OGH 4Ob563/69

OGH4Ob563/6915.7.1969

SZ 42/112

Normen

HGB §346
HGB §347
HGB §346
HGB §347

 

Spruch:

Ein Kaufmann kann sich nicht darauf berufen, er habe die auf der Rückseite des Vertragsformulars in Kleinstdruck angeführten Lieferungs- und Zahlungsbedingungen, auf die auf der Vorderseite, unmittelbar oberhalb der Unterschrift hingewiesen wird, nicht gekannt.

Der Geschäftsherr muß die Vertragsanfechtung wegen Irrtums infolge Zusagen seines Vertreters, auch wenn der Tatbestand des § 870 ABGB. nicht gegeben ist, gegen sich gelten lassen.

Entscheidung vom 15. Juli 1969, 4 Ob 563/69.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Beklagte besitzt einen Gewerbeschein der Bezirkshauptmannschaft B., ausgestellt am 25. Oktober 1961, zur Ausübung des Marktfahrergewerbes, eingeschränkt auf den Kleinhandel mit Zuckerwaren, Speiseeis, Zuckerbäckerweichwaren, Soda mit Fruchtsäften, Leder-, Galanterie-, Bijouterie- und Spielwaren im Standort M. Nr. 1, ferner eine Konzession zum Betrieb des Gast- und Schankgewerbes gemäß § 16 lit. f der Gewerbeordnung, eingeschränkt auf die Verabreichung von Speiseeis in der Betriebsform einer Eisdiele im Standort M., Hauptstraße 29. Er verkaufte bisher Eis, das er mit einem Rührwerk in seiner Eisdiele in der Nacht herstellt und in Eisbehältern auffüllte, auf den von ihm besuchten Märkten. Anläßlich eines Marktes in K. wurde er von der Zeugin Anna P. darauf aufmerksam gemacht, daß es Eismaschinen gebe, die auf ganz einfache Art Eis erzeugen und mit denen er jedes Quantum den ganzen Tag über zur Verfügung habe. Da sich der Beklagte dafür interessiert zeigte, wurde er von der Zeugin P. an die Zeugin W. verwiesen, die ihm erklärte, sie werde ihm einen Vertreter schicken. Die Zeugin W. vermittelte nun den Besuch der beiden Vertreter des Klägers, der Zeugen G. und Sch. beim Beklagten, welcher am 16. Juni 1966 stattfand. Der Zeuge G. offerierte dem Beklagten den gegenständlichen Eiscremeautomaten Marke Taylor Freezer Modell 700 und meinte, er brauche das Eispulver nur anzurühren und oben hineinzuschütten und damit auf den Markt zu fahren. Der Beklagte betonte, daß er sich für die Eismaschine nur interessiere, wenn er damit auf den Markt fahren dürfe und zeigte dem Zeugen G. seine beiden Gewerbescheine. G. erklärte nach Einsicht in die Gewerbescheine, daß der Beklagte die Maschine auf Märkten verwenden dürfe. Es handle sich um keine Erzeugermaschine, sondern nur um eine Abgabemaschine. Falls er Schwierigkeiten habe, würde er ihm helfen, er habe in Eisenstadt Beziehungen. Der Beklagte hatte seinerzeit Bedenken, ob die Stromstärke der Maschine nicht zu groß sei, um sie auf Märkten anschließen zu können. Daraufhin erklärte Sch., daß der Beklagte mit 10-Ampere-Sicherungen zuverlässig arbeiten könne. Nunmehr unterfertigte der Beklagte das Auftragsformular, worin er beim Kläger eine Taylor Freezer Eiscrememaschine Modell 700 bestellte und sich verpflichtete, bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises das für den Betrieb des Gerätes erforderliche Eiscremepulver ausschließlich vom Kläger zu beziehen. Er verpflichtete sich, bis spätestens 15. Oktober der Jahre 1966, 1967, 1968 und 1969 mindestens je 227 Pakete Mixpulver zu übernehmen. Im Kaufpreis für jedes Paket Mixpulver, welches damals 99 S pro Paket betrug, war ein Betrag von 70 S enthalten, der als Teilzahlung für den Kaufpreis des Gerätes anzurechnen war. Der Beklagte verpflichtete sich ferner, 50 Pakete Mixpulver bei Lieferung des Gerätes zu übernehmen. Im Formular ist im letzten Absatz die Versicherung enthalten, daß der Beklagte gewerberechtlich zur Speiseeiserzeugung befugt ist, sich mit den vorstehenden Vereinbarungen und den umseitig angeführten Liefer- und Zahlungsbedingungen, die er zur Kenntnis genommen habe, vollinhaltlich einverstanden erkläre. Auf der Rückseite sind die Liefer- und Zahlungsbedingungen in Kleinstdruck abgedruckt. Darin heißt es unter anderem, daß mündliche oder sonstige zusätzliche Vereinbarungen keine Gültigkeit haben, es sei denn, daß sie von der Lieferfirma schriftlich firmenmäßig bestätigt wurden. Der Beklagte hat die Rückseite des Formulars vor Unterschrift nicht durchgelesen. Am nächsten Tag wurde dem Beklagten zunächst eine Vorführmaschine ausgeliefert, die jedoch erst in Gang gesetzt werden konnte, als eine 20-Ampere-Sicherung eingeschraubt wurde. Der Beklagte verwendete diese Vorführmaschine anläßlich eines Festes in M., doch wurde dabei die Sicherung durchgeschlagen. In der Folge erkundigte sich der Beklagte bei der Handelskammer, ob er mit der Eismaschine auf Märkten Eis erzeugen könne. Dies wurde vom zuständigen Referenten verneint. Um die gleiche Zeit wurde die endgültige gegenständliche Maschine an den Beklagten ausgeliefert. Der Beklagte verweigerte unter Hinweis auf die Auskunft der Handelskammer die Übernahme der Maschine, die er nur ins Depot nahm. Der Zeuge R. sprach mit dem Beklagten auch beim Referenten der Handelskammer vor, doch wurde beiden erklärt, es gebe keine Möglichkeit für den Beklagten, mit der Maschine Eis auf Märkten zu erzeugen. R. erklärte hinsichtlich der Schwierigkeiten mit den Sicherungen, er werde dieses Problem mit den Technikern besprechen. Der Kläger erklärte sich im Verlauf des Verfahrens bereit, dem Beklagten kostenlos ein sogenanntes Verzögerungsrelais in die Maschine einzubauen und ihm ein weiteres Ersatzrelais zur Verfügung zu stellen. Unter Verwendung eines sogenannten Verzögerungsrelais wäre der einwandfreie Betrieb der Maschine bei Verwendung einer 10-Ampere-Sicherung voll gewährleistet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Bezahlung des Betrages von 65.010 S als Kaufpreis für die Eiscrememaschine ab. Zwar könne der Einwand des Beklagten, es sei Bedingung für den Ankauf der Maschine gewesen, daß sie mit einem 10-Ampere-Zähler betrieben werden könne, deshalb nicht durchdringen, weil der Betrieb der Maschine unter Verwendung eines vom Kläger kostenlos zur Verfügung gestellten Relais, womit der Kläger einverstanden sein müsse, mit einer 10-Ampere-Sicherung erfolgen könne.

Hingegen sei die Frage, ob der Beklagte mit der Maschine auf Märkten Eis erzeugen dürfe, zu verneinen. Der Beklagte besitze eine Konzession zum Betrieb des Gast- und Schankgewerbes gemäß § 16 lit. f Gewerbeordnung, eingeschränkt auf die Verabreichung von Speiseeis in der Betriebsform einer Eisdiele im Standort M. und einen Gewerbeschein für das Marktfahrergewerbe, unter anderem auch für den Kleinhandel mit Speiseeis. Die Konzession gemäß § 16 lit. f Gewerbeordnung berechtigte den Beklagten zweifellos auch zur Erzeugung von Speiseeis. Dies sei jedoch grundsätzlich nur im Standort zulässig. Dagegen, daß die Erzeugung an anderen Standorten zulässig wäre, spreche insbesonders die Bestimmung des § 60 (5) Gewerbeordnung, wonach die Gewerbebehörde in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kleineren Gewerbetreibenden das Feilbieten ihrer eigenen Erzeugnisse innerhalb der Gemeinde des Standortes ihres Gewerbes von Haus zu Haus gestatten könne, eine Bestimmung, die ebenso wie § 17 (3) Gewerbeordnung überflüssig wäre, wenn die Erzeugung und der Vertrieb nicht grundsätzlich an den Standort gebunden wäre. Aber auch der Gewerbeschein für das Marktfahrergewerbe, decke eine Erzeugung von Eis auf Märkten nicht. Schon der Begriff des Marktes im Sinne des V. Hauptstücks der Gewerbeordnung schließe nur den Handel, nicht aber die Erzeugung in sich ein. Der Gewerbeschein des Beklagte laute daher auch nur auf den Kleinhandel mit Speiseeis. Auch damit scheide eine Erzeugung auf Märkten und außerhalb des Standorts der Eisdiele in M. aus. Es sei daher nur noch zu prüfen, ob es sich bei der Maschine um eine solche zur Erzeugung von Eis handle. Auch dies sei zu bejahen. Daß das Speiseeis in der Maschine erzeugt werde, könne im Hinblick auf die Beschreibung der Maschine und die Ausführungen des Beklagten nicht bezweifelt werden, wenngleich es in der Praxis nur erforderlich sei, industriell hergestelltes Eispulver mit Wasser in einem bestimmten Verhältnis anzurühren und in die Maschine zu schütten, die alle weiteren Arbeitsgänge der Eiserzeugung durchführe. Es komme jedoch bei der Beurteilung, ob es sich um eine Maschine zur Erzeugung oder nur zur Abgabe von Speiseeis handle, nicht darauf an, welcher Bedienungsaufwand erforderlich sei, sondern nur, ob aus einem halbfertigen Produkt, dem Eispulver, durch entsprechende Verarbeitung in der Maschine ein fertiges Produkt, das Speiseeis, erzeugt werde.

Die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil blieb erfolglos.

Das Berufungsgericht übernahm die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts und billigte auch im wesentlichen dessen rechtliche Beurteilung.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Kläger erblickt eine Aktenwidrigkeit des Berufungsgerichts darin, daß dieses ausgeführt habe, dem Beklagten sei von der Gewerbebehörde erklärt worden, daß er mit der Maschine nicht Märkte besuchen dürfe. In Wirklichkeit hätte sich der Beklagte nur bei der Handelskammer über die Verwendungsmöglichkeit der Maschine erkundigt. Diese Behauptung des Klägers trifft wohl zu. Das Berufungsgericht hat hier die Feststellung des Erstgerichts ungenau wiedergegeben, verweist aber selbst im folgenden Absatz darauf, daß die Handelskammer für Niederösterreich den Beklagten nicht als berechtigt angesehen habe, mit der Maschine auf Märkten Speiseeis zu erzeugen. Rechtliche Bedeutung hat die gerügte Aktenwidrigkeit nicht, sie ist also, weil nicht wesentlich, keine Aktenwidrigkeit im Sinne des § 503 Z. 3 ZPO.

Der Kläger behauptet, daß der Beklagte an die Vereinbarung auf der Rückseite des Bestellscheins, wonach mündliche Abmachungen keine Gültigkeit haben, gebunden sei, weil auf der ersten Seite genügend auffällig auf diese Klausel hingewiesen werde und der Beklagte als erfahrener Kaufmann hätte wissen müssen, daß sich üblicherweise auf Vertragsformularen eine Vollmachtseinschränkung des Vertreters befinde.

Diesen Ausführungen ist folgendes entgegenzuhalten: Nach Lehre (Klang[2] IV/1 S. 58 und 262) und Rechtsprechung (HS. 598/675, 4223/4359, 5240, EvBl. 1968 Nr. 211, EvBl. 1969 Nr. 98) bindet die Ausschlußklausel über mündliche Nebenreden, deren Abdruck sich auf der Rückseite des Geschäftspapiers befindet, den Partner grundsätzlich nur dann, wenn er sie kannte oder grobfahrlässig nicht kannte. Leichte Fahrlässigkeit genügt nicht. Im vorliegenden Vertragsformular ist auf der Vorderseite unmittelbar oberhalb der Unterschrift ein Hinweis auf die auf der Rückseite in Kleinstdruck angeführten Lieferungs- und Zahlungsbedingungen enthalten. Der Hinweis auf der Vorderseite des Vertragsformulares auf die Lieferungs- und Zahlungsbedingungen auf der Rückseite konnte aber nur dann übersehen werden, wenn der Beklagte den Vertragstext der Vorderseite nicht oder nicht genau gelesen hat. Von ihm als Kaufmann muß diese Sorgfalt jedoch verlangt werden, weshalb er sich wegen dieser groben Fahrlässigkeit nicht darauf berufen kann, die auf der Rückseite des Vertragsformulars enthaltenen Lieferungs- und Zahlungsbedingungen, darunter auch die Ausschlußklausel, nicht gekannt zu haben.

Die Untergerichte haben aber auch festgestellt, daß der Beklagte vom Vertreter des Klägers darüber irregeführt wurde, ob die Eismaschine als bloße Abgabemaschine anzusehen und der Beklagte deshalb gewerberechtlich befugt sei, sie auf Märkten zu verwenden. Es kann dahin gestellt bleiben, ob der Vertreter des Klägers den Beklagten durch List (Arglist) gemäß § 870 ABGB. irregeführt hat. Denn der Kläger muß auch die Vertragsanfechtung wegen Irrtums infolge von Zusagen seiner Vertreter gegen sich gelten lassen (Klang[2] IV/1 S. 262, HS 4504/36), wenn die Voraussetzungen gegeben sind. Sie treffen, wie auch die Untergerichte erkannt haben, zu, weil die gewerberechtliche Zulässigkeit zur Verwendung der Maschine auf Märkten jedenfalls dadurch, daß darauf die Absicht des Beklagten vorzüglich gerichtet war und dies auch erklärt wurde (Klang[2] a. a. O. S. 124) wesentliche Voraussetzung für den Vertragsabschluß gewesen ist. Darüber ist der Beklagte aber vom Vertreter des Klägers irregeführt worden. Er ist daher gemäß § 871 ABGB. nicht verbunden, den Vertrag zu halten. Daß die Herstellung von Speiseeis in Portionen vermittels der Maschine, in die industriell hergestelltes Eispulver, das mit Wasser in einem bestimmten Verhältnis vermischt wurde, eingebracht wird, als Erzeugungsvorgang zu beurteilen ist, kann nicht zweifelhaft sein. Wird doch unter Maschineneinsatz aus zwei verschiedenen Stoffen (Eispulver und Wasser) ein dritter Stoff, nämlich die Handelsware Speiseeis in Portionen hergestellt. Dies ist ein typischer Erzeugungsvorgang. Unrichtig ist auch die Meinung des Klägers, die beiden Gewerbeberechtigungen des Beklagten seien in ihrem Zusammenhang zu beurteilen, wenn der Beklagte zur Eiserzeugung berechtigt und darüber hinaus aber auch zur Eisabgabe auf Märkten befugt sei, dann sei nicht einzusehen, warum ihm die Eiserzeugung durch einfachen Automaten direkt auf Märkten verboten sein solle.

Beide Gewerbeberechtigungen können aber hinsichtlich ihres Umfangs nur jede für sich beurteilt werden. Für den Umfang des Gewerberechts ist zunächst der Wortlaut des Gewerbescheins maßgebend (§ 36 (1) GewO.). Es kann hier auf die zutreffende Darstellung des Erstgerichtes verwiesen werden, aus der die gewerberechtliche Unzulässigkeit des Einsatzes der Maschine beim Besuch von Märkten durch den Beklagten im Rahmen seiner Gewerbeberechtigungen hervorgeht.

Wenn der Kläger schließlich meint, der Beklagte hätte sich um eine Erweiterung seiner Gewerbeberechtigung bemühen müssen, so ist darauf nicht einzugehen, weil der Kläger seinen Anspruch nicht darauf gestützt hat, daß der Beklagte zu einem derartigen Ansuchen verpflichtet gewesen wäre. Es fehlen deshalb auch Feststellungen darüber, welchen Erfolg entsprechende Bemühungen des Beklagten gehabt hätten.

Da also beim Abschluß des Kaufvertrags der Beklagte über die bei Vertragsabschluß zur Bedingung gemachte gewerberechtliche Zulässigkeit, die Maschine zur Eisherstellung auf Märkten verwenden zu können, in Irrtum geführt wurde, ist er zur Vertragserfüllung nicht verpflichtet.

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