Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4527,36 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten S 754,56 Umsatzsteuer) sowie die mit 12.086,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1014,40 S Umsatzsteuer und 6000 S Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war seit 29.6.1977 im Lokal der beklagten Partei, einem Restaurant, als Kellner ohne Inkasso beschäftigt. Es bestand eine Dienstanweisung, daß Speisen und Getränke vor der Ausgabe zu bonieren seien. Das Personal wurde regelmäßig in Dienstbesprechungen auf diese Weisung aufmerksam gemacht und darauf hingewiesen, daß Verstöße dagegen mit der Entlassung geahndet würden. Die Weisung wurde auch im Betrieb für den Kläger sichtbar angeschlagen. Der Kläger war bei den wiederholten Verlautbarungen der Weisung anwesend und hat auch die Anschläge gelesen. Während der Beschäftigung des Klägers kam es auch zu Entlassungen wegen Verstößen gegen diese Weisung, wobei die Vorfälle dem übrigen Personal bekannt waren und unter den Beschäftigten auch besprochen wurden. Am 22.10.1988 nahm der Kläger von zwei Damen, die zusammen an einem Tisch saßen und um etwa 19 Uhr 30 oder 20 in das Lokal gekommen waren, Bestellungen für zwei Vorspeisen, zwei Getränke, zwei Hauptspeisen und zwei Desserts auf. Diese Bestellungen wurden nicht in einem, sondern auf zweimal aufgegeben; zwischen der ersten und der zweiten Bestellung verging mehr als eine Stunde. Die Getränke hatten die Gäste gleich nachdem sie in das Lokal gekommen waren, bestellt. Der Kläger servierte die bestellten Speisen und Getränke, bonierte die Bestellungen jedoch nicht. Als die Gäste zahlen wollten, wollte er die Rechnung auf einem Bierzettel ausstellen. Die Gäste verlangten jedoch eine ausgedruckte Rechnung. Daraufhin bonierte der Kläger um ca 21 Uhr 55 die gesamte Bestellung und überreichte den Gästen die von der Bonierkasse ausgedruckte Rechnung. Die Kasse hatte an diesem Abend keinen Ausfall und arbeitete einwandfrei.
Nachdem der offene Gesellschafter der beklagten Partei von dem Vorfall erfahren hatte, sprach er am 24.10.1988 die Entlassung des Klägers aus.
Der Kläger begehrt die Zahlung von 94.831,46 S an Jahresremuneration 1988, Urlaubsentschädigung, Kündigungsentschädigung und Abfertigung. Er sei ungerechtfertigt entlassen worden, so daß ihm die geltend gemachten Forderungen zustünden.
Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Die Entlassung sei berechtigt erfolgt, weil der Kläger gegen die Betriebsanordnung, wonach jede Ausgabe von Speisen und Getränken nur nach vorherigem Bonieren erfolgen dürfe, verstoßen. Der Kläger habe nicht nur die Bestellungen an dem von den zwei Damen besetzten Tisch, sondern auch an anderen Tischen nicht boniert.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Daß der Kläger am 22.10.1988 entgegen wiederholter Weisung die Bonierung von bestellten Speisen und Getränken durch nahezu zwei Stunden unterlassen habe, sei als beharrliche Pflichtwidrigkeit zu qualifizieren. Dem Kläger sei die Dienstanweisung ebenso bekannt gewesen wie die für den Fall des Verstoßes angedrohten Konsequenzen. Die Ernstlichkeit des Verbotes habe ihm aus früheren Entlassungen bekannt sein müssen. Die Entlassung des Klägers sei daher gerechtfretigt erfolgt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und sprach mit Zwischenurteil aus, daß das erhobene Begehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Bei Prüfung, ob der Entlassungsgrund der beharrlichen Pflichtenverletzung gemäß § 82 lit f GewO 1859 erfüllt sei, sei zu berücksichtigen, daß es sich um einen einmaligen Vorfall, des bereits seit vielen Jahren beschäftigten Klägers gehandelt habe. Daraus, daß der Kläger die Bonierung durch mehr als 2 Stunden unterließ, könne auf eine Beharrlichkeit nicht geschlossen werden; dazu wäre es vielmehr erforderlich gewesen, daß der Kläger trotz entsprechender Ermahnung sein Verhalten fortgesetzt hätte. Eine Aufforderung zur Einhaltung der Anordnung sei aber nicht erfolgt. Im Ergebnis stelle sich das Verhalten des Klägers als Versehen dar, auf das er offenbar erst durch das Verlangen der Gäste nach Ausstellung einer Rechnung aufmerksam gemacht wurde. Ab diesem Zeitpunkt habe sich der Kläger jedoch gemäß den Anweisungen verhalten. Das einmalige Fehlverhalten des Klägers erfülle keinen Entlassungstatbestand.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Ersturteil wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt die beklagte Partei der rechtlichen Beurteilung zuzuzählende Feststellungsmängel. Sie wendet sich dagegen, daß die Vorinstanzen ihr Vorbringen, der Kläger habe das Bonieren am 22.10.1988 auch an den von ihm betreuten Tischen Nr 11 und 18 unterlassen, nicht prüften. In diesen Fällen sei auch nachträglich keine Bonierung erfolgt; der Umsatz sei nicht an die beklagte Partei abgeführt, sondern offenbar vom Kläger selbst vereinnahmt worden. Dies begründe jedenfalls einen Entlassungstatbestand. Hätten die Vorinstanzen dieses Vorbringen geprüft, hätte sich die Richtigkeit der Behauptungen erwiesen; das Begehren des Klägers wäre abzuweisen gewesen.
Diesen Behauptungen kommt aber keine entscheidende Bedeutung zu, weil, wie unten darzustellen sein wird, bereits aufgrund des festgestellten Sachverhaltes im Sinne des Antrages der beklagten Partei zu erkennen ist.
Da der Kläger als Kellner eine Arbeitertätigkeit verrichtete (Martinek-Schwarz-Schwarz Ang7 72 Anm 13) ist die Frage der Berechtigung der ausgesprochenen Entlassung aufgrund § 82 GewO 1859 zu prüfen. Gemäß § 82 lit f 2.Tatbestand liegt ein Entlassungsgrund vor, wenn der Arbeiter seine Pflichten beharrlich vernachlässigt. Der Tatbestand umfaßt jegliche Vernachlässigung der aus dem Arbeitsvertrag geschuldeten Pflichten, insbesondere auch den Verstoß gegen Weisungen des Dienstgebers (Kuderna Entlassungsrecht2 138). Die Dienstverweigerung muß beharrlich erfolgen. Darunter ist die Nachhaltigkeit, Unnachgiebigkeit oder Hartnäckigkeit des Verhaltens zu verstehen. Die Beharrlichkeit kann sich aus der wiederholten Ereignung von Verstößen oder der besonderen Intensität eines Verstoßes ergeben. Die beharrliche Weigerung setzt grundsätzlich ein Zuwiderhandeln nach vorangegangener Ermahnung voraus. Die Obliegenheit zur Ermahnung ergibt sich aus dem Tatbestandsmerkmal der Beharrlichkeit und aus dem Umstand, daß der Dienstnehmer, wenn er einer Weisung zuwiderhandelt, dies nicht unbedingt in böser Absicht tun muß. Eine Ermahnung ist aber dann nicht erforderlich, wenn bereits ein einmaliger Verstoß so schwerwiegend und kraß ist, daß der Dienstnehmer auch ohne Ermahnung diesen Charakter erkennen kann, so daß die Nachhaltigkeit und Unnachgiebigkeit seines auf die Pflichtverletzung gerichteten Verhaltens, also die Beharrlichkeit offen zu Tage treten. Es muß sich um Fälle handeln, in denen die mit der Obliegenheit der Ermahnung verfolgten Zwecke nicht notwendig sind, weil der Dienstnehmer die Bedeutung und das Gewicht seines pflichtwidrigen Verhaltens ohnehin genau kennt und der Verstoß mit Rücksicht auf sein besonderes Gewicht die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung ausschließt (Kuderna aaO 115 f mwN).
Dem Kläger war bekannt, daß das Austragen von Speisen und Getränken ohne vorheriges Bonieren untersagt war; er war bei Dienstbesprechungen dabei, bei denen wiederholt darauf hingewiesen wurde und hat auch die entsprechenden Anschläge gelesen, die an seinem Arbeitsplatz angebracht waren. Zutreffend hat das Erstgericht darauf hingewiesen, daß dem Kläger auch die Wichtigkeit der Weisung für den Dienstgeber und die Ernstlichkeit der vom Dienstgeber für den Fall eines Verstoßes angedrohten Konsequenzen bewußt sein mußte; während der Beschäftigungszeit des Klägers war es zu Entlassungen wegen Zuwiderhandelns gegen diese Anordnung gekommen, was dem Kläger auch bekannt war. Da die Weisung den Kernbereich der Tätigkeit des Klägers bildete und den wesentlichen Teil seiner täglichen Arbeit betraf, muß davon ausgegangen werden, daß sich der Kläger des weisungswidrigen Verhaltens voll bewußt war, als er Speisen und Getränke servierte, ohne vorher zu bonieren. Im Hinblick darauf bedurfte es zur Erfüllung des Entlassungstatbestandes keiner Ermahnung des Klägers. Das Tatbestandselement der Beharrlichkeit in § 82 lit f 2.Fall GewO 1859 ist bereits dadurch erfüllt, daß der Kläger im Bewußtsein der Unrechtmäßigkeit seines Handelns gegen die Weisung verstieß.
Dem Schluß des Berufungsgerichtes, daß sich das Verhalten des Klägers im Ergebnis als Versehen darstelle, kann nicht beigetreten werden. Die Feststellungen sprechen vielmehr deutlich gegen diese Annahme. Vorerst fällt auf, daß der Kläger nicht etwa eine Bestellung, sondern zumindest zwei (wenn die Getränkebestellung gesondert erfolgt wäre, sogar drei) Bestellungen nicht bonierte. Wenn bei einer Bestellung noch ein Versehen angenommen werden könnte, ist dies bei zwei, denselben Tisch betreffenden Bestellungen bereits sehr unwahrscheinlich. Sollte er die Bonierung zuvor tatsächlich irrtümlich unterlassen haben, so mußte ihm dies aber spätestens bei der Abrechnung mit den Gästen auffallen. Da bei ordnungsgemäßer Vorgangsweise immer ein Beleg der Bonierungskasse ausgedruckt und diese Rechnung dem Gast bei der Verrechnung übergeben wird, ist es ausgeschlossen, daß der Kläger aus Versehen handelte, als er die Abrechnung auf einem Bierzettel vornehmen wollte. Diese Vorgangsweise zeigt vielmehr, daß der Kläger ganz bewußt handelte.
Das Unterlassen der Bonierung ist daher als beharrliche Pflichtenverletzung zu qualifizieren, so daß das Verhalten des Klägers den Entlassungstatbestand gemäß § 82 lit f 2.Fall GewO 1859 erfüllte. Die Entlassung erfolgte daher berechtigt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 und § 50 Abs 1 ZPO.
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