OGH 6Ob21/94

OGH6Ob21/9410.8.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) I*****, und 2) V*****, beide vertreten durch Dr.Alfons Adam, Rechtsanwalt in Neulengbach, wider die beklagte Partei Susanne J*****, vertreten durch Dr.Thomas Prader, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Widerruf und dessen Veröffentlichung (Gesamtstreitwert 330.000 S; Revisionsinteresse:

150.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 16.November 1993, GZ 11 R 197/93-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 8.April 1993, GZ 8 Cg 256/92-12, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Parteien haben die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof gemäß § 508 a Abs 1 ZPO nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision gegen den noch in Rede stehenden bestätigenden Teil seines Urteils liegen die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO hier nicht vor:

Die Beklagte hat im Zuge einer Wortmeldung im Wiener Gemeinderat am 11.6.1992 die beiden Kläger als "Sekten", und zwar im Sinne des von ihr näher definierten Begriffes einer "Psychosekte" bezeichnet. Die Kläger leiten daraus seit ihrer Klageausdehnung (ON 8) einen Anspruch auf Unterlassung darauf ab, daß sie die Beklagte als "Sekte" im vollen Umfang der von ihr gebrauchten Definition bezeichne, nämlich, daß die Kläger einen "totalitären Charakter" und "von der Ideologie her faschistoide Züge" haben, "hierarchisch strukturiert" sind, was "in der Regel zu einem Ich-Verlust desjenigen führt, der sich an diese Sekte(n) wendet und zu einer Unterordnung unter die Gruppe".

Daß die beanstandeten Äußerungen der Beklagten über die Eigenschaften der Kläger allesamt herabsetzend und in bezug auf die Vorwürfe eines "totalitären Charakters", einer "Ideologie mit faschistoiden Zügen" und des "Ich-Verlustes desjenigen, der sich an sie wendet", auch ehrenrührig sind, liegt klar auf der Hand. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes genießen auch juristische Personen den Schutz des § 1330 Abs 1 ABGB (MR 1991, 196; ecolex 1992, 233; ÖBl 1992, 140; MR 1993, 57 uva; zuletzt etwa 4 Ob 40/93). Liegt eine ehrenrührige Tatsachenbehauptung vor, so trifft den Beklagten die Beweislast für die Richtigkeit der von ihm verbreiteten Tatsachenbehauptung (ständige Rechtsprechung: ÖBl 1993, 163 mwN). Der Betroffene hat jedenfalls einen verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch, weil das Recht auf Ehre und auf Wahrung des wirtschaftlichen Rufes zu den absolut geschützten Rechtsgütern gehören (ständige Rechtsprechung: ÖBl 1993, 163 mwN).

Das Berufungsgericht hat im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (ÖBl 1993, 84 und 163; MR 1993, 101 und 221; MR 1994, 111 und 113, jeweils mwN; 4 Ob 19/93; 4 Ob 40/93; 6 Ob 17/94) den Unterschied zwischen "Tatsachen" im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB und reinen Werturteilen dargetan. Danach kommt es bei Beurteilung der Frage, ob "Tatsachen" verbreitet wurden, auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerung(en) an; das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers oder -hörers, nicht aber der subjektive Wille des Erklärenden ist maßgebend. Das gleiche gilt für den Sinngehalt (Bedeutungsinhalt) der Äußerung(en) (ÖBl 1993, 84 und 163; MR 1993, 101, jeweils mwN; 4 Ob 40/93; 4 Ob 133/93; 4 Ob 1120/93; 6 Ob 17/94). Ob Tatsachenbehauptungen oder rein subjektive Aussagen (Werturteile) vorliegen, hängt demnach stets von den näheren Umständen des Einzelfalls, nämlich von den konkreten Formulierungen und deren "Aufmachung", unter denen sie geäußert wurden, ab (6 Ob 17/94). Davon abgesehen kann auch in der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die beanstandeten Äußerungen der Beklagten in ihrer Gesamtheit Tatsachenbehauptungen sind, keine die Rechtssicherheit gefährdende Fehlbeurteilung erblickt werden, hat doch die Beklagte für die Bewertung der Kläger als "Sekten" ("Psychosekten") gerade dargetan, daß sie dabei von bestimmten Tatsachen ausging ("konkludente Tatsachenbehauptung": Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 12 zu § 1330; Koziol, Haftpflichtrecht2 II 175; Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht 27; ÖBl 1980, 130; MR 1993, 14; ÖBl 1993, 84 und 163 uva; zuletzt etwa MR 1994, 111; 6 Ob 17/94). Auch der Vorwurf eines "totalitären Charakters" und einer "Ideologie mit faschistoiden Zügen" ist ja - ebenso wie die Unterstellung einer bestimmten Überzeugung (MR 1993, 221) - objektiv nachprüfbar.

Abgesehen davon, daß die Äußerungen der Beklagten im Sinne der gebrauchten Definition einer "Psychosekte" in ihrer Gesamtheit eine Einheit bilden (vgl MR 1993, 101), hat die Revisionswerberin für keinen einzigen Tatsachenbestandteil dieser Definition einen Wahrheitsbeweis angeboten, ist sie doch der diesbezüglichen Klageausdehnung nur mit einer "leeren" Bestreitung entgegengetreten (ON 9).

Daß aber selbst eine im Zuge eines politischen Meinungsstreites oder eines "Schulenstreites" (MR 1993, 221) erfolgende Herabsetzung durch unwahre Tatsachenbehauptungen das Maß einer zulässigen (politischen) Kritik überschreitet und auch im Wege einer umfassenden Interessenabwägung oder mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung nicht gerechtfertigt werden kann, hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen (NRSp 1992/199; ÖBl 1993, 84; MR 1993, 14; zuletzt etwa 4 Ob 40/93; 6 Ob 17/94). Damit ist dem Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulassung der Revision bereits die angenommene Grundlage entzogen.

Aus diesen Erwägungen war die Revision zurückzuweisen (§ 510 Abs 3, letzter Satz, ZPO).

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO. Das gilt auch für die Revisionsbeantwortung der Kläger, welche auf den vorliegenden Zurückweisungsgrund nicht hingewiesen haben, sodaß ihre Rechtsmittelgegenschrift zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig war.

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