OGH 1Ob595/89

OGH1Ob595/8920.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Redl und Dr.Graf als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Maria F***, Angestellte, Musterhofgasse 2, 2345 Brunn am Gebirge, vertreten durch Dr.Reinhold Kloiber und Dr.Rudolf Beck, Rechtsanwälte in Mödling, wider den Antragsgegner Ludwig F***, Kaufmann, Musterhofgasse 2, 2345 Brunn am Gebirge, vertreten durch Dr.Johannes Schriefl und Dr.Peter Paul Wolf, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 3. November 1988, GZ 44 R 163/88-10, in der Fassung des Beschlusses vom 23.Februar 1989, GZ 44 R 163/88-15, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Mödling vom 5.September 1988, GZ 2 F 14/88-6, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragstellerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Die Revisionsrekursbeantwortung des Antragsgegners wird als verspätet zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Ehe der Parteien wurde mit dem am 11.Juni 1987 verkündeten Urteil des Erstgerichtes (AZ 12 C 223/87) gemäß § 55 Abs 1 EheG geschieden; über Antrag der klagenden Ehegattin wurde gemäß § 61 Abs 3 EheG das Alleinverschulden des beklagten Mannes an der Zerrüttung der Ehe ausgesprochen. Die Parteien erklärten unmittelbar nach der Urteilsverkündung, auf Rechtsmittel zu verzichten. Das Scheidungsurteil wurde ihren Rechtsvertretern am 23.Juni 1987 zugestellt.

Am 23.Juni 1988 brachte die geschiedene Ehegattin beim Erstgericht ihren Aufteilungsantrag gemäß §§ 81 f EheG ein. Das Erstgericht wies den Antrag wegen Verfristung gemäß § 95 EheG ab, weil diese materiellrechtliche Ausschlußfrist ab der formellen Rechtskraft des Scheidungsurteiles, daher dem Zeitpunkt des erklärten Rechtsmittelverzichtes am 11.Juni 1987, zu laufen begonnen habe.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes aus dessen für zutreffend befundenen Gründen und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist nicht berechtigt. Die österreichische Zivilprozeßordnung unterscheidet deutlich zwischen Rechtskraft und Wirksamkeit eines Urteiles. Die (formelle) Rechtskraft eines Urteiles tritt ein, wenn es durch ein Rechtsmittel nicht mehr anfechtbar ist (§ 411 Abs 1 ZPO). Wirksam wird den Parteien gegenüber ein Urteil hingegen, sieht man von den Ausnahmen des § 416 Abs 3 ZPO ab, erst mit der Zustellung der schriftlichen Urteilsausfertigung. Das kann zur Folge haben, daß ein Urteil zwar bereits rechtskräftig, den Parteien gegenüber aber noch nicht wirksam ist, was etwa zur Folge haben kann, daß ein Ehescheidungsurteil zwar rechtskräftig, die Ehe aber noch nicht geschieden ist, was im Falle des Todes eines Ehegatten zwischen Rechtskraft und Wirksamkeit des Scheidungsurteiles von Bedeutung sein kann (SZ 27/186 und 210). Der Oberste Gerichtshof hat aber bereits klargestellt, daß die Bestimmung des § 416 Abs 1 ZPO über die Wirksamkeit eines Urteiles den Parteien gegenüber auf den Eintritt der formellen Rechtskraft keinen Einfluß hat (SZ 32/136). Soweit es sich um von der Rechtskraft einer Entscheidung abhängige Fristen handelt, kann das Gesetz überhaupt nur die formelle Rechtskraft im Auge haben, weil man unter der sogenannten materiellen Rechtskraft nur die Folgen der formellen Rechtskraft, die eine Wiederholung desselben Rechtsstreites ausschließt und die Gerichte und die Parteien an die Entscheidung bindet (Fasching, ZPR Rz 1497), versteht.

Gemäß § 95 EheG erlischt der Anspruch auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse, wenn er nicht binnen einem Jahr nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung ....... gerichtlich geltend gemacht wird. Wenn das Gesetz ausdrücklich von Rechtskraft und nicht von Wirksamkeit des Scheidungsurteiles spricht und der Gesetzgeber deutlich zwischen beiden Begriffen unterscheidet, kann entgegen der Auffassung des Revisionsrekurses kein Zweifel bestehen, daß § 95 EheG die Frist für die Geltendmachung des Aufteilungsanspruches nicht erst mit der Wirksamkeit der Scheidung beginnen lassen wollte, so unbefriedigend es für die Betroffenen sein mag, mangels Zustellung des Scheidungsurteiles noch immer als Ehegatten zu gelten. Der Gesetzgeber nahm aber, als er den § 95 EheG formulierte, offensichtlich an, daß für die Parteien des Ehescheidungsverfahrens mit dem gemeinsam abgegebenen Rechtsmittelverzicht die endgültige Ehescheidungsabsicht so geklärt ist, daß die einjährige Frist zur Überlegung, ob Ansprüche gestellt werden und welcher Art sie sein sollen, zu laufen beginnen kann. Der Umstand, daß die Ehegatten das Urteil noch nicht in Händen haben, ist auch auf ihre Absichten, sich scheiden zu lassen und allenfalls Aufteilungsansprüche zu stellen, wirklich ohne Einfluß. Der Gesetzgeber hat daher, da er Wert darauf legte, daß allfällige Aufteilungsansprüche möglichst rasch gestellt werden, wohl bewußt auf die Rechtskraft und nicht auf die für Entschlüsse der Ehegatten bedeutungslose Wirksamkeit der Ehescheidung abgestellt. Es ist demnach auch ständige Rechtsprechung, daß die Frist des § 95 EheG mit der formellen Rechtskraft im Sinne des § 411 Abs 1 ZPO zu laufen beginnt (SZ 60/116; SZ 55/34; EvBl 1981/211; MietSlg 39.687, 35.697, 34.612; EFSlg 49.035, 46.417, 41.444 ua; in diesem Sinne auch Pichler in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 95 EheG; vgl Schwind, EheR2 339; EhrenzweigSchwind, Familienrecht3 116; Gschnitzer-Faistenberger, Österr. Familienrecht2 55). Für die Antragstellerin ist nichts dadurch gewonnen, daß es sich bei der Frist des § 95 ABGB um eine materiellrechtliche Fallfrist handelt, weil auch eine solche mit der formellen Rechtskraft einer Entscheidung zu laufen beginnen kann. Dem Revisionsrekurs ist der Erfolg zu versagen.

Die Revisionsrekursbeantwortung des Antragsgegners ist zurückzuweisen, weil sie erst nach Ablauf der vierzehntägigen Frist gemäß §§ 231 Abs 2, 232 AußStrG erstattet wurde.

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