OGH 8Ob684/89

OGH8Ob684/8927.10.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch, Dr.Huber, Dr.Schwarz und Dr.Graf als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hilde H***, Pensionistin, 8010 Graz, C.v.Hötzendorfstraße 33, vertreten durch Dr.Gerald Mader, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Willibald B***, Kaufmann, 8010 Graz, Weg zum Reinischkogel 45, vertreten durch Dr.Ulrich Daghofer, Rechtsanwalt in Graz, wegen restlicher S 96.200,-- s.A., infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 27.April 1989, GZ 6 R 50/89-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Handelsgerichtes vom 5.Dezember 1988, GZ 7 Cg 355/88-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Auf Grund des Leibrentenvertrages vom 28.10.1974 schuldet der Beklagte der Klägerin eine monatliche Leibrente von S 36.075,--; er bezahlte aber seit August 1988 nur noch ein Drittel davon, nämlich S 12.025,--.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten die Bezahlung des jeweiligen monatlichen Differenzbetrages von S 24.050,-- bis einschließlich November 1988, d.s. S 96.200,-- s.A.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er wendete ein, daß durch die seit Abschluß des Vertrages eingetretenen Änderungen der Rechtslage und insbesondere auch der Rechtsprechung zur Frage der Möglichkeit einer Abtretung von Hauptmietrechten an Geschäftsräumen der Gegenwert des mit dem Leibrentenvertrag von der Klägerin erworbenen Unternehmens, zu welchem auch die Hauptmietrechte gehört hätten, auf ein Drittel gesunken sei. Dieser Umstand berechtige den Beklagten, das mit dem Leibrentenvertrag zwischen den Streitteilen begründete Dauerschuldverhältnis entsprechend anzupassen und nur mehr den nunmehrigen wahren Wert des Unternehmens (ohne Hauptmietrechte) zur Berechnungsgrundlage für die von ihm zu leistende Leibrente zu nehmen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf folgende Feststellungen:

Mit dem Leibrentenvertrag vom 28.10.1974 übergab die Klägerin, deren Firma "K*** M***", Inhaberin Hildegard H***,

verwitwete F*** zu A 491 im Handelsregister beim Landes- als Handelsgericht Graz protokolliert ist, ihr Unternehmen dem Beklagten mit allem rechtlichen und tatsächlichen Zubehör in sein Eigentum. Dabei wurden auch das Inventar, der Kundenstock und die "Mietrechte an den Geschäftslokalitäten samt Nebenräumen" gegen Erbringung folgender Leistungen übergeben:

" a) für die im Unternehmen vor dem 31.12.1972 angeschafften

Anlagegüter laut beiliegender Inventarliste

S 147.000,--,

b) für das nach dem 1.1.1973 angeschaffte Anlagevermögen laut beigeschlossener Inventarliste

S 153.000,--,

für die Übernahme des gesamten Anlagevermögens sohin

S 300.000,--".

Der Betrag von S 300.000,-- war in 24 gleichen Monatsraten, fällig am 1.März 1986, die weiteren Raten jeweils am Ersten eines jeden Folgemonates zu bezahlen.

Unter Punkt III wurde vereinbart:

"Als Entgelt für den ideellen Firmenwert (Kundenstock, Einführung, good will) Bezahlung einer Leibrente auf Lebenszeit an die Übergeberin von monatlich S 20.000,-- (in Worten: Schilling zwanzigtausend) zahlbar jeweils am 1. eines jeden Monates im vorhinein bei eingeräumtem 5-tägigen Respiro erstmals fällig und zahlbar am 1.2.1975."

Im Punkt 10. des Vertrages ist festgehalten, daß "die Mietrechte an den Geschäftsräumlichkeiten rechtliches Zubehör des Unternehmens sind und durch die Übereignung ein gespaltenes Schuldverhältnis hinsichtlich des Mietrechtes derart eintritt, daß die Rechte aus diesem an den Übernehmer übergehen, die Verpflichtung weiter bei der Übergeberin bestehen bleiben.

Der Übernehmer verpflichtet sich daher, Mietzins samt Betriebskosten und Nebengebühren für dieses Bestandobjekt gegenüber dem Hauseigentümer zu entrichten. Sollte der Übernehmer in der Folge von der Hausinhabung die Möglichkeit erhalten, einen auf seinen Namen lautenden Mietvertrag abzuschließen, so verpflichtet sich die Übergeberin, jedoch nur im Einvernehmen mit dem Übernehmer und über dessen ausdrückliche Weisung, auf die Mietrechte an den Geschäftslokalitäten zugunsten des Übernehmers zu verzichten."

Am 28.10.1974, dem Tag der Unterfertigung des Leibrentenvertrages, errichtete die Klägerin ein Kodizill, worin sie für den Fall ihres Ablebens die Mietrechte des bis zur Unternehmensübergabe ihr allein gehörigen Unternehmens dem Beklagten vermachte.

Mit dem Notariatsakt vom 23.4.1982 übermachte die Klägerin in Form eines Schenkungsvertrages auf den Todesfall dem Beklagten die ihr auf Grund des Mietvertrages vom 1.10.1940 zustehenden Mietrechte an den Geschäftslokalitäten samt Nebenräumen unter der Bedingung, daß der Beklagte sie überlebt.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß die Leibrente das Entgelt für den ideellen Wert des veräußerten Unternehmens darstellten sollte, nicht aber für eine - damals rechtlich gar nicht möglich gewesene - Übertragung der Mietrechte. Der Beklagte hätte nicht davon ausgehen dürfen, daß er anstelle der Klägerin und zu genau denselben Bedingungen wie sie einst Hauptmieter des Geschäftslokales werden werde. Aber selbst dann, wenn er dies erwartet haben sollte und sich nunmehr in dieser Hoffnung enttäuscht sehe, sei er nicht berechtigt, seine der Klägerin zugesagten Leistungen einzuschränken.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Der Vertragzweck sei die Versorgung der Klägerin gewesen. Bei dieser Zielsetzung wäre es unbegreiflich, wollte man der Klägerin unterstellen, sie hätte das - unabsehbare - Risiko einer Gesetzesänderung oder auch nur einer Änderung der Rechtsprechung auf sich und damit in Kauf nehmen wollen, daß der überwiegende Teil ihres Lebensunterhaltes künftighin in Frage gestellt werden könne. Der Beklagte übersehe, daß er mit dem Leibrentenvertrag einen sogenannten Glücksvertrag im Sinne der §§ 1269 und 1284 ABGB abgeschlossen hat und es für Verträge dieser Art gerade zucharakteristisch ist, daß ihnen ein Risiko innewohnt. Es sei allein Sache der Klägerin gewesen, ob sie die letztwillige Anordnung der Übertragung der Mietrechte aufrecht belassen wollte. Der Beklagte habe nur darauf hoffen können, daß er die Klägerin bei dieser letztwilligen Verfügung belassen, diese also bis zu ihrem Ableben nicht ändern werde. Der Beklagte habe es nicht in der Hand gehabt, die von ihm erwartete Überlassung der Mietrechte der Klägerin sicherzustellen; er sei vielmehr offenkundig ganz bewußt das Risiko eingegangen, sich diesbezüglich ausschließlich mit dem - jederzeit widerrufbaren - Vermächtnis der Klägerin zu begnügen. Der Beklagte könne der Klägerin die durch das Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes zu § 12 Abs 3 MRG eingetretene Rechtsänderung nicht mit der Wirkung entgegenhalten, daß er nun berechtigt sei, eine Kürzung der von ihm zu leistenden Leibrente vorzunehmen. Die Klägerin habe ohnedies nach dem Inkrafttreten des MRG mit dem Notariatsakt vom 23.4.1982 ihre Mietrechte dem Beklagten auf den Todesfall geschenkt, "um ihrerseits treu zum Leibrentenvertrag zu stehen und aus ihrer Sicht dafür zu sorgen, daß der Beklagte mit dem Zeitpunkte ihres Ablebens auch Hauptmieter werden kann." Damals wie heute habe dem Beklagten klar sein müssen, daß er höchstens bei gleichbleibender Gesetzeslage und Fortdauer der seinerzeitigen Rechtsprechung über die Möglichkeit der Übertragung von Mietrechten im Wege eines Vermächtnisses, vielleicht die Chance haben konnte, einst Mieter der Geschäftsräumlichkeiten zu denselben Konditionen zu werden, wie sie die Klägerin erhielt. Er habe aber ebenso damit rechnen müssen, daß sich andernfalls, insbesonders bei Änderung der Rechtslage oder Rechtsprechung oder auch durch eine Abänderung der letztwilligen Verfügung der Klägerin, für ihn die Notwendigkeit ergeben könnte, eines Tages für das Objekt einen angemessenen Mietzins - nichts anderes ordne ja seit 1.1.1982 § 12 Abs 3 MRG an - entrichten zu müssen. Von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage könne daher keine Rede sein. Die Revision sei nicht zuzulassen, weil Rechtsfragen der im § 502 Abs 4 Z 1 ZPO näher umschriebenen Art nicht zu lösen waren.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen, oder es aufzuheben und dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Die Klägerin beantragt in der Revisionsbeantwortung, deren Erstattung ihr anheimgestellt wurde, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht auf wesentliche Fragen der Vertragsanpassung nicht im Sinne der Judikatur eingegangen ist; sie ist aber auch berechtigt. Der Beklagte hat die Anpassung des Vertrages betreffend die Unternehmensübergabe gegen Leibrente begehrt, weil sich seit Vertragsabschluß die Rechtsprechung zur Übertragung der Mietrechte bei einer Unternehmensveräußerung geändert habe. Das Berufungsgericht hat die Vertragsanpassung mit der Begründung verweigert, daß es sich bei dem Leibrentenvertrag um ein Glücksgeschäft handle und daß es für Verträge dieser Art geradezu charakteristisch sei, daß ihnen ein Risiko innewohnt. Dieser Auffassung ist jedoch entgegenzuhalten, daß dann, wenn ein Unternehmen gegen eine Leibrente übergeben wird, nicht nur ein Leibrentenvertrag, sondern auch ein Kaufvertrag vorliegt. Dabei bilden die Leibrente und die allenfalls weiters zu zahlenden Beträge für Warenlager udgl. den Kaufpreis (Krejci in Rummel, ABGB, Rz 5 zu §§ 1284 bis 1286 und die dort zitierte Judikatur). Nur die Dauer der Rentenleistung ist ein Glücksgeschäft, auf die übrigen Vertragspunkte sind die für Kaufverträge und allgemein für Verträge geltenden Grundsätze anzuwenden (vgl. Krejci aaO und Rz 34 zu §§ 1284 bis 1286). Die Frage der Höhe der Leibrente unterliegt demnach nicht den Grundsätzen eines Glücksgeschäftes. Das Berufungsgericht hat sich allerdings auf den Standpunkt gestellt, der Beklagte habe sich nie darauf berufen, daß ihm ein vertragliches Kürzungsrecht zustehe bzw. in AS 73 zusammenfassend dargelegt, daß er nie behauptet habe, seine letztlich nicht eingetretenen Erwartungen zur Bedingung für den Vertragsabschluß gemacht zu haben. Dies ist jedoch unter Berücksichtigung des vom Beklagten von Anfang an eingenommenen Prozeßstandpunktes (vgl. AS 6 der Klagebeantwortung) insoweit nicht richtig, als der Beklagte jedenfalls deutlich zum Ausdruck brachte, daß der "Leibrentenvertrag" als wesentlichen und prozeßbestimmenden Faktor auch die Hauptmietrechte am Geschäftslokal umfaßt habe. Ausdrücklich führte er weiters an, daß er infolge der geänderten Rechtslage nun nach dem Ableben der Klägerin mit einem wesentlich höheren Mietzins rechnen werden müsse. Damit hat der Beklagte aber unzweifelhaft dargelegt, daß er die Anpassung des mit der Klägerin geschlossenen Übergabsvertrages an seine wertmäßige Beurteilung nach der derzeitigen Rechtslage begehrt und sich damit auf den Wegfall der seinerzeitigen Geschäftsgrundlage ausdrücklich berufen. Nach früherer Rechtsprechung (SZ 42/118; JBl. 1984, 610 ua) genügte zur Mietrechtsübertragung ein Legat, wie dies die Parteien durch das Kodizill vorsahen, das sie gleichzeitig mit der Unterfertigung des Leibrentenvertrages am 28.10.1974 errichteten. Nach neuerer für die Unternehmensveräußerung vor dem 31.12.1981 maßgeblicher Rechtsprechung (vgl. MietSlg 34.252/20 ua) können aber Mietrechte ohne Einwilligung des Vermieters durch Vermächtnis wie überhaupt im Wege einer Einzelrechtsnachfolge weder durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden (vgl. SZ 46/24 = MietSlg 25.132/11

ua) noch durch Verfügung von Todes wegen übertragen werden (MietSlg 34.252/20; 7 Ob 505/85 ua). Dies hat zur Folge, daß das Vermächtnis der Mietrechte vom 28.10.1974 oder die Schenkung derselben auf den Todesfall am 23.4.1982 für den angestrebten Mietrechtsübergang bedeutungslos geworden sind.

Nach ständiger Judikatur kann die Aufhebung bzw. - wie hier - die Anpassung eines Vertrages (vgl. hiezu 5 Ob 39/81; EvBl. 1987/176 ua) verlangt werden, wenn ausdrücklich oder zumindest konkludent der Bestand eines Gesetzes oder einer Rechtslage zur Geschäftsgrundlage gemacht wurden und sich die dargestellten Umstände zum Nachteil eines Vertragsteiles geändert haben (SZ 43/63 und die dort dargestellte Literatur). Die Änderung darf sich allerdings nicht bloß in der eigenen Sphäre desselben ereignet haben oder von ihm herbeigeführt worden oder vorhersehbar gewesen sein (vgl. SZ 54/4; 5 Ob 39/81 ua).

Im vorliegenden Fall behauptet der Beklagte, mit der anstandslosen Übertragung der Mietrechte nach dem Tod der Klägerin schon bei Abschluß des Unternehmensübergabsvertrages gerechnet und daher - implicite - sich zu einer bedeutend höheren Leibrente verstanden zu haben, als er dies bei der Beurteilung des mit der Klägerin eingegangenen Dauerschuldverhältnisses nach der geltenden Rechtslage getan hätte. Das Berufungsgericht hat sich ebenso wie das Erstgericht der Behandlung dieser Frage mit dem Hinweis auf den Wortlaut des Vertrages, die Vertragstreue der Klägerin, den Umstand, daß der Beklagte eben ein Glücksgeschäft eingegangen sei und daß er letztlich den Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht unmittelbar behauptet habe, zu einem wesentlichen Teil entzogen. Nach den oben dargelegten Erwägungen wird jedoch auf diese Einwendungen des Beklagten, die die Grundlage dafür sind, daß er die Leibrente nicht in voller Höhe bezahlt, durch Einvernahme des Vertragsverfassers und der Parteien, die bisher unterblieben ist, näher einzugehen sein. Dies ist zweckmäßigerweise vom Erstgericht vorzunehmen, da bisher noch überhaupt keine derartigen Beweise aufgenommen wurden. Bei der rechtlichen Beurteilung der Sache werden die Vorinstanzen von der grundsätzlichen Zulässigkeit des Begehrens auf Vertragsanpassung ausgehen und dabei beachten müssen, daß die Anforderungen daran umso strenger sind, je eher bei Vertragsabschluß mit einer Änderung der Umstände zu rechnen und insbesondere je deutlicher der Wille der Parteien zum Ausdruck gekommen war, am ausgehandelten Preis, hier der Höhe der Leibrente, festzuhalten (EvBl. 1987/176 ua). Dies alles allein auf Grund der vorgelegten Urkunden zu beurteilen, ist im vorliegenden Fall jedoch nicht möglich.

Der Revision des Beklagten war somit Folge zu geben und wie im Spruch zu erkennen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 52 ZPO.

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