OGH 3Ob268/75

OGH3Ob268/7519.3.1976

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsident des Obersten Gerichtshofes Dr. Winkelmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Kinzel, Dr. Reithofer, Dr. Stix und Dr. Schubert als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Dr. Alfred Holzberger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A*, Gastwirtin, *, vertreten durch Dr. Walter Windhager, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 8.489,73 s.A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 13. August 1975, GZ. 32 R 254/75-30 , womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Hallein vom 24. März 1975, GZ. C 60/74-24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0030OB00268.75.0319.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und es wird die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Begründung:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten für die Lieferung einer Schreibmaschine O* und zweier Schreibunterlagen zum Preise von S 7.205,-- und S 120,-- einschließlich Verzugszinsen (bis 22. Jänner 1974) und der Kosten anwaltlicher Intervention die Zahlung eines Gesamtbetrages von S 8.489,73 samt 1 % Zinsen im Monat aus S 7.325,-- seit 23.Jänner 1974 und 5% Zinsen aus S 896,89 ab Klagszustellung.

Die Beklagte wendete ein, daß die Kaufpreisforderung nicht fällig sei, weil die Klägerin die der Schreibmaschine schon bei Lieferung anhaftenden und den Gebrauch hindernden Mängel nicht behoben habe. Sie habe das Original des Bestellscheines nicht erhalten und daher auch die Verkaufsbedingungen, auf die sich die Klägerin beruft, nicht zur Kenntnis nehmen können.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte unter Abweisung des Mehrbegehrens von S 267,84 zur Zahlung von S 8.221,89 samt 1 % Zinsen im Monat aus S 7.325,-- seit 23. Jänner 1974 und 5 % Zinsen aus S 896,89 ab 30. Jänner 1974, Zug um Zug gegen Beseitigung der gegenwärtig den ordentlichen Gebrauch der Schreibmaschine hindernden Mängel. Es stellte ua. folgendes fest: Die Beklagte benötigte für ihren Gastgewerbebetrieb eine elektrische Schreibmaschine. Am 20. November 1972 wählte sie in der Geschäftsstelle der Klägerin in S* eine Schreibmaschine der Type * aus. Die Beklagte unterfertigte das Originalblatt des Bestellscheines unterhalb des Vordruckes, inhaltlich dessen sie die umseitig angeführten Verkaufs- und Wartungsbedigungen ausdrücklich anerkennt. Sie las die Verkaufsbedingungen auf der Rückseite des Bestellscheines nicht durch. Nach Punkt 6 der Verkaufsbedingungen leistete die Klägerin für die verkauften Maschinen derart Garantie, daß sie durch Material- oder Fabrikationsfehler unbrauchbar gewordenen Teile kostenlos auswechselt, weitere Schäden aber nicht ersetzt. Das Auftreten von Schäden befreit den Besteller nicht von seinen Verpflichtungen. In Gewährleistungsfällen wird der Anspruch auf Wandlung oder Preisminderung ausgeschlossen und durch die Verpflichtung der Klägerin zur Verbesserung ersetzt. Der Verbesserungsanspruch setzt eine schriftliche Aufforderung voraus (Pkt. 6 der Verkaufsbedingungen). Zufolge Punkt 10 der Verkaufsbedigungen ist der Besteller nicht berechtigt, Zahlungen wegen Gewährleistungsansprüchen, nicht anerkannten Gegenansprüchen oder Bemängelungen, zurückzuhalten. Bei Zahlungsverzug hat er Verzugszinsen in der Höhe von 1 % per Monat zu bezahlen. Der Kaufpreis war 30 Tage ab Fakturendatum zu bezahlen. Die Rechnung über den Betrag von S 7.205,-- ist vom 20. Dezember 1972. Die Beklagte nahm die Schreibmaschine am 20. Dezember 1972 sofort mit, die bestellten Schreibunterlagen wurden der Beklagten am 20. November 1972 oder später geliefert.

Das Erstgericht traf auch die – vom Berufungsgericht nicht übernommene – Feststellung, daß die Schreibmaschine bereits im Zeitpunkt des Kaufabschlusses infolge Oxydation, eines behebbaren Mangels, nicht funktionsfähig war.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß die Beklagte nur Verbesserung verlangen könne, aber nicht berechtigt sei, die Zahlung des Kaufpreises zu verweigern, weil die zum Vertragsinhalt erhobenen Verkaufsbedingungen für sie verbindlich seien. Die Beklagte sei aber zur Zahlung nur Zug um Zug gegen Verbesserung der Mängel verpflichtet, weil sie sich den Verbesserungsanspruch durch die schriftliche Aufforderung zur Mängelbehebung gewahrt habe.

Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Hingegen gab das Berufungsgericht der Berufung der Klägerin dahin Folge, daß es die Beschränkung der Zahlungspflicht der Beklagten durch eine Zug um Zugleistung der Klägerin aus dem stattgebenden Teil des hinsichtlich der Abweisung von S 267,84 unangefochtenen erstinstanzlichen Urteiles eliminierte und die Beklagte zum Kostenersatz verurteilte. Es legte seiner Entscheidung die oben wiedergegebenen Feststellungen des Erstgerichtes zu Grunde, übernahm aber nicht die seiner Meinung rechtlich unerheblichen Feststellungen betreffend die von der Beklagten behaupteten Mängel und deren Behebbarkeit. Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, daß im Interesse der Sicherung des Rechtsverkehrs derjenige, der eine Urkunde ungelesen unterfertigt, deren Inhalt als seine Erklärung gegen sich gelten lassen müsse. Dies gelte auch für die Unterwerfung unter ungelesene Verkaufsbedingungen. Die vertragliche Beschränkung der Gewährleistung auf die Verbesserung verstoße weder gegen ein gesetzliches Verbot noch gegen die guten Sitten und sei daher gültig. Die Beklagte habe deshalb nur einen Verbesserungsanspruch, der nicht mittels Einrede geltend gemacht werden könne, sondern mit Leistungsklage durchgesetzt werden müsse. Bei der Schreibmaschine könne es keinen unbehebbaren Mangel geben, da sie aus ersetzbaren Teilen bestehe. Die Vereinbarung, daß der Erwerber auch bei Vorhandensein von Mängeln seine Leistungen zu erbringen habe, sei gleichfalls nicht sittenwidrig, da dem Käufer hiedurch das Recht auf Verbesserung nicht genommen werde. Die Zahlungspflicht des Käufers hänge also nicht von der Leistung der Verbesserung ab.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der Beklagten aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, in Abänderung der angefochtenen Entscheidung das Klagebegehren abzuweisen oder die Entscheidung der ersten Instanz wiederherzustellen. Hilfsweise stellt die Beklagte auch einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Der von der Revision in der Mängelrüge erhobene Vorwurf, daß das Berufungsgericht die Urkunde Beilage ./G ohne entsprechende Beweisaufnahme verwertet habe, ist unbegründet. Diese Urkunde wurde von der Klägerin bei der mündlichen Berufungsverhandlung am 13. August 1975 vorgelegt und nach dem Inhalt des Verhandlungsprotokolls – vom Berufungsgericht – „dargetan“. Die Beklagte anerkannte die Echtheit ihrer Unterschrift, verwies aber darauf, daß das Unterschriftszeichen des Verkäufers nicht im Durchschlagverfahren hergestellt worden sei (AS 132). Es ist also nicht richtig, daß die Beilage G der Beklagten nicht prozeßordnungsmäßig zur Kenntnis gebracht wurde.

Die Ausführungen der Mängelrüge zur Frage der Verbindlichkeit der Verkaufsbedingungen richten sich gegen die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, zeigen aber keinen Verfahrensmangel auf. Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens oder gar der Nichtigkeit liegt somit nicht vor.

In der Rechtsrüge macht die Revision geltend, daß infolge Unbrauchbarkeit der Schreibmaschine kein Gewährleistungsfall, sondern ein Fall der „Schlechterfüllung vorliege“. Die Beklagte sei daher zur Zurückstellung der Schreibmaschine berechtigt, der Kaufpreis sei aus diesem Grunde noch nicht fällig.

Der Revision ist zuzugeben, daß kein Gewährleistungsfall wegen mangelhafter Erfüllung, sondern Nichterfüllung, deren Rechtsfolgen nach den allgemeinen Bestimmungen über entgeltliche Verträge und Geschäfte (§ 918 ABGB.) zu beurteilen sind, vorliegt, wenn die Verschiedenheit der bestellten von der gelieferten Ware nach deren Beschaffenheit so erheblich ist, daß nach vernünftiger Auffassung kein Kaufmann mit dieser Ware einen Erfüllungsversuch unternehmen würde und vom Käufer ein Behalten der Ware als Vertragserfüllung nicht erwartet werden kann (JB1 1964, 565 u.a.). Davon kann aber nicht schon deshalb gesprochen werden, weil die Schreibmaschine wegen der ihr anhaftenden Mängel nicht funktioniert. Die derzeitige Unbrauchbarkeit der Schreibmaschine ist nur für die Art des Gewährleistungsmangels und dessen Rechtsfolgen von Bedeutung, bewirkt aber nicht die Nichterfüllung des Vertrages, Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat die Klägerin das von der Beklagten bestellte Schreibmaschinenmodell, nämlich eine elektrische Schreibmaschine der Type * geliefert. Es liegt daher weder eine Nichterfüllung des Vertrages noch eine ihr gleichzusetzende Lieferung eines aliud vor. Nach der Übernahme der Schreibmaschine stehen der Klägerin daher auch wegen der ihr nicht sofort erkennbaren Mängel nicht mehr Erfüllungsansprüche, sondern nur mehr Gewährleistungsansprüche zu (SZ 43/152 u.a.).

Die Revision ist auch mit der Ansicht, daß die auf der Rückseite des Bestellscheines abgedruckten Verkaufsbedingungen mangels Willensübereinstimmung nicht Vertragsinhalt geworden seien, nicht im Recht. Ob die Ansicht der Beklagten, daß im Bestellschein lediglich eine Offerte beurkundet ist, die die Klägerin erst durch die Ausstellung der Rechnung vom 20. Dezember 1972 angenommen hat, richtig ist, bedarf keiner Erörterung, denn entgegen der Meinung der Revision muß die Annahmeerklärung des Oblaten nicht den Hinweis enthalten, daß auch diese Verkaufsbedingungen Vertragsinhalt sein sollen. Wer eine Urkunde unterfertigt, macht den durch seine Unterschrift gedeckten Text zum Inhalt seiner Erklärung, auch wenn er ihn nicht gekannt hat (RZ 1967 S 70; HS 6458, 6459 u.a.). Vertragsbedingungen, die nicht außer der üblichen Linie liegen und auch nicht versteckt auf einer Urkunde angebracht sind, müssen abgelehnt werden, wenn nicht Einverständnis angenommen werden soll (HS 6458). Am Bestellschein ist auf der Vorderseite unmittelbar oberhalb der Unterschrift der Vordruck angebracht, daß die Bestellerin „die umseitig angeführten Verkaufs- und Wartungsbedigungen“ ausdrücklich anerkennt. Dieser in derselben Größe wie die übrigen wesentlichen Vertragsbestimmungen und die Verkaufsbedingungen auf der Rückseite gedruckte Hinweis konnte nur übersehen werden, wenn die Beklagte den Vertragstext der Vorderseite nicht oder nicht genau gelesen hatte. Eine solche Sorgfalt kann auch von einem Durchschnittsmenschen um so mehr von einer Geschäftsfrau verlangt werden. Die Beklagte kann sich daher wegen ihrer groben Nachlässigkeit nicht darauf berufen, daß sie die auf der Rückseite des Bestellscheines enthaltenen Verkaufsbedingungen nicht gekannt hat (vgl SZ 42/112). Aus diesem Grunde ist es unerheblich, ob die Beklagte auf diese Verkaufsbedingungen besonders hingewiesen wurde und ob ihr ein Exemplar des Bestellscheines mit den Verkaufsbedigungen ausgefolgt wurde. Die für den vorliegenden Rechtsstreit wesentlichen Bestimmungen der Punkte 6 und 10 der Verkaufsbedingungen sind im Geschäftsverkehr auch keineswegs so ungewöhnlich, daß sie von der Beklagten nicht erwartet werden konnten.

Es ist dem Berufungsgericht beizupflichten, daß die Beklagte auf die Geltendmachung der Gewährleistung durch Wandlung oder Preisminderung wirksam verzichten konnte (SZ 41/94). Der Beklagten stand daher infolge dieses Verzichtes von vorne herein nur ein Anspruch auf Verbesserung zu. Die Beklagte konnte allerdings die Lieferung einer neuen und funktionsbereiten Schreibmaschine erwarten. Ihr teilweiser Gewährleistungsverzicht hatte zur Voraussetzung, daß bei Verlangen der Verbesserung der Kaufgegenstand so instand gesetzt wird, daß er voll gebrauchsfähig und der Mangel behoben wird. Dies muß nach redlicher Verkehrsübung als stillschweigend vereinbart angesehen werden. Im Falle des Mißlingens der Verbesserung oder ihrer Ablehnung durch den Verkäufer kann daher ohne Rücksicht auf den Teilverzicht an Stelle der Verbesserung die Wandlung begehrt werden (SZ 41/94, HS 7333 u.a.).

Die Beklagte hat im wesentlichen die tatsächlichen Voraussetzungen des Anspruches auf Wandlung behauptet und durch ihr Vorbringen bei der mündlichen Streitverhandlung am 14. März 1974 (AS. 14), daß sie die vom Filialleiter der Klägerin für die Zurücknahme der Schreibmaschine nach der erfolglosen Reparatur gestellte Bedingung des Ankaufes anderer Waren abgelehnt und eine Ersatzmaschine angeschafft habe, zwar nicht ausdrücklich, aber doch erkennbar die Einrede der Wandlung erhoben. Die mangelnde Fälligkeit der Kaufpreisforderung wurde nur hilfsweise (arg. „Im übrigen...“) eingewendet.

Die Vereinbarung, daß der Besteller nicht berechtigt ist, Zahlungen wegen Gewährleistungsansprüchen nicht anerkannten Gegenansprüchen oder Bemängelungen zurückzubehalten, ist nach der Rechtsprechung zulässig und keineswegs sittenwidrig (vgl. SZ 41/48, SZ 43/7). Die diesbezüglich zwischen den Streitteilen getroffene Vereinbarung (Punkt 10 der Verkaufsbedingungen) kann sich allerdings nur auf den im Punkt 6 der Verkaufsbedingungen vertraglich geregelten Verbesserungsanspruch beziehen. Sie findet aber keine Anwendung auf den im Fall des Mißlingens der Verbesserung zustehenden, im Vertrag aber nicht vorgesehenen Wandlungsanspruch. Dieser beseitigt zwar nicht die bereite eingetretene Fälligkeit, gibt aber dem Erwerber das Recht, seine Leistung gemäß § 1052 ABGB. Zurückzuhalten.

Ob der Beklagten nun tatsächlich ein Wandlungsanspruch zusteht, kann vom Revisionsgericht nicht beurteilt werden, da das Berufungsgericht von einer anderen Rechtsansicht ausgeht, die für diese Beurteilung erforderlichen Feststellungen nicht getroffen bzw. die Beweisrügen der Parteien hinsichtlich der diesbezüglich von der ersten Instanz getroffenen Feststellungen nicht erledigt hat. Das Urteil des Berufungsgerichtes leidet daher an einem wesentlichen Mangel der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen muß.

Das Berufungsgericht wird also die erforderlichen Feststellungen zu treffen und sodann neuerlich über die Berufung zu entscheiden haben.

Der Revision war daher Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

 

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