OGH 6Ob209/70

OGH6Ob209/7016.9.1970

SZ 43/158

Normen

KO §7 Abs1
ZPO §163 Abs3
KO §7 Abs1
ZPO §163 Abs3

 

Spruch:

Das Gericht kann über ein nach Eintritt der Unterbrechung des Verfahrens eingebrachtes Rechtsmittel nicht meritorisch entscheiden

OGH 16. September 1970, 6 Ob 209/70 (OLG Wien 1 R 116/70)

Text

Das Erstgericht schloß die Verhandlung über die Einwendungen des nunmehrigen Gemeinschuldners gegen den Wechselzahlungsauftrag vom 11. August 1969 am 12. September 1969. Die Entscheidung wurde nicht verkundet, sondern der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten. Am 1. Oktober 1969 stellte das Erstgericht mit Beschluß fest, daß das Verfahren infolge der am 30. September 1969 erfolgten Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Dr Alois B gem § 7 Abs 1 KO unterbrochen ist. Am 31. Dezember 1969 erließ es das Urteil, mit dem der Wechselzahlungsauftrag aufrecht erhalten wurde. Es verwies darauf, daß die Konkurseröffnung der Urteilsfällung im Hinblick auf § 163 Abs 3 ZPO nicht entgegenstehe.

Gegen dieses Urteil erhob der Beklagte (Masseverwalter Dr Kurt Franz N) Berufung. Die Kläger erstatteten eine Berufungsmitteilung. Das Berufungsgericht wies Berufung und Berufungsmitteilung unter Hinweis auf die Wirkungen einer Unterbrechung des Verfahrens als nichtig zurück.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, den Beschluß des Berufungsgerichtes dahin abzuändern, daß das Urteil des Erstgerichtes als nichtig aufgehoben werde, oder ihn aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur meritorischen Entscheidung über die Berufung des Beklagten zurückzuverweisen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge und bestätigte den Beschluß des Berufungsgerichtes mit der Maßgabe, daß die Worte "als nichtig" zu entfallen haben.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Rekurswerber vertritt die Auffassung, das Erstgericht hätte das gem § 415 ZPO nicht sofort nach Schluß der mündlichen Verhandlung gefällte Urteil nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Gemeinschuldners nicht mehr fällen dürfen, weil der Verfahrensunterbrechung nachfolgende prozeßrelevante Handlungen nichtig seien. Nach der Rechtsprechung sei ein nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Beklagten ergangenes Urteil nichtig und ungeachtet der fortdauernden Verfahrensunterbrechung anfechtbar. Das Berufungsgericht hätte daher entweder das Urteil des Erstgerichtes von Amts wegen als nichtig aufheben oder die dagegen erhobene Berufung meritorisch behandeln müssen.

Diesen Ausführungen ist folgendes entgegenzuhalten:

Nach § 163 Abs 2 ZPO sind die von einer Partei während der Unterbrechung in Ansehung der anhängigen Streitsache vorgenommenen Prozeßhandlungen der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkungen. Das bedeutet, daß das Gericht solche Prozeßhandlungen schon zum Gegenstand seiner Verfügung machen muß. Es muß sie zurückweisen oder als der Partei gegenüber unwirksam erklären. Das Gericht kam daher über ein nach Eintritt der Unterbrechung des Verfahrens eingebrachtes Rechtsmittel, solange das Verfahren nicht wieder aufgenommen ist, nicht meritorisch entscheiden, sondern kann nur mit der Zurückweisung dieses Rechtsmittels bzw der erstatteten Rechtsmittelschriften vorgehen (siehe dazu Fasching II 793/794, SZ 41/93 = EvBl 1969/26). Ob sich das Rechtsmittelgericht im Fall der nach Einbringung des Rechtsmittels eingetretenen Verfahrensunterbrechung damit begnügen kann, die Akten dem Erstgericht zurückzustellen (so EvBl 1968/244), kann dahingestellt bleiben, weil auch hier maßgebend ist, daß die fortdauernde Unterbrechung eine meritorische Entscheidung über das Rechtsmittel hindert.

Dieser Grundsatz erleidet allerdings dort eine Durchbrechung, wo sich eine Partei durch eine trotz bereits erfolgter Verfahrensunterbrechung erfolgte gerichtliche Entscheidung beschwert erachtet. Ihr kann nicht verwehrt werden, die ihr zugestellte Entscheidung anzufechten. Darin liegt ja auch nicht eine Weiterführung des unterbrochenen Verfahrens "in Ansehung der anhängigen Streitsache" i S des § 163 Abs 2 ZPO (vgl dazu SZ 34/124; Fasching II 794).

Daraus ist aber für den Beklagten nichts zu gewinnen. Er hat in seiner Berufung nämlich keineswegs geltend gemacht, daß das angefochtene Urteil wegen der inzwischen erfolgten Konkurseröffnung nicht mehr hätte gefällt werden dürfen, sondern er hat ganz im Gegenteil dort ausgeführt, die Fällung des vorbehaltenen Urteiles nach eingetretener Unterbrechung habe der Bestimmung des § 163 Abs 3 ZPO entsprochen, unbefriedigend sei nur, daß der Unterbrechungsbeschluß nicht aufgehoben worden sei und nach wie vor zu Recht bestehe. Dementsprechend wurde das Ersturteil vom Beklagten auch nur meritorisch bekämpft und der Berufungsgrund der Nichtigkeit nicht geltend gemacht. Was der Beklagte mit seiner Berufung anstrebte, war also keineswegs die Abwehr eines Verstoßes gegen § 7 Abs 1 KO, sondern die Vornahme einer die Weiterführung des unterbrochenen Verfahrens bezweckenden Prozeßhandlung i S des § 163 Abs 2 ZPO. Diese Berufung war somit unzulässig. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die im Rekurs - im Gegensatz zur Berufung - vertretene Meinung, schon die Fällung des vorbehaltenen Urteiles nach Eintritt der Unterbrechung wäre unzulässig gewesen.

Es ist daher zutreffend, daß die vom Masseverwalter nach Konkurseröffnung und vor Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens erhobene Berufung sowie die daraufhin von den Klägern erstattete Berufungsmitteilung zurückzuweisen waren. Der Masseverwalter hätte zwar gem § 7 Abs 2 KO und § 164 ZPO das Verfahren wieder aufnehmen können, soferne die Prüfungstagsatzung abgeschlossen war. Ein solcher Antrag wurde aber weder von ihm noch von einer anderen dazu berechtigten Person gestellt. In der Einbringung von Rechtsmittelschriften kann ein solcher Antrag nicht erblickt werden, weil die ZPO stillschweigende Prozeßhandlungen nicht kennt (SZ 41/93).

Der Begriff der prozessualen Nichtigkeit bezieht sich nicht auf Partei-, sondern nur auf Gerichtshandlungen, so daß eine Nichtigerklärung von Parteihandlungen im Prozeß nicht in Frage kommen kann.

Demzufolge mußte dem Rekurs ein Erfolg versagt bleiben und der angefochtene Beschluß mit der aus dem Spruch ersichtlichen Maßgabe bestätigt werden.

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