VwGH Ra 2019/09/0094

VwGHRa 2019/09/00942.7.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die außerordentliche Revision des Bürgermeisters der Marktgemeinde Guntramsdorf in Guntramsdorf, vertreten durch Dr. Andreas Pistotnig, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Neuer Markt 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 23. April 2019, Zl. LVwG‑AV‑965/001‑2018, betreffend Suspendierung nach § 134 Niederösterreichische Gemeindebeamtendienstordnung 1976 (weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: A B in C, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz‑Josefs‑Kai 5), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
GdBDO NÖ 1976 §134
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019090094.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Marktgemeinde Guntramsdorf hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Guntramsdorf ‑ dem nunmehrigen Revisionswerber ‑ vom 1. August 2018 wurde der Mitbeteiligte wegen des Verdachts, er habe als leitender Gemeindebediensteter (zu 1.) am 6. Juni 2017 ein näher genanntes E‑Mail an den Geschäftsführer einer näher genannten GmbH versendet, um dadurch diese Gesellschaft bei der Abwehr von Schadenersatzforderungen der Marktgemeinde Guntramsdorf und einer weiteren, näher genannten Gesellschaft infolge Falschberatung im Zusammenhang mit der Begebung einer Anleihe zu unterstützen, wodurch er schuldhaft eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 28 Abs. 1 und 4 iVm § 113 Niederösterreichische Gemeindebeamtendienstordnung 1976 (NÖ GBDO) begangen habe, und (zu 2.) seit 2015 in näher dargestellter Art und Weise seine Dienstzeiten nicht eingehalten und Überstunden geltend gemacht, obwohl er diese Überstunden nicht geleistet habe, wodurch er schuldhaft eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 28 Abs. 1 und § 32 Abs. 1 iVm § 113 NÖ GBDO begangen habe, gemäß § 134 Abs. 1 NÖ GBDO suspendiert.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 23. April 2019 wurde ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung an vier Terminen ‑ der vom Mitbeteiligten dagegen erhobenen Beschwerde Folge gegeben und der Suspendierungsbescheid vom 1. August 2018 „aufgehoben und für rechtswidrig erkannt“. Weiters wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

3 Das Verwaltungsgericht ging im Kern davon aus, dass „die zur Suspendierung führenden rechtlich erforderlichen Verdachtsmomente in der vom Gesetzgeber statuierten Dichte in der Person“ des Mitbeteiligten nicht vorlägen.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Bürgermeisters der Marktgemeinde Guntramsdorf.

5 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor.

6 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

7 Die Revision erweist sich als unzulässig:

8 Gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (vgl. VwGH 25.9.2019, Ra 2018/09/0115; 24.1.2019, Ra 2018/09/0210; 21.3.2018, Ra 2018/09/0017).

11 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zunächst geltend gemacht, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es in Ansehung des zu Punkt 2. des behördlichen Bescheides vorgeworfenen Verdachts einer Dienstpflichtverletzung seiner Begründungspflicht nicht entsprochen und bloß auf die Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft verwiesen habe, anstatt „die Beweise dahingehend zu beurteilen, ob nicht sehr wohl unabhängig von der Verwirklichung eines strafgerichtlichen Tatbestandes der Verdacht einer wesentlichen Dienstpflichtverletzung“ vorliege. Es gebe überhaupt keine inhaltliche Auseinandersetzung mit den vorliegenden Beweismitteln. Im Weiteren wird in diesem Zusammenhang mit näheren Ausführungen der Standpunkt eingenommen, das Verwaltungsgericht hätte sich diesbezüglich nicht nur mit der Aussage eines Zeugen, sondern mit den weiteren vorliegenden Beweismitteln ‑ insbesondere mit im Einzelnen näher aufgezählten Urkunden ‑ auseinandersetzen müssen. Das Verfahren leide insofern auch an einem wesentlichen Verfahrensmangel, als das Verwaltungsgericht den Bürgermeister selbst dazu befragen hätte müssen. Bei Berücksichtigung dieser Beweise wäre das Verwaltungsgericht „zu dem Ergebnis gelangt, dass der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung sehr wohl ausreichend begründet vorliegt“.

12 Zu diesem Vorbingen ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz von Verfahrensmängeln, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden muss, wenn Verfahrensmängel ‑ wie hier Ermittlungs- und Begründungsmängel ‑ als Zulassungsgründe ins Treffen geführt werden (vgl. VwGH 19.2.2020, Ra 2020/14/0036; 1.10.2019, Ra 2018/17/0225; 25.2.2019, Ra 2018/19/0579). Mit den vorliegenden Zulässigkeitsausführungen wird Derartiges aber nicht dargelegt. Insbesondere reicht die bloße Aufzählung von Urkunden, die einer beweiswürdigenden Auseinandersetzung bedurft hätten, oder der bloße Verweis darauf, dass der Bürgermeister dazu einvernommen hätte werden können bzw. müssen, zur Darlegung der Relevanz der geltend gemachten Verfahrensmängel nicht aus.

13 Dem Zulässigkeitsvorbringen sind auch keine Ausführungen mit Blick darauf zu entnehmen, dass der Mitbeteiligte dem Vorwurf einer diesbezüglichen Dienstpflichtverletzung im Kern nicht mit einer Bestreitung der Ergebnisse „der Auswertung der elektronischen Türschlossdaten“, sondern mit der Behauptung entgegengetreten ist, dass ihm (und auch anderen leitenden Gemeindebediensteten) bereits im Jahr 2004 vom damaligen Bürgermeister die Berechtigung eingeräumt worden sei, „nicht an die Amtsräumlichkeiten gebundene Arbeiten ... auch außerhalb dieser zu verrichten und die hiefür aufgewendete Zeit als Arbeitszeit (Dienstzeit) zu deklarieren“. Unter welchen Gesichtspunkten diese Behauptungen mit den vorliegenden Beweisergebnissen im Widerspruch stehen, sodass vor diesem Hintergrund den geltend gemachten Verfahrensmängeln Relevanz zukäme, wird in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision nicht dargelegt. Soweit in der Revision aber darauf Bezug genommen wird, es sei erst im Zuge des Disziplinarverfahrens zu klären, ob die Vorgangsweise des Mitbeteiligten „durch eine vereinbarte Heimarbeitsleistung gerechtfertigt“ gewesen sei, so ist ‑ wäre dies dahin zu verstehen, die Suspendierung sei von der belangten Behörde ohne vorherige Vergewisserung, dass dem Mitbeteiligten die in Rede stehende Berechtigung zur Heimarbeit nicht eingeräumt worden ist, ausgesprochen worden ‑ nicht ohne weiteres zu erkennen, dass bei Ausspruch der Suspendierung diesbezüglich hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte vorgelegen hätten, die auf das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung hindeuteten. Auch wenn bei der Suspendierung nicht nachgewiesen zu werden braucht, dass der Beamte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung tatsächlich begangen hat, und es demnach genügt, wenn gegen den Beschuldigten (objektiv) ein Verdacht besteht, ist Letzteres (nur) dann der Fall, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte auf das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung hindeuten (vgl. VwGH 20.10.2015, Ra 2015/09/0035; 1.7.2010, 2010/09/0084; 16.9.2009, 2009/09/0121).

14 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision werden im Weiteren mit umfangreichen, rund dreizehnseitigen Ausführungen Begründungsmängel bzw. ‑ der Sache nach ‑ eine unrichtige Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes hinsichtlich des zu Punkt 1. des behördlichen Bescheides vorgeworfenen Verdachts einer Dienstpflichtverletzung geltend gemacht.

15 Soweit diese Ausführungen Fragen im Zusammenhang mit der Berechtigung einer Suspendierung auf Grundlage des vom Revisionswerber behaupteten, vom Verwaltungsgericht aber nicht festgestellten Sachverhaltes ansprechen, erweist sich die Revision als nicht gesetzmäßig ausgeführt. Soweit sich das Zulässigkeitsvorbringen der Sache nach aber gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung richtet, ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof ‑ als Rechtsinstanz ‑ zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 30.3.2020, Ra 2019/09/0057; 29.10.2019, Ra 2019/09/0146; 22.5.2019, Ro 2019/09/0002). Derartiges wird hier aber nicht aufgezeigt, reicht es dafür doch nicht aus, dass aufgrund der Beweisergebnisse auch ein anderes Ergebnis begründbar gewesen wäre. Soweit auch in diesem Zusammenhang auf die beantragte, vom Verwaltungsgericht aber unterlassene Einvernahme des Bürgermeisters Bezug genommen wird, gilt das bereits oben Gesagte.

16 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

17 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 2. Juli 2020

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