OGH 4Ob556/90

OGH4Ob556/906.11.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Karl S***, Landwirt, 2. Thomas S***, Radio- und Fernsehmechaniker und 3. Peter S***, Bankangestellter, alle wohnhaft in Koppl, Winkl 17, vertreten durch Dr. Gerhard O. Mory, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Dr. Ernst S***, leitender Angestellter, Salzburg, Danklstraße 2, vertreten durch Dr. Karl Friedrich Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Räumung (Streitwert S 180.000,--) infolge ao. Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 21.Mai 1990, GZ 21 R 141/90-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 30.Dezember 1989, GZ 15 C 1601/89-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit Schenkungsvertrag vom 3.7.1974 schenkte Ing. Franz N*** seiner Tochter Christa N***, verehel. S***, das Haus Salzburg, Danklstraße 2 (Grundstück 437/38 Wiese, nunmehr EZ 2546 Grundbuch Maxglan) und drei im Punkt I 2. lit a bis c des Vertrages näher angeführte Eigentumswohnungen. Die Geschenknehmerin räumte ihrem Vater und ihrer Mutter Rosa N*** gemäß Punkt VI. Abs 1 des Vertrages "an dem Grundstück 437/38 Wiese der EZ 1967 KG Maxglan mit dem darauf errichteten Wohnhaus Salzburg, Danklstraße 2 bis zu deren beider Ableben das unentgeltliche Wohn- und Nutzungsrecht ein".

Sie vereinbarte mit dem Geschenkgeber gemäß Punkt VI. Abs 2 des Vertrages ferner, daß die auf diese Liegenschaft entfallenden Lasten und Abgaben für die Dauer der Ausübung dieses Wohnungs- und Nutzungsrechtes von den Wohnungs- und Nutzungsberechtigten zu tragen seien. Punkt VI. Abs 3 des Vertrages lautet:

"Desgleichen stehen sämtliche Erträge aus den in Punkt I. Ziffer 2) lit a) bis c) genannten Eigentumswohnungen Herrn Ing. Franz N*** und dessen Gattin Rosa N*** auf deren beider Lebensdauer zu, wobei von ihnen allerdings auch die auf die genannten Wohnungen entfallenden Lasten und Abgaben zu tragen sind."

In Punkt X. des Vertrages erteilte Christa N*** ihre ausdrückliche Einwilligung, "daß ob der für das Grundstück 437/38 Wiese KG Maxglan neu zu eröffnenden Grundbuchseinlage das lebenslängliche Wohnrecht zugunsten des Ing. Franz N*** und der Rosa N*** iS des Punktes VI. dieses Vertrages einverleibt werde."

Eine Einverleibung der den Ehegatten N*** gemäß Punkt 6. Abs 3 des Vertrages eingeräumten Rechte an den drei Eigentumswohnungen erfolgte nicht.

Nach dem Tod des Ing. Franz N*** ("ca." 1979) verließ Rosa N*** das bis dahin von den Ehegatten als Ehewohnung bewohnte Haus Danklstraße 2 und vermietete es zuerst an Dr. Eugen Z*** und - mit Vertrag vom 2.3.1984 - ab 15.4.1984 - zunächst auf zwei Jahre - gegen einen monatlichen Mietzins von S 14.000,-- (wertgesichert) an den Beklagten. Am 21.3.1986 verlängerten die Vertragspartner diesen Vertrag einvernehmlich um ein Jahr (bis 14.4.1987). Am 9.8.1986 trafen die Vertragspartner schriftlich folgende Vereinbarung:

"Der bestehende Mietvertrag wird ab 15.April 1987 einvernehmlich auf unbestimmte Zeit verlängert. Die Vermieterin verzichtet auf ihr Recht der ordentlichen Kündigung für die Dauer von 15 Jahren ab Verlängerungsdatum, nicht jedoch auf das Recht der vorzeitigen Auflösung gemäß § 1118 ABGB. Eine Kündigung durch den Mieter ist jeweils am Monatsletzten mit einer Kündigungsfrist von 6 Monaten möglich."

Rosa N*** ist am 8.5.1989 gestorben.

Die Kläger sind Rechtsnachfolger der am 31.5.1986 vorverstorbenen Liegenschaftseigentümerin Christa S***. Sie begehren vom Beklagten die Räumung des Wohnhauses Salzburg, Danklstraße 2, weil die verstorbene Vermieterin Rosa N*** nur Wohnungs- und nicht Fruchtgenußberechtigte gewesen sei; der Beklagte habe an dem Bestandgegenstand keine weitergehenden Rechte begründen können, als sie Rosa N*** zugestanden seien; spätestens mit ihrem Tod sei jede Rechtsgrundlage für die Weiterbenützung des Hauses durch den Beklagten weggefallen. Die letzte Verlängerung des Mietvertrages sei in der Absicht geschehen, die Eigentümer der Liegenschaft zu schädigen; der Beklagte habe dabei in der Absicht gehandelt, das mit einem unkündbaren Mietvertrag belastete Haus billiger zu erwerben.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Rosa N*** sei als Fruchtgenußberechtigte zum Abschluß eines Mietvertrages auch auf unbestimmte Zeit berechtigt gewesen. Ihr sei ein Fruchtgenußrecht eingeräumt worden, um ihr die Möglichkeit zu geben, ihre sehr geringe Alterspension durch Vermietung der Liegenschaft aufzubessern. Christa S*** sei mit der Vermietung einverstanden gewesen. Rosa N*** habe sich bei der Vermietung als Eigentümerin ausgegeben; der Beklagte habe daher gutgläubig Mietrechte erworben.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und traf folgende weitere wesentliche Feststellungen:

Mit dem Schenkungsvertrag vom 3.7.1974 sollten wie bei einem Ausgedinge die Wohnung und die wirtschaftliche Versorgung der Eltern Christa S*** gesichert werden; vor allem sollte den Eltern die Wohnung in der gewohnten Umgebung im Haus Salzburg, Danklstraße 2, zur weiteren Benützung bleiben. Zwischen Rosa N*** und dem Erstkläger bestanden schwerwiegende familiäre Unstimmigkeiten. Die Kläger haben einer Weiterbenützung der Liegenschaft durch den Beklagten nicht zugestimmt.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß das "Wohn- und Nutzungsrecht" Rosa N*** als Fruchtgenußrecht (Wohnungsfruchtgenuß) anzusehen sei. Sie habe bei der Vermietung Rechte nur so weit übertragen können, als sie ihr selbst zugekommen waren. Nach der herrschenden Rechtsprechung ende der von einem Fruchtnießer abgeschlossene Bestandvertrag nicht mit dem Fruchtgenußrecht; vielmehr trete der Eigentümer in sinngemäßer Anwendung des § 1120 ABGB in den Mietvertrag ein. Diese Rechtsprechung sei abzulehnen und der gegenteiligen Meinung (von Schellander) in JBl 1956, 487 zu folgen, wonach der vom Fruchtnießer abgeschlossene Mietvertrag nicht ohne weiteres auf den Eigentümer übergehe. Das Fruchtgenußrecht Rosa N*** habe ausschließlich Unterhaltscharakter gehabt und ihr daher eine Verwertung des Hauses nur bis zu ihrem Tod gestattet. Der Fruchtnießer verwalte bei der Vermietung nicht Rechte des Eigentümers, sondern übe seine eigenen Rechte aus. Der von Rosa N*** geschlossene Mietvertrag könne daher die nunmehrigen Liegenschaftseigentümer nicht binden. Die Ausnützung der gegebenen Situation durch den Beklagten verstoße gegen Treu und Glauben. Der Mieter eines Fruchtnießers erlange, ähnlich wie ein Untermieter, nur eine von jenem abgeleitete Stellung. Die Kündigungsverzichtsklausel sei eine ungewöhnliche Nebenbestimmung, an welche die Kläger nicht gebunden seien. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und wies das Räumungsbegehren ab; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und die ordentliche Revision unzulässig sei.

Ob ein Wohnungsgebrauchsrecht oder ein Wohnungsfruchtgenußrecht vorliege, sei eine Frage der Vertragsauslegung. Bei Überlassung eines ganzen selbständigen Gebäudes oder mehrerer Wohnungen sei im Zweifel ein Fruchtgenußrecht anzunehmen. Nach dieser Regel und nach dem Wortlaut des Vertrages ("unentgeltliches Wohnungs- und Nutzungsrecht"; "desgleichen....sämtliche Erträge") liege ein Wohnungsfruchtgenuß vor.

Das Bestandverhältnis mit dem Beklagten betreffe ein Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen iS des § 1 Abs 4 Z 2 MRG und falle daher nicht in den vollen Anwendungsbereich dieses Gesetzes; das habe zur Folge, daß § 2 Abs 1 MRG, wonach Hauptmiete auch beim Abschluß des Mietvertrages mit dem Fruchtnießer vorliegt, nicht anzuwenden sei.

Das Berufungsgericht sehe keinen Anlaß, von der seit Jahrzehnten eihelligen Lehre und Rechtsprechung abzugehen, wonach der Eigentümer eines Bestandgegenstandes, der vom Fruchtnießer vermietet wurde, nach der Beendigung des Fruchtgenußrechtes in sinngemäßer Anwendung des § 1120 ABGB in den Bestandvertrag eintrete. Daran sei trotz der gegenteiligen Ausführungen von Schellander (JBl 1956, 487 ff) festzuhalten, zumal die Tendenz des Gesetzgebers in den letzten Jahrzehnten - wie etwa in § 2 Abs 1 MRG - eindeutig dahin gehe, die Position des Mieters (verstärkt) zu sichern.

Durch den Wechsel auf der Vermieterseite (Eintritt des Eigentümers) verwandle sich das Bestandverhältnis in ein solches von unbestimmter Dauer mit gesetzlicher Kündigungsfrist; der eintretende Eigentümer sei an die Nebenabreden, die einen Kündigungsverzicht betreffen, nicht gebunden. Schon deshalb sei der von den Klägern erhobene Einwand der Sittenwidrigkeit (wegen der die Rechtsnachfolger benachteiligender Vertragsverlängerung durch die Fruchtnießerin und den Beklagten) gegenstandslos. Bestehe aber zwischen den Streitteilen ein Bestandverhältnis auf unbestimmte Zeit, so sei die auf titellose Benützung des Bestandobjektes gestützte Räumungsklage verfehlt.

Die Kläger bekämpfen die Entscheidung des Berufungsgerichtes mit außerordentlicher Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens. Sie beantragen, die Entscheidung der zweiten Instanz dahin abzuändern, das das Ersturteil wiederhergestellt werde; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.

Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision der Kläger mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen, hilfsweise dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen der Ansicht des Revisionsgegners zulässig, weil das Berufungsgericht Vorbringen der Kläger

a) zur Absicht der Parteien des Schenkungsvertrages vom 3.7.1974 und

b) zur Frage, ob die Parteien des Mietvertrages vom 2.3.1984 bei der Vertragsverlängerung rechtsmißbräuchlich zum Nachteil der (damaligen) Liegenschaftseigentümerin gehandelt haben, übergangen hat und dabei, wie bei der meritorischen Behandlung der Revision auszuführen sein wird, von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist.

Die Revision ist auch berechtigt.

Die rechtliche Beurteilung der Sache hängt zunächst davon ab, ob zwischen den Parteien des Schenkungsvertrages in Ansehung des Hauses Salzburg, Danklstraße 2, ein Fruchtgenußrecht (Wohnungs-Fruchtgenuß) oder ein bloßes Wohnungsgebrauchsrecht vereinbart worden ist. Beide Vorinstanzen haben auf der Grundlage einer reinen Urkundenauslegung ein Fruchtgenußrecht angenommen. Für die Richtigkeit dieser Vertragsauslegung spricht, daß das Recht der Ehegatten N*** in Punkt VI. Abs 1 und 2 des Schenkungsvertrages mehrmals als "Wohn- und Nutzungsrecht" bezeichnet wurde (so daß bei Annahme eines bloßen Wohnrechtes der zusätzliche Terminus "Nutzungsrecht" inhaltsleer wäre) und das Wort "desgleichen" in Punkt VI. Abs 3 des Vertrages (der unstrittig ein Fruchtgenußrecht an den Eigentumswohnungen enthält), anscheinend besagen sollte, daß auch sämtliche Erträge des Hauses Danklstraße 2 auf Lebenszeit dem Geschenkgeber und seiner Frau zustünden. Immerhin bleiben aber Zweifel, weil in der Einverleibungsklausel des Vertrages (Punkt X.) nur von einem lebenslänglichen Wohnungsrecht (allerdings "im Sinne des Punktes VI.") die Rede ist (das an den Eigentumswohnungen vereinbarte Fruchtgenußrecht wurde überhaupt nicht verbüchert). Wegen dieser Zweifel hat das Berufungsgericht - auf der Grundlage reiner Urkundenauslegung zutreffend - die Regel des § 521 Satz 2 ABGB angewendet, wonach, wenn "jemandem alle bewohnbaren Teil des Hauses" (also ein ganzes selbständiges Gebäude,) "mit Schonung der Substanz, ohne Einschränkung zu genießen, überlassen" werden, eine Fruchtnießung des Wohngebäudes anzunehmen ist (Petrasch in Rummel2, Rz 1 zu § 521; MietSlg 24.035 f; 29.057; 36.035/35 = SZ 57/155; MietSlg XXXIX/46). Dieser Zweifelsregel entgegenstehende (räumliche) Einschränkungen sind dem Vertragstext nicht zu entnehmen. Die Vorinstanzen durften aber bei der bloßen Urkundenauslegung nicht stehenbleiben. Für die Rechtsnatur eines Vertrages ist nicht deren Bezeichnung durch die Parteien, sondern dessen Absicht hinsichtlich der Wirkungen des Vertrages maßgebend (zB MietSlg 28.110). Die Kläger haben nun ausdrücklich vorgebracht, daß die Absicht der Parteien des Schenkungsvertrages beim Wohnhaus Danklstraße 2 - anders als bei den drei Eigentumswohnungen - nur auf die Einräumung eines höchstpersönlichen Gebrauchsrechtes (Wohnungsrecht iS des § 521 Satz 1 ABGB) gerichtet war. Träfe dies zu, so würde der (aus der Auslegung des Vertragstextes zu gewinnende) objektive Erklärungswert seine Bedeutung verlieren. Wenn sich nämlich die Parteien in der Sache einig sind, gilt ihr übereinstimmender wahrer Wille ("natürlicher Konsens"), gleichgültig, ob die Ausdrucksmittel diesen Willen nach objektiven Kriterien wiedergeben oder nicht (Koziol-Welser8 I 87; Rummel in Rummel aaO Rz 6 zu § 871; SZ 48/72; MietSlg 31.085). Die Kläger haben für ihre Behauptung, daß bezüglich des Hauses Danklstraße 2 nur ein Wohnungsrecht gemeint war, Beweise angeboten; der Beklagte hat das Gegenteil behauptet und Beweise dafür angeboten, daß auch das Haus Danklstraße 2 zur allfälligen Vermietung bestimmt war, um die geringe Pension der Rosa N*** aufzubessern. Nur ein Teil dieser Beweise wurde aufgenommen; positive oder negative Feststellungen, ob die eine oder die andere übereinstimmende Parteienabsicht (nicht) erwiesen ist, wurden nicht getroffen, was das Erstgericht dazu ausführt, sind nicht dem Bereich der Tatsachenfeststellungen zuzuordnende rechtliche Schlußfolgerungen, die überdies in sich widersprüchlich sind:

Einerseits meint es, daß den Ehegatten N*** das Recht auf vollen Ertrag eingeräumt wurde, andererseits spricht es von einem Ausgedinge mit Unterhaltscharakter, dessen ursprüngliche wirtschaftliche Zweckbestimmung nicht darauf gerichtet war, das Haus zu vermieten, nimmt aber dann doch ein Recht Rosa N*** an, Verwertungen des Hauses durch eine Vermietung vorzunehmen, deren Wirkung mit dem Ende ihres Nutzungsrechtes beschränkt war. Eine Vereinbarung, daß der Nutzungsberechtigte die Liegenschaft zur Erzielung eines Vertrages nutzen darf, hiebei aber so vorzugehen hat, daß keine über seinen Tod hinausgehenden Rechte entstehen dürfen, wurde von den Klägern nicht behauptet. Eine solche - zwar denkbare, aber atypische - Vereinbarung ließe dann nur Verträge zu, deren Ende nicht kalendermäßig, sondern durch den Tod des Vermieters bestimmt ist; eine solche Vereinbarung ist nach dem ABGB zulässig (vgl. Würth in Rummel aaO Rz 3 zu § 1113), für den Bereich des MRG aber unzulässig (Würth-Zingher Miet- und Wohnrecht19 Rz 3 und 10 zu § 29 Abs 1 Z 3 MRG). Eine derartige Abrede würde daher die Verwertungsmöglichkeiten durch den "Nutzungsberechtigten" so stark einengen, daß sein Recht nicht mehr als Fruchtgenuß iS der §§ 509, 521 ABGB angesehen werden könnte (vgl die Worte in §§ 509, 521: "ohne [alle] Einschränkungen"). Es läge dann nur ein Gebrauchsrecht vor; da dieses dispositiv ist (Petrasch in Rummel aaO Rz 1 zu § 504), schließt es nämlich die Überlassung in einem weiteren Umfang nicht aus, nähert sich aber dadurch (nur) einem Fruchtgenußrecht (Petrasch in Rummel aaO Rz 1 zu § 504).

Wäre Rosa N*** nur Wohnungsberechtigte gewesen, dann wäre sie zur Vermietung des Hauses an den Beklagten nicht berechtigt gewesen (Petrasch in Rummel Rz 4 zu § 521); der Beklagte würde dann - jedenfalls seit dem Ableben der Wohnungsberechtigten - das Haus ohne Rechtstitel benützen. Auf die Frage, ob der Beklagte ausnahmsweise gutgläubig Mietrechte von der Dienstbarkeitsberechtigten erwerben konnte, obwohl ein gutgläubiger Forderungserwerb grundsätzlich ausgeschlossen ist (Koziol-Welser8 I 280 unter Anführung mehrerer Ausnahmen), braucht nicht eingegangen zu werden, weil Rosa N*** nach dem dem Kläger zugänglichen Grundbuchsstand weder Liegenschaftseigentümerin noch (ausdrücklich!) Fruchtgenußberechtigte war und er daher entsprechende Nachforschungen über ihre Verfügungsberechtigung hätte anstellen müssen.

Zu der von den Klägern behaupteten, vom Urkundenwortlaut abweichenden (allenfalls Formulierungswidersprüche der Urkunden klärenden) Parteienabsicht müssen daher eindeutige (positive oder negative) Feststellungen getroffen werden.

Nicht berechtigt ist hingegen die Ansicht der Revisionswerber, der vom Fruchtnießer abgeschlossene Bestandvertrag erlösche im Sinne der Rechtsausführungen Schellanders (JBl 1956, 487 ff) mit dem Tod des Fruchtgenußberechtigten. Lehre (Ehrenzweig2 I/2, 328; Klang in Klang II 584, 588; Petrasch in Rummel aaO Rz 2 zu § 519; Würth in Rummel aaO Rz 3 zu § 1120; Koziol-Welser8 II 144; Binder in Schwimann IV/2 Rz 14 zu § 1120; Gschnitzer, Schuldrecht bes T2, 140;

Würth-Zingher aaO Rz 5 zu § 2 MRG) und Rechtsprechung (GlU 1258;

JBl 1928, 392; MietSlg 3.738, 5.626, 7.101, 7.102, 8.663;

EvBl 1963/373; MietSlg 15.122, 17.233, 18.235; EvBl 1968/231;

MietSlg 28.171, 29.056, 30.235, 37.240 = EvBl 1986/56; SZ 60/28 = JBl 1987, 376; vgl auch § 1056 BGB) sind sich - sieht man von der vereinzelt gebliebenen Gegenmeinung Schellanders ab - seit vielen Jahrzehnten darüber einig, daß die von einem Fruchtnießer abgeschlossenen Bestandverträge nicht mit dem Fruchtgenußrecht enden, sondern der Bestandnehmer in sinngemäßer Anwendung des § 1120 ABGB dem Eigentümer erst nach ordnungsgemäßer Aufkündigung weichen muß. Mit der gegenteiligen Ansicht Schellanders hat sich der Oberste Gerichtshof mehrmals kurz auseinandergesetzt und sie abgelehnt (MietSlg 5.626, 8.683; EvBl 1976/373; siehe auch MietSlg 15.122). Eine neuerliche Auseinandersetzung mit dieser Ansicht und den in Mißachtung des § 506 Abs 2 ZPO weitläufig vorgetragenen Gegenargumenten der Kläger, die sich für ihren Standpunkt, daß der vom Fruchtgenußberechtigten abgeschlossene Mietvertrag mit der Beendigung seines Rechtes aufhöre, insbesondere auf § 442 Satz 2, §§ 484 und 1112 ABGB stützen, ist aber schon deshalb entbehrlich, weil sich die Rechtslage durch das Mietrechtsgesetz geändert hat. Der Gesetzgeber hat damit gerade jene Wertungen, die die Revisionswerber der bisherigen Rechtsprechung zum Vermietungsrecht des Fruchtnießers entgegenhalten, nicht übernommen. Der Hinweis auf § 442 Satz 2 ABGB ist schon deshalb verfehlt, weil auch durch den Voreigentümer geschlossene Mietverträge mit dem Eigentumsübergang nicht erlöschen.

Gemäß § 2 Abs 1 MRG liegt Hauptmiete (auch) vor, wenn der Mietvertrag mit dem Fruchtnießer der (ganzen [siehe dazu Würth-Zinger aaO Rz 2 zu § 2 MRG]) Liegenschaft geschlossen wird. Das steht in Einklang mit der bisherigen Lehre und Rechtsprechung, wonach der Fruchtnießer alle sonst dem Eigntümer zukommenden Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse, (Petrasch in Rummel aaO Rz 3 zu § 509; SZ 25/233; EvBl 1959/173; MietSlg 28.044; EvBl 1980/36;

SZ 60/28 = JBl 1987, 376) und damit auch das Recht zur Vermietung und Verpachtung der Sache hat (Petrasch aaO; Koziol-Welser aaO;

Gschnitzer, Sachenrecht2, 167 Klang in Klang2 584). § 2 Abs 1 MRG ist nach überzeugender Auslegung (Fenyves in HdB z MRG 273 ff; Call ebendort 619 f; auch Würth in Rummel aaO Rz 1 zu § 2 MRG;

MietSlg 35.289; EvBl 1988/58) auch dann anzuwenden, wenn ein Bestandobjekt, wie das vorliegende Einfamilienhaus, gemäß § 1 Abs 4 Z 2 MRG nur teilweise dem MRG unterliegt. § 2 MRG ist zwar unter den in § 1 Abs 4 MRG für solche Mietgegenstände anzuwendenden Bestimmungen nicht genannt, gehört aber zum "Allgemeinen Teil" dieses Gesetzes und nach richtiger Systematik vor den Ausnahmenkatalog des § 1 Abs 4 MRG. Der vom Berufungsgericht und von den Revisionswerbern gezogene Umkehrschluß ist somit verfehlt. Hat aber der Fruchtnießer einer Liegenschaft - und zwar auch eines Wohnhauses mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen iS des § 1 Abs 4 MRG - bei einer Vermietung dieselbe Rechtsstellung wie der Eigentümer, so gelten für ihn auch die weiteren Regeln des § 2 Abs 1 MRG. An den wirksam geschlossenen Hauptmietvertrag sind ab der Übergabe des Mietgegenstandes an den Hauptmieter die Rechtsnachfolger im Eigentum - womit die Einzelrechtsnachfolger gemeint sind (Würth in Rummel aaO Rz 7 zu § 2 MRG; Derbolav, MRG 13; JBl 1986, 386) - auch dann gebunden, wenn der Vertrag nicht in die öffentlichen Bücher eingetragen ist. Der Rechtsnachfolger tritt nicht nur in den Mietvertrag ein, sondern ist an alle Bestimmungen des Mietvertrages gebunden, sofern es sich nicht um Nebenabreden ungewöhnlichen Inhalts handelt, die er weder kannte noch kennen mußte. Damit wurde gegenüber der Regelung des § 1120 ABGB die Bindung des Rechtsnachfolgers einerseits auf nicht ungewöhnliche Bestimmungen des Mietvertrages eingeschränkt und andererseits - mit dieser Beschränkung - auch auf alle mit der Beendigung des Mietverhältnisses zusammenhängenden Vertragsbestimmungen, wie bestimmte Vertragsdauer, Kündigungsverzicht, abweichende Kündigungsfristen und -termine - erweitert (Würth in Rummel aaO Rz 7 zu § 2 MRG; Würth-Zingher aaO Rz 5 zu § 2 MRG; JBl 1986, 386) und insoweit dem § 1120 ABGB derogiert. Die Bindung erstreckt sich überdies nicht nur auf jede Rechtsnachfolge "im Eigentum" sondern in jede Vermieterstellung, also auch auf den Eintritt des Eigentümers bei Erlöschen des Fruchtgenußrechtes (Würth-Zingher aaO; EvBl 1986/56 = MietSlg 37.240).

Damit konnte aber das Berufungsgericht dem von den Klägern erhobenen Einwand rechtsmißbräuchlichen Vorgehens der Fruchtnießerin und des Beklagten bei der zweiten Vertragsverlängerung nicht mit dem Hinweis begegnen, daß sich das Bestandverhältnis in analoger Anwendung des § 1120 ABGB in ein solches von unbestimmter Dauer verwandelt habe und damit die als sittenwidrig angegriffene Vertragsverlängerungsvereinbarung ohnehin gegenstandslos geworden sei.

Die Vereinbarung der Fruchtgenußberechtigten mit dem Beklagten, das zunächst bis 15.4.1986 verlängerte Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit zu verlängern, war für sich allein - insbesondere im Hinblick auf die beträchtliche Höhe des vom Beklagten zu entrichtenden Mietzinses (monatlich S 14.000,-- wertgesichert; 1989 etwa S 15.000,-- [AS 51]) nicht ungewöhnlich. Ob hingegen der auf 15 Jahre vereinbarte Verzicht auf Kündigung eine Nebenabrede ungewöhnlichen Inhalts ist, kann auf sich beruhen, weil die Kläger diesen Umstand für sich allein nur im Rahmen eines Kündigungsprozesses geltend machen könnten, sind sie doch, auch wenn eine Bindung an diese Nebenabrede nicht besteht (bei Vorliegen eines Fruchtgenußrechtes der Vermieterin) gemäß § 2 Abs 1 MRG in den Hauptmietvertrag eingetreten.

Das Vorbringen der Kläger geht aber dahin, daß die Vereinbarung über die letzte Vertragsverlängerung (insgesamt!) sittenwidrig (§§ 879, 1295 Abs 2 ABGB) und daher nichtig gewesen sei, weil Rosa N*** damit eine Schädigung ihrer Rechtsnachfolger beabsichtigt und der Beklagte daran mit dem Ziel mitgewirkt habe, die Liegenschaft durch Vereinbarung einer ungewöhnlichen Kündigungsverzichtsklausel zu entwerten und die Kläger dadurch zu zwingen, ihm das Haus weit unter dem Verkehrswert (den es ohne eine solche Vereinbarung hätte) zu verkaufen.

Zu diesem Vorbringen wurden bisher keine ausreichenden (positiven oder negativen) Feststellungen getroffen. Das Erstgericht erging sich vorwiegend in Vermutungen und stellte nur fest, daß der Beklagte von den Verkaufsabsichten der Kläger (bzw. ihrer Rechtsvorgängerin) erfahren und daraufhin versucht habe, seine Stellung (als Mieter) abzusichern. Das allein ist aber nicht sittenwidrig; das Verhalten des Beklagten wäre erst dann rechtsmißbräuchlich, wenn er die Vertragsverlängerung nicht zur Sicherung seiner Mietrechte, sondern zumindest vorwiegend in der Absicht vereinbart hätte, die Kläger zu schädigen - und zwar insbesondere dadurch, daß er sie im Hinblick auf die vereinbarte Kündigungsverzichtsklausel zu einem Verkauf der Liegenschaft weit unter deren Wert veranlassen wollte. Nur die Nichtigkeit der gesamten Vertragsverlängerungsklausel (infolge Rechtsmißbrauches) könnte der Räumungsklage zum Erfolg verhelfen. Da zu einem solchen Sachverhalt bisher konkrete Feststellungen fehlen, erscheint ein näheres Eingehen auf diesen Rechtsgrund derzeit verfrüht. Soweit in der Revision über weite Strecken von unzulässigen Neuerungen ausgegangen wird, ist auf diese Ausführungen nicht Bedacht zu nehmen.

Da für die Entscheidung erheblich scheinende Tatsachen in den Vorinstanzen nicht erörtert wurden, sind die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben; die Rechtssache ist zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Der Vorbehalt der Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte