammengen seien auch in die Gebäude eingedrungen und hätten erheblichen Sachschaden angerichtet. Durch den Wassereinbruch vom 10. und 11. Jänner 1976 sei ein Schaden von 95 418.05 S, durch den vom 14. Juni 1977 ein Schaden von 558 518.05 S entstanden. Auf diesen Schadensbetrag habe die beklagte Partei eine Teilzahlung von 100 000 S geleistet. Es werde jeder denkbare Rechtsgrund geltend gemacht, insbesondere aber die Haftung auf Grund der Vorschriften der §§ 364 ff. ABGB; die beklagte Partei habe aber auch schuldhaft gehandelt. Ein Mitverschulden träfe den Kläger nicht. Der Kläger habe erkennen können, daß Rohrdurchlässe und Schachteinläufe geplant seien. Der Kläger durfte als Laie darauf vertrauen, daß diese Anlagen in ausreichendem Ausmaß für den beabsichtigten Zweck technisch einwandfrei berechnet und errichtet worden seien. Der eigene Hang des Klägers sei ausreichend drainagiert.

Die beklagte Partei bestritt, daß die Rohrdurchlässe einen zu geringen Durchmesser aufwiesen. Die vom Kläger behaupteten Schäden seien nicht auf Mängel der Baulichkeiten der Landesstraße, sondern darauf zurückzuführen, daß der Kläger die Häuser in einer Hanglage errichtet habe, ohne Vorkehrungen für die Beseitigung der Oberflächenwässer zu treffen. Die Baubewilligung sei auch erst nach Abschluß des straßenrechtlichen Verfahrens erteilt worden, der Kläger hätte sich mit diesen Gegebenheiten vertraut machen müssen und die Baumaßnahmen der Situation anzupassen gehabt. Ein Verschulden der beklagten Partei sei nicht gegeben. Auch wenn die beklagte Partei die Landesstraße nicht errichtet hätte, wäre das gesamte Hangwasser auf die Liegenschaften des Klägers gedrungen. Es bestehe auch keine Verpflichtung der beklagten Partei, Wasser abzuleiten.

Das Erstgericht wies mit Teilurteil das Begehren auf Bezahlung eines Betrages von 95 418.05 S samt Anhang ab und sprach mit Zwischenurteil aus, daß die Forderungen des Klägers aus dem Schadensereignis vom 14. Juni 1977 dem Gründe nach zu Recht bestehen. Es stellte fest, in der Zeit vom 1. Jänner bis 11. Jänner 1976 habe im Raum R eine Warmwitterungsphase mit Werten bis zu plus 9 Grad geherrscht. Am 11. Jänner 1976 sei die Schneedecke durch den ganztägigen als Regen fallenden Niederschlag (34 Liter/m[2]) um 10 cm zurückgegangen. Aus diesem Grund seien große Wassermengen hauptsächlich im östlichen Hangbereich talwärts geflossen und in die Kellerräume des Appartementhauses II, deren Öffnungen niveaugleich mit dem Erdboden gelegen seien, und in das Erdgeschoß eingedrungen. Nach einer Aussprache mit Ing. Herbert U von der Baubezirksleitung Liezen habe der Kläger einen offenen Graben parallel zur Südseite des Appartementhauses II errichten lassen. Am 14. Juni 1977 nachmittags und abends sei es mehrfach zu Gewittern mit Hagelschlag gekommen. In der Zeit von 19.30 Uhr bis 21.30 Uhr sei der Niederschlag außergewöhnlich stark gewesen (18.3 mm). Durch die Konzentration der Oberflächenwässer und wegen des zu geringen Einmundungsquerschnittes der RD 1 sei das Hangwasser über die Fahrbahn der Landesstraße hinweggeflossen und habe sich über die Liegenschaft des Fritz L auf die des Klägers ergossen. Beide Häuser des Klägers und das Hallenbad seien dadurch beschädigt worden. Nach diesem Ereignis habe der Kläger die Gitter an den Kellerschachten erhöht; die beklagte Partei habe die Deckel des Rohrdurchlasses 1 entfernt und eine kleine Stützmauer errichtet. Das von der beklagten Partei gewählte Sammel- und Ableitungssystem sei zwar fachlich in Ordnung, es wären aber einige Detailverbesserungen wie die Führung einer Entwässerungsmulde entlang der südlichen Straßenseite, die Verlegung des RD 2, die Vergrößerung der Einlaufschächte und Abdeckung mit Einlaufgittern bei gleichzeitiger Vergrößerung der Einlaufquerschnitte der RD 1 und RD 2, die Anlegung eines Entwässerungskanales mit Gitterabdeckungen im Straßenniveau am talseitigen Fahrbahnrand sowie die Schaffung eines Gerinnes im Bereich des Fußes der Böschung oberhalb der Gebäude des Klägers notwendig. Hand in Rand müßten aber auch bauliche Maßnahmen im Bereich der Häuser des Klägers gesetzt werden, nämlich die Anordnung eines richtig dimensionierten Schutzgrabens unmittelbar hinter den Häusern und eines ausreichenden Schutzes der Lichtschächte. Bei Tauwettereinbruch wären nur unmittelbar im Bereich der Häuser getroffene Vorkehrungen geeignet, ein Eindringen von Wasser zu verhindern. Man könne zwar nicht ausschließen, daß auch vor der Neutrassierung ein Schadensereignis hätte eintreten können; durch die Neutrassierung sei aber der Wasseranfall wesentlich größer geworden.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß zwar ein Verschulden der beklagten Partei nicht vorliege, ein Ausgleichsanspruch für die am 14. Juni 1977 eingetretenen Schäden sei aber gegeben. Damals sei es überwiegend von der Landesstraße ausgehend zu außergewöhnlichen Beeinträchtigungen und Störungen der ortsüblichen Nutzung der Liegenschaften des Klägers gekommen. Es bedürfte wohl keiner Ausführung, daß Hangwässer allein kaum in einer derart geballten Menge zu Tal flössen, wie dies bei durch ein Rohrleitungs- und Entwässerungsmuldensystem gesammelte Oberflächenwässer geschehe, für die die Rohrdurchlässe und Einlaufschächte zu gering dimensioniert gewesen seien. Bei einer geschlossenen Schneedecke, die bei Regen plötzlich um rund 1/3 abschmelze, seien aber die Rohrdurchlässe und Einlaufschächte nur von untergeordnetem Belang. Für das Schadensereignis vom Jänner 1976 gebühre daher dem Kläger kein Ersatz, seine Forderungen aus dem Schadensereignis vom 14. Juni 1977 bestunden aber dem Gründe nach zu Recht.

Beide Teile erhoben Berufung. Das Berufungsgericht gab nur der Berufung des Klägers Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es aussprach, auch die Forderung des Klägers aus dem Schadensereignis vom Jänner 1976 bestehe dem Gründe nach zu Recht. Es übernahm die auf Grund eines mängelfreien Verfahrens getroffenen Feststellungen des Erstgerichtes. Wären die Organe der beklagten Partei bei der Bauausführung der Straße mit der ihnen zumutbaren Aufmerksamkeit und Sorgfalt vorgegangen, hätten sie auf andere als die von ihnen gehandhabte Weise für den Abfluß des bei heftigen Gewittern auftretenden Oberflächenwassers Sorge tragen müssen. So hätten sie bereits damals jene Maßnahmen zu treffen gehabt, die nunmehr in diesem Prozeß vom Sachverständigen als Verbesserung des bestehenden Abflußsystems vorgeschlagen worden seien. Wäre von ihnen auf solche Weise vorgegangen worden, hätte auch bei extremen Wettersituationen weitgehend das Eindringen von Wasser und des von ihm mitgeführten Materials in die Anlagen und Gebäude des Klägers verhindert werden können. Ein allfälliges Mitverschulden des Klägers habe dabei außer Betracht zu bleiben, da ein solches von der beklagten Partei nicht eingewendet worden sei. Schuldhaftes Handeln müsse den Organen der beklagten Partei vor allem für das Ereignis vom Juni 1977 vorgeworfen werden. Ob ihnen ein solches auch für das Ereignis vom Jänner 1976 zur Last falle, müsse angesichts der Tatsache dahingestellt bleiben, daß damals nur unmittelbar im Bereich der beiden Appartementhäuser des Klägers getroffene Vorkehrungen geeignet gewesen wären, ein Eindringen von Wasser zu verhindern, weil damit der Kausalzusammenhang zwischen einem Verschulden der Organe der beklagten Partei und dem eingetretenen Schaden in Frage gestellt erscheine. Auf jeden Fall hafte aber die beklagte Partei dem Kläger für die anläßlich beider Ereignisse entstandenen Schäden nach § 364a ABGB. Dabei handle es sich um einen Fall der Erfolgshaftung, in deren Rahmen stets voller Schadenersatz zu leisten sei. Die beklagte Partei könne sich auch nicht darauf berufen, daß der Kläger durch Unterlassung entsprechender Vorkehrungen die eingetretenen Schäden mitverursacht hätte, weil sie den Einwand der Mitverursachung erstmals in der Berufung erhoben habe.

Über Revision des Klägers änderte der Oberste Gerichtshof das Urteil des Berufungsgerichtes dahin ab, daß er die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherstellte.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die beklagte Partei hätte für den Fall der Notwendigkeit der Ableitung von Wasser und Schlamm von der Straße auf fremden Grund gemäß §§ 26 Abs. 2, 27 Abs. 1 des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964, LGBl. 154, die Möglichkeit gehabt, eine Entscheidung der Landesregierung darüber herbeizuführen, ob und in welchem Umfang eine Duldungspflicht von Anrainern besteht. Hätte die Landesregierung von der ihr zustehenden rechtlichen Möglichkeit Gebrauch gemacht, wäre sie gemäß § 27 Abs. 4 dieses Gesetzes allerdings auch verpflichtet gewesen, eine Entschädigungssumme festzusetzen. Machte die beklagte Partei aber von der ihr zustehenden rechtlichen Möglichkeit keinen Gebrauch, ist ihre Haftung nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu prüfen.

Zutreffend wendet sich die Revision dagegen, daß die beklagte Partei für die eingetretenen Schäden auf Grund eigenen Verschuldens zu haften habe, wie es das Berufungsgericht zumindest für den Wassereinbruch vom 14. Juni 1977 annahm. Denn selbst wenn man im Sinne der Entscheidung SZ 51/80 davon ausgeht, daß eine juristische Person nicht nur für ihre in der Satzung (Verfassung) vorgesehenen (vertretungsbefugten) Organe, sondern auch für ihre Repräsentanten d. s. bei ihnen tätige Personen mit gehobenem selbständigem Wirkungskreis, zu haften habe, darf nicht übersehen werden, daß die Planung für das Straßenprojekt nicht von der beklagten Partei selbst, sondern in ihrem Auftrag von einem privaten Zivilingenieur erstellt wurde. Daß dieser aber ein im Sinne des § 1315 ABGB untüchtiger oder gefährlicher Besorgungsgehilfe gewesen wäre, wurde nicht vorgebracht.

Traf die Landesregierung aber keine Entscheidung nach den §§ 26 Abs. 2 und 27 Abs. 1 des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes, so war der beklagten Partei eine unmittelbare Zuleitung schon nach der allgemeinen Vorschrift des § 364 Abs. 2 letzter Satz ABGB, auch wenn es sich um eine behördlich genehmigte Anlage handelte, verboten und daher rechtswidrig (SZ 49/7; SZ 48/131; JBl. 1966, 144; Klang[2] II, 177; Ehrenzweig[2] I/2, 132 f.). Insoweit durch eine solche unmittelbare Zuleitung der Kläger einen Schaden erlitt, stand ihm zwar kein Unterlassungsanspruch, wohl aber ein Ausgleichsanspruch nach den §§ 364 f. ABGB zu. Diese Vorschriften sind auch im Verhältnis eines beeinträchtigten Privatgrundstückes zu einer öffentlichen Straße anzuwenden (SZ 51/84; GesRZ 1980, 216; SZ 47/140; SZ 43/139; JBl. 1969, 442; SZ 38/106 u.v.a.). Die nachbarrechtliche Haftung besteht auch dafür, daß durch das behördlich genehmigte Straßenbauprojekt die natürlichen Ablaufverhältnisse von Gewässern im Hangbereich oberhalb der Straße verändert wurden (ähnlich 1 Ob 33/77). Das Nachbarrecht schützt dabei nicht nur den Anrainer, sondern auch den Eigentümer einer Liegenschaft, der keine gemeinsame Grenze zu jenem Grundstück aufweist, von dem das schädigende Ereignis ausgeht, auf den sich aber diese Einwirkungen nachteilig auswirken (EvBl. 1981/9;

MietSlg. 30 035; JBl. 1973, 87; SZ 43/139; EvBl. 1970/226 u. a.;

Klang[2] II, 168). Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch ist insbesondere dann, wenn der Eingriff in das Eigentumsrecht des Nachbarn von einer behördlich genehmigten Anlage ausgeht (§ 364a ABGB), verschuldensunabhängig (SZ 51/47; SZ 50/160; EvBl. 1976/190 u. a.). Dieser Ausgleichsanspruch setzt einen der Enteignung verwandten Tatbestand voraus; der Geschädigte hat einen Ersatzanspruch, weil er im Interesse des Nachbarn Eingriffe in sein Eigentum hinnehmen muß, die über die normale Duldungspflicht, wie sie § 364 Abs. 2 ABGB vorschreibt, hinausgehen. Die Interessen des Nachbarn sind also von der Rechtsordnung oft wegen dahinterstehender Gründe des öffentlichen Wohles höher bewertet als das Eigentumsrecht des Betroffenen. Jede Analogie zu § 364a ABGB hat an diese Grundsituation anzuknüpfen. Dem Geschädigten muß ein Abwehrrecht genommen sein, das ihm nach dem Inhalt seines Eigentums "an sich" zugestanden wäre (SZ 51/47; SZ 50/160 und die dort zitierte Literatur). Das gilt nicht nur für eine Wasserleitung (EvBl. 1976/190), sondern auch für Wasserleitungsanlagen öffentlicher Straßen, bei deren Errichtung von Nachbarn davon ausgegangen werden kann, daß diese schon nach Maßgabe der getroffenen behördlichen Maßnahmen keine Schäden für sie zur Folge haben werden. Eine Haftungsbefreiung der beklagten Partei folgt auch nicht daraus, daß der Straßenbau bescheidmäßig früher genehmigt als dem Kläger die Baubewilligung erteilt wurde. Die Umwidmung in einen Bauplatz erfolgte ohnehin vor der straßenbaurechtlichen Genehmigung. Es kommt daher nur darauf an, ob die vom Grundstück der beklagten Partei ausgehenden Einwirkungen die Nutzung des Baugrundstückes beeinträchtigten, was für die Folgen des Unwetters vom 14. Juni 1977 im Tatsachenbereich bejaht wurde.

Gegen den gestellten Ausgleichsanspruch ist zwar die Einwendung des Mitverschuldens grundsätzlich zulässig (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II, 249). Eine solche Einwendung wurde aber von der beklagten Partei in erster Instanz nicht erhoben. Die beklagte Partei brachte dort nur vor, dem Kläger wäre anläßlich der Verbauung die Tatsache der Errichtung der Landesstraße bekannt gewesen, er hätte sich mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut zu machen und dementsprechend die Baumaßnahme der vorliegenden Situation anzupassen gehabt. Damit wird dem Kläger aber noch nicht vorgeworfen, schuldhaft sorglos gegen eigene Rechtsgüter vorgegangen zu sein. Der Kläger konnte und mußte nämlich damit rechnen, daß schon im Hinblick auf die Möglichkeiten, die der beklagten Partei durch die §§ 26 Abs. 2 und 27 Abs. 1 des Steiermärkischen Landesstraßenverwaltungsgesetzes 1964 eingeräumt sind, die projektierte Neutrassierung den nachbarrechtlichen Erfordernissen entsprechen werde. Eine Behauptung, die Bauführung des Klägers hätte unabhängig von den von der Landesstraße ausgehenden Einwirkungen diesem Grundsatz deshalb nicht entsprochen, weil der Kläger eine Bauführung gewählt hätte, die den im Gebirge immer vorkommenden natürlichen Wasserabflußverhältnissen bei starken Regenfällen oder Tauwetter nicht Rechnung getragen hätte, stellte die beklagte Partei nicht auf. Auf eine "Mitverursachung" könnte sich die beklagte Partei aber nur insoweit berufen, als durch Abwässer, die von den Grundstücken des Klägers oder dritter Personen kamen, der eingetretene Schaden vergrößert wurde. Eine solche Feststellung trafen die Vorinstanzen nicht. Zum im Juni 1977 entstandenen Schaden sind damit die Entscheidungen der Vorinstanzen zu bestätigen.

Die Haftung der beklagten Partei für den Wassereinbruch anläßlich des Tauwetters im Jänner 1976 ist hingegen nach den getroffenen Feststellungen zu verneinen. Voraussetzung jedes Ausgleichsanspruches ist es, daß die vom Grundstück des Nachbarn ausgehenden oder durch die Änderung der Ablaufverhältnisse des Wassers geschaffenen Einwirkungen kausal für die eingetretenen Schäden waren. Das Erstgericht traf darüber für den Vorfall im Jänner 1976 zunächst nur die Feststellung, daß die Tauwässer hauptsächlich im östlichen Bereich des Hanges, also offensichtlich östlich der Straßenkehre, talwärts flossen. In seiner rechtlichen Beurteilung ging es davon aus, daß die für den Schadensfall vom 14. Juni 1977 gegebenen Kriterien, also die unzulänglichen Einlaufschächte und Rohrdurchlässe bei einer geschlossenen Schneedecke, die bei Regen plötzlich um rund ein Drittel abschmelze, nur von untergeordnetem Belang seien, die von der beklagten Partei gesetzten baulichen Veränderungen also den Schadenseintritt nicht beeinflußt hätten, sondern der Schaden auch entstanden wäre, wenn die beklagte Partei keine Veränderungen vorgenommen hätte. Eine Haftung der beklagten Partei könnte aber nur eintreten, wenn festgestellt worden wäre, daß die von ihr gesetzten Maßnahmen den Schaden verursacht oder zumindest vergrößert hätten. Der Kläger rügte zwar in seiner Berufung die Feststellung des Erstgerichtes, daß das Schadensereignis vom 11. Jänner 1976 darauf zurückzuführen sei, daß infolge Tauwetters die Schneedecke schmolz und die anfallenden Wassermengen mit der Straßenanlage nicht im Zusammenhang stunden. Das Berufungsgericht ging aber davon aus, daß eine solche Feststellung vom Erstgericht gar nicht getroffen worden sei. Es übernahm abschließend die gesamten Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich. Der Kläger rügte in seiner Revisionsbeantwortung diese Erledigung seiner Beweisrüge durch das Berufungsgericht nicht. Wie in der Entscheidung SZ 51/137 klargestellt wurde, ist von jeder Partei zu fordern, daß sie in der letzten zulässigen Rechtsmittelschrift (hier der Revisionsbeantwortung) wenigstens hilfsweise ihr unrichtig erscheinende Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen bekämpft. Mängel des Berufungsverfahrens können vom Revisionsgericht nur wahrgenommen werden, wenn sie ausdrücklich gerügt wurden. Dies muß auch gelten, wenn das Berufungsgericht eine Beweisrüge der in der ersten Instanz unterlegenen Partei nicht oder unrichtig erledigte, aber der Berufung aus anderen Gründen Folge gab und die seinerzeit gerügte vom Berufungsgericht übernommene bzw. unrichtig erledigte Feststellung nunmehr im Revisionsverfahren erheblich sein könnte.

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