OGH 4Ob40/93

OGH4Ob40/934.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kärntner Heimatdienst, ***** vertreten durch Dr.Karl Th.Mayer und Dr.Hans Georg Mayer, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Kommunistische Partei Österreichs, ***** vertreten durch Dr.Andreas Löw, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Widerruf und dessen Veröffentlichung (Gesamtstreitwert: 480.000 S), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 3.Dezember 1992, GZ 2 R 103/92-12, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 11.August 1992, GZ 8 Cg 42/92-7, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben, und es wird in der Sache selbst zu Recht erkannt:

"Die beklagte Partei ist bei sonstiger Exekution schuldig, es ab sofort zu unterlassen, die Behauptung 'Der Kärntner Heimatdienst will seiner alten Sichtweise, nach der jeder, der sich dem 3.Reich und seinen Machthabern in den Weg stellte, ein Verräter gewesen wäre, doch noch zum Durchbruch verhelfen' zu verbreiten und sie gegenüber den Lesern der Druckschrift 'Das Argument - Aktuelles' durch Veröffentlichung einer Mitteilung des gleichen Veröffentlichungswertes wie sie die Behauptung im Artikel 'Neonazi keine Randerscheinung!' in der Ausgabe Nr.5a/1992-Februar hatte, in der nach Rechtskraft dieses Urteils folgenden oder in der übernächsten Ausgabe der Druckschrift 'Das Argument - Aktuelles' als unwahr zu widerrufen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 51.120 S bestimmten Prozeßkosten (darin enthalten 6.240 S Barauslagen und 7.480 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist ferner schuldig, der klagenden Partei die mit 63.750 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 9.600 S Barauslagen und 9.025 S Umsatzstseuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist ein 1957 gegründeter, nicht untersagter Verein mit dem statutarischen Zweck, die Liebe und Treue zur Heimat Kärnten und zum Vaterland Österreich zu stärken.

Die Beklagte ist Herausgeberin und Verlegerin der periodischen Druckschrift "Das Argument - Aktuelles".

In der - mit Postwurf "an einen Haushalt" in ganz Österreich versendeten - Ausgabe Nr.5a/1992 - Februar dieser Druckschrift war unter der - farblich und drucktechnisch hervorgehobenen Überschrift "NEONAZIS KEINE RANDERSCHEINUNG!" nachstehender, von der "KPÖ-Klagenfurt" gezeichneter Artikel veröffentlicht:

"Jetzt geben sich die Repräsentanten der Kärntner Öffentlichkeit schockiert über rechtsextreme und Neonazi-Aktivitäten. Je weiter rechts sie selber stehen, desto mehr bemühen sie sich, das ganze als Randerscheinung zu bagatellisieren. Von Verrückten, Arbeitsscheuen und Kriminellen wird gesprochen.

Die einschlägigen Aussagen Haiders oder Mölzers über das 3.Reich bilden aber die geistige Grundlage für diese Gruppen. Außerdem sind Neonazismus, Ausländerfeindlichkeit und Deutschnationalismus durch die Haltung aller drei Landtagsparteien gefördert worden. Ihre Chefs haben sich bei SS-Kriegertreffen drum gerissen, begrüßen zu dürfen, sie haben sich stets an die 'heimattreuen' minderheitenfeindlichen Positionen extremer Einpeitscher wie KHD, KAB angepaßt und damit dazu beigetragen, sie salonfähig zu machen.

Soll dem wieder gärenden braunen Bodensatz wirklich etwas entgegengesetzt werden, so muß sich in der Kärntner Politik etwas ändern, darf Kriegsverherrlichung, Minderheitenfeindlichkeit und Deutschnationalismus nicht länger salonfähig bleiben, muß besonders an den Schulen zeitgeschichtliche Aufklärung Einzug halten...

Haider und der KHD wünschen sich ein Verbotsgesetz, das auch den 'Linksextremismus' erfaßt. Damit wollen sie in Wahrheit nicht den 'Totalitarismus' zurückdrängen, sondern sie wollen ihrer alten Sichtweise, nach der jeder, der sich dem 3.Reich und seinen Machthabern in den Weg stellte, ein Verräter gewesen wäre, doch noch zum Durchbruch verhelfen.

Die KPÖ-Kärnten verlangt nicht nur von den Kärntner Politikern der demokratischen Parteien eine Haltungsänderung, sondern fordert die breiteste Öffentlichkeit auf, sich dem neuen Rechtsextremismus in allen seinen Formen entgegenzustellen."

Mit der Behauptung, nach dem Textzusammenhang des Artikels und dessen Überschrift sei er fälschlich als "Neonazi" bezeichnet und im vorletzten Absatz - ebenso unzutreffend - der nationalsozialistischen Wiederbetätigung geziehen worden, begehrt der Kläger "unter Berufung auf § 1330 ABGB und jede andere denkbare gesetzliche Bestimmung", die Beklagte schuldig zu erkennen, die Behauptung "Der Kärntner Heimatdienst will seiner alten Sichtweise, nach der jeder, der sich dem 3.Reich und seinen Machthabern in den Weg stellte, ein Verräter gewesen wäre, doch noch zum Durchbruch zu verhelfen" zu unterlassen, sie gegenüber den Lesern der Druckschrift "Das Argument - Aktuelles" zu widerrufen und den Widerruf in der nach Rechtskraft des Urteils folgenden oder in der übernächsten Ausgabe der Druckschrift zu veröffentlichen. Die von der Beklagten verbreitete unwahre Tatsachenbehauptung sei geeignet, den Kredit oder das Fortkommen des Klägers zu gefährden, würden doch durch sie Personen und Organisationen von einem Beitritt zu ihm abgehalten oder Mitglieder zum Austritt veranlaßt.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Abgesehen davon, daß der Artikel keine Ehrenbeleidigung enthalte, könne der Kläger als juristische Person auch deshalb einen Schutz nach § 1330 Abs 1 ABGB nicht in Anspruch nehmen, weil nur "Menschen" beleidigungsfähig seien. Im übrigen enthalte die beanstandete Textstelle des Artikels keine Tatsachenbehauptung, sondern eine bloße Wertung. Der Kläger sei eine im gesamten Bundesgebiet bekannte politische Verbindung, welche aktiv an politischen Auseinandersetzungen und am gesellschaftlichen Leben teilnehme. Er setze sich selbst kritisch mit anderen politischen Vereinigungen und Gruppierungen auseinander, gebe eine eigene Zeitschrift heraus und trete auch als Herausgeber diverser Flugblätter in Erscheinung. Bei ihm seien daher die Grenzen akzeptabler Kritik - ähnlich wie bei Politikern - "breiter zu ziehen". Sollte aber die beanstandete Textstelle doch als ehrverletzende Tatsachenbehauptung gewertet werden, dann biete die Beklagte den vollen Wahrheitsbeweis an. Maßgebliche Organe und Vertreter des Klägers hätten sich von 1939 bis 1945 mit dem 3.Reich identifiziert und die damalige Praxis, Oppositionelle und Personen im Widerstand als Verräter zu behandeln, mitgetragen und gebilligt; auch heute noch betrachteten sie Oppositionelle und Systemkritiker als "Verfassungswidrige", somit als Verräter.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die beanstandete Textstelle des Artikels werfe dem Kläger weder ein konkretes Verhalten noch eine konkrete Äußerung, sondern eine bestimmte Gesinnung vor; bloße Ansichten oder Meinungen seien aber noch keine Wiederbetätigung im nationalsozialistischen Sinne. Die Textstelle enthalte im Gesamtzusammenhang des Artikels nur eine Vermutung über ein allfälliges Motiv des Klägers für seine Gesetzeskritik und sei eine - objektiv nicht nachprüfbare - Schlußfolgerung aus der in letzter Zeit erfolgten politischen Agitation des Klägers. Es handle sich daher um ein reines Werturteil und nicht um die Verbreitung einer Tatsache im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB. Abs 1 dieser Gesetzesstelle finde schon deshalb keine Anwendung, weil der Kläger - obwohl ihm auch als juristische Person ein Recht auf Ehre zustehe und der Vorwurf einer nationalsozialistischen Gesinnung eine Ehrenbeleidigung sei - gar keine Ehrverletzung, sondern lediglich die Gefahr eines wirtschaftlichen Schadens behauptet habe.

Das Berufungsgericht faßte einen Aufhebungsbeschluß; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Die beanstandete Textstelle stütze sich entgegen der Meinung des Erstgerichtes auf die im vorangegangenen Satz enthaltene Behauptung, daß sich der Kläger, ebenso wie der FPÖ-Parteiobmann Dr.Jörg Haider, ein Verbotsgesetz wünsche, das auch den "Linksextremismus" erfaßt. Der dem Kläger damit unterstellte Wunsch sei als Behauptung dahin zu verstehen, daß er verschiedene Schritte unternommen habe, um eine entsprechende Änderung des Verbotsgesetzes zu erreichen. Die beanstandete Beurteilung des Folgesatzes lasse daher auf die Tatsache schließen, daß der Kläger dem Nationalsozialismus nahesteht und deshalb eine Änderung des Verbotsgesetzes anstrebt. Damit liege aber eine konkludente Tatsachenmitteilung vor, die nicht nur ehrenrührig, sondern zugleich auch kreditschädigend sei. Auch juristische Personen hätten ein Recht auf Ehre. Die Behauptung, daß der Kläger dem Nationalsozialismus nahestehe und aus diesem Grund eine Änderung des Verbotsgesetzes anstrebe, sei sehr wohl geeignet, seine soziale Wertstellung innerhalb der Gemeinschaft zu beeinträchtigen. Liege aber eine ehrenbeleidigende und zugleich rufschädigende Tatsachenbehauptung vor, dann müsse der der Beklagten obliegende und von ihr auch angebotene Wahrheitsbeweis noch aufgenommen werden.

Gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes wendet sich der "Revisionsrekurs" (richtig: Rekurs) der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils.

Der Kläger stellt den Antrag, dem Rekurs der Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist insofern berechtigt, als die Streitsache bereits zur Entscheidung im Sinne einer Abänderung des Ersturteils (Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 1823) reif ist.

Die Beklagte beharrt auf ihrer Ansicht, daß die beanstandete Textstelle dem Kläger nur ein "Wünschen und Wollen", also einen bloß inneren Vorgang unterstelle, aber keineswegs Behauptungen über konkrete Aktivitäten des Klägers enthalte; daher liege eine rein subjektive Meinungskundgabe und keine Tatsachenbehauptung vor. Dem ist jedoch folgendes entgegenzuhalten:

"Tatsachen" im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB sind nach ständiger Rechtsprechung - im Gegensatz zu objektiv nicht überprüfbaren Werturteilen, welche erst auf Grund einer Denktätigkeit gewonnen werden und eine rein subjektive Meinung des Erklärenden wiedergeben - Umstände, Ereignisse oder Eigenschaften, die ihrer allgemeinen Natur nach objektiv überprüfbar sind, also einen greifbaren, für das Publikum erkennbaren und von ihm an Hand bekannter oder zu ermittelnder Umstände auf seine Richtigkeit nachprüfbaren Inhalt haben (MR 1992, 250; MR 1993, 17, jeweils mwN). Der Begriff der Tatsachenbehauptung ist nach Lehre und Rechtsprechung zum Schutz des Verletzten weit auszulegen; selbst Verdächtigungen und abfällige Urteile, die nur auf entsprechende Tatsachen schließen lassen, gelten als Tatsachenmitteilungen ("konkludente Tatsachenbehauptung": MR 1993, 17 mwN). Auch "Urteile" sind nämlich objektiv nachprüfbar, wenn sie greifbare, einem Beweis zugängliche Vorgänge zum Gegenstand haben und von einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Empfänger in diesem Sinne aufgefaßt werden. Bei der Beurteilung der Frage, ob "Tatsachen" verbreitet wurden, kommt es demnach immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerungen an; das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers oder -hörers, nicht aber der subjektive Wille des Erklärenden ist maßgebend (RdW 1993, 74; MR 1993, 17, jeweils mwN).

Im Sinne dieser Abgrenzungen hat das Berufungsgericht entgegen der Meinung der Beklagten zutreffend erkannt, daß die beanstandete Äußerung eine nachprüfbare Tatsachenmitteilung ist: Anders als die der Entscheidung ÖBl 1990, 256 zugrunde liegende Wertung der Reaktion des dortigen Beklagten auf die damaligen französischen Präsidentschaftswahlen durch einen Politiker einer anderen Partei als "Identifizierung mit Le Pen" oder die Aussage eines Politikers und ehemaligen Parteimitgliedes, er habe eingesehen, daß man aus dieser Partei "keine liberale Partei machen kann" (SZ 60/255), und abweichend von der Aussage eines Redners bei der Opernballdemonstration 1990, eine bestimmte Zeitung sei "gewalttätig" (ÖBl 1992, 47 und 51), wird dem Kläger in der hier beanstandeten Textstelle nicht nur eine nationalsozialistische Gesinnung unterstellt; durch den konkreten Vorwurf, daß er mit seinem Wunsch nach einer Ausdehnung des Verbotsgesetzes auch auf den "Linksextremismus" in Wahrheit seiner alten Sichtweise zum Durchbruch verhelfen wolle, wonach jeder, der sich dem 3.Reich in den Weg stellte, ein Verräter gewesen wäre, wird er sogar einer verbotsgesetzwidrigen Betätigung im nationalsozialistischen Sinne bezichtigt. Im Zusammenhalt mit der Überschrift des Artikels und dem darin enthaltenen Vorwurf gegen die Chefs der drei Kärntner Landtagsparteien, sie hätten den Neonazismus, Ausländerfeindlichkeit und Deutschnationalismus gefördert, indem sie sich bei SS-Kriegertreffen um das "Begrüßen-dürfen" gerissen hätten, wodurch sie sich stets an die "heimattreuen" minderheitenfeindlichen Positionen extremer Einpeitscher wie KHD... angepaßt und damit dazu beigetragen hätten, sie salonfähig zu machen, konnten nämlich die angesprochenen flüchtigen Durchschnittsleser die beanstandete Textstelle nicht mehr als rein politischen Vorwurf einer bloß inneren Geisteshaltung verstehen, mag auch nur von "Wünschen" und "Wollen" die Rede sein; dies umso weniger, als ja weithin bekannt ist, daß es sich beim Kläger nicht um irgendeinen unbedeutenden Privatverein handelt, sondern daß er zumindest im politischen und gesellschaftlichen Leben Kärntens eine gewichtige Rolle spielt und daran auch aktiv beteiligt ist. Die beanstandete Äußerung bezichtigt daher den Kläger des Neonazismus, also der Propagierung nationalsozialisischer Maßnahmen und Zielsetzungen und damit eines konkreten, im Sinne des § 3 g VG strafbaren Verhaltens. Ein solcher Vorwurf ist aber sehr wohl eine wertende Tatsachenbehauptung, die ihrer allgemeinen Natur nach objektiv überprüfbar ist, geht doch die Unterstellung einer Betätigung im nationalsozialistischen Sinne weit über ein politisches Werturteil hinaus; sie überschreitet auch das Maß einer zulässigen politischen Kritik und kann daher selbst im Wege einer umfassenden Interessenabwägung nicht gerechtfertigt werden, weil im Fall einer Herabsetzung des politischen Gegners durch unwahre Tatsachenbehauptungen sogar die Berufung auf das verfassungsgesetzlich (Art 13 StGG; Art 10 MRK) gewährleistete Recht auf freie Meinungsäußerung versagt (MR 1993, 14 und 17 mwN). Die von der Beklagten verbreitete Tatsachenbehauptung war aber auch geeignet, den wirtschaftlichen Ruf des Klägers zu gefährden, ist doch dessen Position nicht zuletzt von seinem politischen und gesellschaftlichen Erfolg abhängig. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend erkannt, daß die rufschädigende Tatsachenbehauptung zugleich auch eine Ehrenbeleidigung des Klägers im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB war, enthielt sie doch - jedenfalls auch - den nach § 111 StGB strafbaren Charaktervorwurf, daß der Kläger ein "Neonazi" sei. Auch juristische Personen sind aber entgegen der Meinung der Beklagten passiv beleidigungsfähig und damit nach § 1330 Abs 1 ABGB aktiv legitimiert (MR 1991, 146; ecolex 1992, 233; ÖBl 1992, 140, jeweils mwN). Dabei kommt es für die zivilrechtliche Ehrenbeleidigung nicht darauf an, ob im konkreten Fall auch eine strafrechtliche Ahndungsmöglichkeit besteht (ÖBl 1992, 140 mwN).

Im Falle einer Rufschädigung, die zugleich eine Ehrenbeleidigung im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB ist, sind dem Verletzten nach seiner Wahl auch Ansprüche nach § 1330 Abs 2 ABGB zuzuerkennen. Dabei hat er nur das Verbreiten der Tatsachen, nicht aber auch deren Unwahrheit zu beweisen; der Wahrheitsbeweis sowie - bei Geltendmachung von Ansprüchen auf Widerruf und dessen Veröffentlichung neben dem verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch - der Beweis für die fehlende Vorwerfbarkeit des Verbreitens obliegen hier dem Beklagten (MR 1993, 17 mwN).

Die Beklagte hat zwar im vorliegenden Fall einen "Wahrheitsbeweis" angeboten; das Berufungsgericht hat jedoch verkannt, daß alle jene Umstände, die sie damit nachweisen will, von vornherein ungeeignet sind, den Vorwurf einer Betätigung des Klägers im nationalsozialistischen Sinn wahr erscheinen zu lassen. Selbst wenn es nämlich zuträfe, daß sich maßgebliche Organe und Vertreter des Klägers in den Jahren 1939 bis 1945 mit dem 3.Reich identifiziert und die damalige politische Praxis, Oppositionelle und Personen im Widerstand als Verräter zu behandeln, mitgetragen und gebilligt haben, und wenn es auch wahr sein sollte, daß maßgebliche Organe und Vertreter des Klägers auch heute Oppositionelle und Systemkritiker als "Verfassungswidrige", als "Vaterlandsverräter", sohin eben als "Verräter" betrachten, wäre damit keinesfalls erwiesen, daß sich der erst 1957 gegründete Kläger oder dessen maßgeblichen Organe und Vertreter durch Propagierung nationalsozialistischer Maßnahmen und Zielsetzungen verbotsgesetzwidrig im nationalsozialistischen Sinne betätigen.

Der Unterlassungsanspruch des Klägers besteht daher schon deshalb zu Recht, weil die Beklagte nur einen abstrakt-untauglichen Wahrheitsbeweis angetreten hat. Das gilt auch für den Anspruch auf Widerruf und dessen Veröffentlichung, weil hier die Beklagte einen Beweis für die fehlende Vorwerfbarkeit des Verbreitens der beanstandeten Behauptung nicht einmal angeboten hat. Die Veröffentlichung des Widerrufs gem. § 1330 Abs 2 ABGB unterliegt aber nicht den Bestimmungen über die Veröffentlichung einer Entgegnung gemäß § 13 MedienG; die im Urteilsantrag enthaltene Bezugnahme auf diese Gesetzesbestimmung hatte daher zu entfallen.

Es war demnach über den Rekurs der Beklagten gem. § 519 Abs 2, letzter Satz, ZPO durch Urteil in der Sache selbst zu erkennen, weil die Streitsache zur Entscheidung im Sinne einer Abänderung des Ersturteils reif war; darin liegt auch kein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot (Fasching aaO).

Der Ausspruch über die Prozeßkosten erster Instanz beruht auf § 41 ZPO, jener über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf §§ 41, 50 ZPO.

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