OGH 14Ob227/86

OGH14Ob227/8617.2.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing. Otto Beer und Mag. Karl Dirschmied als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Peter EHN, Koch, Wien 16., Menzelgasse 13/21, vertreten durch Dr. Robert Amhof und Dr. Heinz Damian, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei C*** I*** DES

W***-L*** et du Tourisme Sociütü Anonyme (I*** S***- UND T*** AG), Zweigniederlassung Wien,

Wien 1., Akademiestraße 2, vertreten durch Dr. Klaus Galle, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 41.451,03 brutto sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 29. September 1986, GZ. 44 Cg 30/86-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 8. Oktober 1985, GZ. 3 Cr 977/83-17, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat dem Kläger die mit S 3.549,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 257,25 Umsatzsteuer und S 720,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der beklagten Partei seit 13. September 1974 als Speisewagen-Koch beschäftigt. Er wurde am 4. Oktober 1983 entlassen, weil er privat erworbene Ware - nämlich zwei bis zweieinhalb Kilo Schweinskarree, 10 Paar Frankfurter Würstel und drei Schachteln Käse - in der Absicht in den Speisewagen des Schnellzuges "Romulus" gebracht hatte, diese Ware dort während seines Dienstes auf eigene Rechnung zu verkaufen. Eine gegen den Kläger wegen dieser Handlungsweise erstattete Betrugsanzeige wurde von der Staatsanwaltschaft Wien gemäß § 90 StPO zurückgelegt. Auf das Dienstverhältnis des Klägers findet der Kollektivvertrag der Internationalen Schlafwagen-Gesellschaft (im folgenden: KV-ISG) Anwendung, der unter anderem folgende Bestimmungen enthält:

" § 6

A*** DES D***

.........

4) Das Dienstverhältnis der Bediensteten endet:

a) Durch Entlassung gemäß § 82 der Gewerbeordnung mit Ausnahme

lit h oder vorzeitigem Austritt.

..........

§ 12

S***

..........

3) Bedienstete, die während des Jahres ein- oder austreten,

erhalten den aliquoten Teil der Sonderzah lungen unter

Zugrundelegung des

letzten

Monatsbezuges bei

Anwendung der

Zif. 2.

Anspruch auf den aliquoten Teil der Sonderzahlungen besteht

nicht:

.........

b) Wenn den Bediensteten ein Verschulden an der Entlassung

nach § 82 der Gewerbeordnung, ausgenommen lit h, trifft

oder .......

........

§ 23

D***- UND D***

1) Dienststrafen können vom Repräsentanten der Gesellschaft oder von dessen bevollmächtigtem Vertreter ohne Anhörung des Betriebsrates, Disziplinarstrafen nur nach Anhörung des Betriebsrates über Bedienstete verhängt werden.

Dienststrafen können bei leichten, Disziplinarstrafen bei schweren Ordnungs- und Disziplinarwidrigkeiten über Bedienstete verhängt werden.

2) Als Dienststrafen sind anzusehen:

  1. a) Verwarnung,
  2. b) Geldbußen bis zur Höhe von 5 % des Fix- oder Garantielohnes.

3) Als Disziplinarstrafen haben zu gelten:

  1. a) strenger Verweis mit Eintragung in das Personaldossier,

  1. b) Geldbußen in der Höhe von 5 % - 10 % des Fix- oder Garantielohnes,

  1. c) Suspendierung vom Dienste bis zur Dauer eines Monats unter Kürzung der Bezüge bis zu 50 % des Fix- oder Garantielohnes einschließlich der Zulagen,

d) Kündigung,

  1. e) Entlassung gemäß § 82 der Gewerbeordnung,

    ausgenommen lit h.

    .............".

Der Kläger behauptet, er sei unberechtigt vorzeitig entlassen worden, weil er beabsichtigt habe, vakuumverpackte Ware aus den Beständen der beklagten Partei gegen qualitativ gleichwertige, von ihm eingekaufte Ware umzutauschen. Er begehrt an Abfertigung, Kündigungsentschädigung und aliquoter Sonderzahlung (für die Zeit vom 1. bis 4. Oktober 1983) den der Höhe nach außer Streit stehenden Betrag von S 41.451,03 brutto s.A.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und behauptete, der Kläger sei gemäß § 82 lit e GewO 1859 gerechtfertigt entlassen worden, weil er ohne Einwilligung der beklagten Partei "ein der Verwendung beim Gewerbe abträgliches Nebengeschäft betrieben" habe. Der Verkauf betriebsfremder Ware auf eigene Rechnung sei mit einer Schädigung des Dienstgebers verbunden. Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, das Verhalten des Klägers sei ein Betrug iS des § 146 StGB gewesen. Diese strafbare Handlung lasse ihn des Vertrauens des Bewerbeinhabers unwürdig erscheinen, so daß die Entlassung gemäß § 82 lit d GewO 1859 gerechtfertigt ausgesprochen worden sei. Im Berufungsverfahren brachte der Kläger neu vor, daß nach dem KV-ISG die Entlassung nur als Disziplinarstrafe nach vorheriger Anhörung des Betriebsrates ausgesprochen werden dürfe. Diese Anhörung sei nicht erfolgt, so daß die Entlassung rechtsunwirksam sei.

Die beklagte Partei erwiderte, daß der Betriebsrat die generelle Zustimmung zur Entlassung von Dienstgebern erteilt habe, die gegen das Verbot des Mitbringens privater Lebensmittel in den Speisewagen verstießen.

Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem, gab der Berufung Folge und änderte das angefochtene Urteil im Sinne der Stattgebung der Klage ab. Die zweite Instanz billigte die Beweiswürdigung des Erstgerichtes und traf zum Entlassungsgrund dieselben Feststellungen wie die erste Instanz. Ergänzend stellte es im wesentlichen fest:

Nachdem der Kläger von Georg H*** bei der Einbringung privater Ware in den Speisewagen betreten worden war, schickte ihn dieser zum Personalleiter Rudolf K***. Auf dem Weg dorthin versuchte der Kläger vergeblich, den Zentralbetriebsratsobmann der beklagten Partei, Friedrich D***, zu erreichen. Rudolf K*** sprach am 4. Oktober 1983 um etwa 11 Uhr bis 11,10 Uhr nach einem etwa halbstündigen Gespräch mit dem Kläger dessen Entlassung aus, ohne sich vorher oder während dieses Gespräches mit dem Zentralbetriebsratsobmann Friedrich D*** in Verbindung zu setzen. Erst zwischen 12 Uhr und 12,30 Uhr rief Rudolf K*** den Zentralbetriebsratsobmann an, informierte ihn über den Sachverhalt und teilte ihm die bereits erfolgte vorzeitige Entlassung mit. Friedrich D*** äußerte dagegen Bedenken, stellte zu einer Kündigung eine entsprechende (gemeint wohl: zustimmende) Stellungnahme in Aussicht und riet zu einer Strafanzeige, die die beklagte Partei dann auch erstattete. Der Zentralbetriebsratsobmann stimmte der Entlassung des Klägers nicht zu.

Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß dem § 23 KV-ISG ein Wahlrecht des Dienstgebers zwischen "schlichter" und "strafweiser" Entlassung nicht entnommen werden könne. Sehe der Kollektivvertrag vor, daß die Entlassung als Disziplinarmaßnahme nur nach Anhörung des Betriebsrates ausgesprochen werden dürfe, dann sei eine unter Mißachtung dieser formellen Regelung erfolgte Entlassung rechtsunwirksam. Da die "Anhörung" des Betriebsrates erst nach dem Ausspruch der Entlassung des Klägers erfolgt sei, sei diese Maßnahme rechtsunwirksam.

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund der (primären) Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Der Revisionswerber macht in Wahrheit Feststellungsmängel geltend, weil die zweite Instanz den Inhalt des § 6 KV-ISG nicht festgestellt und auf diese Bestimmung bei ihrer rechtlichen Beurteilung nicht Bedacht genommen habe. Gemäß § 43 Abs 3 ASGG, der mangels einer besonderen Übergangsvorschrift für das vorliegende Rechtsmittelverfahren bereits anzuwenden ist (§ 98 ASGG), ist der Inhalt kollektivrechtlicher Normen - in allen Instanzen (Feitzinger-Tades, ASGG 61 f FN 4) - von Amts wegen zu ermitteln, wenn sich eine Partei auf sie beruft. Der Inhalt der von der Revisionswerberin vermißten Bestimmung des § 6 KV-ISG wurde bereits oben wiedergegeben und ist der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen.

Ob das Verhalten des Klägers seine Entlassung rechtfertigte (s hiezu die E Arb. 10.323, in welcher der erkennende Senat ausgesprochen hat, daß der Versuch eines Arbeitnehmers, im Dienst [in einem Speisewagen!] betriebsfremde Ware auf eigene Rechnung zu verkaufen, den Entlassungstatbestand des § 82 lit e GewO 1859 verwirklicht) kann dahingestellt bleiben, wenn die beklagte Partei den Kläger wegen dieses Verhaltens erst nach Anhörung des Betriebsrates rechtswirksam entlassen konnte.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionswerberin beruft sich darauf, daß der KV-ISG in § 6 die Auflösung des Dienstverhältnisses regle und gemäß Z 4 lit a dieses Paragraphen das Dienstverhältnis der Bediensteten durch Entlassung gemäß § 82 der Gewerbeordnung mit Ausnahme der lit h ende. Sie schließt daraus, daß der KV-ISG in § 6 "schlichte" Auflösungsgründe normiert und in § 23 als Disziplinarstrafe zu verhängende Auflösungen des Dienstverhältnisses festgesetzt habe, so daß dem Dienstgeber das Wahlrecht zwischen beiden Maßnahmen zustehe. Außerdem erschöpfe sich das Disziplinarverfahren nach § 23 KV-ISG darin, daß der Betriebsrat anzuhören sei. Da der Dienstgeber an dessen Stellungnahme nicht gebunden sei, müsse die Bestimmung nach ihrem Zweck einschränkend dahin ausgelegt werden, daß auch eine nachträgliche Anhörung des Betriebsrates ausreiche, zumal dem Arbeitnehmer die Anfechtungsmöglichkeit nach den §§ 105 bis 107 ArbVG gesichert sei.

Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen.

Unter "Disziplinarmaßnahmen" sind alle Maßnahmen des

Betriebsinhabers (Arbeitgebers) zur Wahrung oder Wiederherstellung

der betrieblichen Ordnung zu verstehen, mit denen dem Arbeitnehmer

ein - rechtlich zulässiger - Nachteil zugefügt oder zumindest

angedroht wird. Dabei kommen nicht zur Maßnahmen, die für den

Arbeitnehmer unmittelbare rechtliche oder wirtschaftliche Nachteile

bewirken, in Betracht, sondern auch solche, durch die lediglich die

sozialen Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt werden, zB die

Erteilung einer Rüge oder eines Verweises (SZ 53/121 mwN). Mit der

Verhängung von Disziplinarmaßnahmen übt der Arbeitgeber ein

einseitiges Gestaltungsrecht aus; das liegt insbesondere bei den als

Disziplinarmaßnahmen ausgesprochenen Kündigungen und Entlassungen

offen zutage, da es sich bei diesen um die typischen, von vornherein

gegebenen Gestaltungsrechte des Arbeitsverhältnisses handelt

(Spielbüchler, Grundlagen eines betrieblichen

Disziplinarstrafrechtes RdA 1970 7 [9 f]. Dem

Arbeitsverfassungsgesetz liegt allerdings ein engerer Begriff der

Disziplinarmaßnahme als nach allgemeinem Arbeitsrecht zugrunde.

Disziplinäre Kündigungen oder Entlassungen, die häufig in

Disziplinarordnungen als Disziplinarstrafen angedroht werden, gelten

nicht als Disziplinarmaßnahmen iS des ArbVG, weil für diese

Sanktionen Sonderregelungen aufgestellt wurden (SZ 53/121 mwN;

Arb. 10.433 = RdA 1986, 33; Arb. 10.410). Werden sie trotzdem in

eine kollektivvertraglich vereinbarte Disziplinarordnung

aufgenommen, dann können sie nur als "Regelung der gegenseitigen aus

dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten der

Arbeitgeber und Arbeitnehmer" iS des § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG wirksam sein (Arb. 10.433 = RdA 1986, 33 mwN; Arb. 10.410; 4 Ob 82/85). Sie bilden dann eine Beschränkung des dem Arbeitgeber nach den Normen des materiellen Rechts zustehenden Kündigungs- und Entlassungsrechts (Arb. 9.175).

Diese Beschränkungen bestehen im vorliegenden Fall bloß darin, daß die auch in § 6 Z 4 lit a KV-ISG geregelte Entlassung unter die in § 23 Z 3 KV-ISG genannten Disziplinarstrafen aufgenommen wurde und nach § 23 Z 1 KV-ISG als Disziplinarstrafe vom Repräsentanten der Gesellschaft über Bedienstete nur nach Anhörung des Betriebsrates verhängt werden können. Von der Möglichkeit, den Ausspruch der Disziplinarstrafe einem Dritten - meist einer mehrköpfigen "Disziplinarkommission" - zu überlassen, haben die Kollektivvertragsparteien im vorliegenden Fall keinen Gebrauch gemacht. Das ändert aber nichts daran, daß das dem Dienstgeber nach Arbeitsvertragsrecht zustehende Gestaltungsrecht der Entlassung im vorliegenden Fall auch gewisse disziplinarstrafrechtliche Zwecke, wie die Abschreckung der Belegschaft (Generalprävention), verfolgt. Die Ausübung des Entlassungsrechts zu Disziplinarzwecken muß zwar notwendig an bestimmte materiell-rechtliche Voraussetzungen geknüpft werden (was hier durch die Bezugnahme auf die Entlassungsgründe des § 82 GewO 1859 geschehen ist), das Erfordernis der Einhaltung eines bestimmten Verfahrens läßt sich aber - abgesehen von der nur für arbeitsverfassungsrechtliche Disziplinarmaßnahmen geltenden Bestimmung des § 102 ArbVG - dem Gesetz nicht entnehmen (Spielbüchler in RdA 1970 10 und 12).

Gegen die Zulässigkeit der Beschränkung des Entlassungsrechtes des Arbeitgebers durch die Pflicht, vorher den Betriebsrat anzuhören, bestehen keine Bedenken, weil dies dem Arbeitgeber keineswegs die Befugnis nimmt, das Arbeitsverhältnis aus wichtigen Gründen nach § 82 GewO 1859 aufzulösen, sondern ihn lediglich verpflichtet, dem Betriebsrat vor der Ausübung des Entlassungsrechtes Gelegenheit zur Äußerung zu der beabsichtigten Maßnahme zu geben. Eine solche Beschränkung des Entlassungsrechtes greift viel weniger tief in die Dienstgeberrechte ein als die Übertragung des Ausspruches der Disziplinarstrafe an einen Dritten, die dennoch von der Rechtsprechung als zulässig angesehen wird (Arb. 10.433 = RdA 1986, 33; Arb. 10.410).

Dem Arbeitgeber steht im vorliegenden Fall auch kein Wahlrecht zwischen dem Ausspruch einer "schlichten" auf § 6 Z 4 lit a KV-ISG (bzw unmittelbar auf § 82 GewO 1859) gestützten und einer "disziplinarstrafrechtlichen" Entlassung nach § 23 Z 3 KV-ISG zu. Beide Bestimmungen sehen den Ausspruch der Entlassung aus demselben Grund, nämlich bei Vorliegen von Entlassungsgründen nach § 82 GewO 1859, ausgenommen lit h (der letzte Satzteil dieser Bestimmung wurde durch Art VIII EFZG aufgehoben) vor. Läge es im Ermessen des Arbeitgebers, nach seiner Wahl die "schlichte", das Arbeitsverhältnis in jedem Fall mit sofortiger Wirkung beendende Entlassung auszusprechen, dann wäre die in § 23 Z 1 KV-ISG normierte verfahrensrechtliche Beschränkung des Entlassungsrechtes vollkommen wirkungslos. Der Arbeitgeber könnte die dort vorgesehene Anhörung des Betriebsrates stets dadurch ausschließen, daß er die Entlassung unmittelbar nach § 82 GewO 1859 bzw. § 6 Z 4 lit a KV-ISG ausspricht. Die §§ 6 und 23 KV-ISG sind daher so zu verstehen, daß jede Entlassung nur nach Anhörung des Betriebsrates als Disziplinarstrafe verhängt werden darf.

Nicht nur der klare Wortlaut des § 23 Z 1 KV-ISG, wonach die Disziplinarstrafe der Entlassung nur nach Anhörung des Betriebsrates über Bedienstete verhängt werden kann, sondern auch der Zweck dieser Bestimmung sprechen dagegen, daß die Anhörung des Betriebsrates nach der Entlassung wirksam nachgeholt werden könnte. Gewiß kann eine negative Stellungnahme des Betriebsrates den Dienstgeber nicht daran hindern, die Disziplinarstrafe der Entlassung dennoch auszusprechen. Der Betriebsrat hat aber, wie der Revisionsgegner zutreffend ausführt, nach § 23 Z 1 KV-ISG das Recht, vor dem Ausspruch der Entlassung alles vorzubringen, was aus rechtlichen oder sozialen Gründen gegen die geplante Maßnahme spricht, und damit unter Umständen auf den Arbeitgeber doch noch erfolgreich Einfluß zu nehmen, sei es, daß dieser überhaupt von der geplanten Disziplinarmaßnahme Abstand nimmt oder eine mildere Maßnahme ausspricht. Die Entlassung ist daher unwirksam, wenn der Betriebsrat entgegen § 23 Z 1 KV-ISG erst im nachhinein verständigt wurde. Daß der Betriebsrat (im voraus) die generelle Zustimmung zur Entlassung von Dienstnehmern erteilt habe, die gegen das Verbot des Mitbringens privater Lebensmittel in den Speisewagen verstießen, wurde nicht festgestellt. Eine solche Zustimmung würde auch dem Zweck des § 23 Z 1 KV-ISG, den Betriebsrat vor der konkreten Disziplinarentscheidung im Einzelfall anzuhören, widersprechen. Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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