OGH 8Ob211/77

OGH8Ob211/7731.1.1978

SZ 51/10

Normen

KO §6 Abs2
KO §6 Abs3
KO §7 Abs1
Kraftfahrzeuggesetz 1967 §63 Abs2
Kraftfahrzeuggesetz 1967 §63 Abs3
VersVG §157
ZPO §11
ZPO §14
ZPO §163
KO §6 Abs2
KO §6 Abs3
KO §7 Abs1
Kraftfahrzeuggesetz 1967 §63 Abs2
Kraftfahrzeuggesetz 1967 §63 Abs3
VersVG §157
ZPO §11
ZPO §14
ZPO §163

 

Spruch:

Wurde der Haftpflichtprozeß bereits vor der Konkurseröffnung begonnen, wird er durch die Konkurseröffnung zur Gänze unterbrochen, also auch insoweit er die Befriedigung aus der Versicherungssumme zum Gegenstand hat

Auf Streitgenossen des Gemeinschuldners wirkt die Unterbrechung nur dann, wenn sie mit diesem eine einheitliche Streitpartei bilden

Die Unterbrechung des Verfahrens infolge Konkurseröffnung über das Vermögen des beklagen Kfz-Halters wirkt auch gegenüber dem mitbeklagten Haftpflichtversicherer

OGH 31. Jänner 1978, 8 Ob 211/77 (OLG Innsbruck 2 R 234/77; LG Innsbruck 5 Cg 194/77)

Text

Am 10. Juni 1972 wurde in Steinach am Brenner F G als Lenker eines Motorrades bei einem zusammenstoß mit dem von W G gelenkten LKW getötet. J P ist Halter, die Zweitbeklagte Haftpflichtversicherer dieses LKW.

Mit der am 16. Mai 1977 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin als Trägerin der gesetzlichen Pensionsversicherung gemäß § 332 ASVG vom Lenker W G sowie J P und von der Zweitbeklagten unter Einräumung eines Mitverschuldens ihres beim Unfall getöteten Versicherten zu einem Fünftel Ersatz der an die Witwe des Versicherten J G erbrachten Pflichtleistungen von 56 679.60 S sowie die Feststellung der Haftung der genannten Beklagten für künftige Pflichtleistungen der Klägerin an die Witwe ihres Versicherten im Rahmen des Deckungsfonds unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Versicherten zu einem Fünftel.

Die Klage gegen den lenker W G konnte nicht zugestellt werden. Einen zur Fortführung des Verfahrens gegen den beklagten Lenker entsprechenden Antrag hat die Klägerin nicht gestellt.

Das Erstgericht gab der Klage gegen J P und gegen die Zweitbeklagte statt.

Noch vor Zustellung des Urteiles des Erstgerichtes wurde über da Vermögen des J P der Konkurs eröffnet.

Der Vertreter des J P und der Zweitbeklagten erhob gegen das ihm am 16. August 1977 zugestellte Urteil des Erstgerichtes Berufung. In der Berufungsverhandlung erklärte er, die Berufung des J P im Hinblick auf die Konkurseröffnung zurückzuziehen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes in Ansehung des gegen die Zweitbeklagte gerichteten Begehrens hinsichtlich des Zuspruches von 50 799.60 S sowie im Ausspruch über das Feststellungsbegehren und änderte es hinsichtlich des Teilzuspruches von 5880 S im Sinne der Abweisung der Klage ab.

Das Berufungsgericht führte zur Frage der möglichen Wirkungen der Konkurseröffnung über das Vermögen des J P auf das Verfahren gegen die Zweitbeklagte aus, Hatpflichtbersicherer und Halter bildeten nach neuerer Ansicht keine einheitliche Streitpartei, zumindest nichtinsoweit, öals dies die Wirkungen des § 63 Abs. 3 KFG erforderten. Daher wirkte die Unterbrechung des Rechtsstreites gegen J P durch die Konkurseröffnung nicht auf die Zweitbeklagte.

Der Oberste Gerichtshof wies die Revision der Zweitbeklagten und dioe Revisionsbeantwortung der Klägerin zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Da nach § 163 Abs. 2 ZPO die von einer Partei während der Unterbrechung des Verfahrens in Ansehung der anhängigen Streitsache vorgenommenen Prozeßhandlungen der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkungen sind und das Gericht über nach Eintritt der Unterbrechung des Verfahrens eingebrachte Rechtsmittel - abgesehen von dem hier nicht in Betracht kommenden Fall, daß sich die Partei durch eine trotz bereits eingetretener Verfahrensunterbrechung erfolgte gerichtlichen Entscheidung beschwert erachtet - nicht sachlich zu entscheiden, sondern mit der Zurückweissung der erstatteten Rechtsmittelschriften vorzugehen hat (vgl. Fasching II, 793 ff.; SZ 41/93; SZ 43/158 u. a.), ist zunächst zu prüfen, ob die Unterbrechung des Rechtsstreites gegen J P auch auf die Zweitbeklagte als Streitgenossen wirkt. An die Absicht des Berufungsgerichtes, eine solche Wirkung sei nicht eingetreten, ist das Revisionsgericht nicht gebunden.

Nach § 7 Abs. 1 KO werden alle anhängigen Rechtsstreitigkeiten, in denen der Gemeinschuldner Kläger oder Beklagter ist, mit Ausnahme der im § 6 Abs. 3 KO bezeichneten Streitigkeiten durch die Konkurseröffnung unterbrochen. Auf Streitgenossen des Gemeinschuldners wirkt die Unterbrechung nur dann, wenn sie mit dem Gemeinschuldner eine einheitliche Streitpartei bilden (§ 14 ZPO).

Nach § 157 VersVG kann der bei einem Unfall geschädigte Dritte wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruches im Falle des Konkurses über das Vermögen des Versicherungsnehmers abgesonderte Befriedigung öaus der Entschädigungsforderung des Versicherungsnehmers verlangen. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung handelt es ich dabei um einen Absonderungsanspruch im Sinne des § 6 Abs. 2 KO und nicht um einen Anspruch, der im Sinne des § 6 Abs. 3 KO das zur Konkursmasse gehörige Vermögen überhaupt nicht betrifft (vgl. ZVR 1959/73; ZVR 1962/246; 2 Ob 712/54; 2 Ob 234/61). Dieses Absonderungsrecht kann auch nach der Konkurseröffnung nach § 6 Abs. 2 O so geltend gemacht werden, wie wenn der Konkurs nicht eröffnet worden wäre, allerdings nur mit der Beschränkung auf Befriedigung aus dem Befreiungsanspruch des Gemeinschuldners gegen seinen Haftpflichtversicherer verlangt wird - und nur mehr gegen den Masseverwalter (vgl. Bartsch-Pollak I, S. 70 Anm. 10; ZVR 1962/246). Wurde der Haftpflichtprozeß bereits vor der Konkurseröffnung begonnen, wird er durch die Konkurseröffnung zur Gänze unterbrochen, also auch insoweit er die Befriedigung aus der Versicherungssumme zum Gegenstand hat, da auf Grund der Bestimmungen des § 7 Abs. 1 KO von der Unterbrechung nur die im § 6 Abs. 3 KO bezeichneten Rechtsstreitigkeiten ausgenommen sind, daher alle übrigen Rechtsstreitigkeiten somit auch solche über Absonderungsansprüche nach § 6 Abs. 2 O durch die Konkurseröffnung unterbrochen werden (vgl. Bartsch PollaK I, S. 75 Anm. 5; ZVR 1959/73; 2 Ob 712/54). Die in der Entscheidung JBl. 1953/466 vertretene Auffassung, daß eine solche Klage gegen den Gemeinschuldner nicht zurückszuweisen sei, soweit sie das Begehren auf Befriedigung aus dem Sondervermögen (Haftpflichtversicherungssumme) umfasse, wurde vom OGH in der Folge nicht mehr aufrecht erhalten (vgl. ZR 1959/73; 2 Ob 712/54; 2 Ob 234/61). Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet, so ergibt sich, daß der bereits vor der Konkurseröffnung begonnene Haftpflichtprozeß in Ansehung des erstbeklagten Gemeinschuldners durch die Konkurseröffnung zur Gänze unterbrochen wurde.

Ob diese Unterbrechung des Rechtsstreites auch im Sinne des § 7 Abs. 1, zweiter Satz KO auf den zweitbeklagten haftpflichtversicherer als Streitgenossen wirkt, hängt von der Beurteilung der Frage ab, ob die Zweitgbeklagte mit dem Gemeinschuldner insoweit eine einheitliche Streitpartei bildet. Werden gegen Haftpflichtversicherer und Versicherten als Streitgenossen Haftungsansprüche geltend gemacht, so handelt es sich nach unmehr ständiger Rechtsprechung des OGH (vgl. JBl. 1974, 375; ZVR 1974/185; ZVR 1976/84 u. v. a.) auf Grund der Bestimmungen des § 63 Abs. 3 KFG 1967 nicht etwa nur um eine nach § 11 ZPO zu beurteilende Streitgenossenschaft. Sie kann allerdings auch nicht uneingeschränkt den Bestimmungen der §§ 14 ff. ZPO unterstellt werden. Die Heranziehung der hinsichtlich der einheitlichen Streitpartei entwickelten Grundsätze verbietet dies zunächst insoweit, als in Hinblick auf die Verschiedenheit der Voraussetzungen und des Umfanges der Haftung von Versicherer, versichertem Halter und versichertem Lenker ein die Klage hinsichtlich des einen der Streitgenossen abweisendes Urteil keineswegs auch hinsichtlich des anderen im gleichen Sinne ausfallen muß. Macht aber der geschädigte Dritte gegen den Versicherer und Versicherten als Streitgenossen denselben Haftungsanspruch geltend, bilden diese insoweit eine einheitliche Streitpartei, als es zur Verwirklichung der im § 63 Abs. 3 KF 1967 vorgesehenen Erstreckungswirkung eines die Schadenersatzklage rechtkräftig abweisenden Urteiles erforderlich ist. Soll aber sichergestellt werden, daß die gänzliche oder teilweise Abweisung des Begehrens hinsichtlich des einen der mit derselben Klagen als Versicherer und Versicherten Belangten - immer unter der Voraussetzung, daß es sich um einen die Streitgenossen ach materiellem Recht in gleicher Weise betreffenden Streitpunkt handelt - auch zugunsten des anderen wirkt, so wäre es mit dem Sinne der Bestimmungen des § 63 Abs. 3 KFG 1967 nicht vereinbar, wenn das vom geschädigten Dritten gegen Versicherer und Versicherten gemeinsam anhängig gemachte Verfahren ohne entsprechende Parteiendisposition in einzelne Verfahren aufgelöst und das eine mit einem der lage stattgebenden Urteil erledigt würde, solange das andere Verfahren noch offen ist. Alle diese Voraussetzungen für eine einheitliche Streitpartei zwischen dem beklagten Halter und dem Haftpflichtversicherer sind im vorliegenden Falle gegeben. Der Haftpflichtversicherer hat nach Art. 1 Abs. 1 AKHB 1967 begrundete Ersatzansprüche, die auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen gegen den Versicherungsnehmer oder mitversicherte Personen erhoben werden, zu befriedigen. Die gegen den erstbeklagten Gemeinschuldner als Halter und Versicherungsnehmer und gegen den zweitbeklagten Haftpflichtversicherer geltend gemachten Ersatzansprüche betreffen denselben Haftungsanspruch. Die kraft Gesetzes (§ 7 Abs. 1 KO) eintretende Unterbrechung des Rechtsstreites durch die Konkurseröffnung steht außerhalb der Parteieindisposition der am Verfahren beteiligten Parteien. Eine Fortsetzung des Haftpflichtprozesses nur gegen den Haftpflichtversicherer steht daher im Sinne obiger Darlegungen einer Verwirklichung der im § 63 Abs. 3 KFG 1967 vorgesehenen Urteilserstreckungswirkung entgegen.

Sind aber die Voraussetzungen einer einheitlichen Streitpartei gegeben, wurde durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des erstbeklagten Gemeinschuldners der haftpflichtprozeß nicht nur in Ansehung dieses Beklagten, sondern auch des mitbelangten Haftpflichtversicherers unterbrochen (§ 7 Abs. 1, zweiter Satz KO). Die Rechtsmittelschrift ein Antrag auf Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens nicht erblickt werden kann (vgl. SZ 41/93; SZ 43/158). Im übrigen wäre im vorliegenden Falle eine Aufnahme des Verfahrens nur nach Maßgabe der Bestimmungen des § 7 Abs. 2 und 3 KO und § 164 ZPO möglich, da jedenfalls für das Rechtsmittelverfahren im Hinblick auf die Bestimmungen der §§ 483 Abs. 3 und 513 ZPO eine Klagseinschränkung unzulässig wäre (vgl. Fasching IV, 172; MietSlg. 4845/II 36; EvBl. 1962/13; JBl. 1974, 426; 2 Ob 28, 29/75).

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