Spruch:
Eine Vereinbarung, wonach der Käufer nicht Zahlungen wegen Gewährleistungsansprüchen oder Gegenansprüchen zurückhalten darf, ist zulässig
OGH 13. Jänner 1970, 8 Ob 265/69 (OLG Graz 2 R 138/69; LGZ Graz 8 Cg 469/68)
Text
Die Klägerin begehrt von der Beklagten den Betrag von 3.324.649.50 S s A für die Lieferung mehrerer Maschinen und für damit im Zusammenhang stehende Leistungen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, daß die Klägerin Lieferungen und Leistungen zu dem geltend gemachten Beträgen an die Beklagte erbracht hat. In den Entscheidungsgründen brachte es zum Ausdruck, daß auf die von der Beklagten geltend gemachten Gewährleistungsansprüche und eingewendeten Schadenersatzforderungen nicht einzugehen sei, weil im P 8 Z 2 der allgemeinen Lieferbedingungen vereinbart worden sei, daß der Käufer nicht berechtigt sei, Zahlungen wegen Gewährleistungsansprüchen oder sonstigen vom Käufer nicht anerkannten Gegenansprüchen zurückzuhalten.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Entscheidung.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Beklagte fühlt sich dadurch beschwert, daß die Vorinstanzen auf die von ihr geltend gemachten Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche nicht eingingen. Sie sei nicht verpflichtet, den Kaufpreis für die Maschinen zu bezahlen, weil diese Mängel aufwiesen. Die Klausel, daß Zahlungen wegen Gewährleistungsansprüchen oder sonstigen vom Verkäufer nicht anerkannten Gegenansprüchen nicht zurückgehalten werden dürfen, widerspreche den guten Sitten und verstoße gegen Treu und Glauben, zumal die Beklagte auf die Formulierung dieser nur in den allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Klausel keinen Einfluß habe nehmen können.
Der mit der Rechtsprechung im Einklang stehenden Ansicht der Vorinstanzen, daß das vertraglich festgelegte Verbot, Zahlungen wegen Gewährleistungsansprüchen oder sonstigen vom Lieferer nicht anerkannten Gegenansprüchen zurückzuhalten, nicht gegen die guten Sitten verstößt und daher wirksam ist, ist jedoch beizupflichten (vgl EvBl 1969/17 und die dort angeführten weiteren Entscheidungen). Der Beklagten wurde ja durch diese Vereinbarung nicht die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen überhaupt verwehrt. Es wurde dadurch der Beklagten nur die Möglichkeit genommen, aus einem solchen Grund die vereinbarten Zahlungen zurückzuhalten. Daß sich sämtliche Vorentscheidungen nur mit der Frage der Kompensation befassen, nicht aber mit Gewährleistungsansprüchen, trifft nicht zu. Der vorangeführten Entscheidung EvBl 1969/17 lag ein gleichartiger Fall zugrunde. Auch in diesem Fall betraf die Klausel Gewährleistungsansprüche. Angesichts der grundsätzlichen Vertragsfreiheit, die im Schuldrecht herrscht, ist nicht einzusehen, warum eine Vereinbarung, wonach der Käufer Zahlungen nicht wegen behaupteter Mängel der Sache zurückhalten dürfe, nicht gültig zustandekommen können sollte. Daß etwa wegen solcher Mängel der Rücktritt vom Vertrag wirksam erklärt worden wäre, behauptet die Beklagte selbst nicht. In Betracht kämen daher nur Minderungs- oder Verbesserungsansprüche. Wenn die Klägerin zur Bedingung machte, daß wegen solcher Ansprüche nicht die Zahlung zurückgehalten werden dürfe, und die Beklagte auf diese Bedingung einging, so kann darin allein noch keine die Gültigkeit der Klausel in Frage stellende Sittenwidrigkeit erblickt werden, ganz abgesehen davon, daß eine Ungültigkeit nur dieser die Zahlung betreffenden Klausel bei aufrechtem Bestand des Kaufgeschäftes als solchen schon wegen des untrennbaren Zusammenhanges dieser Klausel mit dem ganzen Geschäft kaum denkbar ist.
Soweit die Beklagte Schadenersatzansprüche behauptet, handelt es sich um Gegenforderungen. Daß auf die Einrede der Aufrechnung von Gegenforderungen im voraus durch Vertrag wirksam verzichtet werden kann, entspricht ebenfalls der Lehre (vgl Klang Komm[2] zu § 1440 ABGB VI 511 P 3).
Dem Umstand, daß sich die Klausel nicht im eigentlichen Vertragstext findet, sondern als Bestandteil der zur Vertragsgrundlage gemachten allgemeinen Lieferbedingungen Vertragsinhalt geworden ist, kann entgegen der Meinung der Beklagten entscheidende Bedeutung nicht beigemessen werden.
Ist aber das vertragliche Verbot, wegen vom Lieferer nicht anerkannter Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche die vereinbarten Zahlungen zurückzuhalten, wirksam, dann wurde im vorliegenden Verfahren auf eine Prüfung dieser von der Beklagten behaupteten Ansprüche mit Recht nicht eingegangen (vgl EvBl 1969/17 Klang Komm[2] zu § 1440 ABGB 511 bei FN 62). Es kann daher kein Verfahrensmangel darin gelegen sein, daß die über das Vorliegen und den Umfang der behaupteten Mängel und Schadenersatzansprüche angebotenen Beweise nicht aufgenommen wurden. Aus dem gleichen Gründe kam im vorliegenden Verfahren auch den Fragen, wann die Garantiefrist zu laufen begann und ob die Klägerin, wie die Beklagte behauptete, an dem Zustandekommen der Mängel ein grobes Verschulden trifft, keine entscheidende Bedeutung zu.
Dagegen, daß das Erstgericht lediglich in den Entscheidungsgründen, nicht aber im Urteilsspruch zum Ausdruck brachte, daß eine Aufrechnung im vorliegenden Verfahren nicht stattfindet, hat sich die Beklagte nicht ausgesprochen. Im übrigen ist mit hinlänglicher Deutlichkeit zum Ausdruck gekommen, daß nicht etwa über Gegenforderungen bereits abgesprochen wurde, sondern daß im vorliegenden Verfahren aus den mehrfach genannten Gründen eine Prüfung der Gegenforderungen unterblieben ist.
Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.
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