OGH 3Ob9/53

OGH3Ob9/534.3.1953

SZ 26/61

Normen

UrhG §18
UrhG §53 Z4
Verwertungsgesellschaftengesetz BGBl. Nr. 112/1936 §1
UrhG §18
UrhG §53 Z4
Verwertungsgesellschaftengesetz BGBl. Nr. 112/1936 §1

 

Spruch:

Zum Begriff der konzertmäßigen öffentlichen Aufführung eines Tonstückes im Sinne des § 18 UrhRG. und § 1 Abs. 2 Verwertungsgesellschaftengesetz (Tanzschule).

Entscheidung vom 4. März 1953, 3 Ob 9/53.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Das Erstgericht hat mit dem angefochtenen Zwischenurteil 1. den Anspruch der klagenden Partei auf Entrichtung eines Aufführungsentgelts für die Aufführung von geschützten Werken bei den vom Beklagten als Tanzschulinhaber abgehaltenen Anfänger- und Fortsetzungskursen als nicht zu Recht bestehend erkannt, hingegen 2. den Anspruch der klagenden Partei auf Entrichtung von Aufführungsentgelten für die Aufführung von Tonwerken bei den vom Beklagten veranstalteten Übungsabenden und sonstigen Veranstaltungen, wie Kränzchen und Maskenabenden, dem Gründe nach als zu Recht bestehend erkannt.

Das Berufungsgericht hat der Berufung der klagenden Partei gegen den Punkt 1 des Zwischenurteils mit der Maßgabe keine Folge gegeben, daß nach den Worten "Anfänger- und Fortsetzungskurse" der Satz einzufügen sei "welche vom Beklagten in seiner Tanzschule in der Saison 1950/51 veranstaltet wurden". Der Berufung der beklagten Partei gegen den Punkt 2 des Zwischenurteils wurde teilweise Folge gegeben.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin gegen die Bestätigung des Punktes 1 des Zwischenurteils Folge und änderte das Urteil des Berufungsgerichtes in diesem Umfang dahin ab, daß der Anspruch der Klägerin auf Entrichtung eines Aufführungsentgelts dem Gründe nach zu Recht besteht.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die einzige Frage, die dem Obersten Gerichtshof durch die Revision zur Lösung aufgegeben ist, geht dahin, ob die Wiedergabe von Tonwerken mit Hilfe von Schallplatten im Rahmen eines auf die eingeschriebenen Tanzschüler beschränkten Unterrichtskurses einer Tanzschule urheberrechtlich geschützt ist.

Das Berufungsgericht hat gleich dem Erstgericht, aber aus anderen Gründen als dieses, diese Frage verneint.

Der Oberste Gerichtshof kann sich dieser Auffassung nicht anschließen. Der Begriff der öffentlichen Aufführung wird in § 18 Abs. 2 UrhRG. nicht näher umschrieben, doch ergibt sich eine gewisse Klarstellung dieses Begriffes aus § 1 des Verwertungsgesellschaftengesetzes. Einen engeren Begriff als die öffentliche Aufführung bildet nämlich die "konzertmäßige Aufführung von Werken der Tonkunst" nach § 1 Abs. 2 VerwGesG., der "Aufführungen der die Vertonung von Bühnenwerken bildenden Werke der Tonkunst in Verbindung mit bühnenmäßigen Aufführungen der vertonten Werke", also die sogenannten bühnenmäßigen Aufführungen, die auch öffentliche Aufführungen sind, den konzertmäßigengegenüberstellt. Daraus folgt, daß alle konzertmäßigen Aufführungen "öffentliche Aufführungen" sind. Der Begriff der konzertmäßigen Aufführung wird im Gesetz ebenfalls nicht umschrieben, doch ergibt sich aus den erläuternden Bemerkungen zum Verwertungsgesellschaftengesetz (abgedruckt bei Lißbauer, Österreichische Urheberrechtsgesetze, S. 352), daß die Gesetzesverfasserdarunter alle Aufführungen in Konzertsälen, Hotels, Kaffeehäusern, Gastwirtschaften, Varietes, Tanzlokalen, Tanzschulen usw. verstanden haben. Nach dem Motivenbericht kann also kein Zweifel daran bestehen, daß die Gesetzesverfasser die Auffassung des Berufungsgerichtes nicht geteilt haben.

Diese Auffassung entspricht auch dem Gesetz. Der Begriff der konzertmäßigen öffentlichen Aufführung eines Tonstückes im Sinn des § 18 UrhRG. und § 1 Abs. 2 VerwGesG. stimmt mit dem Begriff der öffentlichen Aufführung nach Art. 11 Rev. Berner Übereinkommen überein. Darunter ist jede Aufführung zu verstehen, die nicht von vornherein auf einen in sich geschlossenen, nach außenhin begrenzten Kreis abgestimmt ist. Nur dort, wo die Aufführung vor einem Kreis stattfindet, der durch "ein reelles intimes Band" verbunden ist, wie die durch die Entscheidung des dänischen OGH. vom 10. Jänner 1952 bestätigte E. d. App. G. Ostre Landsrat ausgeführt hat (Inter - Auteurs 1952, 47 ff.), ist das Öffentlichkeitsmoment zu verneinen; ebenso § 125 des englischen Kommissionsentwurfes, der, wie Abel in Le droit d'auteur 1952, 28, berichtet, eine nichtöffentliche Aufführung nur dann annehmen will, wenn sie "a lieu dans un endroit purement domestique". Dieser nichtöffentliche Charakter einer Veranstaltung ist dann in der Regel auszuschließen, wenn für den Zutritt ein Entgelt verlangt wird, mag nun dieses Entgelt in der Form eines besonderen Eintrittsgeldes erhoben werden oder in anderer Weise, z. B. als Zuschlag zur Konsumation, eingehoben werden. Insbesondere ist überall dort, wo eine Aufführung im Rahmen eines gewerblichen Unternehmens erfolgt, der nichtöffentliche Charakter oder zumindest die Tantiemenfreiheit der Aufführung zu verneinen (vgl. die analoge Bestimmung des § 53 Z. 4 UrhRG.). Da die Tanzschule des Beklagten ein auf Gewinn berechnetes Unternehmen darstellt und die musikalische Begleitung ein wesentliches Element des Tanzschulunterrichtes ist, ja ohne sie ein solcher Unterricht gar nicht gedacht werden kann, die Tanzschulaufführungen vor einem fluktuierenden Publikum stattfinden, zwischen dem es keinen engeren Zusammenhang gibt, so würde es nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes einer Grundtendenz des Urheberrechtsgesetzes widerstreiten, wenn die Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Tonwerke im Rahmen von Tanzschulkursen nicht als öffentliche Aufführung angesehen und nicht der Tantiemenpflicht unterworfen würde.

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