OGH 4Ob529/80

OGH4Ob529/803.6.1980

SZ 53/89

Normen

StVG §32
StVG §113
StVG §32
StVG §113

 

Spruch:

Aufwendungen, welche durch vorsätzliche Selbstbeschädigung eines Strafgefangenen erforderlich wurden, kann die Republik Österreich - soweit sie das Ausmaß der einbringlichen Geldbuße nach § 113 StVG übersteigen - im ordentlichen Rechtsweg ersetzt verlangen

OGH 3. Juni 1980, 4 Ob 529/80 (OLG Graz 6 R 32/80; LG Klagenfurt 18 Cg 529/78)

Text

Der Beklagte verbüßte in der Zeit vom 10. November 1975 bis 12. Juni 1976 im landesgerichtlichen Gefangenenhaus Klagenfurt eine wegen Verbrechens des Betruges verhängte achtmonatige Freiheitsstrafe. Am 8. Feber 1976 schluckte er eine Stahlfeder. Er wurde in das Landeskrankenhaus Klagenfurt eingeliefert, dort operiert und bis 26. Mai 1976 stationär behandelt. Die klagende Partei, die Republik Österreich, hatte die dort aufgelaufenen Pflegegebühren in Höhe von 83 538 S zu bezahlen (§ 71 Abs. 2 StVG). Sie begehrt den Ersatz dieser Aufwendungen mit der Begründung, daß sie der Beklagte durch vorsätzliche Selbstbeschädigung herbeigeführt habe (§ 32 Abs. 1 StVG).

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens mit der Begründung, daß er die Stahlfeder in Selbstmordabsicht im Zustand völliger Sinnesverwirrung geschluckt habe. Er leide seit seiner Kindheit an schweren Depressionen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte, insbesondere gestützt auf das Sachverständigengutachten eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie fest, daß der Beklagte die Stahlfeder nicht im Zustand einer Geistes- oder Bewußtseinsstörung geschluckt habe und daß seine Handlungsfähigkeit nicht aufgehoben gewesen sei. Der Beklagte habe sich damit selbst schädigen wollen, um die Beendigung der Haft zu erzwingen, nachdem ihm dies durch den zuvor durchgeführten Hungerstreik nicht gelungen sei.

Das Erstgericht bejahte die Ersatzpflicht des Beklagten gemäß § 32 Abs. 1 StVG, da er die Aufwendungen der Klägerin durch vorsätzliche Selbstbeschädigung herbeigeführt habe.

Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und hatte insbesondere gegen die Feststellung des Erstgerichtes, daß der Beklagte in Selbstbeschädigungsabsicht gehandelt habe, um das Ende der Strafhaft zu erzwingen, keine Bedenken. Der Sachverständige habe zwar die behauptete Selbstmordabsicht nicht ausschließen können, aber Selbstbeschädigungsabsicht als viel wahrscheinlicher angesehen. Unter dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung habe der Beklagte nur die Richtigkeit des Sachverständigengutachtens angefochten, sodaß dieser Berufungsgrund nicht gesetzmäßig ausgeführt sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Vorinstanzen haben die Frage, ob über den geltend gemachten Anspruch im Rahmen der Strafrechtspflege oder auf dem Rechtsweg zu entscheiden ist, nicht aufgeworfen. Die Zulässigkeit des Rechtsweges ist zu bejahen. § 16 Abs. 2 Z. 1 StVG weist nur die Entscheidung "über den Beitrag des Verurteilten zu den Kosten des Strafvollzuges (§ 32)", nicht aber über den Ersatz für besondere Aufwendungen und Schäden am Anstaltsgut (vgl. die Überschriften zu § 32 StVG) dem Vollzugsgericht, also dem in Strafsachen tätigen Gerichtshof erster Instanz, in dessen Sprengel die Freiheitsstrafe vollzogen wird (§ 16 Abs. 1 StVG), zu. § 113 StVG bestimmt, daß die Strafe der Geldbuße u. a. dann verhängt werden darf, wenn der Strafgefangene durch vorsätzliche Selbstbeschädigung besondere Aufwendungen herbeigeführt hat. Die Geldbuße darf den Betrag von 500 S nicht übersteigen. Sie ist vom Hausgeld in angemessenen Teilbeträgen einzubehalten. Es handelt sich um eine Schadenersatzleistung, die durch die Art ihrer Vollstreckung Strafcharakter hat (Kunst, StVG 192). Ein das Ausmaß der einbringlichen Geldbuße übersteigender Schaden kann unbeschadet der Vorschrift des § 32 auf dem Zivilrechtsweg geltend gemacht werden. Über die Verhängung der Geldbuße entscheidet gemäß § 116 Abs. 1 StVG die Vollzugsbehörde erster Instanz, also der Anstaltsleiter (§ 11 StVG). Daß gegen den Beklagten eine Geldbuße verhängt und durch Einbehaltung aus dem Hausgeld ein Teil des Schadens abgedeckt worden wäre, hat der Beklagte aber nicht behauptet.

Auf die Rechtsrüge des Beklagten ist schon deshalb nicht einzugehen, weil er sie schon in zweiter Instanz nicht gesetzmäßig ausführte und daher im Revisionsverfahren nicht mehr nachtragen kann. Außerdem hat aber der Beklagte die Rechtsrüge auch in seiner Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt. Sie enthält nur die Behauptung, daß die Auslegung eines Sachverständigengutachtens keine Frage der Beweiswürdigung, sondern der rechtlichen Beurteilung sei und daß das Gutachten des Sachverständigen nicht überzeuge. Soweit der Revisionswerber auf den Inhalt der Berufungsschrift verweist, entspricht die Revisionsschrift überdies nicht der Vorschrift des § 506 ZPO (SZ 23/89; SZ 35/66 u. v. a.).

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