Normen
UrhG §87
Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung ArtXLII
UrhG §87
Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung ArtXLII
Spruch:
Zur Vorbereitung von Schadenersatzansprüchen nach dem UrhG kann - vom Fall des § 87 Abs 9 UrhG abgesehen - nicht Auskunftserteilung oder Rechnungslegung verlangt werden
OGH 6. Oktober 1970, 4 Ob 342/70 (LGZ Wien 45 R 155/70; BG Floridsdorf 5 C 471/69)
Text
Das Erstgericht verurteilte die Beklagte a) die öffentliche Aufführung von Werken der Tonkunst, welche durch die Zugehörigkeit des Textdichters, Komponisten oder Musikverlegers zur klagenden Partei oder zu einer dieser durch Gegenseitigkeitsvertrag angeschlossenen ausländischen Urhebergesellschaft dem Werkebestand der klagenden Partei angehören, durch lebende Musik oder mechanische Wiedergabe wie Rundfunk- oder Schallplattenübertragungen, durch den Betrieb eines Fernsehapparates, eines Tonbandgerätes oder eines Musikautomaten in ihrem Gasthaus Wien 22, soweit es hiezu der Einwilligung der Urheber bedarf, zu unterlassen; b) der klagenden Partei binnen 14 Tagen bekanntzugeben, an wie vielen Tagen sie in der Zeit vom 1. April 1969 bis zum Schluß der mündlichen Streitverhandlung, d i bis zum 12. Jänner 1970, in ihrem Gasthaus in Wien 22, öffentliche Darbietungen mechanischer Musik 1) mittels eines Rundfunkgerätes 2) mittels eines Fernsehgerätes veranstaltet hat; c) der klagenden Partei binnen, 14 Tagen den Betrag von 340.50 S samt 4% Zinsen seit 17. Juli 1969 zu bezahlen; d) die mit 4687.03 S bestimmten Kosten dieses Verfahrens binnen 14 Tagen der klagenden Partei zu ersetzen.
Diese Entscheidung beruhte auf folgenden Feststellungen:
Aus Anlaß der Neuübernahme des Restaurationsbetriebes durch die Beklagte sprach der Angestellte der Klägerin Alfred M im März oder April 1969 im Betriebe der Beklagten vor und erklärte einer ihm als Geschäftsführerin scheinenden Frau, daß Musikdarbietungen jeglicher Art bei der klagenden Partei wegen des zu zahlenden Aufführungsentgeltes zu melden seien oder allenfalls ein Generalvertrag mit der Klägerin geschlossen werden müsse. Da dies nicht geschah, wurden in der Folge im Betriebe der beklagten Partei Kontrollen durchgeführt. Die erste fand durch Alfred M am 25. April 1969 in der Zeit von 21 Uhr 30 bis 21 Uhr 40 statt. Dabei nahm er wahr, daß in einem vor dem Gastraum gelegenen kleinen Raum, der als Espresso eingerichtet ist, ein Fernsehgerät eingeschaltet war und das Programm von einem Mann verfolgt wurde, ohne daß Alfred M jedoch feststellen konnte, ob es sich bei ihm um einen Gast oder einen Angestellten des Betriebes handelte. Im Gästeraum war ein Transistorradio mittlerer Größe auf einem Tisch gleich links neben der Eingangstür in den Gästeraum aufgestellt und mit ziemlicher Lautstärke aufgedreht. Die Lautstärke war jedenfalls so eingestellt, daß das dargebotene Musikprogramm am anderen Ende des Gastraumes bei der Bar noch deutlich vernehmbar war. Im Gastraum befanden sich damals rund 35 Gäste. Alfred M wurde mit seinen Vorstellungen an Kurt F als Geschäftsführer verwiesen, der erklärte, Fernseher und Radio gehörten einem Bediensteten und würden sofort entfernt werden. Es folgten weitere Kontrollen, die zu ähnlichen Feststellungen führten.
In rechtlicher Beziehung führte das Erstgericht aus: Nach § 18 UrhG habe der Urheber das ausschließliche Recht, ein Werk der Tonkunst öffentlich aufzuführen. Zu einer öffentlichen Aufführung gehöre auch die Benützung einer Rundfunksendung zu einer öffentlichen Wiedergabe des gesendeten Werkes durch Lautsprecher oder durch eine andere technische Einrichtung. Die Öffentlichkeit der Aufführung im Unternehmen der Beklagten sei gegeben, weil das Radioprogramm infolge der Lautstärke der Darbietungen von allen Gästen im Raum habe wahrgenommen werden können. Das auf § 18 UrhG gegrundete Ausschließungsrecht sei wiederholt dadurch verletzt worden, daß die Bediensteten der Beklagten in deren Betrieben durch die Benützung von Rundfunksendungen Werke der Tonkunst wiedergegeben haben, welche durch die Zugehörigkeit des Textdichters, Komponisten oder Musikverlegers zur Klägerin ihrem Werkebestand angehören. Nach § 87 Abs 3 UrhG habe derjenige, der unbefugt ein Werk der Tonkunst aufführe, das Doppelte des nach § 86 UrhG gebührenden angemessenen Entgeltes zu bezahlen. Zufolge der Verletzung des Ausschließungsrechtes könne die Klägerin die Beklagte auch auf Unterlassung klagen. Obwohl die Verletzung des Ausschließungsrechtes im Betriebe der Beklagten nur durch ein Rundfunkgerät erfolgt sei, könne sie ein generelles Unterlassungsbegehren stellen. Im § 18 UrhG sei das Ausschließungsrecht ganz allgemein umschrieben, ohne auf die Arten der öffentlichen Aufführungen im einzelnen einzugehen. Ebenso wie das Leistungsbegehren sei auch das Begehren auf Bekanntgabe in den Bestimmungen der §§ 86 und 87 UrhG begrundet.
Infolge Berufung der beklagten Partei bestätigte das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes hinsichtlich des Begehrens auf Unterlassung und Zahlung von 340.50 S s A, wies aber das Begehren auf Auskunftserteilung ab und hob die Prozeßkosten gegeneinander auf.
Zum abweisenden Teil seiner Entscheidung, der allein Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, führte das Berufungsgericht aus:
Dem Urheberrechtsgesetz fehle eine ausdrückliche Bestimmung über eine Auskunftspflicht des Verletzers von urheberrechtlichen Eingriffen. Die von der Klägerin geforderte Auskunftserteilung könne daher nur als eine auf Artikel XLII EGZPO gestützte Verpflichtung zur Rechnungslegung aufgefaßt werden. Der erste Anwendungsfall der genannten Gesetzesstelle schaffe keinen neuen bürgerlich-rechtlichen Tatbestand für Rechnungslegung und Vermögensangabe, sondern erweitere nur den bereits nach anderen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes bestehenden Anspruch auf Angabe des Vermögens und der Schulden durch den Anspruch auf eidliche Bekräftigung dieser Angaben. Als Klage auf Rechnungslegung fehle aber diesem Begehren der Klägerin die erforderliche Bestimmtheit. Der Klägerin könnte ein Rechtsschutzinteresse an einem solchen Begehren - zunächst unabhängig von der Prüfung der Zulässigkeit eines solchen Begehrens - nur dann zugebilligt werden, wenn sie durch eine solche Auskunftserteilung überhaupt in die Lage käme, von der Beklagten die Zahlung oder die Herausgabe desjenigen zu fordern, was sie ihr zufolge des unbefugten Eingriffes in die Urheberrechte schulde, nämlich ein angemessenes Entgelt nach § 86 und Schadenersatz durch Leistung des der Klägerin entgangenen Gewinnes oder des doppelten Entgeltes nach § 87 Abs 1 und 3 UrhG. Ein Anspruch auf Herausgabe eines von der Beklagten allenfalls erzielten Gewinnes nach § 87 Abs 4 UrhG komme im vorliegenden Falle schon mit Rücksicht auf die Art der Verletzung des urheberrechtlichen Eingriffes nicht in Betracht. Sowohl die Berechnung des angemessenen Entgeltes nach § 86 oder des doppelten Entgeltes nach § 87 Abs 3 als auch die Berechnung des dem Urheber entgangenen Gewinnes nach § 87 Abs 1 UrhG hätte zur Voraussetzung, daß der Klägerin durch die Auskunftserteilung der Beklagten bekannt würde, an welchen Werken der Tonkunst aus dem Werkebestande der Klägerin während des genannten Zeitraumes von der Beklagten eingegriffen wurde. Hiezu müßte der Klägerin durch die Auskunftserteilung bekannt werden, welche Sender während des fraglichen Zeitraumes vom 1. April 1969 bis zum Schluß der mündlichen Streitverhandlung zum Empfang von Rundfunk- oder Fernsehmusik benützt wurden und an welchen bestimmten Sendetagen und -stunden solche Musik in den Betriebsräumen der Beklagten wiedergegeben wurde. Die von der Klägerin begehrte pauschale Auskunft, an wie vielen Tagen in der Zeit vom 1. April 1969 bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung mechanische Musik mittels Rundfunk- oder Fernsehgeräten öffentlich dargeboten wurde, könnte nicht die Grundlage für die Berechnung eines Entgeltes nach § 86 UrhG oder eines Schadenersatzes nach § 87 Abs 1 und 3 UrhG geben. Dieses Begehren sei daher schon mangels Bestimmtheit abzuweisen.
Die Zulässigkeit des Begehrens auf Auskunftserteilung sei aber auch noch aus anderen rechtlichen Erwägungen zu verneinen.
Im Urheberrecht werde der Täter so behandelt, "als habe er die Geschäfte des Klägers besorgt" (Rintelen, Urheber und Urhebervertragsrecht, 217: Mitteis, Grundriß des österreichischen Urheberrechts, 157; Peter, Das österreichische Urheberrecht, 249, Anm 14; EB zum Entwurf des Urheberrechtsgesetzes bei Peter a a O, 634). Im Gesetz werde von der Herausgabe des Gewinnes (§ 87 Abs 4) und vom angemessenen Entgelt (§§ 86, 87 Abs 3) gesprochen und der Ersatz des Vermögensschadens sehr eingeengt (§ 87 Abs 5).
Aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes EvBl 1968/109 gehe hervor, daß er auch für den Bereich des Urheberrechtes die Annahme der Konstruktion der unechten Geschäftsführung und den daraus abgeleiteten Anspruch auf Rechnungslegung und Auskunftserteilung auf den Fall des Anspruches auf Herausgabe des vom Verletzer erzielten Gewinnes (§ 87 Abs 4 UrhG) beschränken wolle. Rintelen (a a O, 217) führe zum § 87 Abs 4 UrhG aus: Neben der Verpflichtung zur Herausgabe des dem Verletzten entgangenen Gewinnes gebe das Gesetz dem Verletzten bei Verschulden des Verletzers einen Anspruch auf Herausgabe des Gewinnes, den der Täter durch den rechtswidrigen Eingriff erzielt habe. Der Täter werde also so behandelt, als habe er die Geschäfte des Klägers besorgt, ein Fall der sogenannten unechten Geschäftsführung. Mit der Verpflichtung zur Herausgabe des erzielten Gewinnes sei notwendig eine Verpflichtung zur Ablegung von Rechenschaft über den vom Täter erzielten Gewinn verbunden. Daraus ergebe sich, daß der Gesetzgeber diesen Anspruch nur für solche Fälle vorsehen konnte, in denen eine solche Rechnungslegung ohne besondere Schwierigkeiten durchzuführen sei: "unbefugte Vervielfältigung und Verbreitung von Werken der Literatur und der Kunst, von Lichtbildern und Schallträgern, und die damit zusammenhängenden Eingriffe in die Rechte reproduzierender Künstler". Mitteis führe zu § 87 Abs 4 UrhG ähnliches aus.
Der Anspruch auf Herausgabe des vom Beklagten erzielten Gewinnes sei nach § 87 Abs 4 UrhG auf die unbefugte Vervielfältigung (§ 15) und Verbreitung (§ 16) von Werken der Literatur und Kunst oder auf die Verwertung des Vortrages oder der Aufführung eines Werkes der Literatur oder der Tonkunst dem § 66 Abs 1 und 2 zuwider auf einen Bild- oder Schallträger beschränkt. Eine solche Vervielfältigung oder Verbreitung von geschützten Musikwerken sei aber nicht behauptet worden. Fehle es damit aber an einem Anspruch auf Herausgabe des von der Beklagten erzielten Gewinnes, könnte der Klägerin auch nicht ein Anspruch auf Auskunftserteilung in bezug auf einen solchen Gewinn zuerkannt werden.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die klagende Partei bekämpft zunächst die Meinung des Berufungsgerichtes, daß es auf die von der Berufung gar nicht aufgeworfene Rechtsfrage über die Zulässigkeit des Anspruchs auf Auskunftserteilung einzugehen hatte, weil bei der Erledigung eines Rechtsmittels auf alle in Betracht kommende Rechtsfragen einzugehen sei, auch wenn sie vom Rechtsmittelwerber nicht releviert worden seien. Es ist jedoch der Meinung des Berufungsgerichtes beizupflichten. Diese entspricht der Lehre (Fasching, Komm z d ZPG IV, 41) und Rechtsprechung (SZ 41/68, RZ 1969, 52; ÖBl 1968, 9). Dabei wird allerdings vorausgesetzt, daß die Rechtsrüge in dem Rechtsmittel zumindest in bezug auf irgendeine Rechtsfrage gesetzmäßig ausgeführt wurde, erst dann kann eine allseitige rechtliche Überprüfung vorgenommen werden. Diese letztere Voraussetzung trifft hier zu. Das Berufungsgericht ist also mit Recht darauf eingegangen, ob der Anspruch auf Auskunftserteilung berechtigt ist. Daß dies nicht der Fall ist, ist aus folgenden Erwägungen richtig:
Das Begehren, der klagenden Partei binnen 14 Tagen bekanntzugeben, an wie vielen Tagen die Beklagte in der Zeit vom 1. April 1969 bis zum Schluß der mündlichen Streitverhandlung (12. Jänner 1970) in ihrem Gasthaus in Wien 22, öffentliche Darbietungen mechanischer Musik 1. mittels eines Rundfunkgerätes, 2. mittels eines Fernsehgerätes veranstaltet hat, könnte, wenn überhaupt, nur als Anspruch nach dem 1. Fall von Art XLII EGZPO gerechtfertigt sein. Es ist zu prüfen, ob sich ein solches Begehren aus der Gesetzesstelle ableiten läßt. Diese lautet in dem in Frage stehenden Teile: "Wer nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ein Vermögen anzugeben verpflichtet ist, kann mittels Urteils dazu verhalten werden, allenfalls unter Vorlage eines Verzeichnisses des Vermögens anzugeben, was ihm von diesem Vermögen bekannt ist, und einen Eid dahin zu leisten, daß seine Angaben richtig und vollständig sind."
Was die klagende Partei mit der vorliegenden Klage verlangt, nämlich die Bekanntgabe, an welchen Tagen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes im Gasthaus der Beklagten Darbietungen mechanischer Musik mittels eines Rundfunkgerätes oder mittels eines Fernsehgerätes stattfanden, geht nicht unmittelbar auf die Feststellung des Ausmaßes des infolge Eingriffes in die Rechte der Klägerin unrechtmäßigen Gewinnes der Beklagten aus diesen Darbietungen; vielmehr sollen damit Einzelheiten ermittelt werden, die für die Gewinnbestimmung nur erst in Verbindung mit weiteren Tatsachen, nämlich der Kenntnis der dabei gespielten geschützten Werke bedeutsam wären. Eine privatrechtliche Auskunftspflicht des Schädigers zur Bekanntgabe der im abgewiesenen Begehren angeführten Tatsachen als solcher besteht aber nicht (SZ 31/114). Die Klage nach Art XLII EGZPO ist ein positiv-rechtlicher Rechtsbehelf, der nur in den gesetzlich bestimmten Fällen und unter den besonderen Voraussetzungen des Gesetzes Anwendung finden kann. Eine ausdehnende Auslegung der Bestimmungen dieser Gesetzesstelle ist daher abzulehnen (SZ 26/25). Weil sich also der abgewiesene Anspruch nicht aus dem Gesetz ableiten läßt, in dem nur ein Anspruch auf die Angabe eines Vermögens vorgesehen ist, ist das hier in Frage stehende Klagebegehren jedenfalls verfehlt.
Es ist aber dem Berufungsgericht auch darin beizupflichten, daß eine Auskunftspflicht des Beklagten schon deshalb nicht besteht, weil die Höhe von Schadenersatzansprüchen vom Vermögen des Schädigers unabhängig ist (Fasching II 93) und der geltend gemachte Auskunftserteilungsanspruch nicht zur Vorbereitung eines Anspruchs auf Herausgabe des Gewinns gemäß § 87 Abs 4 UrhG dienen kann, weil keine der dort angeführten Eingriffshandlungen behauptet wird. Nur wenn ein Anspruch auf Herausgabe des Gewinns nach § 87 Abs 4 UrhG in Betracht käme, also ein Fall der sogenannten unechten Geschäftsführung vorläge, könnte ein Anspruch auf Rechnungslegung geltend gemacht werden (vgl SZ 32/128, SZ 40/69, Stanzl in Klang[2] IV/1, 894 bei FN 56).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)