OGH 7Ob18/82

OGH7Ob18/824.3.1982

SZ 55/32

Normen

ABGB §431
ABGB §1050
ABGB §1064
VersVG §69
ABGB §431
ABGB §1050
ABGB §1064
VersVG §69

 

Spruch:

In der Feuerversicherung einer Liegenschaft ist im Zweifel die Vereinbarung des Übergangs der Nutzungen und Gefahren auf den Käufer als Zession der Ansprüche gegen den Versicherer ab dem vereinbarten Stichtag anzusehen

OGH 4. März 1982, 7 Ob 18/82 (OLG Wien 11 R 185/81; LGZ Wien 36 Cg 64/81)

Text

Für die Zeit vom 1. 2. 1976 bis 1. 4. 1981 wurde bei der Beklagten für das Haus Wien 21, L-Straße 56 eine Feuer- und eine Haushaltsversicherung abgeschlossen. In dieses Versicherungsverhältnis ist Hedwig W als Eigentümerin der Liegenschaft eingetreten. Die Genannte verkaufte diese Liegenschaft mit Kaufvertrag vom 14. 12. 1976 der Klägerin, wobei vereinbart wurde, daß mit dem Tage der Unterfertigung die Übergabe und Übernahme der Liegenschaft in den Besitz und Genuß der Käuferin mit Übergang von Gefahr und Zufall, Nutzungen und Lasten erfolgt.

Am 20. 4. 1977 - damals war der Kaufvertrag bücherlich noch nicht durchgeführt - entstand am Gebäude und an der Einrichtung ein Brandschaden. Die Beklagte lehnte eine Liquidierung des Schadens an den Mieter des Gebäudes, Johann Sch., unter Hinweis auf eine mit 1. April 1977 erfolgte Stornierung des Versicherungsvertrages ab.

Die Untergerichte haben das auf Deckung aus dem Versicherungsvertrag gerichtete Klagebegehren abgewiesen, wobei das Berufungsgericht ausgesprochen hat, daß der Wert des Streitgegenstandes 60 000 S übersteigt. Sie gingen hiebei von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:

Hedwig W kundigte mit Schreiben vom 31. 12. 1976 das Versicherungsverhältnis zum 31. 3. 1977. Mit Schreiben vom 27. 1. 1977 bestätigte die Beklagte den Erhalt dieses Schreibens, ersuchte jedoch um Bekanntgabe des Erwerbers. Diesem Verlangen entsprach Hedwig W mit Schreiben vom 31. 1. 1977.

Hierauf richtete die Beklagte am 22.2. 1977 an die Klägerin nachfolgenden Brief:

"Wie wir erfahren, haben Sie das Haus samt Inhalt in Wien 21, L-Straße 56 erworben. Dadurch sind Sie gemäß § 69 VVG in die oben angeführten und für das gesamte Haus bei uns bestehenden Versicherungsverträge eingetreten. Wir begrüßen Sie daher als Mitglied unserer großen Gefahrengemeinschaft und werden Ihnen in der nächsten Zeit durch Zusendung von Folgepolizzen dokumentieren, daß nunmehr Sie als Versicherungsnehmer gelten."

Die Klägerin übergab das Haus an Johann Sch. als alleinigen Hauptmieter.

Johann Sch. hat bei der A Versicherung eine Versicherung abgeschlossen, doch lehnte diese hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens einen Ersatz des Brandschadens unter Hinweis auf die bei der Beklagten bestehende Versicherung ab. Mit Schreiben vom 7. 1. 1981 wies Johann Sch. die Klägerin auf ihre allfällige Ersatzpflicht hin, erhob jedoch keine ziffernmäßigen Ansprüche. Weder gegen die Beklagte noch gegen die Klägerin hat er aus dem Schadenfall Ansprüche gerichtlich geltend gemacht. Den gesamten Schaden durch den Brand hat Sch. bis Mitte Mai 1977 behoben. Der Umfang dieses Schadens stand mit Ende Mai 1977 fest.

Das Erstgericht vertrat den Standpunkt, der Klägerin könne aus diesem Vorfall kein Schaden mehr entstehen, weil Johann Sch's allfällige Schadenersatzansprüche mangels Geltendmachung verjährt wären.

Das Berufungsgericht bestätigt die Entscheidung des Erstgerichtes mit der Begründung, zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles sei die Klägerin noch nicht bücherliche Eigentümerin der Liegenschaft gewesen. Sie trete erst mit Erwerb des Eigentums, also mit der Einverleibung im Grundbuch, in das Versicherungsverhältnis ein. Aus diesem Gründe sei sie zur Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag nicht legitimiert.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge und änderte das Berufungsgericht iS des Klagebegehrens ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Richtig ist, daß der Erwerber der versicherten Sache nur bezüglich jener Versicherungsfälle, die sich während der Dauer seines Eigentumes aus dem Versicherungsverhältnis ergeben, in die Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers eintritt (§ 69 Abs. 1 VersVG). Zutreffend führt das Berufungsgericht auch aus, daß das Eigentum an unbeweglichen Sachen, die im Grundbuch eingetragen sind, gemäß § 431 ABGB erst mit der Einverleibung des Eigentums zugunsten des Erwerbers auf diesen übergeht. Daraus wurde in einer Reihe von Entscheidungen (SZ 53/47 ua.) abgeleitet, daß das im § 70 Abs. 2 VersVG angeführte Kündigungsrecht des Erwerbers des versicherten Gegenstandes von diesem erst nach der Zustellung des Beschlusses über die Einverleibung seines Eigentumsrechtes ausgeübt werden kann.

§ 69 VersVG sagt allerdings nichts darüber, ob nicht schon vorher auch das Interesse des Käufers mitversichert ist.

In der Gebäudeversicherung wird man dies in der Regel bezüglich der Zeit zwischen Gefahrenübergang und Eigentumswechsel durch Grundbuchsumschreibung bejahen müssen (Prölss - Martin, VVG[22] 429). Dadurch wäre allerdings für die Klägerin nichts gewonnen, weil ihr die bloße Mitversicherung noch nicht das Recht zur Klage einräumen würde (§§ 75 ff. VersVG).

Die Klägerin hat sich im Laufe des Verfahrens ausdrücklich auf eine Abtretung sämtlicher Rechte gegenüber der Beklagten durch Hedwig W berufen. Diesbezüglich hat sie auf jene Bestimmung des Kaufvertrages verwiesen, derzufolge mit dessen Unterfertigung sämtliche Nutzungen der Liegenschaft auf sie übergehen.

Grundsätzlich ist auch die Zession künftiger Forderungen möglich, wenn diese bestimmt genug sind, was zumindest die Kenntnis des Rechtsgrundes, aus dem sie entstehen sollen, voraussetzt (Wolff in Klang[2] VI 294; Koziol - Welser[5] I 241; EvBl. 1989/97 ua.). Demnach steht einer Zession sämtlicher aus einer Feuerversicherung in Zukunft entstehender Ansprüche grundsätzlich nichts im Wege, weil diesbezüglich nicht nur der Schuldner, sondern auch der Rechtsgrund, aus dem die Ansprüche entstehen könnten, feststeht. Eine Vereinbarung zwischen dem Versicherungsnehmer und einem Dritten, derzufolge sämtliche in Zukunft aus einer Feuerversicherung entstehenden Ansprüche auf den Dritten übergehen sollen, ist daher zulässig.

Im vorliegenden Fall wurde zwar eine solche Zession der Ansprüche aus der vorliegenden Versicherung nicht ausdrücklich erwähnt, doch haben die Parteien des Kaufvertrages den Übergang der Nutzungen und Gefahren der Liegenschaft auf die Käuferin mit der Unterfertigung vereinbart. Unter "Nutzungen" sind alle Vorteile zu verstehen, die mit dem Eigentum an der Sache (Liegenschaft) verbunden sind. Zu ihnen gehören im weiteren Sinne auch die Versicherungsentschädigungen, die im Falle eines Brandschadens vor dem Stichtag dem Versicherungsnehmer gebühren (Wahle in Klang[2] IV/2, 58 f.). Im Zweifelsfall wird man daher in einer Vereinbarung, derzufolge die Nutzungen und Gefahren zu einem bestimmten Zeitpunkt auf den Käufer einer Liegenschaft übergehen, eine Zession von Ansprüchen gegen den Feuerversicherer dieser Liegenschaft ab dem vereinbarten Stichtag zumindest bis zu jenem Zeitpunkt erblicken müssen, zu dem das Versicherungsverhältnis allenfalls aufgelöst wird.

Im vorliegenden Fall ist kein Umstand hervorgekommen, der eine andere Auslegung der genannten vertraglichen Bestimmung rechtfertigen würde. Die Verkäuferin hat zwar eine Kündigung der Versicherung gegenüber der Beklagten ausgesprochen, doch ist es auf Grund dieser Kündigung, wie noch auszuführen sein wird, bis zum Versicherungsfall nicht zu einer Beendigung des Versicherungsverhältnisses gekommen. Infolge der von der Klägerin behaupteten und, wie ausgeführt, als erwiesen anzunehmenden Zession muß daher die Legitimation der Klägerin zur Geltendmachung des versicherungsrechtlichen Anspruches bejaht werden.

Die Beklagte hat nun eingewendet, der Versicherungsvertrag sei mit Wirkung vor dem Versicherungsfall storniert worden. Nach der Bestimmung des § 70 VersVG ist die Verkäuferin nicht berechtigt, die Veräußerung der Liegenschaft zum Anlaß für eine vorzeitige Kündigung des Versicherungsvertrages zu nehmen. Dies hinderte allerdings die Beklagte nicht, die dem Vertrag widersprechende Kündigung anzunehmen, doch kann dies vor Annahme der Kündigung nicht zu einer Beendigung des Versicherungsverhältnisses führen. Die Beklagte hat auf das Kündigungsschreiben der Voreigentümerin nicht derart reagiert, daß diese daraus eine - nach § 862 ABGB im übrigen fristgebundene - Annahme hätte ableiten können. Sie hat vielmehr geradezu gegenteilig gehandelt, indem sie die Klägerin als neue Versicherungsnehmerin begrüßt und dadurch in dieser den Eindruck erweckt hat, sie habe nach wie vor Deckungsansprüche aus der bestehenden Versicherung. Eine Annahmeerklärung bezüglich der Kündigung hat sie überhaupt nicht abgegeben. Im Hinblick auf ihr Verhalten gegenüber der Klägerin und insbesondere auch auf den Umstand, daß diese nunmehr als Zessionarin Rechte aus der Versicherung erworben hatte, durfte eine einvernehmliche Auflösung des Versicherungsverhältnisses mit der Voreigentümerin zumindest bezüglich der inzwischen eingetretenen Versicherungsfälle nicht mehr zum Nachteil der Klägerin erfolgen. Die Behauptung der Beklagten, sie habe ihr Schreiben an die Klägerin in der irrtümlichen Annahme, deren Eigentumsrecht sei bereits verbüchert, abgesandt, ist unerheblich, weil es sich hiebei höchstens um einen Irrtum handeln könnte, den die Beklagte selbst zu vertreten hat und dessen Folgen sie nicht auf die daran nicht beteiligte Klägerin überwälzen darf.

Grundsätzlich hat sohin die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag Versicherungsschutz für den gegenständlichen Schadensfall zu leisten.

Zu Unrecht hat das Erstgericht die Gewährung des Versicherungsschutzes mit der Begründung versagt, die Klägerin könne keinen Schaden aus dem Versicherungsfall haben. Diesbezüglich fehlt es an einer entsprechenden Einwendung der Beklagten. Den fehlenden Schaden der Klägerin hat die Beklagte nämlich nur unter Hinweis auf eine angebliche Leistung des Versicherers des Mieters eingewendet. Nach den getroffenen Feststellungen ist jedoch eine solche Leistung nicht im vollem Umfang erfolgt. Daß aber die Klägerin deshalb keinen Schaden hätte, weil dieser von einem Dritten behoben worden sei und dieser Dritte infolge Verjährung keine Ansprüche mehr geltend machen könne, wurde von der Beklagten im Verfahren erster Instanz nicht einmal angedeutet. Demnach handelt es sich hiebei um sogenannte überschießende Feststellungen des Erstgerichtes, die bei der rechtlichen Beurteilung deshalb nicht zu berücksichtigen sind, weil sie nicht in den Rahmen einer bestimmten Einwendung fallen (6 Ob 820/81; 7 Ob 36/81; 1 Ob 742/81 ua.). Im übrigen würden auch diese überschießenden Feststellungen den Rechtsstandpunkt des Erstgerichtes nicht rechtfertigen, weil keinerlei Anhaltspunkt dafür besteht, daß der Mieter der Klägerin gegen diese nur aus dem Titel des Schadenersatzes Ansprüche erheben könnte.

Es wären vielmehr noch eine Reihe anderer Rechtstitel denkbar, die Ansprüche begrunden könnten, die nicht in drei Jahren verjähren.

Eine Prüfung dieser Frage würde aber weitere Erhebungen erfordern, bezüglich derer es an einem geeigneten Sachvorbringen fehlt.

Schließlich war noch zu prüfen, ob ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung besteht. Der Mangel eines solchen rechtlichen Interesses ist von Amts wegen zu berücksichtigen (SZ 34/171; SZ 26/116 ua.). Wenn die Leistungsklage bereits angebracht werden kann, ist eine Feststellungsklage nicht zulässig (EvBl. 1964/162; JBl. 1959, 184 ua.). Allerdings setzt auch eine solche amtswegige Prüfung irgend ein Vorbringen voraus, das sie ermöglichen könnte. Auch an einem solchen Vorbringen fehlt es. Im übrigen könnte die Klägerin eine Leistungsklage gar nicht erheben, solange an sie nicht ein konkretisierter Anspruch herangetragen worden ist.

Das Erstgericht hat aber ausdrücklich festgestellt, daß der Mieter der Klägerin ziffernmäßig bestimmte Ansprüche bisher nicht gestellt hat. Demnach fehlt der Klägerin bisher die Möglichkeit zur Einbringung einer Leistungsklage gegen die Beklagte. Da andererseits feststeht, daß der Brand einen Schaden im Vermögen der Klägerin verursacht hat und sich die Behauptung der Beklagten, dieser Schaden sei durch eine andere Versicherung zur Gänze gedeckt worden, als unrichtig herausstellte, muß das Feststellungsinteresse der Klägerin iS des § 228 ZPO bejaht werden.

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