Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den beklagten Parteien binnen vierzehn Tagen die mit 8.522,18 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.420,36 S Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Die Ausfertigungen des Berufungsurteiles werden dahin berichtigt, daß in Absatz 1 nach dem Wort "St.Veit/Glan" der fehlende Satzteil: "werde aufgehoben; die beklagten Parteien seien schuldig einzuwilligen, daß ob der Liegenschaft EZ 123 KG Hardegg, Grundbuch St.Veit/Glan" einzufügen ist.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Notariatsakt vom 1.Oktober 1984 übergaben die beiden Kläger eine ihnen je zur Hälfte gehörige Liegenschaft den beiden Beklagten gegen die Erbringung von Ausgedingsleistungen. Der Übergabspreis wurde entsprechend dem Einheitswert von 178.000 S festgesetzt. Auch die von den beklagten Parteien zu erbringenden Gegenleistungen wurden im Vertrag in dieser Höhe festgelegt.
Die Kläger begehren die Aufhebung des Übergabsvertrages und die Einwilligung in die Einverleibung ihres Eigentumsrechtes mit der Begründung, die vereinbarten Gegenleistungen entsprächen bei einer anzunehmenden fünfjährigen Lebenserwartung nicht einmal der Hälfte des wahren Wertes der Liegenschaft, und die Beklagten vernachlässigten auch die Erbringung ihrer Gegenleistungen. Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten ein, es sei auf den im Vertrag genannten Übergabspreis und Wert der Gegenleistungen abzustellen, auf eine Anfechtung des Vertrages wegen Verletzung über die Hälfte sei verzichtet und die entsprechende Klausel nur versehentlich nicht in den Vertrag aufgenommen worden. Der Wert der Ausgedingsleistungen sei nicht mit der fünffachen, sondern mit der zehnfachen Jahresleistung zu veranschlagen. Wenn überhaupt könnten die Kläger die Rückgabe der Liegenschaft nur Zug um Zug gegen Ersatz der von den Beklagten erbrachten Leistungen begehren.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Es stellte den Verkehrswert der Übergabsliegenschaft im Übergabszeitpunkt mit 700.000 S und den Wert der jährlich zu erbringenden Ausgedingsleistungen mit 66.956,50 S fest, was bei einem wegen des Alters der Kläger anzunehmenden fünfjährigen Bewertungsfaktor einen Betrag von 345.782,50 S ergebe. Ein Verzicht auf die Anfechtung des Vertrages wegen Verletzung über die Hälfte sei nicht erwiesen. Es habe sich nicht um einen typischen bäuerlichen Übergabsvertrag gehandelt. Seitens der Kläger habe keine Schädigungsabsicht bestanden.
In rechtlicher Hinsicht war das Erstgericht der Auffassung, daß die Kläger gemäß § 934 ABGB die Aufhebung des Vertrages begehren könnten. Da die Beklagten ihren Rückerstattungsanspruch nicht beziffert hätten, sei auf diesen nicht Bedacht zu nehmen. Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß das Klagebegehren abgewiesen wurde.
Es übernahm die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes, qualifizierte aber den zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vertrag als Glücksvertrag, der gemäß § 1268 ABGB nicht wegen Verkürzung über die Hälfte des Wertes angefochten werden könne. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Wie der seinem Inhalt nach nicht strittige Vertrag zwischen den Streitteilen rechtlich zu beurteilen ist, ob es sich um einen bäuerlichen Übergabsvertrag handelt oder ein Glückscharakter gegeben ist, ist eine reine Rechtsfrage. Wenn das Berufungsgericht hier zu einer anderen Beurteilung gelangte als das Erstgericht, kann daher keine Aktenwidrigkeit vorliegen.
Zur rechtlichen Beurteilung gehört auch die in der Mängelrüge aufgeworfene Frage, ob die Klage nur auf die Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes gestützt oder ob auch der Rechtsgrund des Wuchers und der Sittenwidrigkeit geltend gemacht wurde oder von Amts wegen zu prüfen ist. Der Bekämpfung der erstgerichtlichen Feststellungen über den Wert der Übergabsliegenschaft kommt aus rechtlichen Erwägungen keine Bedeutung zu.
Zutreffend hat das Berufungsgericht den vorliegenden Vertrag als Glücksvertrag im Sinne des § 1267 ABGB beurteilt. Zwar gehört ein Übergabs- und Ausgedingsvertrag der vorliegenden Art nicht zu den in den §§ 1269 ABGB besonders angeführten und in den §§ 1284 bis 1286 ABGB näher geregelten Leibrentenverträgen; es besteht aber eine unverkennbare funktionelle Ähnlichkeit, sodaß man im Schrifttum von einer "Art" von Leibrentenvertrag spricht (Krejci in Rummel ABGB Rz 9 und 11 zu §§ 1284 bis 1286). Zu dem gleichen Risikofaktor der Lebenszeit des Übergebers tritt hier noch ein weiteres Unsicherheitsmoment. Während beim Leibrentenvertrag die Höhe der in bestimmten Perioden zu erbringenden Leistungen feststeht, kann hier auch der Umfang der zu erbringenden Leistungen je nach dem Gesundheitszustand und der Pflegebedürftigkeit der Übergeber verschieden ausfallen. Der vorliegende Übergabs- und Ausgedingsvertrag hat daher einen noch stärkeren aleatorischen Charakter als ihn echte Leibrentenverträge haben.
Damit ist aber die Bestimmung des § 1268 ABGB anzuwenden, daß bei Glücksverträgen das Rechtsmittel wegen Verkürzung über die Hälfte des Wertes nicht stattfindet. Ob es sich um einen Übergabsvertrag im bäuerlichen Bereich handelt, oder ob damit eine Erbfolge vorweggenommen werden sollte, oder ob eine teilweise Schenkungsabsicht bestanden hat, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.
Die von der Revision gewünschte Auslegung, die Parteien hätten den Wert der Gegenleistungen und ebenso den Kaufpreis sozusagen ein für allemal mit 178.000 S festgelegt, und wenn der Kaufpreis nicht dem wahren Wert entsprechen sollte, könne der Vertrag wegen Verletzung über die Hälfte angefochten werden, ist nicht nachvollziehbar. Man kann den Vertrag nicht in zwei selbständige Teile zerlegen, sondern muß ihn als Einheit betrachten. Dann ergibt sich aber zwingend der Glücksgeschäftscharakter. Die Kläger haben es keineswegs den Beklagten freigestellt, einen bestimmten Kaufpreis durch von vorneherein feststehende bestimmte Gegenleistungen "abzuarbeiten", sondern es handelte sich um einen Vertrag, bei dem sich die Kläger nur dann "verkalkuliert" hätten, wenn sie etwa bald nach Vertragsabschluß gestorben wären und infolge eines guten Gesundheitszustandes kaum Pflegeleistungen in Anspruch nehmen mußten. So aber trifft beide Teile das für einen Glücksvertrag typische Risiko, weil entweder der eine oder der andere Teil einen Vorteil ziehen kann.
Auf einen anderen Rechtsgrund als den der Verkürzung über die Hälfte des Wertes ist die vorliegende Klage nicht gestützt, nachdem die Vernachlässigung von Gegenleistungen nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens ist. Das Vorbringen war so eindeutig, daß eine Festlegung auf diesen Klagsgrund gegeben ist, die das Gericht hindert, mögliche andere rechtliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Insbesondere wurden nicht einmal ansatzweise die erforderlichen zusätzlichen Tatsachenbehauptungen über das mögliche Vorliegen eines Wuchertatbestandes oder einer sonstigen Sittenwidrigkeit vorgetragen. Hier unterscheidet sich der vorliegende Fall entscheidend von dem in der Revision angeführten Rechtsfall 7 Ob 537/81.
Es kann daher nicht etwa geprüft werden, ob unabhängig von einer Verletzung über die Hälfte des Wertes ein krasses Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (in der Entscheidung EvBl 1958/94 zB beim Wert der Gegenleistung, der nur ein Viertel des Wertes der Leistung betrug, angenommen, welche Voraussetzungen im vorliegenden Fall ohnedies nicht gegeben wären), oder ob eine Ausnützung von Leichtsinn, Verstandesschwäche usf im Sinne des Wuchertatbestandes vorlägen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Die Bemessungsgrundlage beträgt nur 178.000 S.
Gemäß § 419 Abs 1 und 3 ZPO war die in den Ausfertigungen des Berufungsurteiles durch Auslassung eines Satzteiles der Urschrift entstandene Verstümmelung des Wortlautes des abgewiesenen Klagebegehrens zu berichtigen.
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