OGH 1Ob16/77

OGH1Ob16/778.6.1977

SZ 50/84

Normen

ABGB §364
ABGB §164a
ABGB §383
JN §1
Wasserrechtsgesetz §138
ABGB §364
ABGB §164a
ABGB §383
JN §1
Wasserrechtsgesetz §138

 

Spruch:

Der beeinträchtigte Fischereiberechtigte kann im Rekursweg die Unterlassung der Überschreitung des behördlich genehmigten Maßes der Abwässerzuleitung einer Bergwerksanlage begehren

OGH 8. Juni 1977, 1 Ob 16/77 (OLG Graz 5 R 44/77; LG Klagenfurt 18 Cg 293/76)

Text

Der Kläger behauptet, als Fischereiberechtigter am N-Bach durch die weit über das von der Wasserrechtsbehörde genehmigten Ausmaß erfolgende Einleitung von Abwässern des Bergbaubetriebes der Beklagten geschädigt zu werden, und beantragt deshalb die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung der Einbringung von Flotationsabwässern in den N-Bach über eine Menge von 70 000 Jahrestonnen hinaus. Die Beklagte bestritt das behauptete Fischereirecht des Klägers, eine mengenmäßige Begrenzung der zugelassenen Abwässer durch die Wasserrechtsbehörde und einen privatrechtlichen Unterlassungsanspruch des Klägers. Außer Streit steht, daß aus der Flotationsanlage der Beklagten seit den letzten Jahren wesentlich mehr als 70 000 Jahrestonnen Abgänge in den N-Bach eingeleitet werden und daß ein wasserrechtliches Verfahren um Genehmigung der Einleitung einer Gesamtmenge von 150 000 t, richtig 190 000 t Feststoffen jährlich in den N-Bach noch anhängig ist.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren auf Grund dieses Sachvorbringens und des Inhaltes der vorgelegten Urkunden ab. Er erachtete auf Grund der als echt und richtig anerkannten Urkunde Beilage 1 als zusätzlich außer Streit stehend, daß die Beklagte mit Eingabe vom 28. Jänner 1944 um die wasserrechtliche Bewilligung der Einleitung der Abwässer ihrer Aufbereitungsanlage in B in den N-Bach in jeder Menge und Beschaffenheit ersucht habe, wie sie dies in den letzten Jahren (vorher) bereits getan habe. Der Erstrichter vertrat die Rechtsansicht, daß zwar auch der Fischereiberechtigte den nachbarrechtlichen Schutz des § 364 ABGB genieße, daß aber § 364a ABGB den Nachbarn im Falle der Beeinträchtigung durch eine Bergwerksanlage auf einen Schadenersatzanspruch beschränke, so daß das Unterlassungsbegehren unzulässig sei.

Das Berufungsgericht gab der vom Kläger erhobenen Berufung Folge und hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es billigte die Meinung des Erstrichters, daß auch dem Fischereiberechtigten der nachbarrechtliche Schutz zukomme. Darüber hinaus stelle aber die Zuführung von Abwässern eine unmittelbare Zuleitung dar, die nach der allgemeinen Vorschrift des § 364 Abs. 2 letzter Satz ABGB ohne besonderen Titel auch bei behördlich genehmigten Anlagen unzulässig sei. Der seinerzeitige Bewilligungsbescheid decke bloß die jährliche Zuleitung von zirka 70 000 t Flotationsabfällen, weil im Bescheid vom 4. Mai 1944 der Beklagten die erbetene Bewilligung zur Einbringung ihrer Abwässer (nur) in jeder Menge und Beschaffenheit, wie sie dies in den letzten Jahren (vorher) getan hatte, erteilt worden sei. Die zugegebene derzeitige Zuleitung einer weit größeren Menge von Feststoffen in den N-Bach erfolge daher eigenmächtig ohne Rechtstitel. In diesem Umfang genieße die Wasserbenutzungsanlage nicht den -Rechtsschutz nach § 364a ABGB, vielmehr stehe dem Geschädigten bei solchen Anlagen der Untersagungsanspruch nach § 364 Abs. 2 ABGB zu.

Auch der Rechtsweg stehe ungeachtet der Möglichkeit, daß die Wasserrechtsbehörde nach § 138 Abs. 1 WRG vorgehen könne, offen. Das Erstgericht werde sich daher mit weiteren Streitpunkten auseinanderzusetzen haben.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit des Rechtsweges, weil dem durch unzulässige Einwirkungen auf Gewässer beeinträchtigten Nachbarn unabhängig von der Möglichkeit, gemäß § 138 WRG die Wasserrechtsbehörde anzurufen aus dem Eigentum oder gleichgestellten Rechten fließenden Abwehransprüche nach § 364 f. ABGB zustehen (SZ 37/181; SZ 46/82 u. a.).

Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß nach der ausdrücklichen und demnach unzweifelhaften Bestimmung des § 364 Abs. 2 letzter Satz ABGB eine unmittelbare Zuleitung u. a. von Abwässern von einem Grundstück zum Nachbarn ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig ist. Deshalb findet auch die Beschränkung des Grundnachbarn einer genehmigten oder einer Bergwerksanlage auf Schadenersatzansprüche nach § 364a ABGB für diesen Fall nicht statt (Klang in Klang[2] II, 168, 177; Ehrenzweig, System[2] I/2, 132 f.; JBl. 1976, 655 u. a.). Dies gilt auch für die Überschreitung des genehmigten Maßes einer Anlage, weil in diesem Umfang der Überschreitung der nötige besondere Rechtstitel fehlt und eine eigenmächtige Neuerung vorliegt (Krzizek, Komm. z. Wasserrechtsgesetz, 124).

Entgegen der Meinung der Rekurswerberin kommt dieser nachbarrechtliche Schutz auch einem Fischereiberechtigten zugute, selbst wenn er nicht unmittelbar Nachbar des Grundstückes ist, von dem der unzulässige Eingriff ausgeht. Die Rechtsstellung des Fischereiberechtigten ist im Falle der hier behaupteten Verbindung des Fischereirechtes mit dem Eigentum an einer Liegenschaft die eines Grunddienstbarkeitsberechtigten (SZ 46/82 u. a.). Da solchen Berechtigten nach herrschender Rechtsansicht gleiche nachbarrechtliche Ansprüche wie dem Gründeigentümer zustehen (Klang a. a. O., 168; Ehrenzweig a. a. O., 131, Gschnitzer, Sachenrecht, 60), bestehen auch keine Bedenken, die Bestimmungen des § 364 Abs. 2 ABGB zugunsten des Fischereiberechtigten anzuwenden (JBL. 1966, 319). Nachbar im Sinne dieser Gesetzesbestimmung ist aber nicht bloß der angrenzende Grundbesitzer (Anrainer), sondern jeder, auf dessen Grundstück sich der Eingriff noch fühlbar macht, ohne Unterschied, wie groß die Entfernung ist und welche dritten Personen gehörige Grundstücke dazwischen liegen; die entfernten Nachbarn dürfen in der Wahrung ihrer Interessen nicht vom Gutdünken der dazwischenliegenden Gründeigentümer abhängig sein (Klang, Bemerkungen zu den sachenrechtlichen Bestimmungen der Zivilnovellen 1917, 32; Klan g in Klang[2] II, 169; Ehrenzweig a. a. O., 131; Gschnitzer a. a. O., 60; SZ 43/139 u. a.). Bei ihrer gegenteiligen Rechtsansicht verwechselt die Rekurswerberin die Begriffe der unmittelbaren Zuleitung und der unmittelbaren Nachbarschaft. Die erstere ist auch gegenüber einem mittelbaren Nachbarn möglich, weil für die Frage der Unmittelbarkeit der Zuleitung nur maßgebend ist, ob die Tätigkeit unmittelbar auf die Einwirkung gerichtet ist oder ohne Zutun des Nachbarn nur zufällig eintritt (Klang a. a. O., 167; SZ 35/28 u. a.). Daß die Zuleitung auf entferntere Liegenschaften unter Mitbenützung eines Gewässers erfolgt, ist dann aber ohne Bedeutung.

Entgegen der Meinung der Rekurswerberin kommt demnach dem Umstand, daß das Fischereirecht des Klägers nicht am unmittelbaren Nachbargrundstück besteht, keine entscheidende Bedeutung zu. Dieses Ergebnis ist auch nicht etwa deshalb "unerträglich, weil der Fischereiberechtigte auch bei weiterer Entfernung vom Ort der Wassernutzung gleichsam obrigkeitliche Kontrollfunktionen hinsichtlich des konsenswidrigen Betriebes einer behördlich genehmigten Anlage oder sogar einer Bergwerksanlage ausüben könnte". Die Rekurswerberin übersieht bei dieser Argumentation neuerlich, daß das Gesetz ohne besonderen Rechtstitel die unmittelbare Zuleitung "unter allen Umständen" für unzulässig erklärt. Sie verkennt den grundsätzlichen Schutz des Eigentums und der ihm nachbarrechtlich gleichgestellten Rechte vor unmittelbaren Eingriffen, soweit für diese ein verwaltungsbehördlicher Rechtstitel fehlt.

Auch die Sondervorschriften des Wasserrechtes stehen dieser Beurteilung nicht entgegen. § 26 WRG regelt in Abs. 2 die Schadenshaftung ohne Verschulden für die Fälle eines - nach den Klagsbehauptungen hier fehlenden - rechtmäßigen Bestandes und Betriebes der Wasserbenutzungsanlage, Abs. 1 aber bei schuldhafter Schadenszufügung zwar die Schadenersatzpflicht, nicht jedoch den Untersagungsanspruch (vgl. Krzizek a. a. O.).

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