Spruch:
Wer die Notwendigkeit der Zustimmung des Veräußerungsverbotsberechtigten kennen hätte müssen und dennoch ohne jede Beschränkung die Veräußerungsverpflichtung übernahm, kann diese nicht wegen Irrtums über die unbeschränkte eigene Verfügungsfähigkeit über die Liegenschaft anfechten
OGH 29. Oktober 1982, 5 Ob 731/82 (OLG Graz 4 R 78/82; KG Leoben 9 Cg 450/81)
Text
Mit Übergabsvertrag vom 21. 9. 1979 übergab Angela S ihrer Tochter Christa S die Liegenschaft EZ 26 KG R, einen landwirtschaftlichen Betrieb von rund 51 ha. Die Übergeberin behielt sich die Dienstbarkeit der Wohnung, die Reallast des Ausgedinges sowie ein Veräußerungsverbot vor. Diese Rechte wurden grundbücherlich einverleibt.
Am 10. 3. 1981 klagte Christa S die Firma Hans R und deren Inhaber Hans R zu 9 Cg 118/81 des Erstgerichtes auf Unterlassung und Schadenersatz. In diesem Verfahren behauptete Christa S, daß es durch die mangelhafte Beschaffenheit und den konsenswidrigen Betrieb des Werkskanales, der über ihr Wiesengrundstück führe und das E-Werk der Firma Hans R versorge, zu Immissionen, Überschwemmungen und Versumpfungen der an den Kanal anschließenden Grundstücke komme, wodurch die Führung des landwirtschaftlichen Betriebes gefährdet und auf Dauer unmöglich gemacht werde. Die Prozeßgegner bestritten diese Behauptung und erwiderten, daß der Kanal und das E-Werk konsensmäßig betrieben würden und die an den Kanal angrenzenden Grundstücke schon seit unvordenklichen Zeiten durch austretende Wässer unabhängig von der Kanalanlage vernäßt seien.
In der Streitverhandlung am 25. 5. 1981 zog Christa S die Klage gegen die Firma Hans R unter Anspruchsverzicht zurück. Mit Hans R schloß sie einen prozeßbeendenden gerichtlichen Vergleich, dessen Punkte 1 und 3 bis 6 lauten:
"1. Die Klägerin Christa S tritt dem Beklagten Hans R am südlichen Rand des Grundstückes 1833/2 = Oberwasserkanal der Kraftanlage des Beklagten einen Streifen in einer Breite von 5 m bei der Wehranlage bis zu 7 m sich verbreiternd zur Kraftanlage von der gesicherten Uferbegrenzung aus gemessen ab.
3. Hingegen tritt der Beklagte an die Klägerin die ihm eigentümlichen Teile der Grundstücke 1103/2 und 1582/1 sowie eine zwischen den genannten Grundstücksteilen befindliche Bauparzelle im unverbürgten Ausmaß von 2600 bis 2700 m2 ab. Die östliche Grenze dieses Tauschgrundstückes verläuft westlich des Brunnens.
4. Die Abtretung der Grundstücke hat wechselseitig lastenfrei zu erfolgen.
5. Die Klägerin verpflichtet sich, das ihr im Tauschweg zukommende Grundstück selbst vermessen zu lassen. Hingegen verpflichtet sich der Beklagte, die ihm entlang des Kanals zukommenden Grundstücke auch selbst vermessen zu lassen. Diese Verpflichtung für beide Parteien besteht bis 31. 12. 1981. Zu diesem Zeitpunkt erfolgt die Übergabe der beiden Grundstücke.
6. Nach erfolgter Vermessung verpflichten sich beide Parteien, die Aufsandungserklärung längstens bis 31. 1. 1982 Zug um Zug zu unterfertigen.
Hans R begehrt nun die Verurteilung der Christa S, 1. die Vermessung des Grundstückes 1833/2 KG R iS des Punktes 1 des Vergleiches vom 25. 5. 1981 durch einen staatlich befugten und beeideten Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen zuzulassen bzw. zu dulden;
- 2. jede Störung der obzitierten Vermessungsarbeiten zu unterlassen;
- 3. die auf Grund solcher Vermessungsarbeiten gesetzten Vermessungszeichen einschließlich Grenzzeichen (ua. Pflöcke) an Ort und Stelle zu belassen und sohin weder zu beschädigen noch zu entfernen; 4. ihm einen Betrag von 8575 S samt Anhang zu bezahlen. Er brachte vor, Christa S habe die über seinen Auftrag mehrfach versuchte Vermessung des nach dem Vergleich ihm zufallenden Grundstücksstreifen nicht zugelassen und die bereits gesetzten Vermessungspflöcke herausgerissen; für die vereitelte Vermessung seien ihm Kosten von 8575 S entstanden, die er aus dem Titel des Schadenersatzes ersetzt begehre.
Christa S beantragte Klageabweisung und wendete ein: Der Vergleich vom 25. 5. 1981 sei unwirksam, weil sie bei dessen Abschluß unter psychischen Druck gesetzt worden sei und die Tragweite der Vereinbarung nicht habe abschätzen können. Im übrigen sei der Vergleich unter der auflösenden Bedingung geschlossen worden, daß ihm ihre hinsichtlich ihrer Liegenschaft veräußerungsverbotsberechtigte Mutter zustimme, welche Bedingung nicht eingetreten sei. Schließlich hätten sich die Vergleichsteile wegen dieses Veräußerungsverbotes in einem gemeinsamen Irrtum über die Erfüllbarkeit des Vergleiches befunden. Das Veräußerungsverbot stehe dem vereinbarten Grundstückstausch von vornherein entgegen. Das Schadenersatzbegehren des Hans R sei unbegrundet, weil dieser vor der versuchten Vermessung mehrmals darauf aufmerksam gemacht worden sei, daß die Vermessung wegen Unwirksamkeit des Vergleiches zu unterbleiben habe. Er hätte daher den Schadenseintritt in Verfolgung seiner Schadensminderungspflicht durch Unterlassung der Vermessungsversuche vermeiden können.
Das Erstgericht erkannte iS des Klagebegehrens. Es traf folgende Feststellungen: Die Beklagte war im Verfahren zu 9 Cg 118/81 des Erstgerichtes bei der Streitverhandlung am 25. 5. 1981 rechtsanwaltlich vertreten. Vor der Begehung und Besichtigung der Kanalanlage regte der Verhandlungsrichter an, einen Grundstückstausch in der Weise durchzuführen, daß die Beklagte einen 5 bis 7 m breiten Grundstreifen entlang des Kanals für dessen Instandhaltung abtritt und dafür vom Kläger eine Bauparzelle im Ausmaß von rund 2600 bis 2700 m2 erhält. Es erfolgte dann die Besichtigung, die sich über mehrere Stunden hinzog. Nach der Begehung der Grundstücke der Beklagten und nach Besichtigung des Grundstückes des Klägers wurde die Verhandlung in der Wohnstube des Hauses der Beklagten fortgesetzt. Während dieser mehrstundigen Vergleichsgespräche kam auch die Mutter der Beklagten zeitweilig in die Wohnstube und hörte Teile des abzuschließenden Vergleiches mit. Der Rechtsvertreter der Beklagten setzte sich für den Abschluß des Vergleiches ein. Deren Mutter hingegen verhielt sich gegenüber einem Vergleichsabschluß ablehnend. Sie erklärte sowohl der Beklagten als auch deren Rechtsvertreter: "Nichts verkaufen, nichts hergeben". Der Rechtsvertreter der Beklagten wies diese Bedenken der Mutter zurück. Während der stundenlangen Gespräche verhielt sich die Beklagte, obwohl sie innerlich aufgeregt war, nach außen hin völlig ruhig. Weder sie noch ihre Mutter erwähnte während der Vergleichsverhandlungen das grundbücherlich einverleibte Veräußerungsverbot. Dem Kläger war es nicht bekannt. Nachdem der Vergleichsinhalt auch textlich festgelegt war, wurde der Beklagten das Verhandlungsprotokoll zur Unterfertigung vorgelegt. Sie zögerte zunächst, unterfertigte dann jedoch, nachdem ihr Rechtsvertreter erklärt hatte: "Sie können schon unterschreiben, ich unterschreibe auch", das Protokoll und damit den Vergleich. Nach der Verhandlung teilte die Beklagte ihrer Mutter mit, daß sie unterschrieben habe, worauf sie ihre Mutter darauf aufmerksam machte, daß sie wegen des ihr zustehenden Veräußerungsverbotes keinen Verkauf durchführen könne. Schon am darauffolgenden Tag machte die Beklagte davon dem Verhandlungsrichter und ihrem Rechtsvertreter Mitteilung. Der Kläger hielt am Vergleich fest und beauftragte Dipl.-Ing. Adolf K, die Vermessung des ihm zufallenden Grundstücksstreifens durchzuführen. Dieser verständigte am 14. und 23. 7. 1981 die Beklagte von der Vermessung. Diese teilte jeweils mit, daß er nicht berechtigt sei, die Vermessung durchzuführen, da sie es nicht gestatte, daß er ihr Grundstück betrete, da der Vergleich nicht rechtswirksam zustande gekommen sei. Dipl.-Ing. Adolf K setzte sich darauf mit dem Kläger und dessen Rechtsvertreter in Verbindung. Diese erklärten ihm, daß die Vermessung durchzuführen sei. Vor dem 8. 9. 1981 wurde dann die Vermarkung des zu vermessenden Grundstücksstreifens durchgeführt und hiebei Schlagmarken in das Erdreich eingeschlagen. Am 8. 9. 1981 hätte die Vermessung durchgeführt werden sollen. Diese wurde jedoch von der Beklagten mit dem Hinweis untersagt, daß der Vergleich nicht rechtsgültig sei. Sie entfernte die Vermessungsgeräte von ihrem Grundstück und riß die eingeschlagenen Pflöcke heraus. Die Vermessung wurde abgebrochen. Die Kosten der vereitelten Vermessung in der Höhe von 8575 S bezahlte der Kläger am 3. 2. 1982.
Diesen Sachverhalt unterzog das Erstgericht nachstehender rechtlichen Beurteilung: Der im Verfahren zu 9 Cg 118/81 iS des § 204 ZPO abgeschlossene Vergleich habe den Charakter eines zivilrechtlichen Rechtsgeschäftes und einer Prozeßhandlung (ZBl. 1927/116). Mit der Beurkundung sei seine Vollstreckbarkeit begrundet worden (ZBl. 1937/454). Mit der Unterfertigung des Protokolls durch die Parteien sei der Vergleich zustande gekommen (EvBl. 1969/378). Die materielle Rechtsgültigkeit des gerichtlichen Vergleiches sei nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen (RZ 1931, 196). Der gerichtliche Vergleich unterliege daher der Anfechtung wegen Drohung oder Irreführung (EvBl. 1969/320) und wegen Irrtums (EvBl. 1933/262). Die Anfechtung des Vergleiches wegen Irrtums sei nur dann möglich, wenn der Irrtum die Wesenheit der Person oder des Gegenstandes betreffe (§ 1385 ABGB). Die Anfechtung des Vergleiches könne durch Klage oder Einrede erfolgen. Die Beklagte habe weder Drohung noch Irreführung, wohl aber psychischen Druck und Nichterkennen der Tragweite des Vergleichsinhaltes, also Irrtum einredeweise geltend gemacht. Nach dem festgestellten Sachverhalt sei auf sie ein psychischer Druck nicht ausgeübt worden. Sie habe auch den Inhalt des Vergleiches richtig eingeschätzt. Es sei ihr völlig bewußt gewesen, daß ein Grundstückstausch vorgenommen und damit der im Prozeß erhobene Anspruch verglichen werde. Der weitere Einwand, daß der Vergleich unter der auflösenden Bedingung abgeschlossen worden sei, daß ihre Mutter dem Tauschgeschäft zustimme, sei nach dem festgestellten Sachverhalt gleichfalls unberechtigt. Weder die Beklagte noch ihre Mutter hätten das bestehende Veräußerungsverbot erwähnt. Dieses Verbot sei dem Kläger nicht bekannt gewesen. Es könnte daher nicht der Kläger die Beklagte, sondern nur diese den Erstgenannten in Irrtum geführt haben. Die Beklagte könne somit daraus für sich keine Irrtumsanfechtung ableiten, da nur der irrende Vertragspartner das Geschäft anfechten könne (JBl. 1957, 240). Die fehlende Zustimmung der verbotsberechtigten Angela S verhindere zwar derzeit die Verbücherung des Tauschgeschäftes, doch vermöge dies das zwischen den Streitteilen bestehende obligatorische Geschäft nicht zu beseitigen. Der Vergleich sei somit zwischen den Parteien voll wirksam. Damit bestehe auch die Berechtigung und Verpflichtung des Klägers den eingetauschten Grundstücksteil vermessen zu lassen. Mit der Vermessung sei ein staatlich befugter Geometer beauftragt worden. Durch ihr Verhalten habe die Beklagte die Vermessung vereitelt, so daß das Klagebegehren in vollem Umfang gerechtfertigt sei. Da der Kläger nicht nur berechtigt, sondern nach dem Vergleichsinhalt auch verpflichtet sei, die Vermessung durchzuführen, könne in der Auftragserteilung und in der Durchführung der Vermessung trotz der ablehnenden Stellungnahme der Beklagten eine Verletzung der Schadensminderungspflicht nicht erblickt werden, so daß der Beklagten die gesamten frustrierten Vermessungskosten zur Zahlung aufzuerlegen seien.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil infolge der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der Beklagten iS der Klageabweisung ab und sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes 2000 S übersteige. Dem Erstgericht sei zunächst darin beizupflichten, daß der von der Beklagten eingewendete, im übrigen aber nicht näher ausgeführte "psychische Druck" zum Vergleichsabschluß, also Zwang iS der §§ 870 ff. ABGB nicht vorgelegen sei. Die Beklagte habe sich vor Leistung ihrer Vergleichsunterschrift im Widerstreit der Erwägungen für und gegen die Vereinbarung befunden, deren Inhalt sie genau verstanden habe. Es habe zwar einerseits ihr Rechtsvertreter versucht, sie zum Grundstückstausch zu überreden, und ihre Mutter andererseits versucht, sie davon abzuhalten, doch habe sich die Beklagte schließlich zur Unterschrift entschlossen. Worin ein psychischer Druck auf die Beklagte gelegen gewesen sein solle bzw. ob dieser überhaupt vom anderen Teil veranlaßt worden sei (§ 870 ABGB), weiters, welchem Mißverständnis über den Vergleichsinhalt sie bei Abschluß des Vergleiches unterlegen sei, sei von der Beklagten nicht ausgeführt worden. Derartiges sei auch im Beweisverfahren nicht hervorgekommen und es werde in der Berufung der Beklagten auch nicht releviert. Ebenso verhalte es sich mit der Behauptung des Vergleichsabschlusses unter der auflösenden Bedingung der Zustimmung der Veräußerungsverbotsberechtigten. Der Wirksamkeit des Vergleiches inter partes stehe auch, wie das Erstgericht zutreffend erkannt habe, das verbücherte Veräußerungsverbot zugunsten eines Dritten nicht entgegen. Es hindere wohl derzeit die Verbücherung des Eigentumsrechtes der Tauschpartner, doch sei ein gegen ein vertragliches Veräußerungsverbot geschlossener Veräußerungsvertrag, als welcher ein Tauschvertrag anzusehen sei, nicht absolut nichtig. Wenn nämlich nicht einmal Eigentum des Vormannes Voraussetzung der Gültigkeit eines Veräußerungsvertrages sei (EvBl. 1955/309; SZ 26/185), so könne noch weniger die bloße vertragliche Beschränkung der Verfügungsfähigkeit des Eigentümers die Wirksamkeit des Veräußerungsgeschäftes beeinträchtigen und den Veräußerer an der Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten gegenüber dem Vertragspartner hindern. Lediglich die volle Erfüllung, die grundbücherliche Durchführung, werde ebenso wie beim Verkauf einer fremden Sache hinausgeschoben (EvBl. 1962/452), im gegebenen Falle bis zur Zustimmung der Veräußerungsverbotsberechtigten, welche Zustimmung die Beklagte zu erwirken hätte, längstens aber bis zum Tode der Veräußerungsverbotsberechtigten (EvBl. 1966/297). Es verbleibe daher lediglich der Einwand der Beklagten, sie und der Kläger hätten sich beim Vergleichsabschluß in einem gemeinsamen Irrtum über die Erfüllbarkeit des Vergleiches befunden. Es stehe fest, daß dem Kläger vom Veräußerungsverbot nichts bekannt gewesen sei und die Beklagte bei Vergleichsabschluß auf das Bestehen dieses Verbotes vergessen gehabt habe, also in diesem Zeitpunkt davon auch nichts gewußt habe, ihr dieses Verbot vielmehr erst nachträglich durch ihre Mutter wieder in Erinnerung gerufen habe werden müssen. Es sei daher ein gemeinsamer Irrtum der Vergleichschließenden über die Verfügungsmacht der Beklagten vorgelegen. Das allfällige Verschulden der Beklagten an ihrem eigenen Irrtum durch Vergessen des Verbotes sei für die Irrtumsanfechtung bedeutungslos (siehe JBl. 1927, 56; SZ 26/71; SZ 36/22; SZ 45/38). Beide Teile hätten entgegen der wirklichen Sachlage unbeschränkte Verfügungsfähigkeit der Beklagten angenommen. Bei beiderseitiger irrtümlicher Voraussetzung sei der Vertrag für beide Teile anfechtbar (SZ 15/246; SZ 26/129; SZ 36/22; SZ 44/59 ua.). Insbesondere ein Vergleich, mit dem - wie hier - die bislang strittigen Fragen nachbarschaftlicher Immissionen und daraus ableitbarer Untersagungs- und Ausgleichsansprüche durch Grundstückstausch bereinigt werden, an die Stelle der strittigen alten Ansprüche also unstrittige neue gegenseitige Ansprüche treten sollten, dem daher die Novationswirkung des § 1380 ABGB zukomme, sei wegen Irrtums über einen wesentlichen Umstand, den die Vergleichsschließenden als feststehend angenommen und bei ihrer Vereinbarung vorausgesetzt hätten, von jedem der irrenden Vergleichspartner anfechtbar (siehe SZ 15/246; SZ 28/114; SZ 39/57 ua.; Koziol - Welser[5] I 211; Ehrenzweig[2] I/1, 355). Ein solcher Irrtum über gemeinsam irrigerweise als feststehend angenommene Tatsachen erlaube die Anfechtung darüber hinaus sogar ohne Vorliegen der sonst (bei einseitigem Irrtum) erforderlichen Voraussetzungen des § 871 ABGB, da bei gemeinsamem Irrtum über Vertragsvoraussetzungen nach dem Grundsatz des redlichen Verkehrs kein Teil die Bindung des anderen verlangen könne (SZ 15/246; EvBl. 1966/352; VersRSch 1975, 193; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 133 ff.; Ehrenzweig[2] I/1 238). Der Irrtum über die Verfügungsfähigkeit des Veräußerers sei stets als solcher über die Wesenheit des Gegenstandes angesehen worden, da das Wesen des Veräußerungsgeschäftes die Verschaffung des Eigentums des Erwerbers sei (vgl. GlU 11227; ZBl. 1933/145). Bücherliches Eigentum könne der Kläger im vorliegenden Fall wegen des Fehlens des Übergabeaktes = Eintragung des Erwerbsgeschäftes in die öffentlichen Bücher (§ 431 ABGB) nicht erwerben. Außerbücherliches Eigentum erwerbe er deshalb nicht, weil keiner der gesetzlich normierten Fälle außerbücherlichen Eigentumserwerbes vorliege (§ 425 ABGB; JBl. 1976, 144). Die mangelnde Verfügungsfähigkeit der Beklagten hindere demnach - zumindest derzeit - die Erfüllung des wesentlichen Zwecks des geschlossenen Tauschvertrages. Der Irrtum über diesen Mangel müsse als innerhalb des Geschäftes liegender wesentlicher Geschäftsirrtum angesehen werden, der beide Teile zur erfolgreichen Vertragsanfechtung, die auch der Erfüllungsklage einredeweise entgegengesetzt werden könne, berechtige. Das Schadenersatzbegehren des Klägers sei ebenfalls unbegrundet. Die Beklagte habe zwar durch ihr Vergessen des Veräußerungsverbotes den Vergleichsabschluß und damit die Verpflichtung des Klägers, den ihm zufallenden Grundstückstreifen terminbegrenzt vermessen zu lassen, fahrlässig verursacht. Sie habe aber den Kläger rechtzeitig, noch vor dem Entstehen der nunmehr geltend gemachten Vermessungskosten dahin aufgeklärt, daß der abgeschlossene Vergleich unwirksam sei und sie die darin vereinbarte Vermessung nicht zulassen werde. In dieser Situation hätte sich der Kläger vor weiteren kostenverursachenden Vergleichserfüllungsschritten darüber vergewissern müssen, was der Vergleichswirksamkeit im Wege stehe und ob dieser Umstand rechtlich beachtlich sei. Vor weiterer, allenfalls gerichtlicher Klärung dieser Frage hätte der Kläger jedenfalls kostenverursachende Vermessungsversuche unterlassen müssen. Daß er sie dennoch vorgenommen habe, unterbreche den Zusammenhang zwischen dem schuldhaften Verhalten der Beklagten bei Vergleichsabschluß und dem eingetretenen Erfolg, da mit einer derartigen Handlungsweise des Klägers nach der Lebenserfahrung nicht zu rechnen gewesen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers teilweise Folge und änderte das Urteil des Berufungsgerichtes, das in seiner Abweisung des Begehrens auf Zahlung von 8575 S samt Anhang bestätigt wurde, im übrigen dahin ab, daß er die Punkte 1 bis 3 des erstgerichtlichen Urteiles wiederherstellte.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Vorinstanzen haben zutreffend dargelegt, daß durch das zugunsten der Angela S grundbücherlich einverleibte Veräußerungsverbot nicht die schuldrechtliche Wirksamkeit des zwischen den Streitteilen am 25. 5. 1981 abgeschlossenen Vergleiches beeinträchtigt, sondern - wie beim Verkauf einer fremden Sache - lediglich dessen grundbücherliche Durchführung hinausgeschoben wird, hier bis zur Zustimmung der Veräußerungsverbotsberechtigten, welche die Beklagte zu erwirken hätte, oder bis zum Tod der Veräußerungsverbotsberechtigten (EvBl. 1966/297). Es kann dem Kläger, wie dies bereits in den ähnlichen Fällen der Doppelvermietung und Doppelveräußerung wiederholt ausgesprochen wurde (Spruch Nr. 48 neu = SZ 30/33; JBl. 1958, 471 uva.), nicht verwehrt werden, am Vergleich festzuhalten, dessen Erfüllung von der Beklagten, insoweit diese hiezu rechtlich in der Lage ist, schon jetzt zu verlangen und im übrigen das rechtliche Möglichwerden der grundbücherlichen Durchführung abzuwarten. Macht der Kläger, wie sich aus der gegenständlichen Prozeßführung ergibt, von diesem Recht Gebrauch und nimmt er damit auf die Belastung der Beklagten durch das zugunsten ihrer Mutter grundbücherlich einverleibte Veräußerungsverbot Rücksicht, so hat die Beklagte keinen Beschwerdegrund mehr, den Vergleich im Hinblick darauf wegen Irrtums anzufechten, daß sie sich bei Vergleichsabschluß des Veräußerungsverbotes nicht bewußt gewesen sei (ebenso die herrschende Auffassung für den Fall, daß der Vertragspartner des Irrenden diesen so stellt, wie er stunde, wenn seine irrige Vorstellung zutreffend gewesen wäre: Koziol - Welser[5] I 112; Bydlinski in Klang[2] IV/2, 124 bei FN 92). Zu demselben Ergebnis, zur Verneinung des Rechtes der Beklagten, den Vergleich wegen Irrtums über ihre unbeschränkte Verfügungsfähigkeit anzufechten, kommt man aus der Erwägung, daß derjenige, dem die Notwendigkeit der Zustimmung des Veräußerungsverbotsberechtigten deutlich vor Augen stand oder - wie hier im Fall der Beklagten - bei zureichender Aufmerksamkeit hätte stehen müssen und der dennoch ohne jede Beschränkung die Leistungspflicht übernahm, zufolge der in diesem Verhalten zu erblickenden Garantie für das Erfüllungsinteresse haftet, welcher Haftung er sich durch die Irrtumsanfechtung nicht entziehen kann (vgl. Bydlinski in Klang[2] IV/2, 127 f. und Dilcher in Staudinger, BGB[12], Rdz. 55 zu § 119; vgl. ferner Kramer in Münchener Kommentar zum BGB, Rdz. 96 zu § 119).
Ist der Beklagten die Befugnis zur Vergleichsanfechtung wegen Irrtums schon aus diesen Überlegungen abzusprechen, so erübrigt es sich, auf die in der Revision gegen diese Befugnis ins Treffen geführten (weiteren) Argumente einzugehen sowie die Frage zu prüfen, ob das Berufungsgericht überhaupt - ohne daß sein Verfahren dadurch mangelhaft geblieben wäre - davon ausgehen durfte, daß hinsichtlich des Veräußerungsverbotes ein wesentlicher gemeinsamer Geschäftsirrtum der Streitteile vorgelegen sei.
Das Schadenersatzbegehren des Klägers wurde vom Berufungsgericht zu Recht abgewiesen. Da die Beklagte ihrem Gegner nach den unbekämpften Feststellungen ihren Standpunkt, sie werde die Vermessung wegen der Unwirksamkeit des Vergleiches nicht zulassen, wiederholt und zeitgerecht zur Kenntnis brachte, hat sich der Kläger das Entstehen von Kosten für die von ihm vor der (gerichtlichen) Klärung der Rechtslage in Auftrag gegebene und von der Beklagten sodann wie angekundigt vereitelte Vermessung selbst zuzuschreiben.
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