Spruch:
Für die Haftung des "Privatzimmervermieters" in einem über 18 Betten verfügenden Betrieb ist § 970 ABGB analog anzuwenden. Schadensfall durch Diebstahl von Reisegepäck und Wertgegenständen aus dem in der Garage abgestellten PKW des Gastes. Zur Frage seines Mitverschuldens OGH 14. November 1978, 5 Ob 729/78 (LG Salzburg 33 R 490/78; BG Mittersill C 120/77 )
Text
Der Beklagte ist Eigentümer eines in X gelegenen Hauses mit einem freistehenden Wirtschaftsgebäude, in dem sich eine Garage befindet. Zwischen dem Haus und dem Wirtschaftsgebäude wurde außerdem ein betonierter, unmittelbar an der Straße gelegener PKW-Abstellplatz errichtet. In der Saison vermietet der Beklagte mit seiner Gattin in seinem Haus Fremdenzimmer mit Frühstück.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger vom Beklagten die Zahlung von 19 985 S samt Anhang. Im August 1976 sei er einige Tage in der Pension des Beklagten gewesen. Bei seiner Ankunft habe der Beklagte seinen PKW zur seiner Garage übernommen und darauf hingewiesen, daß diese von scharfen Hunden bewacht werde und daher einbruchssicher sei. In der Nacht vom 21. auf den 22. August 1976 sei der in der nicht versperrten Garage des Beklagten abgestellt gewesene PKW des Klägers aufgebrochen worden. Hiebei seien dem Kläger Gebrauchsgegenstände im Werte des Klagsbetrages gestohlen worden. Der Beklagte hafte daher dem Kläger für den ihm aus der mangelhaften Verwahrung seines PKWs entstandenen Schaden. Der Beklagte beantragt Klagsabweisung und behauptet, der Kläger habe seinen PKW ohne seinen Willen in dem neben der Pension befindlichen überdachten Parkplatz, bei dem es sich nicht um eine Garage handle, abgestellt, ohne nachher das Tor zu schließen und seine Wertsachen aus dem Fahrzeug zu entfernen. Der Beklagte habe daher den PKW des Klägers nicht in Verwahrung genommen. Dieser habe außerdem vor dem Einbruch seinen PKW so abgestellt, daß dessen Heck etwas aus dem Abstellplatz herausgeragt habe, weshalb das Schließen des Tores gar nicht möglich gewesen wäre. Den Beklagten treffe daher keine Haftung für den durch den Einbruch dem Kläger verursachten Schaden, dem zumindest ein erhebliches Mitverschulden anzulasten sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen vermietet der Beklagte mit seiner Gattin in der Saison bis zu 18 Betten. Am 20. August 1976 fragte der Kläger, der mit seiner Gattin und seinem Sohn unterwegs war, im Hause des Beklagten nach Fremdenzimmern. Er bekam zwei Zimmer und blieb bis 23. August 1976. Für die Übernachtung einschließlich der Verabreichung des Frühstücks bezahlte der Kläger 720 S. Schon bei der Quartieraufnahme sagte die Gattin des Beklagten zum Kläger, er könne seinen PKW, Marke Mercedes, in die offenstehende Garage stellen. Eine nähere Anweisung über die Bedienung des Garagenkipptores und dessen Verschließen erteilte die Gattin des Beklagten dem Kläger nicht. Als der Beklagte am Abend nach Hause kam, sprach er mit dem Kläger allgemein über die Sicherheit beim Abstellen von PKWs. Dabei wurde auch besprochen, daß gewisse Wertgegenstände im Wagen bleiben würden, weil sich das Auspacken im Hinblick auf den kurzen Aufenthalt nicht auszahle. Der Beklagte war mit dem Abstellen des PKWs des Klägers in seiner offenen Garage einverstanden. Über das Verschließen des Garagentores wurde nicht gesprochen. Der Kläger erhielt keinen Schlüssel für das Garagentor ausgefolgt. Er versuchte daher auch gar nicht, das Kipptor in den folgenden Nächten zu verschließen, weil er der Meinung war, dies würde der Beklagte besorgen. Dieser machte den Kläger auch nicht darauf aufmerksam, daß das Garagentor wegen des bereits angesetzten Rostes nicht versperrt werden könne. Die Wertgegenstände des Klägers lagen am Rücksitz seines Wagens unter Anoraks, nur der Diplomatenkoffer stand unmittelbar hinter dem Fahrersitz. Der unbekannte Täter des Einbruchsdiebstahls konnte nicht ausgeforscht werden. Das Erstgericht war der Ansicht, der Beklagte hafte dem Kläger deshalb nicht für den ihm durch den Einbruch in seinen Wagen verursachten Schaden, weil er nur fallweise Zimmer vermiete. In einem solchen Falle greife aber die Haftung aus der Gastaufnahme (§ 970 ABGB) nicht Platz. Auch im Falle einer Haftung des Beklagten würde den Kläger ein Mitverschulden an dem ihm verursachten Schaden treffen, weil er sich um das Schließen des Garagentores weder bemüht noch danach gefragt habe.
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurück. Es war der Meinung, daß den Beklagten die strenge Haftung des § 970 ABGB treffe. Der PKW des Klägers sei auch als eingebracht anzusehen, weil er über Weisung der Gattin des Beklagten in dessen Garage abgestellt worden sei. Den Kläger treffe aber ein Mitverschulden an dem ihm durch den Einbruch entstandenen Schaden, weil er sich mit dem Abstellen seines PKWs in der ihm zugewiesenen offenen Garage begnügt habe. Die Größe seines Mitverschuldens hänge allerdings davon ab, ob dem Kläger, wie von ihm behauptet, vom Beklagten zugesichert worden sei, daß sein Anwesen einschließlich der Garage von zwei scharfen Hunden bewacht werde und daher einbruchssicher sei. Da das angefochtene Urteil in dieser Hinsicht keinerlei Feststellungen enthalte, müsse es der Aufhebung verfallen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Mit Recht bejaht das Berufungsgericht die Haftung des Beklagten für den dem Rekurswerber entstandenen Schaden nach § 970 ABGB. Selbst wenn man den Beklagten nur als Privatzimmervermieter betrachten würde, wäre die analoge Anwendung des § 970 ABGB schon deshalb gerechtfertigt, weil im Hinblick auf den Umfang seines über 18 Betten verfügenden Betriebes bereits die für die strenge Haftung nach der vorgenannten Gesetzesstelle maßgebende Gefahr des offenen Hauses gegeben ist (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 660; Edlbacher, Der Gastwirte begriff des § 970 ABGB im Fremdenverkehr heute, in ÖJZ 1967, 1 ff., insbesondere 4).
Fraglich könnte sein, ob die entwendeten Sachen vom Rekurswerber eingebracht wurden. Gewiß kann die Einbringung des PKWs des Rekurswerbers nicht zweifelhaft sein, weil dieser über Anweisung der Gattin des Beklagten in dessen Garage abgestellt wurde (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 665; Koziol - Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechtes[4] I, 277; SZ 37/167, 41/60, 45/88). Eine Garage dient aber dem Abstellen von Kraftfahrzeugen, während zur Unterbringung des Reisegepäcks das Zimmer des Gastes bestimmt ist. Hier war aber der Beklagte nach den Feststellungen der Unterinstanzen zumindest stillschweigend damit einverstanden, daß gewisse Wertgegenstände des Rekurswerbers während seines kurzen Aufenthaltes im PKW belassen werden. In diesem Falle sind aber auch die vom Gast im PKW zurückgelassenen Gegenstände als eingebracht anzusehen (Glaser, Haftung des Gastwirtes für das Gepäck im Kraftwagen des Hotelgastes, in JR 1955/334, betreffend die mit § 970 ABGB im wesentlichen übereinstimmende Regelung der Gastwirtehaftung des § 701 BGB).
Die Beschränkung der Haftung aus der Gastaufnahme durch das Bundesgesetz vom 16. November 1921, BGBl. 638/1921 (i. d. F. BGBl. 259/1951), auf den Höchstbetrag von 3000 S greift hier nicht Platz, weil der Beklagte Aufbewahrungsräume hält - darunter fällt auch eine Garage - und daher auch nach § 970 Abs. 2 zweiter Satz ABGB haftet. Dem Umstand, daß die Garagenvermietung nicht den Hauptzweck des Unternehmens des Beklagten bildet, kommt keine Bedeutung zu (Edlbacher in ÖJZ 1967, 6; SZ 41/60). Der Beklagte haftet daher unbeschränkt für den dem Rekurswerber durch den Einbruch entstandenen Schaden.
Ob und in welchem Umfang der Rekurswerber den ihm entstandenen Schaden mitzuverantworten hat, kann hingegen noch nicht abschließen beurteilt werden. Eine solche Mitverantwortung wäre nämlich dann anzunehmen, wenn der Rekurswerber gegenüber seinen eigenen Gütern sorglos gewesen wäre (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I, 185). Das Maß der anzuwendenden Sorgfalt richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Es darf jedoch der anzulegende Sorgfaltsmaßstab nicht überspannt werden (SZ 48/97; EvBl. 1977/110; 7 Ob 639/ 77). Sollte daher der Beklagte tatsächlich dem Rekurswerber, nachdem ihm dieser mitgeteilt hatte, daß er Wertgegenstände in seinem PKW belassen werde, erklärt haben, seine Garage sei absolut einbruchssicher, weil sie von zwei scharfen Hunden bewacht werde, so wird in dem Umstand, daß der Rekurswerber im Hinblick auf seinen verhältnismäßig kurzen Aufenthalt beim Beklagten einen Teil seines Reisegepäcks, darunter eine Filmkamera und einen Photoapparat, in seinem versperrten PKW zurückgelassen hat, nicht eine schuldhafte Mitverursachung des Schadens erblickt werden können. Der Rekurswerber, dem nach den Feststellungen der Untergerichte nicht mitgeteilt wurde, daß das Kipptor nicht versperrbar ist, konnte nämlich mit Grund annehmen,daß die Garage des Beklagten des Nachts auch tatsächlich von dessen Hunden bewacht werde.
Sollte hingegen dem Rekurswerber die Einbruchssicherheit der Garage vom Beklagten nicht zugesichert worden sein, so wird im Zurücklassen wertvoller Gegenstände seines Reisegepäcks (Filmkamera und Photoapparat im Werte von 2200 DM) in seinem PKW eine Sorglosigkeit des Rekurswerbers zu erblicken sein, der sich schon deshalb, weil ihm ein Garagenschlüssel nicht ausgefolgt wurde und das Garagentor beim Abstellen seines PKWs offenstand, hätte erkundigen müssen, ob die Garage des Nachts vom Beklagten versperrt werde. Der Umfang der schuldhaften Mitverursachung des Schadens wird in diesem Falle davon abhängen, ob der Rekurswerber seinen Wagen tatsächlich am Abend vor dem Einbruchsdiebstahl, wie vom Beklagten behauptet, so abstellte, daß er mit dem Heck aus der Garage herausragte und diese gar nicht hätte abgeschlossen werden können. Von Bedeutung wird auch sein, ob der Rekurswerber bei seiner Heimkehr um zirka 23 Uhr (Aussage der Zeugin Renate R, 23) damit rechnen konnte, daß die Garage vom Beklagten oder seinen Leuten noch versperrt werden werde. Hingegen kann dem Rekurswerber der Umstand, daß er den Beklagten über den Wert seiner im PKW zurückgelassenen Gepäckstücke nicht informierte, als schuldhafte Mitverursachung seines Schadens nicht angelastet werden, weil er diesem gegenüber immerhin erwähnte, daß es sich bei den zurückgelassenen Sachen teilweise um Wertgegenstände handle (vgl. Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 669; SZ 23/129). Über die vorerwähnten, für die Beurteilung der behaupteten Mitverantwortung des Rekurswerbers wesentlichen Tatumstände, enthält das Ersturteil keinerlei Feststellungen und wurde daher vom Berufungsgericht im Ergebnis mit Recht aufgehoben.
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