Normen
UrhG §18
UrhG §53 Abs1 Z3
UrhG §18
UrhG §53 Abs1 Z3
Spruch:
Kein "Erwerbszweck", wenn in einem Süßwarengeschäft - hauptsächlich zur Unterhaltung des Verkaufspersonals - Radiomusik gespielt wird
OGH 17. November 1970, 4 Ob 350/70 (LGZ Wien 42 R 321/70; BG Innere Stadt Wien 33 C 221/69)
Text
Die klagende Partei begehrt die Verurteilung der Beklagten,
1. die öffentliche Aufführung von Werken der Tonkunst, welche durch die Zugehörigkeit des Textdichters, Komponisten oder Musikverlegers zur Klägerin oder zu einer dieser durch Gegenseitigkeitsvertrag angeschlossenen ausländischen Urhebergesellschaft dem Werkebestand der Klägerin angehören, durch mechanische Musik mittels eines Rundfunkgerätes in ihrem Geschäftslokal in Wien 1, soweit es hiezu der Einwilligung der Urheber bedarf, zu unterlassen;
2. der Klägerin binnen 14 Tagen bekanntzugeben, an wieviel Tagen sie in der Zeit vom 1. April 1966 bis zum Schluß der mündlichen Streitverhandlung, das ist der 10. April 1970, in ihrem Geschäftslokal in Wien 1 öffentliche Darbietungen mechanischer Musik mittels eines Rundfunkgerätes veranstaltet hat. Die klagende Partei behauptet, die Beklagte habe am 3. Dezember 1968, 9. Jänner 1969 und 21. Jänner 1969 geschützte Werke in ihrem Geschäftslokal mit einem Rundfunkgerät gespielt, sodaß diese Werke sowohl von ihren Kundschaften als auch von ihrem Personal gut gehört werden konnten.
Die beklagte Partei, die Klagsabweisung beantragte, behauptete, daß der Radioapparat in ihrem Geschäft ganz leise eingestellt gewesen sei und nur der Unterhaltung der Verkäuferinnen gedient habe. Das Lokal werde ausschließlich von Laufkunden, die Süßwaren einkaufen und keine Musikdarbietungen hören wollen, besucht. Eine stimulierende Wirkung der Musikdarbietungen auf die Kauflust der Laufkundschaft sei nicht gegeben, auch nicht dazu, das Publikum länger im Geschäfte verweilen zu lassen, wozu auch die räumlichen Verhältnisse zu beengt seien.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
Die im Hause Wien 1 befindliche Niederlassung der Beklagten besteht im wesentlichen aus zwei Räumen. Der dem Kundenverkehr gewidmete kleinere Raum stellt den Kunden eine Fläche von zirka 4 mal 1.50 m zur Verfügung, abzüglich der Fläche der in diesem Raum aufgestellten Kühltruhe mit der Grundfläche von 83 mal 55 cm. Vom Kundenraum sind die übrigen Bedienungsflächen durch ein zirka 1 m hohes und 52 cm breites Pult abgeschirmt. Der dahinter liegende Platz für die Verkäuferinnen ist zirka 3 m mal 61 cm groß. Zur Straße befindet sich eine Auslage mit Glasfenstern, während die anderen Wände mit Regalen verbaut sind. Der anschließende wesentlich größere Raum mit einer Tür zur Straße, die verstellt ist, ist vom ersten Raum durch einen Vorhang und ein schließbares, akustisch nicht behinderndes Scherengitter abgeteilt. Dieser Raum dient vorwiegend als Lager. Die Dienstnehmer der Beklagten halten sich dort nur ausnahmsweise auf. Das Geschäftslokal ist durch eine Zwischendecke geteilt, wobei die Raumteile durch eine Treppe verbunden sind. Sie sind jedoch akustisch nicht getrennt. Im oberen Teil, in dem sich die Buchhaltung befindet, kann eine im unteren Teil gespielte Radiomusik wahrgenommen werden. In einem zur Straßenfront parallel laufenden Seitenregal des Verkaufsraumes befindet sich in einer Höhe von zirka
1.90 m ein 33 cm langer Radioapparat, dessen Stirnseite in den Verkaufsraum zeigt. Dieser im Eigentum der Beklagten stehende Apparat wurde von ihr am 6. Dezember 1968 in das Lokal gebracht. Der Apparat ist betriebsfähig. Falls er nicht händisch eingeschaltet wird, setzt er sich mit der Einschaltung des Lichtsystems in Betrieb.
Im Verkaufslokal befinden sich keine Einrichtungen, die den Kunden das Konsumieren der verkauften Ware ermöglichen. Für das Aufstellen von Sesseln und Tischen wäre das Lokal zu klein. Die Kunden halten sich im Geschäft nur sehr kurz auf, um Süßwaren zu kaufen. In den Sommermonaten werden jedoch in Viertellitergläsern Fruchtsäfte verabreicht. Auf diese Möglichkeit verweist eine Aufschrift in der Auslage. Während dieser Zeit konsumieren Kunden stehend derartige Fruchtsäfte. Diese Kunden bleiben naturgemäß, wem auch nicht spürbar, länger im Lokal als die bloßen Käufer der Süßwaren. Die bloßen Käufer sind zahlreicher als die Konsumenten.
Im Geschäft arbeiten täglich in zwei Schichten je zwei Verkäuferinnen, ausnahmsweise kurze Zeit während der Überschneidung der Schichten drei Verkäuferinnen. Außerdem arbeitet die Buchhalterin im oberen Raum. Nach Ansicht der Beklagten würde die Wegnahme des eingebrachten Radioapparates eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und die Gefahr eines Personalverlustes mit sich bringen. Auch vor dem 6. Dezember 1968 hatte sich im Lokal durch Jahre ein Radioapparat befunden, der nach der Behauptung der Beklagten funktionsunfähig war. Am 3. Dezember 1968 hatte jedoch ein Radioapparat im Lokal gespielt. Es ist nicht erwiesen, daß der Geschäftsführer der Beklagten sein Personal angewiesen hat, den Apparat nur einzuschalten, wenn keine Kunden im Lokal sind. Der Verkaufsraum ist so klein, daß der Radioapparat nicht so gespielt werden kann, daß er nur in einem Teil des Raumes gehört wird. Tatsächlich wurde mit ihm auch gespielt, wenn Kunden anwesend waren, u zw für diese gut hörbar. Auch die Buchhalterin hat im oberen Teil die Musik mitgehört.
Kontrollorgane der Klägerin nahmen bei wiederholten Kontrollen im Lokal der Beklagten deutlich wahr, daß in dem eingeschaltenen Radioapparat zum Werkebestand der Klägerin gehörende Lieder gespielt wurden. Das Abspiel erfolgte in der Lautstärke einer Backgroundmusik, wie sie in Kaufhäusern, Boutiquen u dgl Lokalen üblich ist. Während des Abspielens der Lieder waren Kunden und Verkäuferinnen im Lokal.
Rechtlich vertrat das Erstgericht den Standpunkt, daß nach § 18 Abs 1 UrhG die Aufführung der geschützten Werke nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen dürfe. Eine derartige Aufführung könne auch durch Benützung einer Rundfunksendung erfolgen. Sie sei immer dann gegeben, wenn die Aufführung nicht von vornherein auf einen in sich geschlossenen und nach außen hin begrenzten Kreis abgestellt ist und demgemäß überall dort, wo eine Aufführung im Rahmen eines gewerblichen Betriebes mit fluktuierendem Publikum erfolgt. Dies sei im vorliegenden Fall sowohl bezüglich der Kundschaft als auch bezüglich des Personals der Beklagten gegeben. Eine Aufführung wäre daher nur zulässig, wenn die Zuhörer kein Eintrittsgeld bezahlen und die Aufführungen keinem Erwerbszweck dienen. Es werde zwar kein Eintrittsgeld bezahlt, doch diene das Abspielen der Musik der Verbesserung des Arbeitsklimas der Beklagten. Eine solche Verbesserung diene aber dem Erwerbszweck der Beklagten. Außerdem habe Backgroundmusik den Zweck, Publikum anzulocken, u zw auch dann, wenn sie im Einzelfall vom Publikum nicht bewußt wahrgenommen werde. Es sei daher nach § 81 UrhG das Unterlassungsbegehren und nach den §§ 86 und 87 UrhG, sowie Artikel XLII Abs 1 des Einführungsgesetzes zur ZPO auch das Begehren auf Bekanntgabe gerechtfertigt.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstands 15.000 S übersteigt. Es billigte die Feststellungen des Erstgerichts und teilte auch dessen rechtliche Beurteilung.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die beklagte Partei befaßt sich in ihrer Rechtsrüge mit der von den Untergerichten übereinstimmend bejahten Frage, ob eine öffentliche Aufführung von geschützten Werken im Sinne des § 18 UrhG in ihrem Lokal stattfand, nur mehr am Rande, indem sie behauptet, daß der in Frage stehende Radioapparat zu öffentlichen Konzertdarbietungen überhaupt ungeeignet gewesen sei. Hiezu beruft sie sich auf das im Akt erliegende Sachverständigengutachten, das aber von den Untergerichten aus Gründen, die nicht mehr zu überprüfen sind, nicht verwertet wurde. Demgegenüber steht fest, daß die von diesem Radioapparat gespielte Musik sowohl von den Kontrollorganen der klagenden Partei als auch von der Buchhalterin an ihrem Arbeitsplatz ohne Schwierigkeiten zu hören war. Es ist also erwiesen, daß geschützte Werke der Tonkunst in einer für das Gehör wahrnehmbaren Weise öffentlich widergegeben wurden. Weitere Voraussetzungen setzt der Begriff der konzertmäßigen Aufführung von Werken der Tonkunst im Sinne des § 1 Abs 2 Verwertungsgesellschaftengesetz nicht voraus. Zur Frage der öffentlichen Wiedergabe schließlich nimmt die beklagte Partei nicht mehr näher Stellung. Diese ist zu bejahen, weil das Lokal der beklagten Partei seinem Wesen nach allgemein zugänglich ist und von Laufkundschaften auch tatsächlich aufgesucht wird (vgl SZ 26/61, ÖBl 1969, 71; Peter, Urheberrecht, 69 bei Fußnote 4).
Ihr Schwergewicht verlegt die Rechtsrüge darauf, daß die im Lokal der beklagten Partei gespielte Musik nur von Laufkundschaften gehört werde, die sich ihr nicht widmen könnten, weshalb die Musikdarbietungen keinerlei Erwerbszwecken dienten (§ 53 Abs 1 Z 3 UrhG). Damit hat die beklagte Partei im Ergebnis Recht.
Der in § 53 Abs 1 Z 3 UrhG durch die Formulierung "keinerlei Erwerbszwecken dienen" umschriebene Fall der "Aufführungsfreiheit" hat Ausnahmecharakter. Peter, Urheberrecht, 142 bei Fußnote 13 erläutert diese Ausnahmebestimmung dahin, daß die Aufführung weder Erwerbszwecken des Veranstalters noch der Mitwirkenden noch eines Dritten dienen dürfe. Als Veranstalter kommt im konkreten Fall der Geschäftsinhaber in Betracht, der den im Geschäftslokal aufgestellten Radioapparat öffentlichen Aufführungen widmete. Daß er dabei nur das Unerhaltungsbedürfnis seiner Angestellten befriedigen wollte, mag zutreffen, doch nahm er jedenfalls in Kauf, daß die Musikdarbietungen auch der Laufkundschaft zu Gehör gebracht wurden. Der mit den Musikdarbietungen verfolgte subjektive Zweck jedenfalls kann nicht dafür entscheidend sein, ob sie "Erwerbszwecken dienten" oder dies nicht zutrifft. Dies ist vielmehr nach objektiven Maßstäben, also der Eignung im konkreten Falle, irgendwelche Erwerbszwecke zu fördern, zu beurteilen. Die Unterhaltung der Angestellen an sich kann nicht als einer Förderung von Erwerbszwecken des Unternehmers dienlich angesehen werden. Weder kann daraus eine ins Gewicht fallende Leistungssteigerung abgeleitet werden, noch könnte etwa die Darbietung von Radiomusik als Teil des Entgeltes aufgefaßt werden. Daß damit einem Wunsche der Angestellten entsprochen wird, liegt außerhalb des Erwerbszweckes des Unternehmers, der mit dessen Erfüllung häufig sogar eine Minderung der Konzentration und damit einen Leistungsabfall seiner Angestellten in Kauf nehmen muß.
Entscheidend ist daher, ob die festgestellte Lage im vorliegenden Einzelfall etwa nach objektiven Maßstäben zur Annahme nötigt, daß die vorgenommene Darbietung von Radiomusik im Verkaufslokal der beklagten Partei geeignet ist, eine Umsatzsteigerung herbeizuführen. Dies aber ist zu verneinen. Schon die Art der Leistungen, nämlich der Verkauf von Süßwaren und Fruchtsäften zum Mitnehmen sowie von Fruchtsäften zum Genuß im Stehen, schließt dies aus. Die beengten Verhältnisse im Verkaufslokal der beklagten Partei hindern ohnehin die Bildung einer anheimelnden, zum Bleiben einladenden Atmosphäre, die dann durch sogenannte Backgroundmusik gefördert werden und allenfalls zu höherer Konsumation anregen könnte. Die beengten Raumverhältnisse erfordern vielmehr schon aus Rücksicht auf eine ungestörte, reibungslose Abwicklung des Geschäftsbetriebes, daß sich die Kunden, die ihren Einkauf abgeschlossen haben, ehestens entfernen. Es kann daher objektiv betrachtet nicht die Rede davon sein, daß die Aufführung von Radiomusik im Geschäftslokal der beklagten Partei irgendwelchen Erwerbszwecken diente. Dies rechtfertigt die Abweisung des Klagebegehrens.
Aus Gründen der Vollständigkeit sei nur noch darauf verwiesen, daß ein Bekanntmachungsbegehren, wie es in Punkt 2 des Urteilsbegehrens gestellt wurde, jedenfalls nicht möglich ist. Dazu hat der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung 4 Ob 342/70 ausführlich Stellung genommen, auf die verwiesen wird.
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