Normen
BAO §115 Abs1
BAO §167 Abs2
BAO §232
BAO §280 Abs1 lite
BAO §93 Abs3 lita
UStG 1994 §12
UStG 1994 §12 Abs1
UStG 1994 §6
VwGG §41
VwGG §42 Abs2 Z3 lita
62013CJ0131 Schoenimport "Italmoda" Mariano Previti VORAB
62017CC0531 Vetsch Int. Transporte Schlussantrag
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2020130007.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 10. August 2016 ordnete das Finanzamt die Sicherstellung der Umsatzsteuer aufgrund der Nichtanerkennung geltend gemachter Vorsteuer für die Monate Jänner bis April 2015 in näher angeführter Höhe in das Vermögen der Revisionswerberin an.
2 Begründend wurde unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 15. Juli 2016, RV/7101223/2016, ‑ mit dem ein bereits im Jahr 2015 erlassener, dieselben Sachverhalte betreffender Sicherstellungsauftrag zwar aufgrund der unrichtigen Bezeichnung der Abgabe teilweise aufgehoben, zugleich aber festgehalten worden sei, dass die gesetzlichen Anforderungen für eine Sicherstellung erfüllt gewesen seien ‑ ausgeführt, es bestünden (näher dargestellte) gewichtige Anhaltspunkte für die Beteiligung der Revisionswerberin an grenzüberschreitenden Umsätzen, die Teil eines „Umsatzsteuerkarussellbetruges“ gewesen seien. Diese Verdachtsmomente seien von den verantwortlichen Organen der Revisionswerberin nicht beachtet worden, womit die geltend gemachten Vorsteuern aus bestimmten Wareneinkäufen gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 iVm § 19 Abs. 2 Z 1 lit. a UStG 1994 (in der im verfahrensgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung) abzuerkennen seien. Aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Revisionswerberin sei von einer Gefährdung bzw. Erschwerung der Einbringung dieser Umsatzsteueransprüche auszugehen.
3 Der gegen den Sicherstellungsauftrag erhobenen Beschwerde der Revisionswerberin wurde zunächst mit Beschwerdevorentscheidung vom 11. Juni 2018 stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.
4 Mit Bescheid vom 20. Juli 2018 wurde die Beschwerdevorentscheidung vom 11. Juni 2018 gemäß § 299 BAO aufgehoben und zugleich eine neue, abweisende Beschwerdevorentscheidung erlassen. Die Revisionswerberin stellte einen Vorlageantrag.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde gemäß § 279 BAO als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
6 Nach umfangreicher Wiedergabe des Verfahrensgangs führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, für die Beurteilung der Entstehung des Abgabenanspruches ‑ als Grundvoraussetzung für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrags ‑ seien auch die Feststellungen im mittlerweile vorliegenden Bericht über das Ergebnis der bei der Revisionswerberin durchgeführten Außenprüfung betreffend Umsatzsteuer und die Zusammenfassenden Meldungen (im verfahrensgegenständlichen Zeitraum) heranzuziehen.
7 Nach diesem ‑ auszugsweise im Wortlaut wiedergegebenen ‑ Bericht, habe die Revisionswerberin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum wiederholt Lieferungen von beträchtlichen Warenposten an die unter einer tschechischen UID auftretende D T s.r.o. in Tschechien abgerechnet. Aufgrund von Hinweisen ungarischer Abgabenbehörden, wonach die Revisionswerberin und die D T s.r.o. an einem für Zwecke des Karussellbetruges in Gang gesetzten Warenkreislauf beteiligt gewesen seien, seien Anfragen an die zuständigen tschechischen Behörden gerichtet worden. Nach der erteilten Auskunft sei die D T s.r.o. eine „virtuelle“ Gesellschaft ohne unternehmerische Tätigkeit in Tschechien. Der nicht in Tschechien wohnhafte und für die tschechischen Abgabenbehörden nicht erreichbare Gesellschafter‑Geschäftsführer habe ‑ gegenüber der ungarischen Abgabebehörde ‑ angegeben, die Anteile über ein slowakisches „Büroserviceunternehmen“, das in Folge auch alle die D T s.r.o. betreffenden Veranlassungen (etwa die Vorauszahlung der Warenbestellungen an die Revisionswerberin) durchgeführt habe, erworben zu haben.
8 Die ‑ von der Revisionswerberin ‑ an die D T s.r.o. fakturierten Waren seien von dieser an die ungarische M‑H U Kft ‑ nach Aufnahme abgabenbehördlicher Prüfungen bei dieser Gesellschaft, an die ungarische T T Kft ‑ fakturiert worden. In der Folge seien die Waren über mehrere ungarische Gesellschaften, dann über eine in Österreich ansässige, als Händlerin tätige natürliche Person (Herr A) und von dieser schließlich wieder an die Revisionswerberin zurück fakturiert worden. Dieser verrechnete Warenkreislauf habe sich im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nachweislich mehrere Male in dieser Reihenfolge abgespielt.
9 Laut Auskunft ungarischer Abgabenbehörden handle es sich bei der M‑H U Kft und der T T Kft um Gesellschaften, unter deren Deckmantel ein vorgetäuschter Warenkreislauf (Karussellbetrug) in Gang gesetzt worden sei. Diese Firmen hätten die aufgrund der Weiterlieferung der Waren entstandene Umsatzsteuerschuld nicht erklärt (sogenannte „missing trader“).
10 Im Gegensatz zu den fakturierten Warenkreisläufen habe sich die tatsächliche Warenbewegung auf den Transport nach Ungarn und von dort zurück nach Österreich beschränkt. Die D T s.r.o. habe die bestellte Ware über einen ungarischen Frächter bei der Revisionswerberin abholen und direkt nach Budapest verbringen lassen. In Budapest seien diese Waren nur umgepackt und mit einem anderen Frächter ins Warenlager der Revisionswerberin zurückgebracht worden. Alle anderen vorgeblichen Lieferungen hätten nicht stattgefunden, was sich aufgrund von Ermittlungen der ungarischen Abgabenbehörden ergeben habe (etwa Auswertung der elektronischen Videoüberwachung ungarischer Straßen, Befragung beauftragter Frächter). Die Liefer- und Abnehmerkette sei nur künstlich eingerichtet worden, um Warenumsätze vorzutäuschen und aus Umsatzsteuergutschriften resultierende Guthaben zu schaffen, um diese von den durch Organe der als „missing traders“ eingeschalteten Gesellschaften eingerichteten Bankkonten abheben zu können.
11 Es seien objektive Umstände gegeben, anhand derer die verantwortlichen Vertreter der Revisionswerberin hätten erkennen müssen, dass die Lieferungen im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen gestanden seien, womit das Recht auf Vorsteuerabzug ‑ betreffend die erhaltenen Lieferungen ‑ gemäß § 12 UStG 1994 entfalle. So habe der Geschäftsführer der Revisionswerberin nie direkten Kontakt mit legitimierten Vertretern der D T s.r.o. gehabt, die Bestellungen seien durch den Geschäftsführer einer slowakischen Gesellschaft im Namen der D T s.r.o. per E‑Mail getätigt worden, dessen Vertretungsbefugnis ‑ hinsichtlich der D T s.r.o. ‑ nicht ausreichend nachgewiesen worden sei. Zur Überprüfung der tatsächlichen Geschäftstätigkeit der D T s.r.o. seien lediglich ein Firmenbuchauszug und kopierte Ausweisdokumente des Geschäftsführers eingeholt worden.
12 Die Lieferungen seien stets erst nach Vorauszahlung des gesamten Entgeltes ohne spezielle Vorkehrungen im Hinblick auf mögliche Leistungsstörungen erfolgt, wobei sich die Revisionswerberin nie habe bestätigen lassen, wer Abnehmer dieser Lieferungen gewesen sei. Aufgrund der Frachtpapiere sei für die Revisionswerberin aber erkennbar gewesen, dass die Lieferungen nach Ungarn bzw. später in die Slowakei ‑ und nicht nach Tschechien ‑ erfolgt seien. Die Transportkosten seien nicht von der Revisionswerberin getragen worden, der verrechnete Preisaufschlag erscheine daher als „Gewinn ohne Arbeit“ jedenfalls verdächtig.
13 Ein ordentlicher Geschäftsmann hätte Nachforschungen angestellt, um die Gründe für diese ungewöhnlichen Umstände herauszufinden und festzustellen, ob er sich mit seinen Umsätzen im vor- oder nachgelagerten Bereich an gezielten Verkürzungen betreffend Umsatzsteuer beteilige.
14 Zur Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe ‑ im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrags ‑ führte das Bundesfinanzgericht aus, aus den Bilanzen der Jahre 2015 und 2016 (jeweils zum 31.12.) ergebe sich, dass die Verbindlichkeiten und Rückstellungen das Anlage- und Umlaufvermögen übersteigen würden, wobei darin die sichergestellten Abgaben noch nicht enthalten seien. Laut vorläufigem, antragsgemäß ergangenem Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2016 seien im Jahr 2016 Erlöse von knapp 2 Mio. € erwirtschaftet worden, denen allerdings Aufwendungen in fast exakt derselben Höhe gegenübergestanden seien. Aufgrund dieser wirtschaftlichen Verhältnisse sei der Revisionswerberin zum Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrags weder ein ausreichendes Vermögen noch ein ausreichendes laufendes Einkommen zur Abdeckung der Steuerschulden zur Verfügung gestanden.
15 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
16 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
17 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
18 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
19 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit zunächst vor, es seien mehrere Rechtsfragen zu klären. So sei in Bezug auf § 12 UStG 1994 nicht entschieden worden, was die objektiven Kriterien seien, dass „ein Unternehmer wusste oder wissen musste“, dass der betreffende Umsatz in Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen stünde. Nicht geklärt sei weiters, ob sich dieser Tatbestand ausschließlich auf ein solches Finanzvergehen beziehe, das einen vor- oder nachgelagerten Umsatz betreffe oder ob dies in der Unternehmerkette irgendeinen oder den direkt vorgelagerten oder nachgelagerten Umsatz betreffe. Schließlich sei die Rechtsfrage ungeklärt, wann von einem Unternehmer verlangt werden könne, den Ablauf der Betrügereien zu erkennen, insofern, als der EuGH den Unternehmer davor bewahre, überhöhten detektivischen Ansprüchen gerecht zu werden.
20 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.
21 Zur Frage, ob der Vorsteuerabzug nur dann zu versagen ist, wenn das Finanzvergehen den direkt vorgelagerten oder nachgelagerten Umsatz betrifft, ist auf die ständige Rechtsprechung des EuGH zu verweisen, wonach einem Unternehmer kein Recht auf Vorsteuerabzug, auf Mehrwertsteuerbefreiung oder auf Mehrwertsteuererstattung zusteht, wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass der betreffende Umsatz oder ein anderer Umsatz in der Lieferkette, der dem vom Vertragspartner des Unternehmers getätigten Umsatz vorausgegangenen oder nachgefolgt ist, mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet war (vgl. insb. EuGH 18.12.2014, Schoenimport „Italmoda“ Mariano Previti vof u.a., C‑131/13 , C‑163/13 und C‑164/13 , Rn 66, wonach die ‑ das Recht auf Vorsteuerabzug ausschließende ‑ Beteiligung an einer Mehrwertsteuerhinterziehung darin bestehen kann, dass sich der Betreffende bewusst war oder hätte bewusst sein müssen, dass er sich „an einer Kette von Umsätzen beteiligte, in deren Rahmen ein anderer Wirtschaftsteilnehmer mit einem späteren Umsatz in einem anderen Mitgliedstaat die Begehung dieser Steuerhinterziehung vollendet“). Die in der Revision angesprochene Rechtsfrage ist daher bereits durch die Rechtsprechung des EuGH beantwortet (vgl. dazu auch VwGH 26.3.2014, 2009/13/0172, mwN).
22 Zur vorgeblich ungeklärten Rechtsfrage, wann der Unternehmer wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine vom Lieferer oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist, kann auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen werden, wonach diese Beurteilung von Tatfragen abhängt, die die Abgabenbehörde bzw. das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände zu beurteilen hat. Diese unterliegt insoweit der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, als das Ausreichen der Sachverhaltsermittlungen und die Übereinstimmung der behördlichen Überlegungen zur Beweiswürdigung mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut zu prüfen ist (vgl. VwGH 3.6.2022, Ra 2020/13/0040; 10.9.2020, Ra 2018/13/0106; 19.12.2018, Ra 2017/15/0012, jeweils mwN).
23 Zutreffend ist, dass die Steuerverwaltung von einem Steuerpflichtigen nicht generell verlangen kann, zu prüfen, ob etwa der Aussteller der Rechnung seinen Verpflichtungen hinsichtlich der Erklärung und Abführung der Mehrwertsteuer nachgekommen ist, um sich zu vergewissern, dass auf der Ebene der Wirtschaftsteilnehmer einer vorhergehenden Umsatzstufe keine Unregelmäßigkeiten und Steuerhinterziehung vorliegen. Bei Vorliegen von Anhaltspunkten für Unregelmäßigkeiten kann der Steuerpflichtige aber dazu verpflichtet sein, über einen anderen Wirtschaftsteilnehmer, von dem er Gegenstände oder Dienstleistungen zu erwerben beabsichtigt, Auskünfte einzuholen, um sich von dessen Zuverlässigkeit zu überzeugen (vgl. VwGH 27.1.2021, Ra 2020/13/0068, mwN). Dass derartige Anhaltspunkte im vorliegenden Verfahren vorlagen, ergibt sich aus den Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichts.
24 Mit den weiteren Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung wendet sich die Revisionswerberin gegen die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichtes und macht Begründungsmängel und sonstige Verfahrensfehler geltend.
25 Vorauszuschicken ist, dass ein Sicherstellungsauftrag kein abschließender Sachbescheid im Sinne des § 183 Abs. 4 BAO ist, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende „Sofortmaßnahme“, die dazu dient, selbst vor Feststellung des genauen Ausmaßes der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die spätere Einbringung der Abgabe gefährdet oder wesentlich erschwert wäre. Es liegt in der Natur einer solchen Maßnahme, dass sie nicht erst nach Erhebung sämtlicher Beweise, sohin nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens, gesetzt werden kann, sondern dass es genügt, dass die Abgabenschuld dem Grunde nach mit der Verwirklichung des abgabenrechtlich relevanten Sachverhaltes entstanden ist und gewichtige Anhaltspunkte für ihre Höhe sowie für die Gefährdung oder wesentliche Erschwerung ihrer Einbringung gegeben sind (vgl. VwGH 30.6.2015, 2012/15/0165, mwN). Ob der Abgabenanspruch tatsächlich entstanden ist, ist daher in einem Sicherstellungsverfahren nicht zu entscheiden (vgl. VwGH 4.6.2009, 2007/13/0056, mwN).
26 Da die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages die Verwirklichung jenes Tatbestandes voraussetzt, an den die Abgabepflicht geknüpft ist, muss ‑ im Hinblick auf die auch für Sicherstellungsaufträge geltende Begründungspflicht im Sinne des § 93 Abs. 3 lit. a BAO ‑ die Verwirklichung dieses Tatbestandes in der Begründung des Sicherstellungsauftrages oder in der diesen bestätigenden Entscheidung dargetan werden. Die Begründung muss in diesem Zusammenhang jedenfalls erkennen lassen, welcher konkrete Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde und welche Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung dafür maßgebend waren (vgl. VwGH 8.10.2020, Ra 2020/13/0044, mwN). Für die Feststellung des Sachverhaltes genügt die auf konkrete Umstände gestützte Vermutung, ohne dass bereits der Nachweis erbracht werden muss (vgl. VwGH 16.12.2014, Ro 2014/16/0070).
27 In der Zulässigkeitsbegründung wendet sich die Revisionswerberin nicht konkret gegen den vom Bundesfinanzgericht der Entscheidung zu Grunde gelegten Sachverhalt und bestreitet auch nicht das Vorliegen eines Umsatzsteuerkarussellbetrugs im Rahmen der Lieferkette. Bekämpft wird lediglich die Beurteilung, wonach die Revisionswerberin von der Einbeziehung ihrer Lieferungen in einen Umsatzsteuerbetrug zumindest hätte wissen müssen.
28 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass ‑ auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentlichste zusammengefasst ‑ jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 28.12.2022, Ra 2020/13/0014, mwN).
29 Soweit die Revisionswerberin vorbringt, die belangte Behörde habe unterlassen detailliert darzulegen, bei welcher Rechnung aus welchen Gründen die geltend gemachte Vorsteuer nicht anerkannt werde, ist ihr zu entgegnen, dass dem Bericht über das Ergebnis der durchgeführten Außenprüfung ‑ auf den das angefochtene Erkenntnis tragend gestützt ist ‑ eine Aufstellung der betroffenen Eingangsrechnungen (betreffend Warenbestellungen der Revisionswerberin bei Herrn A) und die Darstellung der verrechneten Warenkreisläufe entnommen werden können. Dass ihr dieser Bericht nicht zugegangen sei, behauptet die Revisionswerberin nicht. Sie bringt lediglich vor, die in der Urteilsbegründung enthaltenen „Sachverhaltsermittlungen“ seien ihr nicht bekannt, legt aber nicht dar, welche konkreten Ermittlungsergebnisse damit gemeint sind.
30 Die Revisionswerberin bemängelt weiters die unterlassene Würdigung einer Vielzahl vorgelegter Unterlagen, die Übergehung gestellter Beweisanträge und die Unterlassung der beantragten Einvernahme von Zeugen, führt allerdings nicht aus, welche konkreten Anträge (welchen Inhalts) betroffen sein sollen und welche Relevanz deren ‑ behauptete ‑ Nichtberücksichtigung für den Ausgang des Verfahrens haben soll. Auch bei der ausdrücklich genannten ‑ beantragten aber unterlassenen ‑ Einvernahme des „Geschäftsführers des Geschäftspartners“ fehlen jegliche Ausführungen zur Relevanz.
31 Vorgebracht wird auch das Vorliegen von Aktenwidrigkeit. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine Aktenwidrigkeit allerdings nicht schon dann vor, wenn die Behörde oder das Verwaltungsgericht einen Sachverhalt feststellt, der lediglich mit dem Vorbringen einer Partei im Widerspruch steht (vgl. dazu VwGH 14.1.2020, Ro 2018/16/0046, mwN). Vielmehr liegt eine Aktenwidrigkeit erst dann vor, wenn sich die Behörde (das Verwaltungsgericht) bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch gesetzt hat, wenn also der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben wurde, nicht aber, wenn Feststellungen getroffen wurden, die auf Grund der Beweiswürdigung mit den Behauptungen einer Partei nicht übereinstimmen (vgl. VwGH 9.4.2021, Ra 2020/17/0052, mwN). Weder wird in der Revision ausgeführt, welche konkreten Feststellungen des Bundesfinanzgerichtes aktenwidrig sein sollen, noch sind derartige Feststellungen ersichtlich.
32 Die Revisionswerberin moniert weitwendig die vorgeblich vom Bundesfinanzgericht angenommene Verpflichtung zu einer detektivischen Vorgangsweise bei der Untersuchung, ob bei vor- oder nachgelagerten Umsätzen eine Abgabenhinterziehung stattgefunden habe. Diese überhöhten Kontrollpflichten seien durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht gedeckt, die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichtes sei daher mangelhaft.
33 Ob der Unternehmer wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine vom Lieferer oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist, hängt ‑ wie bereits ausgeführt ‑ nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von Tatfragen ab, die in freier Beweiswürdigung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände zu beurteilen sind. Diese Beurteilung unterliegt nur insoweit der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, als das Ausreichen der Sachverhaltsermittlungen und die Übereinstimmung der behördlichen Überlegungen zur Beweiswürdigung mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut zu prüfen ist (vgl. erneut VwGH 10.9.2020, Ra 2018/13/0106, mwN).
34 Das Bundesfinanzgericht hat in der angefochtenen Entscheidung, gestützt auf die wiedergegebenen Ausführungen im Bericht über das Ergebnis der durchgeführten Außenprüfung, Umstände dargelegt, aus denen ein Sorgfaltsverstoß der Revisionswerberin ‑ hinsichtlich der Geschäftsbeziehungen in der Lieferkette ‑ abgeleitet werden könne.
35 Die Revisionswerberin vermag mangels eines konkreten Vorbringens zu den diesbezüglichen Erwägungen des Bundesfinanzgerichts nicht darzulegen, dass die Beurteilung des Bundesfinanzgerichts, in einer Gesamtbetrachtung sei fallbezogen die Sorgfalt eines ordentlichen Unternehmers nicht erfüllt worden, unvertretbar gewesen wäre.
36 Wenn die Revisionswerberin schließlich auf die nicht beachtete Vertrauensschutzregelung des Art. 7 Abs. 4 UStG 1994 hinweist, zeigt sie damit schon deshalb die Zulässigkeit der Revision nicht auf, weil der im angefochtenen Erkenntnis geltend gemachte Abgabenanspruch nicht auf die Versagung der Steuerfreiheit der von der Revisionswerberin getätigten Lieferungen ‑ an die tschechische D T s.r.o. ‑ zurückzuführen ist.
37 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
38 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 14. Februar 2023
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