VwGH Ra 2022/09/0068

VwGHRa 2022/09/00689.8.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision der A B in C, vertreten durch Mag.a Petra Laback, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Rotenturmstraße 27/5/6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 16. März 2022, LVwG‑408‑62/2021‑R1, betreffend Vergütung für Verdienstentgang nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bludenz), den Beschluss gefasst:

Normen

COVID-19 BH Zell am See 2020/03/13
EpidemieG 1950 §20
EpidemieG 1950 §32
EpidemieG 1950 §32 Abs1
EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z5
EpidemieG 1950 §40 Abs1 litc
GewO 1994 §111 Abs1 Z1
MRKZP 01te Art1
StGG Art5
StGG Art6

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022090068.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin betreibt im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Bezirkshauptmannschaft Bludenz (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde) die „Appartements X“ (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof).

2 Mit Schreiben vom 28. April 2020 beantragte die Revisionswerberin im Hinblick auf die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 14. März 2020 betreffend die Schließung des Seilbahnbetriebes und von Beherbergungsbetrieben zur Verhinderung der Ausbreitung von SARS‑CoV‑2 im gesamten Bezirk, Amtsblatt für das Land Vorarlberg Nr. 13/2020, Ersatz für ihren (während der Geltungsdauer dieser Verordnung entstandenen) Verdienstentgang für den Zeitraum vom 16. bis 27. März 2020 gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG).

3 Mit dem im Beschwerdeverfahren ergangenen angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg der gegen den diesen Antrag abweisenden Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 14. Juni 2021 erhobenen Beschwerde keine Folge. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG erklärte es für nicht zulässig.

4 Dem legte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen zugrunde, dass die Revisionswerberin diese „Appartements X“ in Form einer Privatzimmervermietung betrieben habe, welche (als „nach ihrer Eigenart und ihrer Betriebsweise in die Gruppe der häuslichen Nebenbeschäftigungen fallender und durch die gewöhnlichen Mitglieder des eigenen Hausstandes betriebener Erwerbszweig“) nach § 2 Abs. 1 Z 9 GewO 1994 vom Anwendungsbereich der GewO ausgenommen und auch nicht von § 111 Abs. 1 Z 1 leg. cit. erfasst sei; damit habe sie auch nicht der von der Revisionswerberin anspruchsbegründend herangezogenen Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bludenz unterlegen, mit der (in deren § 2 Abs. 1) auf Grund des § 20 EpiG die Schließung von „Beherbungsbetrieben (§ 111 Abs. 1 Z 1 GewO 1994) im gesamten Bezirk Bludenz“ angeordnet wurde und sei der entstandene Vermögensschaden nicht durch die im § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG aufgezählte Maßnahme entstanden.

5 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision.

6 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision zunächst vor, es liege keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage vor, was unter den in der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 14. März 2020 verwendeten Begriff „Beherbergungsbetrieb“ zu subsumieren sei. Darüber hinaus monierte die Revisionswerberin einen Widerspruch zu einer näher zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 16.12.2021, Ra 2021/09/0214), aus welcher die Revision einzelne Rechtssätze zitiert.

9 Dazu ist die Revisionswerberin zunächst auf Folgendes hinzuweisen: Wird als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, ist konkret anzuführen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Auch eine bloße Wiedergabe von Rechtssätzen von Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes oder ein Zitieren von Erkenntnissen der Zahl nach, ohne auf konkrete Unterschiede hinzuweisen, wird diesen Anforderungen nicht gerecht (vgl. VwGH 24.5.2017, Ra 2017/09/0017, mit Hinweis auf VwGH 19.5.2014, Ra 2014/09/0001).

10 Im Übrigen gelingt es der Revision auch keinen Widerspruch zu der von ihr zitierten Entscheidung aufzuzeigen: Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 16. Dezember 2021, Ra 2021/09/0214, in Zusammenhang mit der Geltendmachung von Verdienstentgang nach dem Epidemiegesetz für einen eine Gewerbeberechtigung nach § 111 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 benötigenden Betrieb, für den eine solche jedoch nicht erteilt war, ausgesprochen, dass die Frage der Schließung des Beherbergungsbetriebs von der Frage der Vergütung des Verdienstentgangs zu trennen ist (Rn. 28 ff). Für die erfolgreiche Geltendmachung eines Ersatzanspruchs nach § 32 EpiG muss es sich bei dem geltend gemachten Anspruch um einen Vermögensnachteil aus einem für den Anspruchsteller zulässigen Erwerb handeln. Damit ist es für eine Vergütung nach § 32 Abs. 1 Z 5 iVm Abs. 4 EpiG entscheidend, dass der von einem selbstständig Erwerbstätigen geltend gemachte Vergütungsanspruch aus einem für diesen zulässigen Erwerb stammt. Inwiefern das Verwaltungsgericht von dieser Entscheidung abgewichen sein soll, zeigt die Revision nicht auf.

11 Zu einer ‑ der im Revisionsfall gegenständlichen Verordnung entsprechenden ‑ Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Zell am See hat der Verwaltungsgerichtshof zudem bereits ausgesprochen, dass der Wortlaut der Verordnung, wonach „Beherbergungsbetriebe (§ 111 Abs. 1 Z 1 GewO 1994)“ zu schließen sind, keinen Anhaltspunkt dafür bietet, dass von der angeordneten Betriebsschließung auch eine (nach dem Vorbringen der dortigen Revisionswerberin) als häusliche Nebenbeschäftigung ausgeübte Vermietung einer Ferienwohnung erfasst sein sollte, da es sich dabei um keinen Beherbergungsbetrieb im Sinne des § 111 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 handelt. In Anbetracht des mit einer solchen Betriebsschließung verbundenen Eingriffs in die Grundrechte auf Schutz des Eigentums und auf Erwerbsfreiheit (vgl. Art. 1 1. ZPEMRK sowie Art. 5 und 6 StGG) kommt eine ausdehnende Auslegung der verfügten Betriebsschließung nicht in Betracht (vgl. dazu VwGH 28.12.2021, Ra 2021/03/0297).

12 Die Revisionswerberin argumentiert im vorliegenden Fall damit, einen Beherbergungsbetrieb zu führen, ohne jedoch über eine Gewerbeberechtigung zu verfügen. Folglich verfügt die Revisionswerberin nach ihrem eigenen Vorbringen auch nicht über eine Gewerbeberechtigung nach § 111 Abs. 1 Z 1 GewO 1994. Die von § 2 Abs. 1 der gegenständlichen Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bludenz angeordnete Betriebsschließung umfasst nach ihrem unmissverständlichen Wortlaut aber nur „Beherbergungsbetriebe (§ 111 Abs. 1 Z 1 GewO 1994)“, also nur solche, für die es einer Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe bedarf (siehe insofern vergleichbar VwGH 28.12.2021, Ra 2021/03/0297). Die Geltendmachung eines Verdienstentgangs durch die Revisionswerberin scheitert daher bereits am Vorliegen eines gemäß § 20 EpiG beschränkten oder gesperrten Unternehmens (vgl. § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG).

13 Sollte das Vorbringen der Revisionswerberin auch dahin zu verstehen sein, dass sie meint für den Betrieb der „Appartements X“ eine Gewerbeberechtigung nach § 111 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 zu brauchen, diese jedoch nicht zu haben, führt diese Argumentation zu keinem anderen Ergebnis: In diesem Fall scheitert der Verdienstentgangsanspruch nach der von der Revision zitierten Entscheidung (VwGH 16.12.2021, Ra 2021/09/0214) daran, dass es sich mangels Gewerbeberechtigung bei dem Vermögensnachteil nicht um einen solchen aus einem für den Anspruchsteller (die Revisionswerberin) zulässigen Erwerb handelt.

14 Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis nicht abgewichen, wenn es im Ergebnis den Vergütungsanspruch mit der Begründung abgewiesen hat, dass die Behinderung des Erwerbs und der dadurch entstandene Vermögensnachteil nicht durch die in § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG aufgezählten Maßnahmen entstanden sei. Auf die Frage, ob die „Appartements X“ als Privatzimmervermietung betrieben werden, was das Verwaltungsgericht annahm aber von der Revisionswerberin bestritten wurde, und daher von der GewO 1994 ausgenommen sind, kommt es dabei nicht an.

15 Wenn die Revisionswerberin schließlich vorbringt, das Verwaltungsgericht habe trotz ausdrücklichen Antrags keine mündliche Verhandlung durchgeführt, gelingt es ihr auch damit nicht, die Zulässigkeit der Revision aufzuzeigen: Wie das Verwaltungsgericht ‑ nach dem Akteninhalt ‑ zutreffend annahm, stellte die Revisionswerberin in ihrer Beschwerde gerade eben keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Im Übrigen wurde auch weder eine Tatsachen- noch eine Rechtsfrage aufgeworfen, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte (vgl. dazu u.a. VwGH 16.2.2022, Ra 2021/09/0252).

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 9. August 2022

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