OGH 4Ob133/93

OGH4Ob133/9330.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** OEG, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Berger und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei I***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Gerald Zauner, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterlassung, Widerruf und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren: 400.000 S), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 9.Juli 1993, GZ 13 R 50/93-8, womit der Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 28.April 1993, GZ 7 Cg 124/93-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird mit der Maßgabe bestätigt, daß er wie folgt zu lauten hat:

"Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des Anspruches der klagenden Partei wider die beklagte Partei auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen wird der beklagten Partei ab sofort für die Dauer dieses Rechtsstreites bis zu dessen rechtskräftiger Beendigung verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes unrichtige Behauptungen aufzustellen und zu verbreiten, und zwar insbesondere die Behauptung, die klagende Partei arbeite deshalb nicht fachgerecht und sauber und trage zu einer Verwilderung der demoskopischen Sitten bei, weil sie bei einer von ihr durchgeführten österreichweiten Umfrage mit einer Stichprobe von 500 Befragten die Meinung der Burgenländer sowie bei einem Sample von 300 Respondenten die Meinung der Grün-Wähler extra ausweise (beide Kreise beruhten dabei nur noch auf 3 bis 7 Prozent und machten in dieser Stichprobe kaum 15 bis 20 Personen aus), wenn die klagende Partei in Wahrheit ihren Auftraggeber ausdrücklich darauf hingewiesen hat, daß die in ihrer Meinungsumfrage aufscheinenden Bundesländer- und Zielgruppenergebnisse nicht repräsentativ und statistisch nicht sicher sind.

Die klagende Partei hat die Kosten des Provisorialverfahrens und des Rekurses vorläufig selbst zu tragen; die beklagte Partei hat die Kosten des Provisorialverfahrens und der Rekursbeantwortung endgültig selbst zu tragen."

Die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen; die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin betreibt das "Institut für strategische Markt- und Meinungsforschung". Schwerpunkt ihrer Tätigkeit ist die Durchführung von Meinungs- und Marktforschungsumfragen. Die Beklagte ist ein Institut für Markt- und Sozialanalysen.

Die Klägerin wird wiederholt von österreichischen Wochen- bzw Tageszeitungen mit der Durchführung von Meinungsumfragen zu bestimmten aktuellen Tagesthemen beauftragt. Einen entsprechenden Auftrag erhielt sie am 29.6.1990 von Oscar B*****, dem Herausgeber der Tageszeitung "Der Standard". Im Rahmen des Projektes "Demoskopisches Service NRW 90" war eine bundesweite Meinungsumfrage durchzuführen, welche Aufschlüsse über das Meinungsbild der österreichischen Bevölkerung, über Stimmungslagen, Wahlabsichten und parteipolitische Präferenzmuster erbringen sollte. Der Auftrag erfolgte auf Grund eines schriftlichen Anbotes der Klägerin, in dessen Punkt 3 Z 3 unter der Überschrift "Regionale Aufstockung" festgehalten war:

"Sollten statistisch sichere Ergebnisse aus einzelnen Bundesländern bzw Regionen erwünscht sein, ist eine regionale Aufstockung von Interviews in den entsprechenden Teilgebieten jederzeit möglich".

Nach Vorlage der schriftlichen Meinungsumfrageergebnisse und deren Übersendung an den Auftraggeber wies Dr.Karl S***** als Vertreter der Klägerin die Mitarbeiter der Zeitung (hauptsächlich Dr.Karl D***** und Konrad S***** vom innenpolitischen Ressort), mit denen er die Umfrageergebnisse besprach, nochmals ausdrücklich darauf hin, daß die aufscheinenden Ergebnisse aus den einzelnen Bundesländern bzw Zielgruppen kein repräsentatives und statistisch sicheres Ergebnis seien; für den Fall, daß Einzelergebnisse erwünscht seien, sei eine regionale Aufstockung von Interviews in den entsprechenden Zielgruppen bzw Bundesländern erforderlich. Dennoch wies der "Standard" bei der Veröffentlichung der Umfrage in den Ausgaben vom 29.8.1990 und 17.9.1990 die Ansichten der Grün-Wähler bzw die Meinung der befragten Burgenländer extra aus, obwohl im ersten Fall nur 300 Personen und im zweiten Fall nur 500 Personen befragt wurden.

Die Beklagte verschickt regelmäßig Aussendungen an verschiedene Unversitätsinstitute und an Medien. Im Februar 1993 verschickte sie eine Aussendung unter dem Titel "INFORMATIONSNEBEL - Desorientierung durch statistischen Mißbrauch - unseriöse Auswertungen führen Umfragen ad absurdum", welche - auszugsweise - folgenden Text enthielt:

Die statistisch repräsentative Umfrageforschung ist ohne jeden

Zweifel die mit Abstand modernste und beste Methode für die

Massendiagnose. Voraussetzung ist freilich, daß sie fachgerecht und

sauber angewandt wird. Daran hapert es in letzter Zeit leider

bedenklich. Wir registrieren mit zunehmender Sorge eine Verwilderung

der demoskopischen Sitten, zu der wir nicht länger schweigen

möchten......

Wir glauben nicht, daß hier gelogen wird. Wir hegen allerdings die

Befürchtung, daß sich in letzter Zeit immer häufiger Institute um

publizistischer Effekte willen von den Prinzipien seriöser

Umfrageforschung entfernen und eine Art von Demoskopie betreiben, die

wissenschaftlich nicht haltbar ist. Zu kritisieren sind dabei nicht

nur verdrehte Fragestellungen und falsche Interpretationen, sondern

auch ein fahrlässiger Umgang mit statistischen

Gesetzmäßigkeiten.........

Das Institut für strategische Markt- und Meinungsforschung scheut sich nicht, bei einer österreichweiten Umfrage mit einer Stichprobe von 500 Befragten die Meinung der Burgenländer extra auszuweisen (mit Fußnote 2 ist auf den "Standard" September 1990 verwiesen) oder bei einem Gesamtsample von gar nur 300 Respondenten die Absichten der Grün-Wähler wiederzugeben (in einer Fußnote 3 ist auf den "Standard" 29.8.1990 verwiesen) (beide Kreise beruhen nur mehr auf 3 bis 7 Prozent und machen in dieser Stichprobe kaum 15 bis 20 Personen aus!).

Die Einhaltung statistischer Grundregeln bei Repräsentativumfragen

ist offensichtlich nicht für jedes Meinungsforschungsinstitut

selbstverständlich........

Mit Diskontinformationen ist niemandem gedient......."

Auf Grund dieser Aussendung der Beklagten veröffentlichte die Zeitung "Die Presse" am 1.3.1993 einen entsprechenden Artikel.

Es ist weder branchenüblich noch bei fachgerechter Durchführung einer Umfrageforschung wissenschaftlich haltbar, im Rahmen einer österreichweiten Umfrage, die auf einer statistischen Basis von 300 bis 500 Befragten beruht, nicht repräsentative Einzelergebnisse von 3 bis 7 Prozent (15 bis 20 Personen) im Rahmen der Gesamtstichprobe auszuweisen.

Mit der Behauptung, daß die Beklagte in ihrer Aussendung der Wahrheit zuwider und in herabsetzender Weise gegen sie den Vorwurf erhoben habe, sie habe mit den im "Standard" veröffentlichten Umfrageergebnissen die statistisch repräsentative Umfrageforschung nicht fachgerecht und sauber angewendet, vielmehr zur Verwilderung der demoskopischen Sitten beigetragen, beantragt die Klägerin zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung unter Bezugnahme auf die Klägerin das Aufstellen und das Verbreiten unwahrer Behauptungen, und zwar die Behauptung, daß die Klägerin deshalb nicht fachgerecht und sauber arbeite und zu einer Verwilderung der demoskopischen Sitten beitrage, weil sie bei einer von ihr durchgeführten österreichweiten Umfrage mit einer Stichprobe von 500 Befragten die Meinung der Burgenländer oder bei einem Sample von 300 Respondenten die Meinung der Grün-Wähler extra ausweise (beide Kreise beruhten dabei nur noch auf 3 bis 7 Prozent und machten in dieser Stichprobe kaum 15 bis 20 Personen aus), zu verbieten. Diese Tatsachenbehauptungen der Beklagten seien unrichtig, weil in irrführender Weise unvollständig, habe doch die Klägerin ihren Auftraggeber ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die genannten Einzelergebnisse nicht repräsentativ seien, vielmehr diesbezüglich noch ein größerer Personenkreis befragt werden müßte. Das Ausweisen nicht repräsentativer Einzelergebnisse bei gleichzeitigem Ausweis des repräsentativen Gesamtergebnisses sei, wenn der jeweilige Auftraggeber darauf hingewiesen werde, branchenüblich und werde auch von der Beklagten so gehandhabt. Einziges Ziel der Aussendung der Beklagten sei es daher gewesen, das Ansehen der Klägerin durch unwahre Behauptungen herabzusetzen, um so für sich selbst Wettbewerbsvorteile zu erlangen.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Sie habe nicht in Wettbewerbsabsicht gehandelt, weil ihre Aussendung nur eine rein wissenschaftliche bzw fachliche Stellungnahme enthalte, die sich zwar möglicherweise auf den Wettbewerb objektiv auswirke, aber dessen Förderung nicht einmal als Nebenzweck verfolgt habe. Die dort im Zusammenhang mit der Meinungsumfrage der Klägerin erhobenen Vorwürfe seien richtig; sie hätten sich auf die Datenpräsentation der Meinungsumfrage der Klägerin in der Tageszeitung "Der Standard" bezogen. Die konkreten Absprachen der Klägerin mit ihrem Auftraggeber und dessen Aufklärung seien den beteiligten Verkehrskreisen weder bekannt noch für sie erkennbar gewesen. Die übrigen Ausführungen der Aussendung enthielten jedoch ausschließlich Werturteile, nämlich eine subjektive wissenschaftliche Kritik der Beklagten.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Guter Glaube hinsichtlich des Sachverhaltes schließe die Sittenwidrigkeit aus. Von einem wettbewerbswidrigen Verhalten könne dann keine Rede mehr sein, wenn der Handelnde in Verfolgung erlaubter Interessen zu handeln glaube. Die Beklagte habe aber durchaus des guten Glaubens sein können, daß die Klägerin ihren Auftraggeber nicht auf die fehlende Repräsentativität der in Rede stehenden Einzelergebnisse ihrer Meinungsumfrage hingewiesen habe.

Das Rekursgericht nahm ergänzend als bescheinigt an, daß die Beklagte bei der Veröffentlichung ihrer Aussendung in Wettbewerbsabsicht gehandelt habe; es erließ die beantragte einstweilige Verfügung, fügte aber dem Verbot im dritten Halbsatz nach den Worten "und zwar" das Wort "insbesondere" an. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Das Erstgericht habe übersehen, daß die Klägerin ihren Unterlassungsanspruch nicht auf § 1 UWG, sondern auf § 7 UWG gestützt habe. Die Wettbewerbsabsicht der Beklagten könne schon deshalb gegenüber einem wissenschaftlichen Beweggrund nicht völlig in den Hintergrund getreten sein, weil die Aussendung auch verschiedenen Medien zugemittelt worden war, die selbst als Auftraggeber für Meinungsumfragen in Betracht kämen. Die von der Beklagten gegen die Klägerin erhobenen Vorwürfe seien Tatsachenbehauptungen und keine wissenschaftlichen Werturteile, seien sie doch gerade als Beispiel und Beleg für die damit verbundenen Wertungen angeführt worden. Sie seien aber nach dem als bescheinigt angenommenen Sachverhalt unrichtig, habe doch die Klägerin danach ihren Auftraggeber mehrfach ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die in der Umfrage aufscheinenden Einzelergebnisse kein repräsentatives und statistisch gesichertes Ergebnis sind, sondern dafür noch eine zusätzliche regionale Interviewaufstockung bei den entsprechenden Zielgruppen erforderlich ist. Da die unwahren Tatsachenbehauptungen geeignet waren, dem Ruf und dem Ansehen der Klägerin zu schaden, und der Beklagten der Wahrheitsbeweis nicht gelungen sei, habe diese gegen § 7 Abs 1 UWG verstoßen.

Gegen die einstweilige Verfügung des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses, hilfsweise auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Die Klägerin stellt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung den Antrag, dem Rechtsmittel der Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Die Beklagte hält auch in dritter Instanz daran fest, daß sie nicht zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt habe, jedenfalls aber ein Wettbewerbszweck völlig in den Hintergrund getreten sei. Der Vorwurf, daß die Klägerin nicht fachgerecht und sauber arbeite und zu einer Verwilderung der demoskopischen Sitten beitrage, sei nur ein Werturteil. Die Tatsachenbehauptung über die den statistischen Grundregeln widersprechende besonderen Ausweisung der Meinung der Burgenländer und der Ansichten der Grün-Wähler in der österreichweiten Umfrage der Klägerin sei nach der im Rekursverfahren unbekämpft gebliebenen Bescheinungsannahme des Erstgerichtes richtig; im übrigen habe im Provisorialverfahren nicht die Beklagte die Wahrheit einer beanstandeten Tatsachenbehauptung zu bescheinigen, sondern es treffe die Klägerin die Bescheinigungslast für deren Unrichtigkeit. Dem ist jedoch folgendes entgegenzuhalten:

Der Tatbestand des § 7 UWG setzt ein "Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs" voraus. Ob die Beklagte in Wettbewerbsabsicht gehandelt hat, ist nach ständiger Rechtsprechung eine Tat- und keine Rechtsfrage (ÖBl 1991, 87 mwN). Die Wettbewerbsabsicht der Beklagten ist aber hier vom Rekursgericht ergänzend als bescheinigt angenommen worden, weshalb die Tatfrage - für den Obersten Gerichtshof bindend - bejaht ist. Die Wettbewerbsabsicht braucht freilich auch bei abfälligen Äußerungen nicht das einzige oder das wesentliche Ziel der Handlung gewesen zu sein; sie darf nur gegenüber dem eigentlichen Beweggrund nicht völlig in den Hintergrund treten. Ob das der Fall ist oder die (mitspielende) Wettbewerbsabsicht neben anderen Zielen der Handlung auch noch Gewicht hat, ist als Wertung eine Rechtsfrage (ÖBl 1991, 87; ÖBl 1992, 210 jeweils mwN), die auch in dritter Instanz noch zu beurteilen ist. Hiezu hat allerdings schon das Rekursgericht zutreffend ausgeführt, daß die Beklagte ihre Aussendung auch verschiedenen Medien zugemittelt hat, die als Auftraggeber für Meinungsforschungsinstitute in Betracht kommen; ihre Wettbewerbsabsicht konnte daher gegenüber anderen Beweggründen keinesfalls völlig in den Hintergrund getreten sein.

Ebenso zutreffend hat das Rekursgericht in der beanstandeten Äußerung insgesamt eine Tatsachenbehauptung und nicht - auch nicht teilweise - ein bloßes Werturteil gesehen. Der Begriff der "Tatsachen" im Sinne des § 7 Abs 1 UWG (und des § 1330 Abs 2 ABGB) wird nach ständiger Rechtsprechung zum Schutz des Verletzten weit ausgelegt; er ist immer dann verwirklicht, wenn die Behauptungen auf ihre Richtigkeit nachprüfbare Umstände, Ereignisse oder Eigenschaften zum Inhalt haben (SZ 61/193; MR 1992, 250; MR 1993, 17 uva; zuletzt etwa 4 Ob 95/93).

Selbst Verdächtigungen und abfällige Urteile, die nur auf

entsprechende Tatsachen schließen lassen, gelten als

Tatsachenmitteilungen ("konkludente Tatsachenbehauptungen": SZ

62/208; SZ 63/2; MR 1993, 17 mwN; zuletzt etwa 4 Ob 40/93; 4 Ob

95/93). Auch "Urteile" sind nämlich objektiv nachprüfbar, wenn sie

greifbare, einem Beweis zugängliche Vorgänge zum Gegenstand haben und

von einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Empfänger in

diesem Sinn aufgefaßt werden. Bei der Beurteilung der Frage, ob

"Tatsachen" behauptet oder verbreitet wurden, kommt es demnach immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerung an; das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers oder -hörers, nicht aber der subjektive Wille des Erklärenden ist maßgebend (RdW 1993, 74; MR 1993, 17, jeweils mwN; 4 Ob 40/93).

Die Beklagte hat aber in ihrer Aussendung (ua) gerade den Umstand,

daß sich die Klägerin nicht gescheut habe, bei einer österreichweiten

Umfrage mit einer Stichprobe von 500 Befragten die Meinung der Burgenländer extra auszuweisen oder bei einem Gesamtsample von gar nur 300 Respondenten die Ansichten der Grün-Wähler wiederzugeben, als Beispiel für die von ihr registrierte "Verwilderung der demoskopischen Sitten" und das "Hapern" einer "sach- und fachgerecht angewendeten statistisch repräsentativen Umfrageforschung" angeführt. Der Durchschnittsleser der Aussendung mußte daher aus deren Gesamtzusammenhang den Eindruck gewinnen, daß auch dieser greifbare, einem Beweis zugängliche Vorwurf die eingangs geäußerte "Besorgnis" der Beklagten, es "hapere" in letzter Zeit leider bedenklich an einer fachgerechten und sauberen Anwendung statistischer Grundregeln bei Repräsentativ-Umfragen, und es müsse eine "Verwilderung der demoskopischen Sitten" registriert werden, gerade gegen die Klägerin gerichtet ist. Ein solcher Vorwurf ist aber insgesamt sehr wohl eine wertende Tatsachenbehauptung, die ihrer allgemeinen Natur nach objektiv überprüfbar ist.

Die Aussage, daß ein Meinungsforschungsinstitut die modernste und beste Methode für die Massendiagnose deshalb nicht fachgerecht und sauber anwende und zur Verwilderung der demoskopischen Sitten beitrage, weil es sich nicht scheue, bei einer österreichweiten Umfrage mit einer Stichprobe mit 500 Befragten die Meinung der Burgenländer extra auszuweisen oder bei einem Gesamtsample von gar nur 300 Respondenten die Absichten der Grün-Wähler wiederzugeben (beide Kreise beruhten nur noch auf 3 bis 7 Prozent und machten in dieser Stichprobe kaum 15 bis 20 Personen aus!), ist in hohem Maße geeignet, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Inhabers zu schädigen. Dabei braucht gar kein ziffernmäßig berechenbarer Schaden zu drohen, weil alles, was beim Publikum eine nachteilige Meinung vom Geschäftsbetrieb oder der Kreditwürdigkeit des Inhabers erwecken kann, ohne weiteres schädigt (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht17, 1211 Rz 21 zu § 14 dUWG). Eine Schädigungseignung im Sinne des § 7 Abs 1 UWG (wie des § 1330 Abs 2 ABGB) ist schon dann anzunehmen, wenn Tatsachen behauptet werden, die beim Publikum eine nachteilige Meinung vom Geschäftsbetrieb eines Unternehmens, von seinen Waren oder Leistungen oder seiner Kreditwürdigkeit erwecken und die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge meist die Wirkung haben, daß der betroffene Betrieb Schaden erleidet oder der Kredit seines Inhabers erschüttert wird; es genügt also schon eine abstrakte Betriebs- oder Kreditgefährdung (Korn-Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht, 37; SZ 63/110 und 156 mwN; ÖBl 1991, 87; zuletzt etwa 4 Ob 95/93).

Somit ist der Tatbestand des § 7 Abs 1 UWG erfüllt, sofern die von der Beklagten verbreiteten Tatsachenbehauptungen nicht erweislich wahr sind. Entgegen deren Meinung trifft aber die Beweislast (im Provisorialverfahren: Bescheinigungslast) für die Wahrheit der beanstandeten Tatsachenbehauptung nach der seit SZ 51/39 ständigen Rechtsprechung auch im Provisorialverfahren den Mitteilenden (ÖBl 1987, 21; ÖBl 1990, 18; ÖBl 1992, 71; JBl 1993, 330 uva). Der Beklagten ist auch die Bescheinigung der Wahrheit der beanstandeten Tatsachenbehauptung nicht schon deshalb gelungen, weil es nach der im Rekursverfahren unbekämpft gebliebenen Bescheinigungsannahme des Erstgerichtes weder branchenüblich noch bei fachgerechter Durchführung einer Umfrageforschung wissenschaftlich haltbar ist, im Rahmen einer österreichweiten Umfrage, die auf einer statistischen Basis von 300 bis 500 Befragten beruht, nicht repräsentative Einzelergebnisse von 3 bis 7 Prozent (15 bis 20 Personen) im Rahmen der Gesamtstichprobe auszuweisen. Demgegenüber hat nämlich die Klägerin bescheinigt, daß sie mit der Ausweisung bzw Wiedergabe der Meinung der Burgenländer und der Absichten der Grün-Wähler in ihren österreichweiten Umfrageergebnissen keineswegs eine Repräsentativität auch dieser Einzelergebnisse in Anspruch genommen und damit vorgetäuscht hat, hatte sie doch ihren Auftraggeber sowohl im schriftlichen Anbot als auch nach Vorliegen der schriftlichen Meinungsumfrageergebnisse ausdrücklich darauf hingewiesen, daß gerade diese Einzelergebnisse kein repräsentatives und statistisch sicheres Ergebnis seien, weshalb bei Bestehen eines Wunsches auch nach solchen Einzelergebnissen noch eine regionale Aufstockung von Interviews in den entsprechenden Zielgruppen bzw Bundesländern erforderlich sei. Die Aufnahme der in Rede stehenden Einzelergebnisse in die dem Auftraggeber übergebenen schriftlichen Unterlagen der österreichweiten Umfrage der Klägerin rechtfertigt daher im konkreten Fall noch nicht den von der Beklagten daraus gezogenen Schluß auf einen fahrlässigen Umgang mit statistischen Gesetzmäßigkeiten, auf eine fachwidrige und unsaubere Anwendung der Methoden der statistisch repräsentativen Umfrageforschung sowie auf eine "Verwilderung der demoskopischen Sitten". Daß die Beklagte die aufklärenden Hinweise der Klägerin gegenüber ihrem Auftraggeber allenfalls nicht gekannt hat noch sie kennen konnte oder mußte, ist für den hier zu sichernden Unterlassungsanspruch nach § 7 Abs 1 UWG ohne Bedeutung, setzt dieser doch gar kein Verschulden des Mitteilenden voraus (ÖBl 1961, 7; SZ 50/86; ÖBl 1978, 3; ÖBl 1989, 8; SZ 63/110 ua).

Da somit der Tatbestand des § 7 UWG erfüllt ist, steht der Klägerin als der Verletzten der Unterlassungsanspruch nach § 7 Abs 1 UWG zu. Sie hat diesen - ebenso wie ihr Sicherungsbegehren - auf ein Verbot der unwahren und kreditschädigenden konkreten Tatsachenbehauptung beschränkt, was sich schon aus den Einleitungsworten des dritten Halbsatzes ("und zwar") ihres Begehrens ergibt, die gleichlautend mit "nämlich" sind. Sie hat dabei aber offenbar nur versehentlich den in ihrem Antragsvorbringen geltend gemachten und von ihr auch bescheinigten einzigen Grund für die Unwahrheit der beanstandeten Tatsachenbehauptung nicht in das Begehren aufgenommen, weshalb das beantragte Verbot in diesem Sinne im Wege einer Maßgabebestätigung der einstweiligen Verfügung durch Aufnahme einer entsprechenden Ergänzung zu verdeutlichen war. Daß das Rekursgericht aber mit der Beifügung des Wortes "insbesondere" das Sicherungsbegehren der Klägerin überschritten hat, weil dem zweiten Halbsatz damit die Bedeutung eines Obersatzes gegeben wurde, mit welchem der Beklagten das Aufstellen und Verbreiten jedweder unwahren Behauptungen unter Bezugnahme auf die Klägerin verboten worden ist (vgl ÖBl 1990, 18), konnte bei dieser Gelegenheit vom Obersten Gerichtshof nicht wahrgenommen werden, weil die Beklagte einen solchen Verstoß gegen § 405 ZPO nicht geltend gemacht hat.

Aus diesen Erwägungen konnte dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben werden.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht in Ansehung der Klägerin auf § 393 Abs 1 EO, in Ansehung der Beklagten auf § 402 Abs 4, § 78 EO und §§ 41, 50 Abs 1 und 52 Abs 1 ZPO.

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