European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0040OB00551.75.0923.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, den Klägerinnen die mit S 1.463,68 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 120,– Barauslagen und S 99,52 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerinnen sind ebenso wie die Beklagten Anrainer des sogenannten A*weges in *, einer privaten Wegfläche, welche in einem rechten Winkel von der R*‑Bundesstraße abzweigt und so die Verbindung dieser Liegenschaften mit dem öffentlichen Gut herstellt. Der mehr als 100 m lange A*weg, entlang dessen die Grundstücke der Streitteile aneinandergereiht liegen, reicht bis auf etwa 75 m an den sogenannten G*Weg heran, welcher annähernd parallel zur R*‑Bundesstraße verläuft. Diese letzten 75 m werden von der im Eigentum der Beklagten stehenden Wiesen- und Gartenparzelle */2 KG. * eingenommen. Die Klägerinnen behaupten nun, über diese Parzelle in der Verlängerung des A*weges ein inhaltlich unbeschränktes Geh- und Fahrtrecht zum G*Weg hin ersessen zu haben, wodurch die Verbindung zwischen der R*‑Bundesstraße und dem G*Weg hergestellt sei.
Die Beklagten, welche den Klägerinnen seit 1974 den Durchgang verwehren, bestreiten ein solches Wegrecht und machen im wesentlichen geltend, daß schon zur Zeit ihres ersten Liegenschaftserwerbes im Jahre 1955 der fragliche Grundstreifen durch einen Zaun abgetrennt gewesen sei. Nicht nur dieser Umstand, sondern auch die spätere Errichtung eines weiteren Zaunes, das Anbringen einer Tafel mit der Aufschrift: „Durchgang verboten“ und die Errichtung einer Holzhütte auf der von den Klägerinnen in Anspruch genommenen Fläche hätten den Erwerb eines Wegerechtes durch die Klägerinnen ausgeschlossen. Diese könnten im übrigen ohne größere Schwierigkeiten auch über zwei andere Straßen zum G*Weg gelangen, ohne das Grundstück der Beklagten betreten zu müssen.
Das Begehren der Klägerinnen, die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, „ihnen vom A*weg zum G*Weg über die Grundstücke der EZ. * und * KG. * das Durchgehen und Durchfahren zu gestatten, und zwar auf den Grundstücken */2 und */6 in Richtung des Verlaufes des A*weges in der Weise, daß die Klägerinnen unbehindert zum G*Weg hinausfahren können, und zwar bezüglich des Fahrtrechtes mit Fuhrwerken jeder Art hin und zurück“, wurde vom Erstgericht abgewiesen. Das Berufungsgericht erkannte die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig, „den Klägerinnen den Durchgang vom A*weg zum G*Weg über die Grundstücke */6 (EZ. * KG. *) und */2 (EZ. * KG. *) in ungefährer Richtung des Verlaufes des A*weges zu gestatten“; das auf die Gestattung auch des unbehinderten Befahrens des genannten Grundstreifens in beiden Richtungen mit Fuhrwerken jeder Art gerichtete Mehrbegehren blieb abgewiesen. Die Teilabweisung ist rechtskräftig geworden.
Den Entscheidungen der Untergerichte liegen hinsichtlich des von den Klägerinnen behaupteten Wegerechtes, welches allein noch den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildet, nachstehende, in dritter Instanz nicht mehr strittige Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:
Aus dem seinerzeitigen großen Grundstück */2 Acker der EZ. * KG. * entstanden in den Jahren 1931 und 1932 durch Teilung mehrere kleinere, in der Folge veräußerte Grundstücke; diese liegen streifenförmig aneinandergereiht zwischen der R*‑Bundesstraße und dem G*Weg entlang des privaten A*weges, welcher jedoch nur bis auf rund 75 m vor Erreichen des G*Weges straßenmäßig befestigt ist und dann in der Wiesen-Garten-Parzelle */2 der Beklagten sein Ende findet. Im Bereich der Abzweigung des A*weges von der R*‑Bundesstraße liegt zunächst südlich dieses Weges die Parzelle */3 (Eigentümer *, Haus A*weg Nr. *); daran östlich anschließend folgen die Parzellen */4 (Eigentümer Erst- und Zweitklägerin, Haus A*weg Nr. *), das unbebaute Gartengrundstück */5 (von welchem eine Hälfte der Drittklägerin gehört) und schließlich die Parzelle */6 (Eigentümer je zur Hälfte die Beklagten, Haus A*weg Nr. *). Hier endet der A*weg, die restliche Fläche zum G*Weg wird von der gleichfalls den Beklagten gehörenden, jedoch unverbauten Wiesen-Garten-Parzelle */2 eingenommen.
Der mehr als 100 m lange A*weg ist 2 bis 2,30 m breit und, von der Hauptstraße (R*‑Bundesstraße) aus gesehen, auf 2/3 seiner Länge asphaltiert. In seinem letzten Drittel ist er leicht geschottert, wobei sich in der Mitte ein 40 bis 45 cm breiter Betonpflasterstreifen befindet. Auf der Höhe des Hauses der Beklagten ist der Weg zur Gänze betoniert; er endet in einer mit Betonplatten belegten Fläche an der Grenze zum Grundstück */2.
Die drei entlang des A*weges stehenden Wohnhäuser wurden in den Jahren 1932/33 errichtet; sie sind von Gartenflächen umgeben. Das östlich daran anschließende strittige Wiesengrundstück */2 erstreckt sich in Fortsetzung des A*weges in einer Länge von rund 75 m und einer Breite von 15 m. An seiner westlichen Grenze zu der gleichfalls den Beklagten gehörenden verbauten Parzelle */6 befindet sich kein Zaun; die drei anderen Seiten sind hingegen eingefriedet, insbesondere die östliche Schmalseite, an welcher der G*Weg vorbeiführt. Hier befindet sich in der Mitte der Einfriedung eine – jetzt versperrte – Gartentüre, durch welche man von der Parzelle */2 auf den G*Weg hinauskommt. Etwa in der Mitte der nördlichen Begrenzung des Grundstücks */2, rund 1 bis 1 ½ m vom dortigen Zaun entfernt, steht eine den Beklagten gehörige Holzhütte; zwischen ihr und dem Zaun lehnen einige Bretter, so daß man dort nur mit Schwierigkeiten durchgehen könnte.
Die Erstklägerin wohnte in den Jahren 1933 bis 1936 anläßlich ihrer Urlaube fallweise, von 1936 bis 1951 ständig und dann wieder bis 1965 nur an Wochenenden im Haus ihrer Tante A* P*, A*weg Nr. *; seit 1965 wohnt sie ständig dort. Die Zweitklägerin wohnt seit 1935 ständig im Haus A*weg Nr. *. Beide gingen in all diesen Jahren, während welcher sie überwiegend als Lehrerinnen tätig waren, vom A*weg an der nördlichen Seite des Grundstücks */2 entlang zum G*Weg, welcher eine Verbindung zwischen den Orten A* im M* und S* bildet. Die jeweiligen Pächter des Grundstücks */2 hatten dort entlang der nördlichen Begrenzung einen Ackerstreifen freigelassen, um mit ihren Fuhrwerken auf das Grundstück fahren zu können. Der auf diesem Rain entstehende ausgetretene Fußweg wurde von den Klägerinnen benützt, wenn sie zum Bahnhof A* oder zur Haltestelle S*, in ihrer Eigenschaft als Lehrerin in die Schule oder auf den Friedhof gingen. Die Erstklägerin ging als Lehrerin der Landwirtschaftsschule S* von 1936 bis 1951 fast täglich zweimal dort hin und zurück, die Zweitklägerin ebenso von oder zu der Volksschule A*, wo sie bis in die Siebzigerjahre beschäftigt war. Auch die Tante der Klägerinnen, A* P*, welche gleichfalls Lehrerin war, ging über den beschriebenen Weg; alle drei wurden deshalb niemals beanstandet. Die Erstklägerin und die Zweitklägerin sind seit 1956 Eigentümerinnen des Grundstücks */4 mit dem Haus A*weg Nr. *; sie waren auf Grund einer Mitteilung ihrer Tante der Meinung, dort durchgehen zu dürfen. Dies wurde seit 1933 so gehandhabt.
Die heute 47jährige Drittklägerin hat im Jahr 1968 nach ihrem Vater einen Hälfteanteil des nach wie vor unverbauten Gartengrundstücks */5 geerbt. Sie wohnt im Haus Hauptstraße (R*‑Bundesstraße) Nr. *, welches unweit der Abzweigung des A*weges von dieser Straße liegt. Die Drittklägerin ist dort aufgewachsen und hat ihr Leben seither fast durchwegs in dem genannten Haus verbracht. Sie ging sehr häufig vom A*weg zum G*Weg hinunter, entweder zum Bahnhof, zu verwandten oder zum Friedhof. Auch ihre Tochter Eva ging während der letzten acht Jahre bis zum Sommer 1974 auf diesem Weg vom oder zum Bahnhof.
Während der letzten 40 Jahre verbrachte die Zeugin M* S* ihre Sommerurlaube jeweils im Haus der Drittklägerin. Auch sie ging ohne Beanstandung über die strittige Grundfläche zum G*Weg hinunter und auch wieder zurück, weil dieser Weg für sie kürzer war, wenn sie nach S* wollte. Auch der Gatte der Drittklägerin, H* B*, ging seit seiner Verheiratung (1954) wiederholt über den A*weg, den strittigen Grundstreifen und den G*Weg zum oder vom Bahnhof oder zum Friedhof A*. Auch andere, zu den Klägerinnen in keinem Naheverhältnis stehende Personen, nämlich A* H* und die Ehegatten G*, benützten den Weg über die Parzelle */2, um zu ihren landwirtschaftlich genutzten Gründen zu gelangen; auch sie wurden deshalb nie beanstandet.
Seit dem 6. Juni 1974 sind die Klägerinnen nicht mehr über das Grundstück */2 gegangen, weil seither die in der Mitte der östlichen Einfriedung dieser Parzelle befindliche Gartentüre von den Beklagten versperrt gehalten wird.
Die Beklagten kauften zunächst im Jahr 1955 das Grundstück */6 mit dem Haus A*weg Nr. *. Damals war bereits ein Zaun vorhanden, welcher die Parzelle */6 von der nunmehr strittigen Parzelle */2 abtrennte und in seinem nördlichen Teil – wo der für das Wegerecht beanspruchte Grundstreifen verläuft – ein zweiflügeliges Gartentor aufwies. An einem dieser Torflügel brachten die Beklagten nach dem Erwerb des Grundstücks */6 eine Tafel mit der Aufschrift „Durchgang verboten“ oder einem sinngemäß gleichlautenden Text an. Um diese Aufschrift kümmerte sich aber niemand, insbesondere nicht die Klägerinnen, welche fortfuhren, den strittigen Grundstreifen wie bisher zu benützen, zumal das Gartentor zeitweise offenstand, jedenfalls aber nie abgesperrt war. Die Anbringung der Verbotstafel führte auch zu keinen Beschwerden. Die Nachbarparzelle */2 gehörte damals noch nicht den Beklagten; sie war von ihrer Eigentümerin C* H* an einen Landwirt als Acker verpachtet worden.
Im Jahr 1963 pachteten die Beklagten das strittige Grundstück */2 und entfernten aus diesem Anlaß den zwischen dieser Parzelle und der Parzelle */6 befindlichen Lattenzaun samt Tor und Verbotstafel. Sie errichteten aber an der östlichen Begrenzung des Grundstücks */2 entlang des G*Weges – welcher etwa 40 cm tiefer lag als das Grundstück – einen Drahtzaun mit einer Tür an der nordöstlichen Ecke der Parzelle. Auch dadurch wollten die Beklagten erreichen, daß niemand über das Grundstück gehe. Dennoch gingen die Klägerinnen mit Wissen der Beklagten auch weiterhin über den von der Bebauung frei gehaltenen Grundstreifen entlang der nördlichen Begrenzung des Grundstücks */2, welches von dem im Norden angrenzenden fremden Grund bis 1960 durch einen Lattenzaun und dann durch eine Hecke getrennt war.
Im Sommer 1965 versetzte der Erstbeklagte eine schon 10 Jahre vorher errichtete Holzhütte an die nördliche Grenze des jetzt von ihm gepachteten Grundstücks */2, und zwar wiederum in der Absicht, daß zur Kenntnis genommen werde, man solle dort nicht gehen. Eine wörtliche Beanstandung der Passanten erfolgte jedoch nicht. Die Klägerinnen gingen in der Folge einfach südlich um diese Holzhütte herum, zu oder von der Gartentür am G*Weg, welche nach ihrer Errichtung im Jahr 1963 nur einige Wochen lang abgesperrt gewesen war. In diesem Zusammenhang sprach die Zweitklägerin einmal die Beklagten an, worauf ihr der Erstbeklagte erklärte, es würde nicht mehr abgesperrt werden und es bestehe kein Hindernis mehr, dort durchzugehen. Von diesem Zeitpunkt an bis Juni 1974 war die Gartentür tatsächlich nicht mehr versperrt. Noch im Winter 1973/74 sagte die Zweitbeklagte einmal zur Zweitklägerin, der Zaun sei nur zur Verhinderung des Wildverbisses errichtet worden und könne ausgehängt werden.
Bei der Errichtung des Zaunes an der Ostseite des Grundstücks */2 brachten die Beklagten die Verbotstafel nicht mehr an, weil die Gartentür anfangs ohnehin zugesperrt war und sie der Meinung waren, der Zaun als solcher reiche als Durchgangsverbot aus.
Im Winter 1973/74 versetzten die Beklagten die Gartentür im Zaun am G*Weg etwa in die Mitte dieses Zaunes, weil damals der G*Weg, welcher früher nur ein Spazierweg gewesen war, so verbreitert wurde, daß man ihn sogar mit Autos befahren konnte.
Mit Kaufvertrag vom 7. Mai 1974 kauften die Beklagten schließlich auch das Grundstück */2, worauf sie am 6. Juni 1974 die Gartentür beim G*Weg mit einem Schloß versperrten. Sie meinten nämlich, das Grundstück lastenfrei gekauft zu haben, und zogen auch die Errichtung eines Schwimmbeckens in Erwägung.
Die Klägerinnen können den G*Weg nicht nur über den A*weg und den strittigen Grundstreifen, sondern auch über die F*straße oder die S*‑Straße erreichen. Die erstgenannte Straße liegt parallel zum A*weg etwa 60 m südlich, die S*‑Straße rund 120 m nördlich davon. Beide Straßen sind 4 m breit und in den Jahren 1960 bzw. 1974 asphaltiert worden.
Die im vorliegenden Rechtsstreit begehrte Verbindung über den A*weg zum G*Weg hat für die Klägerinnen auch heute noch die Bedeutung, daß man hier kürzer und schneller zum Bahnhof A* oder nach S* gehen kann, daß man von der Hauptstraße wegkommt und daß die Kinder auf diese Weise sicherer in die Schule gehen können. Der G*Weg wird derzeit zu einer asphaltierten Straße ausgebaut und ist im Ortsverbauungsplan bereits als solche eingezeichnet.
Von diesen Feststellungen ausgehend, verneinte das Erstgericht eine Ersitzung der Dienstbarkeit des Gehrechtes durch die Klägerinnen, weil die hiefür erforderliche „utilitas praedii“ nicht gegeben sei. Auch für die Ersitzung eines bloß der Bequemlichkeit dienenden Abkürzungsweges müsse ein „gewisser Grad von Notwendigkeit“ gefordert werden; dieser fehle aber, wenn damit nur ein geringer Umweg vermieden werden oder sonst eine geringfügige Annehmlichkeit erzielt werden solle. Dabei sei insbesondere auch die Änderung der Verhältnisse durch den Ausbau der F*straße und der S*‑Straße zu berücksichtigen. Werde trotzdem auf dem Weg über den strittigen Grundstreifen beharrt, dann komme dies einer mißbräuchlichen Rechtsausübung nahe.
Bei Anwendung vernünftiger Grundsätze müsse daher ein beachtenswertes Interesse der Klägerinnen an der weiteren Benützung der strittigen Fläche verneint werden, weil ein objektiv begründbares Erfordernis einer vorteilhafteren oder bequemeren Benützung des Weges nicht mehr vorliege. Trotz gutgläubiger Ausübung des Wegerechtes durch die Klägerinnen während der gesamten Ersitzungszeit habe ihr Klagebegehren daher mangels der vom Gesetz geforderten Utilität abgewiesen werden müssen.
Demgegenüber verwies das Berufungsgericht darauf, daß § 437 ABGB. für das Bestehen von Grunddienstbarkeiten die bloße Bequemlichkeit der Nützlichkeit (Vorteilhaftigkeit) gleichsetze. Bei der Beurteilung des Utilitätserfordernisses dürfe bei privaten Dienstbarkeiten kein strenger Maßstab angelegt werden; nur völlige Zwecklosigkeit könne hier den Rechtsbestand der Servitut vernichten. Auch bloße Abkürzungswege, welche außer der Möglichkeit, ein bestimmtes Ziel schneller, sicherer und bequemer zu erreichen, keinen weiteren Vorteil böten, könnten demnach ersessen werden und fortbestehen. Das gelte insbesondere auch im vorliegenden Fall, wo der von den Klägerinnen in Anspruch genommene Verbindungsweg auch durch den zwischenweiligen Ausbau der drei umliegenden öffentlichen Straßen nicht zwecklos geworden sei, weil er auch Sicherheit und Ruhe vor dem dort flutenden Straßenverkehr biete. Von einer schikanösen Rechtsausübung könne angesichts dieser, wenn auch möglicherweise geringen, objektiven Vorteile keine Rede sein. Da auch die Redlichkeit des Besitzes der Klägerinnen während der gesamten Ersitzungszeit vom Erstgericht zutreffend bejaht worden sei, erweise sich das auf Anerkennung ihres Wegerechtes abzielende Begehren der Klägerinnen – wenn auch in einer gegenüber dem Urteilsantrag modifizierten Form – als gerechtfertigt.
Das Urteil des Berufungsgerichtes, nach dessen Ausspruch der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 1.000,– übersteigt, wird in seinem dem Begehren der Klägerinnen stattgebenden Teil von den Beklagten mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten. Der Revisionsantrag geht auf gänzliche Wiederherstellung der abweisenden Entscheidung des Erstgerichtes; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerinnen haben beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Schon das Berufungsgericht hat zutreffend darauf verwiesen, daß das Begehren der vorliegenden Klage nicht etwa auf Feststellung eines den Klägerinnen und ihren Rechtsnachfolgern im Eigentum bestimmter Liegenschaften zustehenden Wegerechtes als Grunddienstbarkeit (§ 473 ABGB) lautet, die Klägerinnen vielmehr in ihrem Urteilsantrag die Gestattung des Durchganges über den Grund der Beklagten ausdrücklich nur für sich selbst in Anspruch nehmen und damit eine unregelmäßige persönliche Dienstbarkeit gemäß § 479 ABGB geltend machen (vgl. SZ 32/47 = NZ 1960, 56; SZ 43/117 = MietSlg 22.036/22; Klang 2 II 557 f.; Ehrenzweig 2 I/2, 340 f.; Gschnitzer, Sachenrecht 140). Daß insbesondere auch ein Wegerecht den Gegenstand einer unregelmäßigen Servitut bilden kann, ist ebenso unbestritten (vgl. Klang 2 II 557; Ehrenzweig 2 I/2, 340) wie die rechtliche Möglichkeit, Dienstbarkeiten dieser Art auch durch Ersitzung zu erwerben (vgl. SZ 38/46 = EvBl 1965/384 = JBl 1966/41; JBl 1962, 148 u.a.; Klang 2 VI 573; Gschnitzer a.a.O. 153).
Ob darüber hinaus zumindest die Erstklägerin und die Zweitklägerin berechtigt wären, das in Rede stehende Durchgangsrecht auch als Grund-(Haus-)Dienstbarkeit zugunsten der jeweiligen Eigentümer des Hauses A*weg Nr. * geltend zu machen, bedarf entgegen der im angefochtenen Urteil vertretenen Ansicht bei dieser Sachlage mangels eines entsprechenden Urteilsbegehrens keiner Erörterung; die rechtliche Beurteilung des von den Untergerichten festgestellten Sachverhalts kann sich vielmehr im konkreten Fall auf die Prüfung der Frage beschränken, ob die Klägerinnen das von ihnen hier in Anspruch genommene persönliche Durchgangsrecht durch Ersitzung erworben haben.
Daraus folgt aber, daß es hinsichtlich des – von den Untergerichten verschieden beurteilten – Erfordernisses der sogenannten „Utilität“ nicht darauf ankommt, ob die in Rede stehende Dienstbarkeit im Sinne des § 473 ABGB der „vorteilhafteren oder bequemeren Benützung“ eines bestimmten Grundstücks dient; es genügt vielmehr, daß die Ausübung des Nutzungsrechtes dem Berechtigten einen wie immer gearteten persönlichen „Vorteil“ bringt (vgl. § 472 ABGB). In noch höherem Maße als bei Grunddienstbarkeiten muß also bei den unregelmäßigen persönlichen Dienstbarkeiten der in Lehre (Klang 2 II 551 f.; Ehrenzweig 2 I/2, 310) und Rechtsprechung (SZ 43/117 = MietSlg 22.036/22 mit weiteren Zitaten; EvBl 1972/245 = NZ 1973, 124; 5 Ob 69/74, 8 Ob 11/75) einhellig vertretene Grundsatz gelten, daß nur völlige Zwecklosigkeit das Entstehen einer privaten Dienstbarkeit verhindern oder ihren weiteren Rechtsbestand vernichten könnte. Davon kann aber hier nach den Feststellungen der Untergerichte nicht gesprochen werden, hat doch die von den Klägerinnen in Anspruch genommene Wegverbindung über den Grund der Beklagten für sie auch heute noch die Bedeutung einer kürzeren und schnelleren, darüber hinaus aber auch wesentlich weniger gefährlichen Verbindung insbesondere zum Bahnhof A* und nach S*. Daß der Erwerb einer Dienstbarkeit entgegen der Meinung der Beklagten in keinem Fall die Notwendigkeit eines solchen Rechtes voraussetzt, ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 473 ABGB, welcher auch bei Grunddienstbarkeiten dem Erfordernis der Nützlichkeit (Vorteilhaftigkeit) ausdrücklich jenes der bloßen Bequemlichkeit gleichstellt. Der Hinweis der Revision auf die wesentlich strengeren Anforderungen bei der Ersitzung eines Wegerechtes zugunsten einer Gemeinde (vgl. SZ 34/49; SZ 41/48 u.a.) geht aber schon deshalb fehl, weil die Rechtsprechung in diesen Fällen das Erfordernis der Notwendigkeit einer solchen Wegverbindung nicht etwa aus § 473 ABGB ableitet, sondern es vor allem mit der praktisch unbegrenzten Dauer einer solchen zugunsten der Öffentlichkeit begründeten Eigentumsbelastung rechtfertigt (RZ 1957, 104; EvBl 1961/296; JBl 1966, 525; RZ 1966, 165; vgl. Ehrenzweig 2 I/2, 340).
Daß nach den Feststellungen der Untergerichte alle drei Klägerinnen das in Rede stehende Durchgangsrecht mehr als 30 Jahre lang – und zwar die Erstklägerin seit 1933, die Zweitklägerin seit 1953, die Drittklägerin seit ihrer Kindheit, also gleichfalls seit dem Anfang der Dreißigerjahre (vgl. S 107) – ununterbrochen ausgeübt haben, wird von den Beklagten in dritter Instanz nicht mehr bestritten. Soweit sie aber in der Revision die von den Untergerichten übereinstimmend bejahte Redlichkeit der Rechtsausübung der Klägerinnen in Zweifel ziehen, kommt ihren Ausführungen aus nachstehenden Erwägungen gleichfalls keine Berechtigung zu:
Gutgläubig und daher ein redlicher Besitzer ist gemäß § 326 ABGB, wer aus wahrscheinlichen Gründen die Sache, die er besitzt, für die seinige hält; als unredlicher Besitzer gilt hingegen derjenige, der weiß oder aus den Umständen vermuten muß, daß die in seinem Besitz befindliche Sache einem anderen zugehört. Nach Lehre und Rechtsprechung muß zur Ersitzung nach § 1477 ABGB der gute Glaube nicht nur beim Besitzerwerb, sondern auch in der Folge während der ganzen Ersitzungszeit vorhanden sein (Klang 2 VI 641; Ehrenzweig 2 I/2, 198; EvBl 1964/320 u.a., zuletzt etwa 5 Ob 272/73, 14/74). Er fällt dann weg, wenn der Besitzer entweder positive Kenntnis erlangt, daß sein Besitz nicht rechtmäßig ist, oder wenn er zumindest solche Umstände erfährt, die zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit seines Besitzes Anlaß geben (SZ 27/284; EvBl 1962/265 u.a.). Da die Redlichkeit des Besitzes vermutet wird (§ 328 Satz 2 ABGB), wäre es Sache der Beklagten gewesen, solche Umstände zu beweisen, die das Wegerecht der Klägerinnen ernstlich in Frage gestellt und diesen daher Anlaß zu begründeten Zweifeln an der Rechtmäßigkeit ihres Besitzes gegeben hätten. Den Beklagten ist nun durchaus zuzugeben, daß das Anbringen einer Verbotstafel ebenso wie das Aufstellen eines Zaunes oder eines sonstigen tatsächlichen Hindernisses im Einzelfall durchaus eine Widersetzlichkeit des Verpflichteten gegen die weitere Ausübung eines Wegerechtes zum Ausdruck bringen, im Berechtigten begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Besitzes erwecken und damit seine bisherige Gutgläubigkeit beenden kann (vgl. dazu etwa SZ 19/97; SZ 27/284; EvBl 1962/265). Es kommt dabei aber stets auf die Umstände des konkreten Falles an, welche gerade hier ein wesentlich anderes Sachverhaltsbild ergeben: Die von den Beklagten im Jahr 1955 an der Gartentür zwischen den Grundstücken */6 und */2 angebrachte Verbotstafel wurde nach den Feststellungen der Untergerichte von niemandem beachtet; da die erwähnte Türe überdies niemals abgesperrt war, ja sogar zeitweise offen stand, setzten insbesondere auch die Klägerinnen die gewohnte Benützung des strittigen Grundstreifens weiterhin unbehindert fort. An diesem Zustand änderte auch die Errichtung eines mit einer Türe versehenen Zauns an der östlichen Begrenzung des Grundstücks */2 im Jahr 1963 nichts; die Klägerinnen gingen trotzdem mit Wissen der Beklagten weiterhin vom A*weg über den – nach wie vor unbebauten – Grundstreifen entlang der nördlichen Begrenzung des Grundstücks */2 zum G*Weg. Als der Erstbeklagte zwei Jahre später seine Holzhütte unmittelbar an die nördliche Grenze dieser Parzelle versetzte, gingen die Klägerinnen einfach südlich um die Hütte herum; sie wurden deshalb ebensowenig beanstandet wie in allen vorangegangenen Jahren. Angesichts dieser besonderen Umstände des konkreten Falles kann aber nicht gesagt werden, daß den Klägerinnen auf Grund der erwähnten Maßnahmen der Beklagten tatsächlich zu irgendeinem Zeitpunkt ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihrer Rechtsausübung hätten kommen müssen: Da die seit 1955 auf dem unmittelbar benachbarten Grundstück */6 wohnenden Beklagten gegen die Benützung des Weges niemals irgendeinen Einwand erhoben, die beiden Flügel der betreffenden Türe vielmehr auch weiterhin ständig unversperrt, wenn nicht sogar offen gelassen hatten, mußte die zur gleichen Zeit angebrachte Verbotstafel keinesfalls zwingend als ernst gemeinte Willenskundgebung der Beklagten im Sinne eines allgemeinen, nicht nur für Fremde, sondern auch für die Anrainer als langjährige Benützer der Wegverbindung geltenden Durchgangsverbotes aufgefasst werden. Daß dann im Jahr 1963 die Türe im Gartenzaun entlang des G*Weges unmittelbar nach der Errichtung dieses Zaunes einige Wochen lang abgesperrt war, fällt schon deshalb nicht ins Gewicht, weil die Beklagten auf Grund einer diesbezüglichen Intervention der Zweitklägerin nicht nur versicherten, es würde dort nicht mehr zugesperrt werden und es bestehe kein Hindernis mehr, dort durchzugehen, sondern auch tatsächlich die genannte Zauntüre in der Folgezeit bis zum Juni 1974 nicht mehr versperrten.
Gerade durch dieses Verhalten der Beklagten mußten die Klägerinnen in ihrer seit jeher bestehenden Überzeugung bestärkt werden, als Anrainer der Beklagten zumindest für ihre Person nach wie vor ein Recht zur Benützung des in Rede stehenden Abkürzungsweges zu haben. Bei dieser Sachlage kann aber auch der zwei Jahre später vorgenommenen Verlegung der Holzhütte der Beklagten an die nördliche Begrenzung des Grundstückes */2 – sofern in diesem Zeitpunkt die 30jährige Ersitzungsfrist nicht überhaupt schon abgelaufen war – keine entscheidende Bedeutung mehr beigemessen werden, zumal auch diese Maßnahme nichts an der weiteren, von den Beklagten unbeanstandeten Benützung des Abkürzungsweges durch die Klägerinnen änderte.
Im Ergebnis ist daher den Untergerichten darin zu folgen, daß es den Beklagten im vorliegenden Fall nicht gelungen ist, die Vermutung des § 328 ABGB zu widerlegen. Waren aber die Klägerinnen während der gesamten Ersitzungszeit redliche Besitzerinnen des von ihnen ausgeübten Durchgangsrechtes, dann hat das Berufungsgericht den Erwerb dieses Rechtes durch Ersitzung zutreffend bejaht und damit dem Klagebegehren insoweit mit Recht stattgegeben. Die Revision der Beklagten mußte daher erfolglos bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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