Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, es werde festgestellt, daß das Dienstverhältnis zwischen der klagenden Partei und der beklagten Partei über den 11.10.1993 weiterhin unbefristet aufrecht besteht, abgewiesen wird.
Im übrigen wird die Arbeitsrechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und Entscheidung über das eventualiter erhobene Begehren (Begehren auf Anfechtung der Entlassung) an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 81.029,80 bestimmten Kosten des Verfahrens 1. und 2. Instanz (darin enthalten S 13.477,80 USt und S 160,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kollektivvertrag für die Bediensteten der beklagten Partei - mit Ausnahme der Arbeiter der Werkstätte, der Hotels, der ortsfesten Restaurationsbetriebe und der Dienstnehmer, auf die das Angestelltengesetz Anwendung findet - (im folgenden: KV) vom 20. Oktober 1966 bestimmt unter anderem folgendes:
"§ 6
Auflösung des Dienstverhältnisses
...........
(2) Nach Ablauf der Probezeit kann ein auf unbestimmte Zeit
abgeschlossenes Dienstverhältnis unter Einhaltung einer 14-tägigen
Kündigungsfrist von beiden Seiten schriftlich gelöst werden.
...........
(4) Das Dienstverhältnis der Bediensteten endet:
a) durch Entlassung gemäß § 82 der Gewerbeordnung mit Ausnahme lit h
oder vorzeitigen Austritt.
........
§ 23
Dienst- und Disziplinarstrafen
(1) Dienststrafen können vom Repräsentanten der bevollmächtigten
Gesellschaft oder von dessen bevollmächtigtem Vertreter ohne Anhörung
des Betriebsrates, Disziplinarstrafen nur nach Anhörung des
Betriebsrates über Bedienstete verhängt werden
.........
(3) Als Disziplinarstrafen haben zu gelten:
..........
d) Kündigung,
e) Entlassung gemäß § 82 der Gewerbeordnung, ausgenommen lit h.
..........."
Nach den Bestimmungen des Kollektivvertrages sind Verwarnungen nach Ablauf von zwei Jahren aus dem Personalakt zu entfernen.
Der Kläger war bei der beklagten Partei seit 3.6.1989 als Kellner mit Inkassoberechtigung beschäftigt. Bei Beginn des Dienstverhältnisses wurde der Kläger von der beklagten Partei auf die Verpflichtung hingewiesen, den Gästen eine Rechnung zu übergeben. Diese Rechnungslegungspflicht bezieht sich auf Speisen und heiße Getränke. Sie besteht nicht für alle Arten von Dienst, einige Dienstarten sind von dieser Verpflichtung ausgenommen. Der Umfang der Rechnungslegungspflicht wurde im Lauf der Zeit mehrfach geändert. Die Rechnungen dienen nicht der Abrechnung des Umsatzes gegenüber der beklagten Partei, diese wird vielmehr nach dem Warenstand vorgenommen und zwar so, daß die Kellner den Preis der Warendifferenz abzuliefern haben. Am 17.8.1989 wurde der Kläger von der beklagten Partei nach einer Kontrolle mündlich auf die Verpflichtung zur Erstellung von Rechnungsnoten aufmerksam gemacht. Mit Schreiben vom 27.11.1991 wurde der Kläger von der beklagten Partei wegen des Verstoßes gegen die Rechnungslegungspflicht verwarnt. Am 29.9.1993 war der Kläger als Kellner mit Inkasso im Speisewagen der beklagten Partei eingesetzt. An diesem Tag hat der Kläger zwei anonymen Testreisenden der beklagten Partei über deren Konsumation keine Rechnung ausgefolgt. Er schrieb die Rechnung zwar, legte sie aber ab und überreichte sie den Gästen nicht. Am 8.10.1993 wurde dem Kläger von seinem Dienstvorgesetzten mitgeteilt, daß er mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert sei. Der Kläger verständigte davon sofort den Vorsitzenden des Betriebsrates der Arbeiter des Fahrdienstes. Am 11.10.1993 wurde dem Kläger gegenüber die Entlassung ausgesprochen. Vor Ausspruch der Entlassung verständigte die beklagte Partei den zuständigen Betriebsrat nicht von der geplanten Maßnahme. Erst nach der Entlassung erfolgte die Verständigung des Betriebsrates; dieser erhob gegen die Entlassung des Klägers Einspruch. Am 13.10.1993 wurde das Entlassungsschreiben an den Kläger ausgefolgt.
Der Kläger, der angelernter Kellner ist, hat für seine Ehefrau monatlich S 2.700,-- zu leisten und für die in seiner Obsorge stehende zehnjährige Tochter zu sorgen. Die Aufwendungen für die Wohnung betragen S 6.300,-- und für Kreditrückzahlungen S 12.600,--, je monatlich. Die jährlichen Energiekosten belasten den Kläger mit S 16.000,--.
Der Kläger hat im September 1993 als Vertrauensperson der Gewerkschaft für seine Dienststelle kandidiert und wurde für diese Funktion gewählt. Es steht nicht fest, daß dieser Umstand den Entschluß der beklagten Partei zur Entlassung des Klägers mitbestimmte.
Mit der am 18.10.1993 eingebrachten Klage begehrt der Kläger die Feststellung des aufrechten Bestandes seines Dienstverhältnisses über den 11.Oktober 1993 hinaus; in eventu den Ausspruch, daß die ausgesprochene Entlassung für unwirksam erklärt werde. Die Voraussetzungen für eine rechtswirksame Entlassung lägen nicht vor. Er habe gegen die Rechnungslegungspflicht nicht verstoßen. Einem tatsächlichen Verstoß gegen die Weisung fehle überdies das Tatbestandselement der Beharrlichkeit, weil früher ausgesprochene Verwarnungen wegen desselben Verstoßes nach Ablauf von zwei Jahren aus dem Personalakt zu entfernen gewesen wären. Durch das Zuwarten mit der Entlassungserklärung durch einen längeren Zeitraum habe die beklagte Partei zu erkennen gegeben, daß ihr die Weiterbeschäftigung des Klägers nicht unzumutbar gewesen sei; die Entlassung sei daher verfristet. Durch § 23 Z 3 lit d des Kollektivvertrages sei die Kündigungsmöglichkeit nach § 6 Z 2 KV dadurch beschränkt, daß die Kündigung in den Disziplinarstrafkatalog aufgenommen worden sei; sie könne daher nur als Disziplinarmaßnahme ausgesprochen werden. Vor einer derartigen Kündigung sei jedoch die Anhörung des Betriebsrates zwingend vorgeschrieben. Dies habe die beklagte Partei unterlassen, weshalb auch die Umdeutung der Entlassung in eine Kündigung nicht zulässig sei.
Die Entlassungsanfechtung stützt der Kläger auf § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG. Die Entlassung sei aus einem verpönten Motiv erfolgt, und zwar deshalb, weil der Kläger als Vertrauensmann der Gewerkschaft gewählt worden sei und in dieser Eigenschaft für die Gewerkschaft Propaganda gemacht und Mitglieder geworben habe. Eine Kündigung wäre überdies sozialwidrig, weil er bei der beklagten Partei bereits mehr als viereinhalb Jahre beschäftigt gewesen sei und der Verlust des Arbeitsplatzes für ihn Arbeitslosigkeit und damit einen Einkommensausfall bedeuten würde. Auf dieses Einkommen sei er aber zur Erfüllung der Sorgepflichten für seine nervenkranke Gattin und seine Tochter angewiesen. Nur die Fortsetzung des Dienstes bei der beklagten Partei lasse ihm die freie Zeit für die erforderliche Sorge für seine Tochter.
Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Die Kellner seien unter Androhung der Entlassung angewiesen worden, beim Verkauf von Speisen und Heißgetränken spätestens mit dem Serviervorgang Rechnung zu legen. Diese Anordnung sollte Schwarzverkäufe des Personals hintanhalten. Abgesehen davon, daß der beklagten Partei durch solche Schwarzverkäufe ein Schaden in Millionenhöhe entstehe, führten diese auch zu einer Gefährdung der Kunden der beklagten Partei, weil die schwarz mitgeführten Waren häufig nicht den lebensmittelrechtlichen Vorschriften entsprächen und durch unsachgemäße Lagerung (nicht in dem der Kontrolle unterliegenden Kühlschrank) leicht verderben. Der Kläger sei wegen Nichtlegung von Rechnungen auch bereits mehrfach verwarnt worden. Die neuerliche Unterlassung der Rechnungslegung begründe daher eine beharrliche Pflichtverletzung. Der Ausspruch der Entlassung sei deshalb erst am 11. Oktober erfolgt, weil die Personalleitung der beklagten Partei erst einige Tage nach dem Vorfall hievon Kenntnis erlangt habe. Die Anfechtung der Entlassung sei verspätet erfolgt und bedeute für den Kläger keineswegs eine soziale Härte, so daß der Anfechtung schon aus diesem Grund keine Berechtigung zukomme. Auch aus § 23 KV könne der Kläger für seinen Standpunkt nichts ableiten, zumal diese Bestimmung das Kündigungsrecht der beklagten Partei nicht materiell beschränke; sie sehe lediglich formal ein Anhörungsrecht des Betriebsrates, nicht aber die Bindung an bestimmte Kündigungsgründe vor. Der beklagten Partei stehe vielmehr ein Wahlrecht zwischen einer "schlichten" auf § 6 Z 2 lit a KV gestützten Kündigung einerseits und einer "disziplinären" Kündigung gemäß § 23 Z 3 lit d KV offen.
Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren statt. Die Entlassung sei jedenfalls verspätet erfolgt. Da die beklagte Partei den Kläger bis zu seiner Suspendierung am 8.10.1993 weiterbeschäftigt habe, könne nicht davon ausgegangen werden, daß ihr die weitere Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses für die Dauer der Kündigungsfrist unzumutbar gewesen sei. Daß die beklagte Partei von dem Vorfall allenfalls erst nach längerer Zeit erfahren habe, ändere daran nichts. Beim Einsatz von Testkäufern handle es sich um von der beklagten Partei organisierte Kontrollmaßnahmen und es wäre an der beklagten Partei gelegen, dafür Vorsorge zu treffen, daß sie von den Ergebnissen unverzüglich Kenntnis erlange. Aber auch der angezogene Entlassungsgrund liege nicht vor. Eine beharrliche Pflichtverletzung hätte zur Voraussetzung, daß der Dienstnehmer ungeachtet einer auf die konkrete Pflichtverletzung gerichteten Abmahnung sein Fehlverhalten fortsetze. Diese Abmahnung müsse auch mit dem neuerlichen Verstoß in einem zeitlichen Zusammenhang stehen; Vorfälle, die sich lange Zeit vor der Entlassung ereignet hätten, hätten dabei außer Betracht zu bleiben. Hier lägen frühere Beanstandungen Jahre zurück und es handle sich bei dem nunmehrigen Verstoß eher um einen Bagatellfall, zumal die Ausstellung der Rechnung nicht der Abrechnung mit der beklagten Partei gedient habe. Der Entlassungstatbestand des § 82 lit f GewO sei daher nicht erfüllt. Im übrigen leide die Entlassung auch an einem wesentlichen Formmangel, weil entgegen § 23 Z 1 KV der Betriebsrat nicht angehört worden sei; dies sei aber Voraussetzung für die Wirksamkeit der Entlassung. Die in Disziplinarordnungen als Disziplinarstrafen aufgenommenen disziplinären Kündigungen und Entlassungen seien als kollektivvertragliche Festsetzung einer gemäß § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG zulässigen "Regelung der gegenseitigen aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten" zulässig und wirksam. Sie bildeten dann eine Beschränkung des dem Arbeitgeber nach den Normen des materiellen Rechtes zustehenden Kündigungs- und Entlassungsrechtes. Hier bestehe die Beschränkung in der notwendigen Anhörung des Betriebsrates vor der geplanten Maßnahme. Entgegen der Auffassung der beklagten Partei stehe ihr kein Wahlrecht zwischen dem Ausspruch einer "schlichten" auf § 6 KV oder der unmittelbaren auf § 82 GewO gestützten und einer "disziplinarrechtlichen" Entlassung nach § 23 Abs 3 KV zu. Diese Bestimmung zähle auch die Kündigung zu den Disziplinarstrafen. Eine mangels Vorliegens eines Entlassungsgrundes oder mangels Einhaltung der Formvorschriften unwirksame Entlassung könne daher nicht in eine wirksame Kündigung konvertieren, weil mit dem Ausspruch der Entlassung auch bereits das Motiv der Beendigung des Dienstverhältnisses zum Vorschein komme. Dies sei die behauptete Pflichtwidrigkeit und damit ein Disziplinierungsgrund. Da Gegenstand der Inhaltsnormen eines KV alles sein könne, was zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber arbeitsrechtlich vereinbart werden könne, sei auch die Vereinbarung von Disziplinarnormen im KV zulässig und entgegen im Schrifttum vertretenen Meinungen nicht nichtig.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es erachtete die gegen die Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen vorgetragenen Bedenken nicht für berechtigt und billigte im wesentlichen die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes. Die Unterlassung der Rechnungslegung könne, mangels einer vorherigen Ermahnung nicht als beharrliche Pflichtverletzung qualifiziert werden. Daß der Kläger aus diesem Grund bereits zweimal beanstandet worden sei, falle nicht ins Gewicht, weil seit diesen Vorfällen bereits Jahre verstrichen seien. Die Pflichtverletzung sei daher nicht beharrlich erfolgt. Da ein Entlassungsgrund nicht vorliege, sei nicht erforderlich, zu prüfen, ob die Entlassung rechtzeitig erfolgt sei.
Die im § 23 KV vorgesehene Anhörung des Betriebsrates sei als gemäß § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG zulässige Regelung der gegenseitigen Rechte und Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer anzusehen. Die Regelung sei auch mit dem absolut zwingenden Charakter des Betriebsverfassungsrechts vereinbar, weil es sich nicht um ein Zustimmungs- sondern um ein bloßes Anhörungsrecht des Betriebsrates handle, das der Belegschaftsvertretung nur die Möglichkeit der Einflußnahme auf die Willensbildung des Arbeitgebers gebe, diese Willensbildung aber letztlich nicht beschränke, da der Arbeitgeber nicht an die Stellungnahme des Betriebsrates gebunden sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Begehren des Klägers abgewiesen werde.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
1. Zum Anhörungsrecht des Betriebsrates gemäß § 23 KV:
In der Entscheidung 14 Ob 227/86 vom 17.Februar 1987 (DRdA 1990/9 =
WBl 1987, 164 = Arb 10.606) hat der Oberste Gerichtshof zu der im § 23 des vorliegenden KV normierten Beschränkung des Entlassungsrechtes des Arbeitgebers durch die Pflicht, vorher den Betriebsrat anzuhören, Stellung genommen. Gegen die Zulässigkeit der Beschränkung des Entlassungsrechtes des Arbeitgebers durch die Pflicht, vorher den Betriebsrat anzuhören, bestünden keine Bedenken, weil dies dem Arbeitgeber nicht die Befugnis nehme, das Arbeitsverhältnis aus wichtigen Gründen nach § 82 GewO aufzulösen, sondern ihn lediglich verpflichte, dem Betriebsrat vor der Ausübung des Entlassungsrechts Gelegenheit zur Äußerung zu der beabsichtigten Maßnahme zu geben. Diese Entscheidung wurde insbesondere von Jabornegg (in einer Glosse zu DRdA 1990/9) kritisiert. Das im Kollektivvertrag vorgesehene Anhörungsrecht des Betriebsrates vor Ausspruch einer Kündigung oder einer Entlassung sei von der in § 2 ArbVG verankerten kollektivrechtlichen Rechtsetzungsbefugnis nicht gedeckt und stelle darüber hinaus einen klaren Verstoß gegen zwingendes Betriebsverfassungsrecht dar. Mit der Einführung eines Anhörungsrechtes des Betriebsrates würden nicht nur die gegenseitigen, aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer im Sinne des § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG geregelt. Die Statuierung dieses Anhörungsrechts habe vielmehr einen Doppelcharakter. Einerseits werde arbeitsvertraglich die Befugnis des Arbeitgebers zur Kündigung oder Entlassung durch einen zusätzlich notwendigen Verfahrensschritt erschwert, andererseits werde dem Betriebsrat ein besonderes Mitwirkungsrecht eingeräumt. Zulässiger Bestandteil des Kollektivvertrages könnte eine derartige Norm nur sein, wenn sowohl der arbeitsvertragliche als auch der betriebsverfassungsrechtliche Teil der Regelung vom Gesetz gedeckt wäre. Dies sei aber nicht der Fall; nur ausnahmsweise könnten betriebsverfassungsrechtliche Normen Gegenstand der kollektivvertraglichen Rechtsetzung sein; von Anhörungsrechten im Zusammenhang mit Auflösungserklärungen durch den Arbeitgeber sei im Gesetz aber keine Rede. Selbst wenn man sich über die fehlende kollektivvertragliche Rechtsetzungsbefugnis hinwegsetzen wollte, seien die kollektivvertraglich normierten Anhörungsrechte des Betriebsrates unwirksam, weil sie gegen absolut zwingendes Betriebsverfassungsrecht verstießen. Da ein echtes - eine Wirksamkeitsvoraussetzung darstellendes - Anhörungsrecht vor Ausspruch einer Entlassung nicht vorgesehen sei und § 106 ArbVG geradezu im Gegenteil vorsehe, daß eine Entlassung ohne vorherige Verständigung des Betriebsrates wirksam ausgesprochen werden könne, verstoße die gegenständliche Regelung eindeutig gegen absolut zwingendes Recht und sei daher auch aus diesem Grund nichtig. Die Rechtslage bei Disziplinarstrafen könne kein Argument für die Rechtslage bei Kündigungen und Entlassungen abgeben, wenn man davon ausgehe, daß Kündigungen und Entlassungen nicht als Disziplinarmaßnahmen im Sinne des § 102 ArbVG anzusehen seien. Als einschlägige Mitbestimmungsregelung komme daher nur § 106 iVm § 105 ArbVG und nicht § 102 ArbVG oder ein gewissermaßen dazwischenliegendes, im Gesetz überhaupt nicht vorgesehenes Mitbestimmungsmodell in Frage.
Tatsächlich hat sich der Oberste Gerichtshof in der zitierten Entscheidung mit dem von Strasser (in "Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Anordnung von Überstunden", FS Weissenberg [1980], 343 ff [349]) aufgezeigten Doppelcharakter der Normierung eines in der Betriebsverfassung nicht vorgesehenen Mitwirkungsrechtes als Regelung von Bedingungen für die Ausübung von Rechten des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis im Sinne des § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG und als durch die Rechtsetzungsbefugnis gemäß § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG nicht gedeckte Gestaltung der Mitwirkungsrechte des Betriebsrates ebensowenig auseinandergesetzt wie mit dem weiteren Hinweis Strassers auf den zwingenden Charakter der die Mitwirkungsrechte des Betriebsrates betreffenden arbeitsverfassungsrechtlichen Normen, die der Vereinbarung weiterer Mitwirkungsrechte des Betriebsrates selbst bei Bejahung einer diesbezüglichen Rechtsetzungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien entgegenstünden. Auch die Ausführungen Jaborneggs ("Absolut zwingendes Arbeitsverfassungsrecht, FS Strasser [1983], 367 ff [379 f]), der die absolut zwingende Wirkung der Regelung der Belegschaftsbefugnisse in der Betriebsverfassung insbesondere mit den Schwierigkeiten bei Vornahme eines Günstigkeitsvergleiches gegenüber der gesetzlichen Regelung und der wünschenswerten Einheitlichkeit der Belegschaftsbefugnisse für den gesamten Bereich der diese Befugnisse je nach Materie besonders abgestuft regelnden gesetzlichen Betriebsverfassung begründet, wurden in der obzitierten Entscheidung nicht beachtet.
In der Entscheidung 9 Ob A 606/92 vom 17.März 1993 (DRdA 1994/3 = WBl
1993, 292 = RdW 1993, 283) folgte der Oberste Gerichtshof den
Ausführungen Strassers und Jaborneggs (auch in "Grenzen kollektivrechtlicher Rechtsetzung und richterliche Kontrolle", JBl 1990, 205 ff [210 f]) auch unter Hinweis auf Mayer-Maly/Marhold, Arbeitsrecht II, 62, die gleichfalls die Auffassung vertreten, daß die Mitbestimmungsrechte der Belegschaft in den Bestimmungen des ArbVG über die Betriebsverfassung abschließend und absolut zwingend geregelt seien und daher durch Kollektivvertrag grundsätzlich nicht abgeändert werden könnten. Wie Jabornegg (in einer Glosse zu DRdA 1994/3) richtig darlegt, verträgt sich diese - die absolut zwingende Wirkung betriebsverfassungsrechtlicher Normen bejahende - Entscheidung nicht mehr mit den noch in der Entscheidung DRdA 1990/9 vertretenen Thesen, da auch die Schaffung eines echten, auf den Ausspruch einer Kündigung oder Entlassung bezogenen Anhörungsrechtes des Betriebsrates, welches in der gesetzlich zwingend geordneten Betriebsverfassung in dieser Form nicht vorgesehen ist, kein zulässiger Gegenstand einer kollektivvertraglichen Regelung sein könne.
Auch in der Entscheidung 8 Ob A 276/94 vom 15.September 1994 (RdW 1995, 107 = JBl 1995, 263; kritisch Schima RdW 1995, 101 ff) ging der Oberste Gerichtshof davon aus, daß die kollektivrechtliche Erweiterung von Mitwirkungsrechten des Betriebsrates bei der Auflösung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Entlassung nicht nur wegen des Fehlens einer diesbezüglichen Rechtsetzungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien, sondern vor allem auch wegen des unzulässigen Eingriffes in absolut zwingendes Betriebsverfassungsrecht nichtig ist.
Schwarz-Löschnigg (Arbeitsrecht5 99 f) und Tomandl (Arbeitsrecht3 1, 128 f) gehen ebenfalls davon aus, daß der Gesetzgeber die Betriebsverfassung grundsätzlich abschließend und damit absolut zwingend geregelt hat und es den Kollektivvertragsparteien daher grundsätzlich - bis auf die im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen - verwehrt ist, die Mitwirkungsrechte der Belegschaft zu verändern. Gegen die in DRdA 1990/9 vertretene Auffassung, die Bindung der Ausübung des Entlassungsrechts an die Anhörung des Betriebsrates sei zulässig, wendet sich schließlich auch Kuderna (Entlassungsrecht2 55 und FN 5) mit dem Hinweis auf die zwingende Vorschrift des § 106 ArbVG, wonach eine solche vorherige Anhörung nicht erforderlich ist.
Daß mit der vorliegenden Regelung ein echtes, mit der Sanktion der Unwirksamkeit der Auflösungserklärung für den Fall seiner Verletzung versehenes Anhörungsrecht des Betriebsrates statuiert wurde, kann angesichts des Wortlautes des Kollektivvertrages "Disziplinarstrafen (und damit Kündigung und Entlassung) können nur nach Anhörung des Betriebsrates über Bedienstete verhängt werden" nicht zweifelhaft sein. Mit der Statuierung eines derartigen echten Anhörungsrechts vor Kündigung und Entlassung wird die Mitwirkung des Betriebsrates erheblich erweitert und neben dem gesetzlichen Kündigungsschutz eine der Ausgestaltung der Mitwirkung der Personalvertretung in § 9 Abs 1 lit i iVm § 10 PVG nahekommende zusätzliche Mitwirkungsbefugnis geschaffen, die, wie der vorliegende Fall zeigt, mangels einer näheren Regelung dieses Anhörungsverfahrens zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führt. Darüber hinaus wäre angesichts der gleichartigen Regelung für die Kündigung mit der Verletzung des Anhörungsrechts bei Entlassung ebenso wie im Personalvertretungsrecht die weitgehende Rechtsfolge verbunden, daß der Entlassungserklärung überhaupt keine Wirkung zukäme und damit - auch bei Vorliegen eines die Entlassung rechtfertigenden Grundes - der Bestand des Arbeitsverhältnisses unberührt bliebe.
Da der vorliegende Kollektivvertrag am 20.Oktober 1966 und damit vor Inkrafttreten des ArbVG abgeschlossen wurde, ist seine Wirksamkeit gemäß § 164 Abs 1 ArbVG nach den zum Zeitpunkt seines Abschlusses geltenden Bestimmungen des Kollektivvertragsgesetzes und des Betriebsrätegesetzes zu beurteilen. Die Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien nach § 2 Abs 1 Kollektivvertragsgesetz entsprach jener gemäß § 2 Abs 2 Z 1 und 2 ArbVG; der im § 25 Betriebsrätegesetz normierte allgemeine Kündigungs- und Entlassungsschutz wurde im wesentlichen in den §§ 105 bis 107 ArbVG übernommen (siehe RV 840 BlgNR 13. GP, Erl 55 und 86 f sowie die Gegenüberstellung 96 und 147 ff; Floretta in Floretta/Strasser HandkommzArbVG 619). Bereits aufgrund der damaligen - weitgehend der heutigen entsprechenden - Rechtslage und vor Abschluß des gegenständlichen Kollektivvertrages wurde von der Lehre die Auffassung vertreten, daß die personellen Mitwirkungsrechte der Belegschaft nicht durch Kollektivvertrag erweitert werden könnten. Einer solchen Ausgestalung stehe der absolut zwingende Charakter der Bestimmung des Betriebsrätegesetzes über die betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse und die Erwägung entgegen, daß in der Verleihung dieser Befugnisse die Ausstattung der Belegschaft mit einer teilweisen Rechtsfähigkeit auf betriebsverfassungsrechtlichem Gebiet zum Ausdruck komme, die nicht durch Kollektivvertrag erweitert werden könne (siehe Floretta/Strasser, KommzBetriebsrätegesetz [1961] 237); dies allerdings mit der nicht ganz konsequenten Einschränkung, daß an Stellungnahmen des Betriebsrates, die er im Rahmen gesetzlich festgelegter personeller Mitwirkungsrechte abgebe, arbeitsvertraglich stärkere Rechtsfolgen geknüpft werden könnten als nach dem Betriebsrätegesetz. In der Folge wurde dies allerdings von den Autoren nicht aufrechterhalten und die Auffassung vertreten, daß der absolut zwingende Charakter der Bestimmungen des Betriebsrätegesetzes über die betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse im Hinblick auf die bloß demonstrative Aufzählung der Befugnisse des Betriebsrates im § 14 Abs 2 Betriebsrätegesetz der Normierung weiterer betriebsverfassungsrechtlicher Befugnisse nicht entgegenstehe, weil dies keine (unzulässige) Abänderung betriebsverfassungsrechtlicher Normen, sondern deren zulässige Konkretisierung darstelle (Floretta/Strasser, KommzBetriebsrätegesetz2 [1973] 281 f). Diese Argumentation vermag jedoch, was die Mitwirkung an Kündigungen und Entlassungen betrifft, im Hinblick auf die abschließende Regelung des Kündigungsschutzes in § 25 Betriebsrätegesetz nicht zu überzeugen. Auch nach der Rechtslage zum Zeitpunkt des Abschlusses des gegenständlichen Kollektivvertrages war daher die Erweiterung der Mitwirkungsrechte des Betriebsrates bei Kündigungen und Entlassungen unzulässig.
Die Nichtigkeit der kollektivvertraglichen Regelung über die Anhörung des Betriebsrates vor Ausspruch der Entlassung hat zur Folge, daß auch dann, wenn die Entlassung nicht gerechtfertigt gewesen sein sollte, das Arbeitsverhältnis durch diese Erklärung aufgelöst wurde (siehe Kuderna aaO 30 mwH in FN 3; 8 Ob A 269/95).
Der Umstand, daß der Betriebsrat vor Ausspruch der Entlassung nicht verständigt wurde, ist daher für die Wirksamkeit der Entlassung ohne Einfluß. Das Dienstverhältnis des Klägers wurde vielmehr durch den Ausspruch der Entlassung aufgelöst, so daß seinem Feststellungsbegehren keine Berechtigung zukommt. Da dieser Streitpunkt spruchreif ist, konnte hierüber mit Teilurteil erkannt werden.
Die Vorinstanzen werden im weiteren Verfahren die für die Beurteilung des auf § 106 Abs 2 ArbVG gestützten Eventualbegehrens erforderlichen Feststellungen zu treffen und über dieses Begehren zu entscheiden haben. Nach dieser Bestimmung kann eine Entlassung beim Gericht angefochten werden, wenn der Betriebsrat der Entlassung innerhalb der dreitägigen Frist des § 106 Abs 1 ArbVG nicht ausdrücklich zugestimmt hat, sofern ein Anfechtungsgrund im Sinne des § 105 Abs 3 ArbVG vorliegt und der Arbeitnehmer keinen Entlassungsgrund gesetzt hat. Dabei kann der Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß ein Entlassungsgrund schon deshalb nicht vorliege, weil der Kläger unmittelbar zuvor nicht abgemahnt worden sei, nicht beigetreten werden.
Da der Kläger als Kellner eine Arbeitertätigkeit verrichtete (Martinek/M.Schwarz/W.Schwarz, Ang7 72 Anm 13), ist die Frage der Berechtigung der ausgesprochenen Entlassung aufgrund § 82 GewO 1859 zu prüfen. Gemäß § 82 lit f 2. Tatbestand liegt ein Entlassungsgrund vor, wenn der Arbeiter seine Pflichten beharrlich vernachlässigt. Der Tatbestand umfaßt jegliche Vernachlässigung der aus dem Arbeitsvertrag geschuldeten Pflichten, insbesondere auch den Verstoß gegen Weisungen des Dienstgebers (Kuderna, Entlassungsrecht2 138). Die Dienstverweigerung muß beharrlich erfolgen. Darunter ist die Nachhaltigkeit, Unnachgiebigkeit oder Hartnäckigkeit des Verhaltens zu verstehen. Die Beharrlichkeit kann sich aus der wiederholten Ereignung von Verstößen oder der besonderen Intensität eines Verstoßes ergeben. Die beharrliche Weigerung setzt grundsätzlich ein Zuwiderhandeln nach vorangegangener Ermahnung voraus. Die Obliegenheit zur Ermahnung ergibt sich aus dem Tatbestandsmerkmal der Beharrlichkeit und aus dem Umstand, daß der Dienstnehmer, wenn er einer Weisung zuwiderhandelt, dies nicht unbedingt in böser Absicht tun muß. Eine Ermahnung ist aber dann nicht erforderlich, wenn bereits ein einmaliger Verstoß so schwerwiegend und kraß ist, daß der Dienstnehmer auch ohne Ermahnung diesen Charakter erkennen kann, so daß die Nachhaltigkeit und Unnachgiebigkeit seines auf die Pflichtverletzung gerichteten Verhaltens, also die Beharrlichkeit offen zu Tage treten. Es muß sich um Fälle handeln, in denen die mit der Obliegenheit der Ermahnung verfolgten Zwecke nicht notwendig sind, weil der Dienstnehmer die Bedeutung und das Gewicht seines pflichtwidrigen Verhaltens ohnehin genau kennt und der Verstoß mit Rücksicht auf sein besonderes Gewicht die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung ausschließt (Kuderna aaO 115 f mwN; 9 Ob A 176/94).
Im vorliegenden Fall war dem Kläger ohne Zweifel bekannt, daß spätestens beim Service der von ihm zu den Tischen der Gäste gebrachten Speisen bzw Getränke eine Rechnung auszustellen war. Es mußte ihm daher völlig klar sein, daß er pflichtwidrig handelte, wenn er diese zum Kernbereich seiner Tätigkeit gehörende Weisung mißachtete. Allein der Umstand, daß der Kläger letztmalig vor längerer Zeit wegen eines Verstoßes gegen diese Verpflichtung ermahnt wurde, spricht nicht dagegen, daß er diese Verpflichtung "beharrlich" mißachtete.
Wie dargestellt, kommt es aber auch auf die Schwere des Verstoßes an. Handelt es sich etwa um eine bloße Ordnungsvorschrift, an deren Einhaltung kein besonderes Interesse des Dienstgebers besteht, so kann einem Verstoß nicht das gleiche Gewicht beigemessen werden wie dann, wenn der Verstoß eine Vorschrift betrifft, durch deren Verletzung die Interessen des Dienstgebers, für den Dienstnehmer erkennbar, schwerwiegend berührt werden.
Zur Rechnungslegung hat die beklagte Partei vorgebracht, daß diese dazu diene, Schwarzverkäufe des Personals zu verhindern, durch die sie jährlich Schäden in Millionenhöhe erleide. Nach den bisher vorliegenden Feststellungen erfolgt die Abrechnung der beklagten Partei mit dem Personal aufgrund der Differenz der übernommenen bzw zurückgestellten Waren (was aber bei warmen, frischgekochten Speisen und Getränken wie etwa Kaffee aufklärungsbedürftig erscheint). Der Pflicht zur Rechnungslegung käme nach den Feststellungen daher nur der Charakter einer Ordnungsvorschrift zu und es ist nicht erkennbar, in welcher Weise diese dazu dienen könnte, Schwarzverkäufe des Personals hintanzuhalten. Zur Klärung der Frage, welche Bedeutung der Ausstellung von Rechnungen an die Gäste für den internen Abrechnungsvorgang bzw die Kontrolle der beklagten Partei hatte, sind genaue Feststellungen hierüber erforderlich. Erst wenn dies klargestellt ist, kann beurteilt werden, ob die Befolgung der Weisung für die beklagte Partei von so wesentlicher Bedeutung war, daß hier einem Verstoß dagegen das Gewicht eines Entlassungsgrundes zukommt. Nur wenn ein solcher nicht vorliegt, wird das Anfechtungsbegehren nach den Kriterien des § 105 Abs 3 ArbVG zu prüfen sein.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich auf § 41, hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens überdies auf § 50 ZPO. Da im Verfahren über die Kündigungsanfechtung vor dem Erstgericht und dem Berufungsgericht ein Kostenersatz nicht stattfindet (§ 58 Abs 1 ASGG), war ungeachtet der Fällung eines Teilurteiles über die in den Vorinstanzen aufgelaufenen Kosten endgültig zu entscheiden.
Der das Revisionsverfahren betreffende Kostenvorbehalt gründet sich auf § 392 iVm § 52 Abs 2 ZPO.
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