OGH 1Ob521/76

OGH1Ob521/764.2.1976

SZ 49/16

Normen

AußStrG §14 Abs2
EO §10a
ZPO §405
AußStrG §14 Abs2
EO §10a
ZPO §405

 

Spruch:

Wird Unterhalt in einem Bruchteil der Bezüge des Unterhaltspflichtigen aus einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis geschuldet und nur die prozentmäßige Herabsetzung des Bruchteils begehrt, ist das Gericht nicht berechtigt, von sich aus den Unterhalt nur in Form eines fixen monatlich zu bezahlenden Geldbetrages festzusetzen

OGH 4. Feber 1976, 1 Ob 521/76 (LGZ Wien 43 R 1090/75, BG Innere Stadt Wien 10 P 531/75)

Text

Die Ehe der Eltern der beiden Minderjährigen wurde mit Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 1. Juli 1971, AZ 34 Cg 156/71, rechtskräftig geschieden. Zuvor hatten die Eltern einen für den Fall der Scheidung der Ehe geltenden gerichtlichen Vergleich abgeschlossen, mit dem die Streitteile vorbehaltlich der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung u. a. vereinbart hatten, daß die beiden Kinder in Pflege und Erziehung der Mutter verbleiben. Der Vater, der damals aktiver Bundesbediensteter gewesen war, hatte sich verpflichtet, für die Kinder zu Handen der Mutter ab 1. Juli 1971 einen Unterhaltsbetrag von je 20% seines jeweiligen Nettoeinkommens aus dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis zuzüglich der Familienbeihilfe in der jeweils gesetzlichen Höhe zu bezahlen. Das Erstgericht genehmigte den Vergleich mit Beschluß vom 26. August 1971.

Am 20. März 1975 beantragte der Vater mit der Behauptung, er sei seit 1. August 1974 in Pension, so daß sich auf seiner Seite die Verhältnisse wesentlich geändert hätten, die Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung für jedes Kind auf je 14% seines jeweiligen Nettoeinkommens aus seinem Pensionsverhältnis. Die Mutter, die sich gegen den Antrag aussprach, gab an, die Familienbeihilfe selbst zu beziehen.

Das Erstgericht entband den Vater von der Verpflichtung, seinen Kindern auch die Familienbeihilfe in der jeweiligen Höhe zu bezahlen, wies aber den Antrag auf Herabsetzung der monatlichen Unterhaltsleistung von bisher 20% des Nettoeinkommens aus einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis pro Kind auf nunmehr 14% des Nettoeinkommens aus dem Pensionsverhältnis pro Kind ab. In seinem dagegen erhobenen Rekurs stellte der Vater den Antrag den erstgerichtlichen Beschluß dahin abzuändern, daß seinem Herabsetzungsantrag vollinhaltlich stattgegeben werde.

Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es den Vater verpflichtete, an Stelle der mit Vergleich vom 1. Juli 1971 auferlegten Unterhaltsverpflichtung ab 20. März 1975 für jedes Kind einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 1 200 S zu bezahlen. Im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses sei der Vater aktiver Bundesbeamter gewesen und habe die Familienbeihilfe für beide Kinder bezogen. Durch den Ruhestand des Vaters und den Bezug der Familienbeihilfe durch die Mutter sei eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten, so daß der Unterhalt völlig neu nach den derzeit vorliegenden Umständen zu bemessen sei. Nach der vom Rekursgericht angewendeten zweiseitig-vergleichenden Unterhaltsbemessung nach dem Bedarfs-Leistungsprinzip seien bei der Bestimmung des Unterhaltes sowohl der Durchschnittsbedarf des Kindes als auch die prozentuelle Bemessung des Unterhaltes vom anrechenbaren Nettoeinkommen des Vaters individuell zu beachten. In Verfolgung dieser Grundsätze habe es sich als zweckmäßig erwiesen, den Unterhalt mit einem Fixbetrag und nicht in Prozenten des Nettoeinkommens festzulegen, um die leichtere Berechenbarkeit und Erfaßbarkeit zu gewährleisten. Aber auch im Hinblick auf die Bestimmung des § 3 des Entwurfes des Unterhaltsbevorschussungsgesetzes, wonach nur ein Fixbetrag bevorschußt werde, sowie auf die Anwendung des § 12a FamLAG sei die Bestimmung des Unterhaltes mit einem festen Schillingbetrag vorzuziehen. Der nunmehr vom Rekursgericht zuerkannte Unterhaltsbetrag von je 1.200 S monatlich entspreche dem durchschnittlichen Bedarf eines Kindes im volksschulpflichtigen Alter, wie er sich aus statistischen Werten und nach den Erfahrungen des täglichen Lebens ergebe; er entspreche auch den nach der prozentuellen Bemessung vom anrechenbaren Einkommen ermittelten Beträgen. Es sei hiebei jedenfalls durch Abzug der halben Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 2 FamLAG auf die Bestimmung des§ 12a FamLAG Bedacht genommen worden. Die festgesetzte Unterhaltsverpflichtung finde in der finanziellen Leistungsfähigkeit des Vaters Deckung.

Der Oberste Gerichtshof hob den Beschluß des Rekursgerichtes auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung über den Rekurs des Vaters im Rahmen des von ihm gestellten Rekursantrages auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gemäß § 14 Abs. 2 AußStrG sind Rekurse gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über die Bemessung der gesetzlichen Unterhaltsansprüche unzulässig. Der OGH hat in mehreren Entscheidungen bereits grundsätzlich dazu Stellung genommen, wann diese Rechtsmittelbeschränkung Platz greift. Zur Bemessung gehört demnach nur die Bemessung der Bedürfnisse der Unterhaltsberechtigten, der zur Deckung dieser Bedürfnisse vorhandenen Mittel und der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen (JB 60 neu = SZ 27/177 u. v. a.). Um eine bloße Unterhaltsbemessungsfrage geht es also, wenn der Streit nur das Ausmaß, das Mehr oder Weniger einer Unterhaltsverpflichtung betrifft (SZ 45/87 u. a.). Handelt es sich hingegen um die Beurteilung verfahrensrechtlicher Voraussetzungen der Entscheidung über ein Unterhaltsbegehren, wird von der Rechtsprechung die Anwendung des § 14 Abs. 2 AußStrG durchwegs verneint (SZ 45/31 u. v. a.). Ebenso steht der Beurteilung durch den OGH die Frage offen, ob und inwieweit die Bemessung eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches von der Wirksamkeit oder der Auslegung einer vertraglichen Regelung abhängt, vor allem ob und inwieweit die von den Beteiligten offensichtlich angewendeten oder ausdrücklich vereinbarten Bemessungsgrundsätze zu berücksichtigen sind; in diesen Fällen kann sowohl die Frage nach dem Grund als auch die nach der Höhe des Anspruches in gleicher Weise berührt sein, ohne daß eine scharfe Trennung möglich wäre, so daß die Anfechtbarkeit zu bejahen ist (EvBl. 1973/24; JB 60 neu u. v. a.). Gleiches gilt auch für pflegschaftsbehördlich genehmigte gerichtliche Vergleiche (EvBl. 1972/182; SZ 40/143 u. a.). Im vorliegenden Fall behauptet der Revisionsrekurs, daß sich das Rekursgericht über den Herabsetzungsantrag des Vaters, der selbst bei einem Bruchteilstitel verbleiben wollte, hinweggesetzt und den Parteiwillen, es stets bei einem Bruchteilstitel zu belassen, mißachtet habe. Damit bekämpft aber der Revisionsrekurs nicht nur die Bemessung des Unterhaltes, so daß er zulässig ist.

Im seinerzeitigen pflegschaftsbehördlich genehmigten Vergleich vereinbarten die Eltern der Kinder, daß der Vater den Kindern je 20% seines jeweiligen Nettoeinkommens aus einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis zuzüglich der Familienbeihilfe in der jeweiligen gesetzlichen Höhe zu bezahlen habe. Die Ausmessung der Unterhaltsbeträge sollte also in einem Bruchteil der Bezüge des Vaters geschehen. Eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung, die die Zulässigkeit einer solchen Art der Unterhaltsbemessung anordnete, fehlt zwar (siehe dazu Wentzel - Plessl in Klang[2] I/2, 41), sie ergibt sich jedoch aus der Bestimmung des § 10a EO, die einen Exekutionstitel, wonach ein - Unterhalt in einem Bruchteil der Bezüge des Verpflichteten aus einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis geschuldet wird, voraussetzt und die Art der Exekutionsführung aus einem solchen Titel regelt. Die Geldentwertung nach dem Ersten Weltkrieg und die damit verbundene sprunghafte Erhöhung der Einkommen aller Angestellten machte ein ununterbrochenes gerichtliches Einschreiten zur Angleichung der von dem Unterhaltspflichtigen zu leistenden Unterhaltsbeträge an die jeweiligen Einkommensverhältnisse notwendig, so daß sich daraus das Bedürfnis entwickelte, die Höhe der Unterhaltsleistung mit einem Bruchteil der Bezüge des Schuldners festzusetzen und so die ihm auferlegten Leistungen von dem schwankenden Geldwert und den Ziffern seines Einkommens unabhängig zu machen, was sich sodann gut einlebte und durch die Schaffung von Exekutionsmöglichkeiten durch die Exekutionsnovelle 1922, BGBl. 1922/460, auch anerkannt wurde (Heller - Berger - Stix, Kommentar zur EO, 255). Die Schaftung von Bruchteilstiteln ist allerdings nicht unproblematisch, weil die Berechnung des Unterhaltsanspruches für einen Laien nicht immer leicht durchführbar ist. Sie ist aber jedenfalls dann, wenn der Unterhaltsverpflichtete ein Bundesbediensteter ist, sehr vorteilhaft, weil sich das Einkommen aus dem Gesetz ergibt, die Bezüge sich häufig ändern und das Zentralbesoldungsamt über qualifizierte Kräfte zur Berechnung der Unterhaltsansprüche verfügt. Die Vorteile der Festsetzung eines Bruchteilstitels haben sich auch im vorliegenden Fall gezeigt, war es doch trotz mehrfacher Änderung der Bezüge durch Jahre nie notwendig, die Hilfe der Gerichte zur neuerlichen Unterhaltsfestsetzung in Anspruch zu nehmen. Daß es Absicht der Eltern war, diese letzlich beiderseitigen Vorteile, nicht immer wieder gerichtliche Verfahren zur Unterhaltsfestsetzung durchführen zu müssen, wahrzunehmen und auch weiter gelten zu lassen, ergibt sich nicht nur aus dem seinerzeitigen Vergleich, sondern auch aus dem Unterhaltsherabsetzungsantrag, mit dem der Vater durchaus beim Bruchteilstitel verbleiben und nur den Prozentsatz herabgesetzt wissen wollte. Es bestand auch kein Grund, von der Festsetzung von Bruchteilstiteln abzusehen, weil der Vater inzwischen in den Ruhestand trat, weil fixe Bezüge, die nach der Beendigung von Dienst- und Arbeitsverhältnissen an die Stelle der bisherigen Entlohnung treten und damit insbesondere Ruhe- und Versorgungsgenüsse von Beamten den Bezügen aus einem Dienst- und Arbeitsverhältnis gleichzusetzen sind (Heller - Berger - Stix, 256; Wentzel - Plessl 41 in Anm. 78; vgl. SZ 25/179). Es war verfahrens- und materiellrechtlich unzulässig, daß sich das Rekursgericht sowohl über den Inhalt des Herabsetzungsantrages und den Rekursantrag des Vaters, der beim Bruchteilstitel verbleiben wollte, als auch über den erkennbaren Willen der Vertragspartner im abgeschlossenen Unterhaltsvergleich hinwegsetzte und die Unterhaltsbemessung neu mit festen Schillingbeträgen durchführte.

Mit Recht wendet sich der Revisionsrekurs auch gegen die Begründung des angefochtenen Beschlusses, die auf den Entwurf eines Unterhaltsvorschußgesetzes verweist. Von der Unzulässigkeit der Berücksichtigung eines bloßen Gesetzesentwurfes abgesehen ist der Hinweis des Revisionsgerichtes nicht einmal richtig, weil die von der Entscheidung des Rekursgerichtes eingebrachte Regierungsvorlage eines Unterhaltsvorschußgesetzes, 5 BlgNR, XIV. GP, in ihrem § 5 Abs. 1 durchaus auch die Gewährung von Vorschüssen bei Bruchteilstiteln gestatten und in solchen Fällen dem Gericht die amtswegige Feststellung auftragen will, welcher Geldbetrag der Gewährung von Vorschüssen zugrunde zu legen ist. Der Revisionsrekurs verweist zudem richtig noch darauf, daß gerade bei einem im Ruhestand befindlichen Bundesbediensteten das Unterhaltsvorschußgesetz wohl kaum zur Anwendung gelangen dürfte. Die Tatsache aber, daß die Familienbeihilfe nunmehr von der Mutter und nicht vom Vater bezogen wird, kann schon deswegen keine besondere Bedeutung haben, weil nach dem Inhalt des Vergleiches die Familienbeihilfe bei Bemessung des Prozentsatzes gar nicht mitberücksichtigt werden, sondern zusätzlich zur Gänze überwiesen werden sollte.

Der angefochtene Beschluß ist daher aufzuheben. Der OGH kann nun allerdings nicht selbst über die Unterhaltsbemessung und den Rekurs erkennen und etwa, wie es der Revisionsrekurs wünscht, den erstgerichtlichen Beschluß wiederherzustellen. Er kann nicht selbst über die allein dem Rekursgericht obliegende Unterhaltsbemessung absprechen. Das Rekursgericht wird vielmehr über den Rekurs des Vaters im Rahmen des von ihm gestellten Rekursantrages, also über seinen Antrag auf Herabsetzung des Prozentsatzes des Bruchteilstitels, zu entscheiden haben.

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