OGH 5Ob9/81

OGH5Ob9/8129.9.1981

SZ 54/135

Normen

FlVfGG §17 Abs2
TFLG §38 Abs5
FlVfGG §17 Abs2
TFLG §38 Abs5

 

Spruch:

Der Rechtsübergang an persönlichen (walzenden) Anteilen an einer agrargemeinschaftlichen Liegenschaft auf den Erben bedarf nicht der agrarbehördlichen Bewilligung im Sinne des § 38 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1978

OGH 29. September 1981, 5 Ob 9/81 (LG Innsbruck 4 R 151/80; BG Zell am Ziller A 14/79)

Text

Der am 4. Jänner 1979 verstorbene Josef F war Eigentümer einer Hälfte der Liegenschaft EZ 48 II der KG G. An der in dieser Katastralgemeinde gelegenen agrargemeinschaftlichen Liegenschaft EZ 104 II standen ihm nicht an das Eigentum von Liegenschaften gebundene Anteilsrechte (walzende Anteile) zu. Sein Nachlaß wurde mit der Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Zell am Ziller vom 22. Jänner 1979, GZ A 14/79-11, seinem Sohn Johann F, der sich auf Grund des Testamentes unbedingt als Erbe erklärt hatte, zur Gänze eingeantwortet. In der Verbücherungsklausel war festgehalten, daß nach dem Ergebnis der Verlassenschaftsabhandlung im Grundbuch 1. in der EZ 104 II der KG G die Übertragung der Mitgliedschaft zu 14 Anteilen des Josef F auf Johann F und 2. in der EZ 48 II der KG G auf dem Hälfteanteil des Josef F die Einverleibung des Eigentums für Johann F vorzunehmen sein werde.

Auf Grund dieser Einantwortungsurkunde und der vom Finanzamt erteilten Unbedenklichkeitsbestätigung bewilligte das Erstgericht auf Einschreiten des Gerichtskommissärs 1. in der EZ 104 II der KG G die Anmerkung der Änderung, daß anstelle des mit 14 Anteilen persönlich anteilsberechtigten Josef F nunmehr Johann F tritt, und

2. in der EZ 48 II der KG G auf dem Hälfteanteil des Josef F die Einverleibung des Eigentumsrechtes für Johann F. Das Erstgericht befaßte sich in diesem Verbücherungsbeschluß (§ 177 AußStrG, § 29 LiegTeilG) mit der Frage, ob die Übertragung der Anteilsrechte an der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft einer Bewilligung der Agrarbehörde bedürfe und vertrat die Ansicht, daß eine solche Bewilligung bei Erwerb von Anteilsrechten im Erbgang nicht vorgesehen sei.

Gegen diesen Verbücherungsbeschluß hat das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz das Rechtsmittel des Rekurses ergriffen und beantragt, den Beschluß aufzuheben. Für die Grundbuchshandlungen auf Grund der Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Zell am Ziller vom 22. Jänner 1980 sei die agrarbehördliche Genehmigung erforderlich.

Das Rekursgericht wies das Rechtsmittel insoweit zurück, als es sich auch gegen die Einverleibung des Eigentumsrechtes für Johann F auf dem in den Nachlaß fallenden Hälfteanteil des Josef F an der Liegenschaft EZ 48 II der KG G richtete. Im übrigen änderte das Gericht zweiter Instanz den Beschluß des Erstgerichtes in seinem Punkt 1 dahin ab, daß der Antrag auf Übertragung der Mitgliedschaft zu 14 Anteilen des Josef F an der Liegenschaft EZ 104 II der KG G auf Johann F abgewiesen wird. Die Agrarbehörde sei zur Erhebung eines Rechtsmittels nur in Ansehung der grundbücherlichen Übertragung der Anteilsrechte an der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft legitimiert. Bei der Liegenschaft EZ 48 II der KG G handle es sich nicht um eine agrargemeinschaftliche Liegenschaft, sodaß Rechte der Agrarbehörde durch die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Erben an der ihm aus der Verlassenschaft zugefallenen Liegenschaftshälfte nicht berührt wurden. Die Übertragung der walzenden Anteile dürfe im Grundbuch mangels einer Bewilligung der Agrarbehörde nicht erfolgen. Den Vorschriften des § 38 Abs. 3 bis Abs. 6 TFLG 1978 sei nicht klar zu entnehmen, ob sich die Bewilligungspflicht nur auf die Absonderung der mit einer Liegenschaft verbundenen Mitgliedschaft an einer Agrargemeinschaft von der Stammsitzliegenschaft und die Veräußerung persönlicher (walzender) Anteilsrechte beschränke, weil der im § 38 Abs. 6 TFLG 1978 verwendete Ausdruck "Übertragung" weitgehender sei und nicht bloß die Veräußerung von Anteilsrechten, sondern auch deren Übergang im Erbwege umfasse. Es müsse daher auf die Absicht des Gesetzgebers zurückgegriffen werden, der die agrarischen Anteilsrechte der freien Verfügung des Berechtigten entziehen und erreichen wollte, daß die Anteilsrechte mit einer Liegenschaft verbunden bleiben oder nach § 38 Abs. 5 TFLG 1978 verbunden werden. § 38 Abs. 6 TFLG sei dahin auszulegen, daß jede Übertragung walzender Anteilsrechte der Bewilligung der Agrarbehörde bedürfe und ohne diese im Grundbuch nicht durchzuführen sei, mag der Rechtsübergang auf eine Veräußerung oder auch die Erbfolge zurückzuführen sein.

Der OGH erachtet den Revisionsrekurs des Erben Johann F nach § 126 Abs. 2 GBG wie nach § 14 Abs. 1 AußStrG als zulässig. Die Anfechtung von Beschlüssen, die sich auf das Ansuchen einer Partei um Bewilligung einer grundbücherlichen Eintragung beziehen, richtet sich nach Bestimmungen der §§ 122 ff. GBG, sonst gelten für die Anfechtung die Grundsätze des Verfahrens außer Streitsachen (§ 32 LiegTeilG), so auch bei amtswegiger Verbücherung der Abhandlungsergebnisse nach § 29 LiegTeilG (SZ 27/40), wenn der Antrag nicht vom Erben stammt. Seine Legitimation zur Anfechtung des vom Rekursgericht gefaßten abändernden Beschlusses ergibt sich aus § 9 AußStrG (SZ 20/35 u. v. a.) schon daraus, daß das Gericht bei Anordnung der grundbücherlichen Eintragungen, deren Grundlagen im Lauf der Verlassenschaftsabhandlung festgestellt wurden, auf seine Interessen von Amts wegen Bedacht zu nehmen hatte.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs Folge und stellte Punkt 1 der erstgerichtlichen Entscheidung wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Dem Rekursgericht ist zunächst beizupflichten, daß der Agrarbehörde auf Grund der ihr nach dem TFLG 1978 zukommenden behördlichen Aufgaben (so etwa § 38 Abs. 2) die nach den Bestimmungen des Verfahrens außer Streitsachen zu beurteilende Befugnis zur Erhebung eines Rechtsmittels dann zukommt, wenn es auf die Einhaltung des § 38 Abs. 6 TFLG 1978 abzielt (vgl. JBl. 1950, 186; EvBl. 1978/167; 5 Ob 28/79) und sich gegen die Übertragung walzender Anteile im Grundbuch ohne eine vorgesehene Bewilligung der Agrarbehörde richtet.

Es kann aber der Auffassung des Rekursgerichtes nicht beigetreten werden, daß die Ausdrucksweise des § 38 Abs. 3 bis 6 TFLG 1978 zweifelhaft sei und die Erforschung der Absicht des Landesgesetzgebers gebiete (SZ 22/1). Als Ausfluß grundlegender Regeln des Rechtsverständnisses sind die im § 6 ABGB erteilten Anweisungen auch auf offentlich-rechtliche Normen anwendbar (VwGH vom 24. November 1977, ZfV 1978/431). Die Gesetzesauslegung hat mit der Erforschung des Wortsinnes der Norm zu beginnen und innerhalb des durch den äußerst möglichen Wortsinn abgesteckten Rahmens nach der Bedeutung eines Ausdruckes im allgemeinen Sprachgebrauch oder dem des Gesetzgebers und in seinem Zusammenhang innerhalb der getroffenen Regelung zu fragen (Wolff in Klang[2] I/1, 90; Koziol - Welser, Grundriß[5] I, 19).

Nach § 17 Abs. 2 Flurverfassungs-GrundsatzG, BGBl. 103/1951, darf die mit einer Liegenschaft (Stammsitzliegenschaft) verbundene Mitgliedschaft an einer Agrargemeinschaft von der Stammsitzliegenschaft nur mit Bewilligung der Agrarbehörde abgesondert werden.

Die Voraussetzungen, unter welchen die Absonderung bewilligt werden und unter welchen die Veräußerung der persönlichen (walzenden) Anteile erfolgen kann, hat die Landesgesetzgebung zu bestimmen.

Das mit der Kundmachung der Landesregierung vom 26. September 1978, LGBl. für Tirol 54, auf Grund des Wiederverlautbarungslandesgesetzes, LGBl. 10/1948, als Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1978 (TFLG 1978) unter Berücksichtigung der Gesetze LGBl. 69/1973, 92/1978 und 48/1978 neu verlautbarte Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1969, LGBl. 34, sieht in seinem § 38 Abs. 2 vor, daß agrargemeinschaftliche Liegenschaften auf Ersuchen der Agrarbehörde in den öffentlichen Büchern als solche zu bezeichnen sind und daß im Eigentumsblatt solcher Liegenschaften u.

a. ersichtlich zu machen ist, wieviel Anteilsrechte nicht an das Eigentum von Liegenschaften gebunden sind (walzende Anteile). Nach § 38 Abs. 3 TFLG 1978 darf die mit einer Liegenschaft (Stammsitzliegenschaft) verbundene Mitgliedschaft an einer Agrargemeinschaft von der Stammsitzliegenschaft nur mit Bewilligung der Agrarbehörde, die in den im § 38 Abs. 4 TFLG 1978 angeführten Fällen a bis d zu verweigern ist, abgesondert werden. Nach § 38 Abs. 5 TFLG 1978 dürfen persönliche (walzende) Anteilsrechte nur mit Bewilligung der Agrarbehörde veräußert werden. Die Agrarbehörde hat die Bewilligung unter der Auflage zu erteilen, daß das Anteilsrecht realrechtlich mit einer Liegenschaft verbunden wird. Dabei gelten die Bestimmungen der Abs. 3 und 4 sinngemäß. Schließlich ordnet § 38 Abs. 6 TFLG 1978 an, daß ohne die in den Abs. 3 bis 5 vorgesehenen Bewilligungen Absonderungen und Übertragungen walzender Anteilsrechte im Grundbuch nicht durchgeführt werden dürfen.

Schon daraus, daß hier in Ausführung des § 17 Abs. 2 Flur- VerfGrG die Voraussetzungen, unter welchen die Absonderung der Mitgliedschaft von der Stammsitzliegenschaft bewilligt werden (§ 38 Abs. 3 und Abs. 4 TFLG 1978) und die Veräußerung persönlicher (walzender) Anteile erfolgen kann (§ 38 Abs. 5 TFLG 1978), bestimmt werden, ergibt sich ohne jeden Zweifel, daß § 38 Abs. 6 TFLG 1978 nur die bücherliche Absonderung und Übertragung walzender Anteilsrechte ohne die Bewilligung der Agrarbehörde, falls eine solche Bewilligung in den Abs. 3 bis 5 vorgesehen ist, untersagt und sich insoweit an das Grundbuchsgericht wendet, nicht aber eine über die Regelung der Abs. 3 bis 5 hinausgehende durch das Grundsatzgesetz nicht gedeckte weitere Bewilligungspflicht normiert. In Ansehung der persönlichen Anteilsrechte ist eine Bewilligung aber nur bei der Veräußerung vorgesehen, worunter im weiteren Sinne ein auf die Übertragung oder die Belastung eines Rechtes gerichtetes Rechtsgeschäft unter Lebenden, im engeren Sinne die gänzliche Übertragung einer Sache oder eines Rechtes nicht aber ein Rechtsübergang kraft Erbrechtes verstanden wird (Ehrenzweig, System[2] I/1 289; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 193). Eine Bewilligungspflicht für einen Rechtsübergang an walzenden Anteilen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge des Erben sieht das TFLG 1978 nicht vor, weil der Ausdruck "Übertragung walzender Anteilsrechte" im § 38 Abs. 6 TFLG 1978 sich nicht auf eine erforderliche Bewilligung, sondern auf die bücherliche Eintragung bezieht, die den Rechtsübergang im Grundbuch ausführt und die nur im Falle einer Veräußerung persönlicher Anteilsrechte ohne die vorgesehene Bewilligung nach § 38 Abs. 5 TFLG 1978 nicht zulässig ist.

Der Versuch der Agrarbehörde, die in ihrem Rekurs einen nicht als Veräußerung anzusehenden Übergang persönlicher Anteilsrechte als "Absonderung" der Bewilligungspflicht nach § 38 Abs. 3 TFLG 1978 unterworfen wissen will, scheitert daran, daß dort nur die Voraussetzungen geregelt werden, unter denen mit dem Eigentum an einer Liegenschaft verbundene Anteile von der Stammsitzliegenschaft abgesondert werden können. Auf die nicht mit einer Liegenschaft verbundene Mitgliedschaft ist nicht § 38 Abs. 3 TFLG 1978, sondern der Abs. 5 anzuwenden, mag dieser auch - falls eine Veräußerung vorliegt - die sinngemäße Geltung der Abs. 3 und 4 des § 38 TFLG 1978 anordnen. Daß dem Landesgesetzgeber allenfalls daran lag, persönliche Anteilsrechte realrechtlich mit einer Liegenschaft verbinden zu lassen (§ 38 Abs. 5 TFLG 1978), kann nicht dazu führen, eine Bewilligung der Agrarbehörde auch dann zu fordern, wenn sie nach § 38 Abs. 5 TFLG 1978 nicht vorgesehen ist, weil persönliche Anteilsrechte nicht veräußert werden. Das Vorhaben kann eben nur bei Veräußerung walzender Anteile verwirklicht werden. Der einer Bewilligung der Agrarbehörde nicht unterworfene Rechtsübergang auf den Erben kann nicht Anlaß sein, die Auflage nach § 38 Abs. 5 TFLG zu erteilen.

Der Übertragung der kraft Erbrechtes auf den Erben übergegangenen persönlichen Anteile an der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft steht daher § 38 Abs. 6 TFLG 1978 nicht entgegen, weil für diesen Rechtsübergang eine Bewilligung der Agrarbehörde nicht vorgesehen ist. Die insoweit vom Erstgericht getroffene Anordnung bücherlicher Eintragungen auf Grund der Ergebnisse der Verlassenschaftsabhandlung (§ 177 AußStrG und § 29 Abs. 1 LiegTeilG) ist somit wieder herzustellen.

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