Normen
BAO §115 Abs1
BAO §167 Abs2
BAO §183 Abs4
BAO §232
BAO §232 Abs1
BAO §262
BAO §279 Abs1
BAO §280 Abs1 litd
BAO §280 Abs1 lite
BAO §4 Abs1
BAO §92
BAO §93 Abs2
BAO §93 Abs3 lita
VwGG §41
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021130118.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von 553,20 € binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Gegenüber der S GmbH wurde am 12. Jänner 2017 ein Sicherstellungsauftrag für die Umsatzsteuer 2012 bis 2015, die Körperschaftsteuer 2012 bis 2015, die Kapitalertragsteuer 2012 bis 2015, die Lohnsteuer 2012 bis 2015 und den Dienstgeberbeitrag 2012 bis 2015 erlassen. Begründet wurde dies damit, dass es sich bei näher genannten Subfirmen der S GmbH um rechnungsausstellende Scheinfirmen handeln würde. Die S GmbH habe dies gewusst oder hätte es wissen müssen. Die zur Verfügung gestellten Arbeitnehmer seien nicht für die Subunternehmen tätig gewesen, sondern für die S GmbH. In Hinsicht auf die Entlohnung der Arbeiter gehe die Abgabebehörde von einem Rückfluss der bezahlten Subunternehmerleistungen in Höhe von 40 % aus. Diese Rückflüsse seien der Körperschaftsteuer zu unterziehen.
2 Mit Beschluss des HG W wurde im März 2017 über das Vermögen der S GmbH das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet, das im Mai 2017 in ein Konkursverfahren geändert wurde.
3 Die gegen den Sicherstellungsauftrag erhobene Beschwerde wies das Finanzamt mit an den Revisionswerber als Masseverwalter der S GmbH ergangener Beschwerdevorentscheidung ab, woraufhin der Revisionswerber einen Vorlageantrag stellte.
4 Das Bundesfinanzgericht gab der Beschwerde teilweise Folge und änderte den Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend ab, dass gemäß § 232 BAO die Sicherstellung näher genannter Abgabenarten mit bestimmten ‑ reduzierten ‑ Beträgen angeordnet wurde. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, für die Beurteilung des Entstehens des Abgabenanspruches als Grundvoraussetzung für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages seien auch die Feststellungen des mittlerweile vorliegenden Berichts über das Ergebnis der bei der S GmbH durchgeführten Außenprüfung betreffend die im Sicherstellungsauftrag genannten Abgaben heranzuziehen.
5 Nach diesem ‑ im Wortlaut wiedergegebenen ‑ Bericht sei die S GmbH ein Unternehmen, das Trockenbauarbeiten für Generalunternehmer durchführe. Um diese Bauprojekte zu realisieren, habe sich die GmbH neben eigenen auch nicht angemeldeter Arbeitnehmer diverser Subunternehmer bedient. Bei dem Großteil dieser Subfirmen habe es sich um malversiv tätige Konstrukte gehandelt, die als „rechnungsausstellende Scheinfirmen“ relativ bald nach ihrer Gründung bzw. neuer Übernahme in Konkurs gingen. Die Abrechnung der Fremdleistungen sei laut Subunternehmervertrag nach Quadratmetern oder Laufmetern und nicht nach geleisteten Stunden erfolgt. Es seien der Betriebsprüfung weder detaillierte Leistungsverzeichnisse mit Regiestunden noch Bautagebücher vorgelegt worden, obwohl laut Subunternehmervertrag die gesamten Regieberichte durch den örtlichen Bauleiter der S GmbH wöchentlich mittels Unterschrift zu bestätigen und der S GmbH zu schicken gewesen wären. Die Subfirmen hätten die Trockenbauarbeiten wesentlich billiger als marktüblich angeboten.
6 In der Realität seien die zur Verfügung gestellten Arbeiter nicht für die Subunternehmen tätig gewesen und stünden diesen gegenüber nicht in einem Weisungsverhältnis. Aufgrund der Ermittlungen der Betriebsprüfung bestehe der begründete Verdacht, dass die geprüfte Gesellschaft bzw. deren Gesellschaftergeschäftsführer zur Umsetzung ihrer unlauteren Tätigkeiten einen Teil der Fremdleistungsaufwände von diversen Subfirmen geltend gemacht hätten, diese Leistungen jedoch von den in der Rechnung bezeichneten Subunternehmen nicht hätten erbracht werden können oder die Arbeiten mit eigenem, nicht bei der Sozialversicherung angemeldeten Personal erbracht worden seien. Für bestimmte Unternehmen sei eine Aufforderung zur Empfängerbenennung gemäß § 162 BAO ergangen. Die Aufforderung der Abgabenbehörde, die wahren Empfänger zu nennen, sei bis dato unbeantwortet geblieben. Daher könnten die Beträge nicht als Betriebsausgaben anerkannt werden. Weiters sei bei einigen Subfirmen die Arbeitsleistung unter den eigenen Lohnaufwand der S GmbH zu subsumieren gewesen.
7 Zur Umsatzsteuer enthalte der Betriebsprüfungsbericht Aussagen zur Nichtanerkennung von Vorsteuern bei Bauleistungen. Im Bericht über die GPLA sei festgestellt worden, dass es zu einer Nachversteuerung bzw. Nachverrechnung des durch die Betriebsprüfung festgestellten zusätzlichen Lohnaufwands näher bezeichneter Dienstnehmer gekommen sei. Für die Kapitalertragsteuer seien als Bemessungsgrundlage 5 % des gesamten Subunternehmeraufwands als Kick Back Zahlung angenommen worden.
8 Hinsichtlich näher bezeichneter Gesellschaften sei dem Prüfungsbericht folgend davon auszugehen, dass die geltend gemachten Betriebsausgaben nach § 162 BAO mangels Empfängerbenennung nicht abziehbar seien. Zu weiteren Unternehmen sei den Feststellungen der Prüfung folgend davon auszugehen, dass die angeblichen Arbeitsleistungen tatsächlich Leistungen durch die der S GmbH zuzurechnenden Arbeitskräfte darstellten und Lohnaufwand angefallen sei.
9 In seinen Erwägungen führte das Bundesfinanzgericht aus, dass die Festsetzung der den Sicherstellungsauftrag zugrundeliegenden Abgaben mit Bescheiden vom 30. Oktober 2018 und 5. November 2018 ein gewichtiges Indiz dafür darstellte, dass die Abgabenansprüche dem Grunde nach entstanden seien. Auffallend sei das Verhältnis der beanstandeten zu den unbeanstandet gebliebenen Unternehmen. Den 23 im Betriebsprüfungsbericht angeführten Firmen stünden insgesamt 20 Fremdleister gegenüber, deren Subunternehmerschaft von der Betriebsprüfung hinsichtlich der für die S GmbH erbrachten Leistungen anerkannt worden sei. Somit seien mehr als 50 % der von der S GmbH herangezogenen Subfirmen als Scheinfirmen angesehen worden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei bei der Entscheidung über die Beschwerde gegen den Sicherstellungsauftrag auch auf im Beschwerdeverfahren der Behörde zur Kenntnis gelangte neue Tatsachen und Beweise ‑ soweit diese im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Sicherstellungsauftrag objektiv gegeben gewesen seien ‑ Bedacht zu nehmen. Ein Sicherstellungsauftrag sei kein abschließender Sachbescheid im Sinne des § 183 Abs. 4 BAO, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende Sofortmaßnahme, die dazu diene, selbst vor Feststellung des Ausmaßes der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können, wenn Grund zur Annahme bestehe, dass die spätere Einbringung der Abgabe gefährdet oder wesentlich erschwert wäre.
10 Das Bundesfinanzgericht stellte weitere detaillierte Erwägungen zu den einzelnen Gesellschaften an und erklärte, wieso diese als Scheinfirmen zu qualifizieren seien. Der Geschäftsführer der S GmbH habe nicht die angemessene Sorgfalt bei der Überprüfung seiner Vertragspartner walten lassen. Es sei davon auszugehen, dass die Geschäftsbeziehungen nicht wie behauptet stattgefunden hätten. Gehe man von den Sachverhaltsannahmen des Finanzamtes aus, dass die Gesellschaften, mit denen die S GmbH Verträge abgeschlossen habe, nicht die wirklichen Leistungserbringer gewesen sein könnten, sei die Schlussfolgerung zutreffend, dass im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages gewichtige Anhaltspunkte für die Entstehung der Abgabenansprüche vorgelegen seien.
11 Sodann setzte sich das Bundesfinanzgericht mit Eingaben des Revisionswerbers vom Mai und Juni 2021 detailliert auseinander. Ein Sicherstellungsverfahren könne keine Vorwegnahme des Abgabenfestsetzungsverfahrens sein. Sofern im Beschwerdeverfahren vorgebracht werde, dass noch Ermittlungen durchzuführen wären, sei dem zu entgegnen, dass es in der Natur einer solchen Maßnahme der Sicherstellung liege, dass sie nicht erst nach Erhebung sämtlicher Beweise, sohin nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens, gesetzt werden könne. Es genüge, dass die Abgabenschuld dem Grunde nach mit der Verwirklichung des abgabenrechtlich relevanten Tatbestandes entstanden sei und gewichtige Anhaltspunkte für die Höhe sowie für die Gefährdung oder wesentliche Erschwerung ihrer Einbringung gegeben seien. Ob der Abgabenanspruch tatsächlich entstanden sei, sei in einem Sicherstellungsverfahren nicht zu entscheiden. Aus den Feststellungen im Betriebsprüfungsbericht ergebe sich somit nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts schlüssig und nachvollziehbar die Entstehung der im Spruch des Erkenntnisses genannten Abgabenansprüche zum Prüfungszeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages, da es der Lebenserfahrung und auch der Wahrscheinlichkeit widerspreche, dass ein Gewerbeunternehmer rein zufällig mit einer Vielzahl von betrügerischen Unternehmen Geschäftsbeziehungen unterhalte. Die im Beschwerdeverfahren vorgelegten Beweismittel seien nicht geeignet, den Abgabenanspruch von vornherein als nicht entstanden anzusehen. Da mittlerweile infolge der Erlassung der Abgaben- und Haftungsbescheide das Ausmaß der Abgabenschuld feststehe, sei die Sicherstellung auf bestimmte Abgaben eingeschränkt worden, weil durch die genannten Bescheide teilweise Minderungen des Abgabenanspruches eingetreten seien. Unberücksichtigt blieben dabei jene Fälle, bei denen die bescheidmäßige Vorschreibung höhere Beträge als im Sicherstellungsauftrag angenommen ergeben habe.
12 Wenn der steuerliche Vertreter vorbringe, dass ein auf § 162 BAO gestütztes Empfängerbenennungsersuchen im Ergebnis erst mit dem ungenutzten Verstreichen der Frist zur Empfängerbenennung entstanden sei, weshalb die dem Sicherstellungsauftrag angeführten Abgabenansprüche rechtswidrig seien, sei dem entgegenzuhalten, dass bei Verweigerung der verlangten Angaben die betreffenden Aufwendungen nicht anzuerkennen seien. Dies bedeute jedoch nicht, dass der Abgabenanspruch erst zum Zeitpunkt des Ablaufs der Frist zur Empfängerbenennung entstehe. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes träten die Rechtswirkungen des § 162 BAO in jenem Veranlagungszeitraum ein, in dem die fraglichen Aufwendungen angefallen seien. Sicherstellungsaufträge setzten voraus, dass der Tatbestand verwirklicht sei, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpften. Ebenso habe es gewichtige Anhaltspunkte für die Höhe der Abgabenschuld gegeben, weil einerseits das Ausmaß der von der S GmbH als Betriebsausgaben geltend gemachten Zahlungen festgestanden habe und andererseits begründete Zweifel am Betriebsausgabencharakter dieser Zahlungen bestanden hätten. Im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages habe festgestanden, dass sich bei den von der S GmbH beauftragten Subfirmen um Scheinfirmen handle. Im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages habe die Abgabenbehörde davon ausgehen können, dass der Abgabenanspruch entstanden sei. Es sei auch mit näherer Begründung eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung vorgelegen und sei aus öffentlichem Interesse das Ermessen im Sinne der Erlassung eines Sicherstellungsauftrages zu üben gewesen.
13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die auf 23 Seiten zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, Sicherstellungsaufträge seien Exekutionstitel, die sämtliche Inhaltserfordernisse des § 232 Abs. 2 BAO enthalten müssten. Der Sicherstellungsauftrag vom 12. Jänner 2017 samt Beschwerdevorentscheidung sei durch das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts abgelöst worden. Die Erledigungen des Finanzamtes seien solcherart nicht mehr existent. Der Sicherstellungsauftrag des Finanzamtes sei ungeachtet seines „gehäuften Maßes an Fehlerhaftigkeit“ eine taugliche Grundlage für das exekutive Sicherungsverfahren gewesen. Das angefochtene Erkenntnis sei hingegen unvollständig, weil es von den drei spezifischen Inhaltserfordernissen des § 232 Abs. 2 BAO nur die lit. a enthalte, während die in lit. c und d geforderten Angaben fehlen würden. Hier liege keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vor, derer es schon deshalb bedürfe, weil es nicht nur um ein exekutives, sondern auch um ein finanzbehördliches Sicherungsverfahren ginge. Rein rechtlich sei der Beschwerde nur teilweise Folge gegeben worden, während der Spruch faktisch eine vollinhaltliche Stattgabe bedeute. Der Sicherstellungsauftrag vom 12. Jänner 2017 „sei aus dem Spiel“, sein Nachfolger, nämlich das angefochtene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts, sei als Exekutionstitel ungeeignet. Die Revision macht weiters „unüberbrückbare Widersprüche“ innerhalb des Erkenntnisses geltend. Das Bundesfinanzgericht habe die wirtschaftliche Betrachtungsweise ausgehebelt, weil es vollkommen von einer Beweis- und Feststellungslosigkeit getragen sei. Des Weiteren macht die Revision diverse Begründungsmängel geltend. Die Revision richtet sich weiters gegen die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichts betreffend die Scheinfirmen. Schließlich macht die Revision eine Verletzung des Parteiengehörs und einen Verstoß gegen das Überraschungsverbot geltend und moniert, dass keine Kassation stattgefunden habe.
14 Das Finanzamt hat nach Einleitung des Vorverfahrens eine Revisionsbeantwortung erstattet.
15 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
16 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
17 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
18 Die Revision bringt zunächst - ohne eine konkrete Rechtsfrage zu formulieren - vor, der Exekutionstitel sei dem Finanzamt „abhanden gekommen“, weil der Spruch des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichts den Spruch des Bescheides des Finanzamtes ersetzt habe und deshalb wesentliche Spruchbestandteile fehlen würden.
19 Weist das Verwaltungsgericht eine Beschwerde als unbegründet ab, ist dieser Spruch ‑ auch dann, wenn der Spruch des Bescheides nicht wiederholt wird ‑ so zu werten, als ob es ein mit dem bekämpften Bescheid im Spruch übereinstimmendes Erkenntnis erlassen hätte (vgl. VwGH 24.3.2015, Ro 2014/15/0042). Wird der Bescheidspruch abgeändert, ist bei der Gestaltung des Spruches und der Begründung zu berücksichtigen, dass durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts der Bescheid und die Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes wegfallen und durch das Erkenntnis ersetzt werden (vgl. VwGH 9.9.2015, Ro 2015/03/0032).
20 Der Spruch des Bundesfinanzgerichts lautet:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und der Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend abgeändert, dass gemäß § 232 BAO die Sicherstellung folgender Abgabenansprüche angeordnet wird: [...]. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
21 Aus diesem Spruch ergibt sich, dass das Bundesfinanzgericht den Bescheid des Finanzamtes im Hinblick auf die Angabe, für welche Abgabenansprüche eine Sicherstellung vorgenommen wird, sowohl der Höhe als auch den Abgabenarten nach, abgeändert und im Übrigen die Beschwerde als unbegründet abgewiesen hat. Dadurch wurden die übrigen Spruchbestandteile des Bescheides, die vom Bundesfinanzgericht nicht abgeändert wurden, in das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts übernommen. Dieses enthält somit alle Bestandteile des § 232 Abs. 2 BAO.
22 Die Revision moniert weiters weitwendig Begründungsmängel. Ein Begründungsmangel führt nur dann zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, wenn durch diesen Mangel die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird (vgl. z.B. VwGH 24.8.2023, Ra 2023/13/0052, mwN). Dass dies hier der Fall wäre, ist nicht erkennbar.
23 Die Revision zitiert als Beleg für die „unüberbrückbaren Widersprüche“ innerhalb des Erkenntnisses einzelne Textpassagen, die eindeutig als getätigte Aussagen des Geschäftsführers der S GmbH erkennbar sind, und stellt sie den abweichenden eigenen Erwägungen des Bundesfinanzgerichts gegenüber. Dass damit ein Begründungsmangel oder ein Widerspruch nicht aufgezeigt werden kann, bedarf keiner näheren Erörterung.
24 Wenn die Revision in einem „Exkurs“ zu den Begründungsmängeln anführt, dass die Voraussetzungen des § 162 BAO bei Ergehen des angefochtenen Sicherstellungsauftrages nicht vorgelegen seien, verabsäumt sie es, eine konkrete Rechtsfrage zu formulieren, insbesondere anzugeben, ob und von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Bundesfinanzgericht abgegangen ist oder dass eine solche Rechtsprechung nicht existiert.
25 Wenn die Revision eine „Feststellungslosigkeit“ rügt, weil das Bundesfinanzgericht nur die Betriebsprüfungsberichte angeführt habe, ist darauf zu verweisen, dass das Gericht ersichtlich Feststellungen aus diesen Prüfberichten übernommen und sich in seiner Würdigung tragend darauf gestützt hat. Zudem ist es nicht zutreffend, dass das Bundesfinanzgericht darüber hinaus keine eigenen Feststellungen getroffen hat. Wenn die Revision behauptet, es gebe keine Feststellungen zum Vorliegen der Scheinfirmen, ist dies unrichtig. Im Erwägungsteil des Bundesfinanzgerichts findet sich eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Betriebsprüfungsbericht und dem Vorliegen von Scheinfirmen sowie der Zurechnung eines Teils der Arbeitnehmer zur S GmbH.
26 Die Revision bringt weiters vor, dass die Voraussetzungen für die Erlassung des Sicherstellungsauftrages bei Ergehen des Bescheides nicht gegeben gewesen wären und wendet sich in dem Zusammenhang gegen die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichts betreffend die Scheinfirmen.
27 Dazu ist zunächst vorauszuschicken, dass ein Sicherstellungsauftrag kein abschließender Sachbescheid im Sinne des § 183 Abs. 4 BAO ist, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende „Sofortmaßnahme“, die dazu dient, selbst vor Feststellung des genauen Ausmaßes der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die spätere Einbringung der Abgabe gefährdet oder wesentlich erschwert wäre. Es liegt in der Natur einer solchen Maßnahme, dass sie nicht erst nach Erhebung sämtlicher Beweise, sohin nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens, gesetzt werden kann, sondern dass es genügt, dass die Abgabenschuld dem Grunde nach mit der Verwirklichung des abgabenrechtlich relevanten Sachverhaltes entstanden ist und gewichtige Anhaltspunkte für ihre Höhe sowie für die Gefährdung oder wesentliche Erschwerung ihrer Einbringung gegeben sind (vgl. VwGH 30.6.2015, 2012/15/0165, mwN). Ob der Abgabenanspruch tatsächlich entstanden ist, ist daher in einem Sicherstellungsverfahren nicht zu entscheiden (vgl. VwGH 4.6.2009, 2007/13/0056, mwN).
28 Da die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages die Verwirklichung jenes Tatbestandes voraussetzt, an den die Abgabepflicht geknüpft ist, muss ‑ im Hinblick auf die auch für Sicherstellungsaufträge geltende Begründungspflicht im Sinne des § 93 Abs. 3 lit. a BAO ‑ die Verwirklichung dieses Tatbestandes in der Begründung des Sicherstellungsauftrages oder in der diesen bestätigenden Entscheidung dargetan werden. Die Begründung muss in diesem Zusammenhang jedenfalls erkennen lassen, welcher konkrete Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde und welche Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung dafür maßgebend waren. Für die Feststellung des Sachverhaltes genügt die auf konkrete Umstände gestützte Vermutung, ohne dass bereits der Nachweis erbracht werden muss (vgl. VwGH 14.2.2023, Ra 2020/13/0007).
29 Nach der ständigen Rechtsprechung ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt lediglich dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist auch nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, das heißt, sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 5.5.2023, Ra 2022/15/0029, mwN).
30 Eine derart grob fehlerhafte Beweiswürdigung durch das Bundesfinanzgericht ist im Revisionsfall nicht ersichtlich.
31 Das Bundesfinanzgericht hat sich sehr ausführlich sowohl mit dem Betriebsprüfungsbericht als auch - entgegen dem Revisionsvorbringen - mit dem Parteienvorbringen beschäftigt und ist zu der Beurteilung gelangt, dass die Subunternehmer die Leistungen nicht erbracht hätten. Dabei hat es sich unter anderem darauf gestützt, dass sich an den Sitzadressen der Subfirmen keine Anhaltspunkte für die ausgeübte Tätigkeit ergeben hätten, eine Kontaktaufnahme zu den Geschäftsführern nicht möglich gewesen sei, teilweise Ansprechpartner angegeben worden seien, die zu Beginn der Leistungserbringung noch gar keine Geschäftsführer gewesen seien, die Subunternehmen kurz nach Beendigung der Zusammenarbeit mit der S GmbH insolvent oder im Firmenbuch gelöscht worden seien, auffallend niedrige Preise verrechnet worden wären, Anmeldungen nur von einzelnen Arbeitnehmern vorgenommen worden seien, sowie keine Bautagebücher, Leistungsverzeichnisse und detaillierte Regiestundenabrechnungen vorgelegt worden seien, obwohl laut Vertrag mit dem Subunternehmer diese wöchentlich mittels Unterschrift zu bestätigen und der S GmbH zu schicken gewesen wären. Im Übrigen hat auch der vom Revisionswerber beauftragte Gutachter in seinem vom Bundesfinanzgericht auszugsweise wiedergegebenen Gutachten zu den Gepflogenheiten in der Baubranche die Übermittlung der Nachweise zur Baustellendokumentation genannt.
32 Der Revision gelingt es nicht, mit ihrem Vorbringen zur Beweiswürdigung, das großteils aus einer Aufzählung von Rechtssätzen des Verwaltungsgerichtshofes besteht, teilweise ohne einen konkreten Bezug zum Revisionsfall herzustellen und statt dessen Formulierungen wie „solcherart nehmen sich weite Teile des Sicherstellungsauftrages ein weiteres Mal von selbst aus dem Spiel, ohne dass dazu noch viel zu sagen wäre“ oder „kein einziger schlüssiger Belastungsbeweis, keine Beweiswürdigung, damit kein Sachverhalt, keine Ausgewogenheit, kein Begründungswert“ enthalten und sonst eine konkrete Auseinandersetzung mit den umfangreichen Erwägungen des Bundesfinanzgerichts vermissen lässt, aufzuzeigen, dass die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichts mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Fehler behaftet wäre.
33 Die Revision macht weiters die Verletzung des Parteiengehörs und einen Verstoß gegen das Überraschungsverbot geltend. Damit macht es einen Verfahrensmangel geltend, der nur dann zu einer Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses führt, wenn in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers aufgezeigt wird (vgl. VwGH 28.8.2023, Ra 2021/15/0099, mwN). Die Revision darf sich nicht darauf beschränken, den Mangel bloß aufzuzeigen, sondern muss konkret darlegen, welches Vorbringen im Fall der Einräumung des vermissten Parteiengehörs erstattet worden wäre und inwiefern das Gericht dadurch zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre (vgl. VwGH 8.7.2019, Ra 2017/08/0119). Diesem Erfordernis wird die Revision nicht gerecht.
34 Im Hinblick auf das Überraschungsverbot verabsäumt es die Revision darzulegen, welche Sachverhaltselemente das Bundesfinanzgericht in seine rechtliche Würdigung einbezogen hat, die dem Revisionswerber nicht bekannt waren oder inwieweit gegen das Überraschungsverbot verstoßen wurde.
Soweit die Revision geltend macht, es wäre eine Kassation (Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde nach § 278 Abs. 1 BAO) geboten gewesen, so ist zu bemerken, dass im vorliegenden Fall einer umfangreichen Außenprüfung keine Rede davon sein kann, dass es zu einer „Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens“ vor die Kontrollinstanz käme. Eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt insoweit nicht vor (vgl. VwGH 28.12.2022, Ra 2020/13/0014).
35 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
36 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 14. Dezember 2023
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)