OGH 4Ob509/82

OGH4Ob509/8216.3.1982

SZ 55/34

Normen

EheG §95
EheG §95

 

Spruch:

Wird eine Ehe mit Teilurteil geschieden und der Verschuldensausspruch dem Endurteil vorbehalten, läuft die Frist zur Antragstellung auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse bereits ab Rechtskraft des Teilurteiles

OGH 16. März 1982, 4 Ob 509/82 (LGZ Wien 43 R 2068/81; BG Mödling 2 F 11/80)

Text

Die von den Parteien am 2. 6. 1958 geschlossene Ehe wurde mit Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 31. 5. 1978 aus dem Alleinverschulden der Antragstellerin geschieden. Die Antragstellerin erhob gegen das Urteil Berufung. Mit dem Urteil vom 24. 10. 1978 bestätigte das Oberlandesgericht Wien nach mündlicher Berufungsverhandlung das Ersturteil im Ausspruch über die Scheidung, sodaß dieses als Teilurteil am 21. 12. 1978 in Rechtskraft erwuchs. Am 24. 12. 1979 wurde das Endurteil vom 29. 11. 1979 mit dem Ausspruch über das Verschulden an der Scheidung der Ehe rechtskräftig. Außer Streit steht, daß am 1. 3. 1979 Vergleichsgespräche über Scheidung und vermögensrechtliche Ansprüche ergebnislos beendet wurden.

Das Erstgericht wies das am 31. 10. 1980 gestellte Begehren der Antragstellerin, die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse vorzunehmen, wegen Ablaufs der Frist des § 95 EheG ab. Es war der Ansicht, daß der Anspruch der Antragstellerin auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse erloschen sei. Da die Ursachen der Eheauflösung nach Regelung der §§ 81 ff. EheG für die Aufteilung des Gebrauchsvermögens - anders als nach § 2 der 6. DVEheG - nicht mehr von Bedeutung seien, habe die Frist des § 95 EheG ab Rechtskraft des die Scheidung aussprechenden Urteils zu laufen begonnen. Da dieses Teilurteil am 21. 12. 1978 in Rechtskraft erwachsen sei, sei der Anspruch der Klägerin erloschen. Auch die in den Übergangsbestimmungen vorgesehene Anwendung der 6. DVEheG komme nicht in Betracht, da die Berufungsverhandlung im Scheidungsverfahren am 24. 10. 1978, also nach Inkrafttreten (1. 7. 1978) des Eherechtsänderungsgesetzes vom 15. 6. 1978, BGBl. 280/1978 (EheRÄG), geschlossen worden sei.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und erklärte den Rekurs an den OGH für zulässig. Es führte aus, daß die Bestimmungen des Eherechtsänderungsgesetzes gemäß seinen Übergangsbestimmungen (Art. XXIII § 3 Abs. 5) nicht anzuwenden seien, wenn die Rechtskraft des auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung lautenden Urteiles vor dem 1. Juli 1978 eingetreten sei, oder, sofern das Scheidungsverfahren zu diesem Zeitpunkt noch anhängig sei, die mündliche Verhandlung, auf die das Urteil ergehe, schon geschlossen sei. In dieser Übergangsbestimmung werde auf § 76 Abs. 1 der 1. DVEheG verwiesen. Dem Justizausschußbericht sei eindeutig zu entnehmen, daß unter der "mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht", nicht nur die Verhandlung erster Instanz, sondern auch die Berufungsverhandlung zu verstehen sei. Der Gesetzgeber habe offensichtlich auf den Zeitpunkt abstellen wollen, bis zu dem neue Tatsachen vorgebracht werden könnten. Da im Scheidungsverfahren das Neuerungsverbot nicht gelte und im Berufungsverfahren noch neue Tatsachen vorgebracht werden könnten, sei der Schluß der Berufungsverhandlung der maßgebende Zeitpunkt. Da die Berufungsverhandlung erst nach dem Inkrafttreten des Eherechtsänderungsgesetzes geschlossen worden sei, seien schon die neuen Bestimmungen der §§ 81 ff. EheG und nicht jene der 6. DVEheG anzuwenden. Das Teilurteil, mit dem der Ausspruch der Scheidung erfolgt sei, sei am 21. 12. 1978 in Rechtskraft erwachsen, sodaß die Frist des § 95 EheG im Zeitpunkt der Antragstellung bereits abgelaufen gewesen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Antragstellerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Ansicht der Revisionsrekurswerberin, in der gegenständlichen Rechtssache seien bei richtiger Auslegung der Übergangsbestimmung des Art. XXIII § 3 Abs. 5 EheRÄG noch die Bestimmungen der 6. DVEheG, die keine den § 95 EheG entsprechende Fallfrist für die Antragstellung enthielt, anzuwenden, kann nicht gefolgt werden.

Gemäß Art. XXIII § 3 Abs. 5 EheRÄG sind die Bestimmungen über die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse idF dieses Bundesgesetzes nicht anzuwenden, wenn die Rechtskraft des auf Scheidung der Ehe lautenden Urteils vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmungen eingetreten ist oder, sofern das Verfahren über die Scheidung der Ehe im Zeitpunkt des Inkrafttretens noch anhängig ist, die mündliche Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, schon geschlossen ist (§ 76 Abs. 1 1. DVEheG). Wie das Rekursgericht zutreffend erkannte, ist als "mündliche Verhandlung, auf die das Urteil ergeht", wegen des Fehlens eines Neuerungsverbotes im Eheverfahren nicht die letzte mündliche Streitverhandlung in erster Instanz, sondern die Berufungsverhandlung anzusehen; diese fand am 24. 10. 1978 statt, sodaß die Verhandlung im Zeitpunkte des Inkrafttretens des Eherechtsänderungsgesetzes (Art. XXIII § 1 Abs. 1: 1. 7. 1978) noch nicht geschlossen war. Aus der Anführung des § 76 der 1. DVEheG in Art. XXIII § 3 Abs. 5 EheRÄG und den Erläuterungen im Bericht des Justizausschusses (916 BlgNR, XIV. GP 41) zu den Übergangsbestimmungen ergibt sich deutlich die Absicht des Gesetzgebers, die an den Schluß der mündlichen Verhandlung geknüpften Wirkungen erst mit dem Schluß der mündlichen Berufsverhandlung eintreten zu lassen; wenn dieser in die Zeit nach dem 1. 7. 1978 fiel, waren die Parteien in der Lage, ihr Vorbringen der neuen Rechtslage anzupassen, sodaß bereits die neuen Bestimmungen anzuwenden sind. Ob die Parteien von der Möglichkeit eines solchen Vorbringens tatsächlich Gebrauch machten, ist für die Frage, ob noch die 6. DVEheG oder schon die Bestimmungen der §§ 81 ff.

EheG anzuwenden sind, bedeutungslos.

Es kann aber auch der Ansicht der Rechtsmittelwerberin, daß die Frist des § 95 EheG im vorliegenden Fall erst mit dem das Verschulden der Ehegatten feststellenden Endurteil zu laufen begonnen habe, nicht gefolgt werden. Gemäß § 95 EheG erlischt der Anspruch auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse, wenn er nicht binnen einem Jahr nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung .. gerichtlich geltend gemacht wird. Darunter ist die formelle Rechtskraft iS des § 411 ZPO zu verstehen (EvBl. 1981/211). Wie der OGH wiederholt ausgesprochen hat, gilt für den österreichischen Rechtsbereich der Grundsatz der Einheit des Eheverfahrens nicht. Es wird durch keine positive Vorschrift die Möglichkeit ausgeschlossen, daß nach erfolgter Scheidung ein Mitverschulden des Klägers festgestellt wird (RZ 1977/41; EvBl. 1975/291; SZ 25/331 = JB 57; SZ 21/25; 1 Ob 527/81). Damit tritt aber die Rechtskraft der Scheidung bereits mit Rechtskraft des Teilurteils hierüber ein. Daß auch in diesen Fällen die Frist des § 95 EheG bereits mit dem Eintritt der Rechtskraft der Scheidung in Lauf gesetzt werden soll, entspricht der Absicht des Gesetzgebers. Nach dem JAB (916 BlgNR, XIV. GP 20) sollten durch die Bestimmung der Fallfrist des § 95 EheG möglichst rasch klare Verhältnisse über die Vermögenslage der Ehegatten geschaffen werden. Diesem Anliegen nach ehester Klärung der Vermögensverhältnisse entspricht es, die in § 95 EheG normierte Frist zum frühestmöglichen Termin in Lauf zu setzen. Der früheste Zeitpunkt ist aber die formelle Rechtskraft der Entscheidung über die Scheidung der Ehe (EvBl. 1981/211).

Der Ansicht der Revisionsrekurswerberin, die einjährige Fallfrist werde erst durch die Rechtskraft des Endurteiles in Lauf gesetzt, weil erst dann die Ursachen der Eheauflösung feststunden, kann nicht zugestimmt werden. Ob bei der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse auf die Ursachen der Eheauflösung, insbesondere ein Verschulden der Ehegatten, überhaupt Bedacht zu nehmen ist, kann weder dem Wortlaut des Gesetzes noch dem Bericht des Justizausschusses entnommen werden. Im Gegensatz zu den Aufteilungsgrundsätzen des § 2 der 6. DVEheG, wonach vom Richter auch die Ursachen der Eheauflösung zu berücksichtigen waren, wird dieser Umstand in der beispielsweisen Erläuterung der Aufteilungsgrundsätze des § 83 EheG nicht mehr erwähnt. Dies bedeutet zwar für sich allein noch nicht, daß die Ursachen der Eheauflösung für die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse jegliche Bedeutung verloren hätten, weil die auf die Billigkeit abgestellte Generalklausel des § 83 Abs. 1 erster Satz EheG und die demonstrative Aufzählung des zweiten Satzes (Ent - Hopf, Das neue Eherecht 105) sowie das Fehlen des Verbotes einer Berücksichtigung der Auflösungsursachen eine solche Bedachtnahme jedenfalls nicht ausschließen. Die geänderte Regelung läßt lediglich erkennen, daß der Gesetzgeber den Ursachen der Eheauflösung nicht mehr die gleiche Bedeutung wie früher beimißt und insbesondere die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens nicht zu einem Instrument der Bestrafung oder Belohnung für ehewidriges oder ehegerechtes Verhalten machen wollte (EvBl. 1981/49; 4 Ob 600/81). Es ist daher jedenfalls nicht ausgeschlossen, daß das Verschulden der Ehegatten an der Scheidung bei der Aufteilung eine - wenn auch nur untergeordnete - Rolle spielen kann. Daraus folgt jedoch nicht, daß die einjährige Fallfrist trotz vorherigen Eintritts der Rechtskraft der Scheidung (mit Teilurteil) erst durch das Endurteil in Lauf gesetzt wird, damit der Außerstreitrichter auf das bereits festgestellte Verschulden Bedacht nehmen könne. Die Ehegatten hätten dann trotz rechtskräftiger Auflösung ihrer Ehe bis zu der vielleicht erst Jahre später ergehenden Entscheidung über das Verschulden keine Möglichkeit, eine - über bloße Provisorien (§ 382 Z 8 EO idF des Art. VII EheRÄG) hinausgehende - Regelung über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse herbeizuführen, obwohl für eine möglichst bald nach dem Eintritt der Rechtskraft des Teilurteils vorgenommene Aufteilung im allgemeinen das gleiche dringende Bedürfnis besteht wie nach Eintritt der Rechtskraft eines den Verschuldensausspruch bereits enthaltenden Scheidungsurteils (4 Ob 600/81). Würde einer der geschiedenen Ehegatten während des über das Verschulden an der Scheidung noch anhängigen Verfahrens sterben, könnte der (noch nicht entstandene) Aufteilungsanspruch nicht auf die Erben übergehen (§ 96 EheG). Falls es nicht mehr zum Endurteil käme (etwa bei Vereinbarung ewigen Ruhens des Verfahrens), würde die Frist des § 95 EheG überhaupt nicht mehr in Lauf gesetzt werden.

Sollte in dem vor dem Außerstreitrichter durchzuführenden Verfahren nach § 81 ff. EheG die Frage des Verschuldens der Parteien an der Ehescheidung von Bedeutung sein, wird der Außerstreitrichter diese Frage entweder selbst zu beurteilen oder den Ausgang des über das Verschulden noch anhängigen Rechtsstreites abzuwarten haben.

Wenn auch eine Unterbrechung des Verfahrens iS der ZPO dem Außerstreitgesetz fremd ist und ein Innehalten iS des § 127 Abs. 1 AußStrG nur unter bestimmten, hier nicht gegebenen Voraussetzungen zulässig ist, so ist es dem Außerstreitrichter nicht verwehrt, den Ausgang eines präjudiziellen Rechtsstreites ohne förmliche Unterbrechung im wohlverstandenen Interesse der Parteien abzuwarten (EvBl. 1973/52; RZ 1968, 109; MietSlg. 18/713; EvBl. 1957/139; 4 Ob 600/81).

Die Vorinstanzen gelangten daher zum zutreffenden Ergebnis, daß der erst am 31. 10. 1980 gestellte Antrag der Revisionsrekurswerberin wegen der schon am 21. 12. 1978 eingetretenen Rechtskraft des Teilurteils über die Scheidung verfristet ist.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte