Spruch:
Für eine "Feststellung des Lastenbestandes" durch Anführung der noch aushaftenden Hypothekarforderungen in den Versteigerungsbedingungen besteht bei Exekution gemäß § 352 EO keine verfahrensrechtliche Grundlage
Bei Bewertung einer "Betriebsliegenschaft" (hier Hotelbetrieb) sind nicht die Werte der einzelnen Bestandteile (Grundstücke, Baulichkeiten, Zubehör) zu bewerten, sondern der Verkehrswert der Betriebsliegenschaft global festzustellen; dazu sind ihre Widmung für den Betrieb eines Unternehmens bedeutsam und die Marktlage (Verdienstmöglichkeit) mitbestimmend
OGH 24. Juni 1975, 3 Ob 124/75 (LGZ Wien 46 R 19/75; BG Mödling E 3091/73)
Text
Gegenstand dieses Exekutionsverfahrens ist die zwangsweise Aufhebung des gemeinschaftlichen Eigentums der Parteien an der Liegenschaft EZ 115 G W durch gerichtliche Versteigerung. Auf dieser Liegenschaft wird das "Hotel W" betrieben.
Mit Beschluß vom 15. November 1974 genehmigte das Erstgericht die von der betreibenden Partei vorgelegten Versteigerungsbedingungen (Punkte 1 bis 11), wobei unter anderem ausgesprochen wurde, daß der Ausrufpreis (zugleich geringstes Gebot) 1.472.733 S betrage (Punkt 3 der Versteigerungsbedingungen) und daß ein Vadium von 147.000 S zu leisten sei (Punkt 4 der Versteigerungsbedingungen). Punkt 5 der Versteigerungsbedingungen bestimmt, daß die auf der zu versteigernden Liegenschaft sichergestellten Pfandrechte ohne Rücksicht auf den erzielten Verkaufspreis vom Ersteher zu übernehmen seien, und zwar bis zur Höhe des Meistbots in Anrechnung auf dieses, darüber hinaus jedoch ohne Anrechnung. Die Anträge des Verpflichteten, ein weiteres Sachverständigengutachten über den Ertragswert des Hotels einzuholen und in den Versteigerungsbedingungen die tatsächliche Höhe der auf der Liegenschaft hypothekarisch sichergestellten Forderungen anzuführen, wies das Erstgericht ab. Es führte hiezu aus, bezüglich des mangels eines Einverständnisses vom Gericht festgesetzten Schätzwertes ergebe sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Kfm. Helmut H, daß die Höhe des Ertragswertes im vorliegenden Fall ohne Bedeutung sei, weil dieser mit 450.000 S weit unter dem Sachwert der "Betriebsliegenschaften" (80.850 S), des Hotelgebäudes (1.020.000 S) und des mitzuversteigernden Hotelinventars (176.147 S), insgesamt 1.276.997 S liege. Die ermittelten Schätzwerte der "gebundenen" Bauflächen und Bauten (laut Gutachten ON 23 insgesamt 1.100.850), der unverbauten Grundstücke (laut Gutachten ON 43 195.776 S) und des Hotelinventars in dem von den Parteien einvernehmlich festgelegten Umfang (laut Gutachten ON 49 und 51 insgesamt 176.147 S) seien von den Parteien nicht bekämpft worden. Die vom Verpflichteten beantragte Aufnahme der tatsächlichen Höhe der aushaftenden Hypothekarforderungen in die Versteigerungsbedingungen sei unzweckmäßig, weil im Zeitpunkt der Feststellung der Versteigerungsbedingungen ungewiß sei, inwieweit die Pfandrechte bis zum Versteigerungstermin getilgt und in welchem Umfang sie daher tatsächlich vom Ersteher zu übernehmen sein würden.
Das Rekursgericht änderte diesen Beschluß hinsichtlich der Punkte 3 und 4 der Versteigerungsbedingungen dahin ab, daß der Ausrufspreis und zugleich das geringste Gebot mit 1.600.000 S und das Vadium mit 160.000 S festgesetzt wurden. Im übrigen bestätigte es den angefochtenen Beschluß. Bezüglich des Ausrufpreises und des Vadiums ging es davon aus, daß die betreibende Partei einen Ausrufpreis von 1.600.000 S und der Verpflichtete einen solchen von 3.500.000 S vorgeschlagen hatte. Der Ausrufspreis müsse daher zumindest in der Höhe des niedrigsten vorgeschlagenen Betrages (1.600.000 S) festgesetzt werden. Das Begehren des Verpflichteten, den Ausrufspreis mit einem höheren Betrag (3.500.000 S) festzusetzen, sei jedoch nicht gerechtfertigt. Es sei nicht richtig, daß der Verkehrswert der Liegenschaft der Summe aus Grund- und Bauwert einerseits und Ertragswert anderseits zu entsprechen habe. Die Bewertung nach dem Ertrag einerseits und nach dem Grund- und Bauwert anderseits stelle nur zwei verschiedene Methoden dar, den Verkehrswert zu ermitteln. Das Ergebnis der einen Bewertungsart solle eine Kontrolle der anderen darstellen, was darin zum Ausdruck komme, daß der Verkehrswert stets zwischen den beiden Bewertungsergebnissen liegen müsse. Daß auf der zu versteigernden Liegenschaft ein Unternehmen betrieben werde, das auch vom Ersteher möglicherweise weiterbetrieben werden könne, rechtfertige nicht, den Ertragswert des Unternehmens, das ja selbst nicht Gegenstand der Versteigerung sei, als von der Liegenschaft unabhängig anzusehen und zu diesem Ertragswert noch den Grund- und Bauwert hinzuzurechnen. Selbst wenn man in Übereinstimmung mit dem Standpunkt des Verpflichteten den Ertragswert etwa mit dem Vierfachen des vom Sachverständigen ermittelten Wertes, also mit rund 1.800.000 S annähme, würde dies im Hinblick auf den Grund- und Bauwert von rund 1.500.000 S als Durchschnitt aus beiden Bewertungen keinen höheren Verkehrswert rechtfertigen als 1.600.000 S. Schon daraus ergebe sich, daß auf die Ausführungen über den Ertragswert und die Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens wegen Nichteinholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nicht näher eingegangen werden müsse. Die vom Verpflichteten angestrebte ziffernmäßige Darstellung der auf der Liegenschaft haftenden Lasten könne schon mangels eines genauen Antrages des Verpflichteten in erster Instanz nicht erfolgen. Hinsichtlich der Höchstbetragshypothek sei bisher nicht vorgebracht worden, ob das gesicherte Rechtsverhältnis fortdauere, ob somit neue Forderungen entstehen könnten. Es sei Sache des Bieters zu beurteilen, ob und inwieweit ihm der Erwerb der Liegenschaft unter Berücksichtigung der aus dem Grundbuch ersichtlichen Lasten günstig erscheine oder nicht.
Der Oberste Gerichtshof hob die Entscheidung über die Bestimmung von Ausrufspreis und Vadium zwecks Verfahrensergänzung auf, im übrigen gab er dem Revisionsrekurs des Verpflichteten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Revisionsrekurs gegen den teilweise abändernden und teilweise bestätigenden Beschluß des Rekursgerichtes ist zulässig, weil die Grundsätze des JB 56 auch im Rekursverfahren gelten (JBl. 1957, 567; SZ 39/90 u. a.), so daß § 528 Abs. 1 Z. 1 ZPO (§ 78 EO) auch hinsichtlich der bestätigenden Teile des angefochtenen Beschlusses, die mit den abgeänderten Teilen in untrennbarem, inneren Zusammenhang stehen, nicht zum Tragen kommt. Ein nach den Bestimmungen des § 16 Abs. 1 AußStrG zu beurteilender außerordentlicher Revisionskurs liegt entgegen der Meinung des Verpflichteten schon deshalb nicht vor, weil die Rechtsmittelbestimmungen des Außerstreitgesetzes auf ein Verfahren nach § 352 EO unanwendbar sind (Heller - Berger - Stix, 2537).
Der Verpflichtete wendet sich dagegen, daß seinem Antrag, die Höhe der noch aushaftenden Hypothekarforderungen in den Versteigerungsbedingungen anzuführen, nicht Folge gegeben wurde. Dem Verpflichteten ist zwar beizupflichten, daß es zur Erzielung eines optimalen Erfolges der Versteigerung zweckmäßig wäre, den Bietern genaue Kenntnis der Höhe der noch aushaftenden Hypothekarforderungen zu verschaffen, damit sie beurteilen könnten, welche Forderungen allenfalls über das Meistbot hinaus ohne Anrechnung auf dieses übernommen werden müssen und welche bücherlich sichergestellte Hypothekarforderungen bei dieser Beurteilung außer acht bleiben können, weil sie bereits getilgt sind. Für eine derartige "Feststellung des Lastenstandes" besteht aber weder eine verfahrensrechtliche Grundlage noch eine Verpflichtung des Gerichtes, zumal in der Exekution nach § 352 EO auf die Lasten der Liegenschaft nicht Bedacht zu nehmen ist. Diese werden durch die Versteigerung gemäß § 847 ABGB und § 277 AußStrG nicht berührt (Heller - Berger - Stix, 2541 mit Hinweisen auf Schrifttum und Rechtsprechung in FN 10). Es ist somit ausschließlich Sache der Parteien, dafür zu sorgen, daß das Grundbuch den Lastenstand richtig wiedergibt. Eine solche Bereinigung des Grundbuches wäre auch in Ansehung einer Höchstbeitragshypothek möglich. Die Frage, ob den Parteien im Zuge des Versteigerungsverfahrens nach § 352 EO auf Antrag noch Gelegenheit zur Erwirkung der Einverleibungen der Löschungen von solchen Pfandrechten gegeben werden muß, die im Grundbuch noch für bereits berichtigte Forderungen aufscheinen, ist hier nicht zu erörtern, weil ein derartiges Begehren nicht gestellt wurde.
Der Verpflichtete wendet sich aber mit Recht gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes über die Bestimmung des Ausrufpreises und dementsprechend des Vadiums. Mangels einer Einigung der Parteien auf einen den Betrag von 1.600.000 S übersteigenden Ausrufspreis war die Schätzung der Liegenschaft und Bewertung durch das Gericht vorzunehmen. Die Wertermittlung der gegenständlichen Betriebsliegenschaft hat durch die Feststellung des Verkaufs- (Verkehrs-)Wertes zu erfolgen. Eine Bewertung, wie sie § 16 Abs. 3 RealSchO vorsieht, kommt im vorliegenden Fall nicht in Frage. Daß sich die Parteien darauf geeinigt hätten, den Ausrufspreis nach der Höhe der Summe des Verkehrswertes und des Ertragswertes festzusetzen, wie dies der Verpflichtete im Revisionsrekurs behauptet, ist unzutreffend.
Als Verkehrswert ist grundsätzlich derjenige Betrag anzusehen, der innerhalb eines örtlich begrenzten Gebietes bei einer möglichst großen Anzahl von Verkäufen für möglichst gleichartige Objekte von Kaufwerbern geboten wurde. Eine Betriebsliegenschaft ist hierbei nicht mit der Summe der Werte der einzelnen Bestandteile (Grundstücke, Baulichkeiten, Zubehör) zu werten, also nicht nach Teilbeträgen, die nicht aufeinander Bezug nehmen. Es ist vielmehr der Verkehrswert der Betriebsliegenschaft global festzustellen. Es kommt hierbei also nicht bloß auf den Wert der einzelnen Teile der Liegenschaft an, sondern auch auf die objektive Eignung der Liegenschaft in ihrer Gesamtheit zur Ausübung des wirtschaftlichen Unternehmens, zu der Grund, Boden und Bauwerke sowie das vorhandene Liegenschaftszubehör gewidmet sind. Bei der Bewertung einer Betriebsliegenschaft ist demnach auch ihre Widmung für den Betrieb eines Unternehmens (organisierte Erwerbsgelegenheit) bedeutsam und daher als Wertfaktor auch die Marktlage (die Verdienstmöglichkeit) mitbestimmend. Der Entscheidung des Erstgerichtes und den dieser zugrunde liegenden Sachverständigengutachten ist nicht zu entnehmen, daß diese Grundsätze bei der Bewertung der Liegenschaft beachtet wurden. Es erweisen sich daher das Schätzungsverfahren und die vom Erstgericht vorgenommene Bewertung der Liegenschaft schon aus diesem Gründe als mangelhaft.
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