OGH 1Ob317/53

OGH1Ob317/533.6.1953

SZ 26/141

Normen

EO §328
EO §348
EO §349
EO §350
EO §328
EO §348
EO §349
EO §350

 

Spruch:

Die zwangsweise Übergabe einer Liegenschaft an mehrere Mitberechtigte kann nur als Ganzes, nicht bloß hinsichtlich einzelner Bruchteile erfolgen.

Bei Pfändung des Anspruches eines Teilhabers kann auch den anderen Mitberechtigten nicht Exekution durch Übergabe der Liegenschaft bewilligt werden.

Entscheidung vom 3. Juni 1953, 1 Ob 317/53.

I. Instanz: Bezirksgericht Baden; II. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt.

Text

Mit Enderkenntnis der Rückstellungskommission beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien, Außensenat beim Kreisgericht Wiener Neustadt, vom 11. Juni 1952, wurden die Verpflichteten schuldig erkannt, den betreibenden Gläubigern das Gut "M." in S., d. i. die Liegenschaft EZ. 20, Grundbuch S., mit fünf Häusern und einer großen Zahl im einzelnen bezeichneter Acker-, Wiesen- und Gartenparzellen "wie sie liegt und steht, jedoch ohne lebendes und totes Gutsinventar und ohne Einrichtungsgegenstände in der Zeit zwischen 15. Oktober und 15. November 1952 längstens und zur Gänze am 15. November 1952, jedoch nur Zug um Zug gegen Zahlung von 215.329.50 S zurückzustellen und in die Einverleibung des Eigentumsrechtes für a) Adele D. zu zwei Fünftel, b) John Robert D., c) Alice R. und d) Oskar R. zu je ein Fünftel ob EZ. 20 des Grundbuches S. einzuwilligen".

Auf Grund dieses Exekutionstitels beantragten die betreibenden Gläubiger, ihnen wider die Verpflichteten die Exekution durch zwangsweise Räumung der Liegenschaft zu bewilligen.

Das Erstgericht wies den Antrag mit der Begründung ab, daß sich gemäß dem Exekutionstitel auf dem Grundbuchskörper insgesamt fünf Häuser und damit auch Wohnungen befinden. Die Bewilligung der zwangsweisen Räumung würde auch die Delogierung sämtlicher Wohnparteien, nämlich auch der Verpflichteten, aus den erwähnten Häusern umfassen. Der Exekutionstitel laute aber nur auf Rückstellung. Im Sinne der Entscheidung vom 30. Juni 1950, 2 Ob 445/50, müsse aber gemäß § 7 EO. die Räumungsverpflichtung im Titel ausgesprochen sein.

Dem Rekurs der betreibenden Gläubiger gab das Rekursgericht Folge und bewilligte den zweit- bis viertbetreibenden Gläubigern gegen die verpflichteten Parteien zur Durchsetzung ihres Anspruches auf Rückstellung des Gutes "M." in S., d. i. der Liegenschaft EZ. 20 des Grundbuchs S., mit dem im Exekutionsantrag einzeln bezeichneten Baulichkeiten und Grundstücken, wie diese Liegenschaft liegt und steht, jedoch ohne das lebende und tote Gutsinventar und ohne Einrichtungsgegenstände nach § 349 EO. die Exekution durch zwangsweise Übergabe dieser Liegenschaft durch das Vollstreckungsorgan. Die Entscheidung vom 30. Juni 1950, 2 Ob 445/50, betreffe einen ganz anders gelagerten Fall. Für die gänzliche Abweisung des Exekutionsantrages fehle jeder Grund, zumal offensichtlich sei, daß sich die betreibenden Parteien mit dem Ausdrucke "Räumung" bei Abfassung des Exekutionsantrages bloß vergriffen haben, da bei landwirtschaftlich genutzten Grundstücken von einer Räumung wohl nicht gesprochen werden könne. Erkenntnisse von Rückstellungskommissionen, wonach jemand zur Rückstellung einer Liegenschaft verpflichtet werde, unterscheiden sich in nichts von Urteilen der Zivilgerichte, durch die der Beklagte schuldig erkannt werde, eine Liegenschaft zu übergeben. Im einen wie dem anderen Fall müsse die Feststellung des Umfanges der Besitzübergabe und der Notwendigkeit der Entfernung von Personen und Sachen schon der Natur der Sache nach dem Exekutionsvollzug überlassen bleiben, wobei die Verpflichteten und allfällige dritte Personen geltend zu machen haben, daß ihnen vom Exekutionstitel nicht umfaßte, die Exekution in diesem Umfang unzulässig machende Rechte zustehen. Auf derartige, die Exekution in Form einer Räumung unzulässig machende Rechte dritter Personen sei daher bei der Bewilligung einer Exekution nach § 349 EO.

überhaupt nicht, auf die Wohnungsfrage der Verpflichteten so lange nichtBedacht zu nehmen, als, was hier nicht zutreffe, im Exekutionsantrag nicht auch ausdrücklich Räumung einer bestimmten Wohnung begehrt sei wobei es übrigens Sache der Verpflichteten gewesen sein müßte, schon im Rückstellungsverfahren geltend zu machen, daß ihnen, wie beim Gutsinventar und der Einrichtung, auch hinsichtlich der Benützung von Teilen der Liegenschaft von der Rückstellung als solcher unabhängige Rechte zustehen. In Abänderung des angefochtenen Beschlusses sei daher die beantragte Exekution unter Berichtigung der Fassung des Exekutionsantrages im Sinne des § 349 EO. zu bewilligen. DieAufrechterhaltung der Abweisung des Exekutionsantrages, soweit er auch vom erstbetreibenden Gläubiger John Robert D. gestellt werde, habe ihren Grund lediglich darin, daß aus den Akten des Erstgerichtes hervorgehe, und daher von Amts wegen zu berücksichtigen sei, daß der Anspruch des erstbetreibenden Gläubigers gepfändet, ihm also dessen Geltendmachung verwehrt sei. Dieser Umstand hindere jedoch die Geltendmachung des Übergabeanspruches durch die übrigen Rekurswerber nach den für sie als Mehrheitsberechtigte geltenden Regeln der §§ 825 ff. ABGB. nicht.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der verpflichteten Parteien Folge und stellte den erstgerichtlichen Beschluß wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Behauptung des Revisionsrekurses, daß am 21. November 1952 die Ansprüche der zweit- bis viertbetreibenden Parteien auf Rückstellung ihrer Liegenschaftsanteile durch die X. zu E 3619/52 des Bezirksgerichtes B. gepfändet gewesen seien, ist allerdings in dieser Allgemeinheit nicht richtig. In dieser Beziehung ergibt sich aus den Akten E 3619/52 und E 3843/52 des Bezirksgerichtes B. folgendes: Zu E 3619/52 des Bezirksgerichtes B. hat die X. gegen Oskar R. (Fünftelberechtigter und im gegenständlichen Verfahren Viertbetreibender), Alice R. (Fünftelberechtigte und Drittbetreibende) sowie Adele D. (Zweifünftelberechtigte und Zweitbetreibende) zur Hereinbringung einer Geldforderung Exekution mittels Pfändung des den verpflichteten Parteien auf Grund des oben zitierten Rückstellungserkenntnisses zustehenden Anspruches auf Rückstellung der Liegenschaftsanteile und des Anspruches auf Einverleibung des Eigentumsrechtes an den den verpflichteten Parteien zurückzustellenden Liegenschaftsanteilen beantragt. Die Exekution wurde am 17. Oktober 1952bewilligt und am selben Tag die Bewilligungsbeschlüsse an die drei Verpflichteten mit internationaler Rückscheinsendung abgefertigt. An Alice R. und Oskar R. konnte mangels richtiger Adresse nicht zugestellt werden. An Adele D. wurde am 11. Dezember 1952 zugestellt. Am 4. März 1953 wurde der Exekutionsbewilligungsbeschluß dem Vertreter aller drei Verpflichteten, Rechtsanwalt Dr. S., zugestellt. Zu E 3843/52 stellte die X. einen parallelen Exekutionsantrag gegen John Robert D. (Fünftelberechtigter und Erstbetreibender), der am 21. November 1952 bewilligt wurde. Die Zustellung mit internationalem Rückscheinbrief mißlang, wohl aber wurde die Exekutionsbewilligung am 17. Dezember 1952 dem Vertreter des John Robert D., Rechtsanwalt Dr. S. zugestellt.

Am 5. Jänner 1953, d. i. im Zeitpunkt der Entscheidung des Erstgerichtes über den gegenständlichen Exekutionsantrag und auch am 9. Feber 1953, d. i. zur Zeit der Exekutionsbewilligung durch das Rekursgericht, waren daher die Ansprüche der Adele D. (Zweifünftelberechtigte) und des John Robert D.

(Einfünftelberechtigter) aus dem Rückstellungserkenntnis durch die X. gepfändet. Das Rekursgericht hat allerdings nur die Pfändung des Anspruches des John Robert D. bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Daß auch die Pfändung des Anspruches der Adele D. dem Rekursgericht bekannt gewesen wäre, läßt sich den Akten nicht entnehmen; es ist im Gegenteil insbesondere nach dem Inhalt der Akten E 3619/52 unwahrscheinlich, aber auch, wie die folgenden Ausführungen ergeben, unerheblich.

Der Exekutionsantrag muß nämlich schon wegen der Pfändung des Fünftelanteiles des erstbetreibenden Gläubigers John Robert D. zur Gänze erfolglos bleiben. Infolge der Pfändung des Anspruches des erstbetreibenden Gläubigers auf Rückstellung der Liegenschaft ist den Verpflichteten verboten worden, an diesen zurückzustellen. Da die vier betreibenden Gläubiger Mitberechtigte sind, kann aber nur die Liegenschaft in ihren Mitbesitz übergeben werden. Diese Übergabe kann nur einheitlich erfolgen. Eine Übergabe nach Bruchteilen ist nicht möglich (Ehrenzweig, Sachenrecht, S. 59 f.; Klang in Klang, Kommentar, 2. Aufl. zu § 425, S. 311). Es bleibt daher die Frage zu entscheiden, ob Mitberechtigte trotz der Pfändung des Anspruches eines Teilhabers die Übergabe gemäß einem Räumungstitel an alle Berechtigten verlangen können oder ob diese Möglichkeit versagt ist. Der Oberste Gerichtshof beantwortet diese Frage in der Richtung der zweiten Alternative. Wollte man anders entscheiden, so käme man dazu, daß entgegen dem an den erstbetreibenden Gläubiger ergangenen Verfügungsverbot und dem an die Verpflichteten ergangenen Leistungsverbot, also trotz der bewirkten Pfändung eine Verwertung des gepfändeten Rechtes gemäß § 328 EO. durch eine weitere Maßnahme des Gerichtes unmöglich gemacht würde, weil einer Übergabe an einen Verwalter durch die Übergabe an die betreibenden Gläubiger, darunter notwendigerweise auch an den erstbetreibenden Gläubiger, vorgegriffen wäre. Die verpflichteten Parteien verweisen auch mit Recht darauf, daß dadurch im Exekutionsweg ein Zustand hergestellt würde, den sie durch freiwillige Leistung ohne Verletzung des sie bindenden Leistungsverbotes nicht herstellen könnten. Daß nach materiellem Recht nach herrschender Auffassung ein Mitbesitzer, der eine Ausübungshandlung vornimmt, als Vertreter aller Mitbesitzer anzusehen ist und daß auch für den Besitzschutz die Anteile regelmäßig nicht in Betracht kommen, kann gegen dieses Ergebnis nicht eingewendet werden, weil hier nicht die materiell-rechtliche Frage der Befugnisse von Mitbesitzern, sondern das prozessuale Problem der Wirksamkeit und Tragweite von Exekutionshandlungen zu entscheiden ist. Aus den gleichen Erwägungen kann auch nicht das vom Rekursgericht herangezogene Mehrheitsprinzip eingreifen.

Dem Revisionsrekurs war daher aus diesen Erwägungen Folge zu geben und die Entscheidung der ersten Instanz wieder herzustellen. Auf die weitere Frage, ob das Enderkenntnis der Rückstellungskommission einen geeigneten Titel für eine Exekution nach § 349 EO. darstelle, konnte bei dieser Rechtslage nicht mehr eingegangen werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte