European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019090002.J00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der im Jahr 1961 geborene Revisionswerber steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist der Österreichischen Post AG zur Dienstleistung zugewiesen. 2 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht den Revisionswerber schuldig, er habe am 16. Juli 2015 um 13.15 Uhr und zu unbekannten Zeitpunkten nach dem 10. Juli 2015 im Rahmen seiner Dienstverrichtung in einer bestimmten Postfiliale insgesamt 22 Stück Brieflose näher bezeichneter Serien in einem Gesamtwert von 53 Euro an sich genommen, ohne sie zu verrechnen. Er habe diese Lose am nächsten Tag, den 17. Juli 2015, um 17.38 Uhr, nachdem er mit Unregelmäßigkeiten bei der Verrechnung konfrontiert worden sei, in der Pause der Einvernahme heimlich in den beim dortigen Schalter vier befindlichen, leeren Dispenser zurückgelegt und erst am 19. Juli 2015 in einer SMS an eine Vertrauensperson diesen Umstand offengelegt, sodass die Lose wieder aufgefunden worden seien.
3 Der Revisionswerber habe dadurch die Dienstpflichten eines Beamten nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 333/1979, nämlich seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen (§ 43 Abs. 1 BDG 1979), sowie in seinem gesamten Verhalten auf das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben Bedacht zu nehmen (§ 43 Abs. 2 BDG 1979), gemäß § 91 BDG 1979 vorsätzlich verletzt, wofür über ihn gemäß § 126 Abs. 2 in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Z 3 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe von einem Monatsbezug verhängt wurde (Spruchpunkt I.).
4 Mit Spruchpunkt II. des Erkenntnisses wurde der Revisionswerber gemäß § 17 VwGVG, § 117 Abs. 2 BDG 1979 zum Ersatz von insgesamt 915 Euro an zunächst aus Amtsgeldern berichtigten Sachverständigengebühren verpflichtet.
5 Das Bundesverwaltungsgericht erklärte die Revision gegen Spruchpunkt II. für zulässig; im Übrigen für nicht zulässig. 6 Letzteres begründete es fallunspezifisch mit dem Fehlen einer erheblichen Rechtsfrage; die Zulässigkeit der Revision sah es im Fehlen einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Möglichkeit der Kostenauferlegung durch das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 117 Abs. 2 BDG 1979 gelegen, wobei diese Rechtsfrage über den Einzelfall hinaus Bedeutung habe.
7 Sowohl gegen Spruchpunkt I., als auch gegen Spruchpunkt II. wendet sich die Revision, mit der der Revisionswerber das Erkenntnis zur Gänze anficht.
8 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. 9 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Revisionswerber auch bei Erhebung einer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er eine andere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. In einem solchen Fall ist vom Revisionswerber auf die vorliegende Rechtssache bezogen hinsichtlich jeder von ihm als von grundsätzlicher Bedeutung qualifizierten Rechtsfrage konkret aufzuzeigen, warum der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsfrage in einer Entscheidung über die Revision als solche von grundsätzlicher Bedeutung zu behandeln hätte, von der die Lösung der Revision abhängt (vgl. zum Ganzen VwGH 20.3.2019, Ro 2019/09/0003; siehe ferner VwGH 25.3.2019, Ro 2018/08/0014). 11 Der Revisionswerber sieht die Zulässigkeit seiner Revision im Hinblick auf Spruchpunkt I. zunächst darin gelegen, dass die Rechtsfrage zu klären sei, ob eine Vernichtung von (möglichen) Entlastungsbeweisen durch den Dienstgeber zu Lasten des Beschuldigten gehen dürfe. Mit den in diesem Zusammenhang gemachten Ausführungen releviert der Revisionswerber im Wesentlichen, dass die Aufnahmen der Überwachungskameras zusammengeschnitten worden seien, die Originalaufnahmen nicht mehr vorhanden wären und auch die Originallose bereits verkauft worden seien. Lediglich eine Fotokopie der Lose und eine Liste mit deren Seriennummern seien der Entscheidung zugrunde gelegt worden. 12 Dieses Zulässigkeitsvorbringen richtet sich der Sache nach vornehmlich gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz nach dem Revisionsmodell im Allgemeinen nicht berufen ist. Vor dem Hintergrund des Umfangs der Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der in einem Einzelfall erfolgten Beweiswürdigung nämlich nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer grob fehlerhaften, unvertretbaren Weise vorgenommen hat, sodass dadurch die Rechtssicherheit beeinträchtigt ist (VwGH 21.11.2018, Ra 2018/09/0148 bis 0150; 8.11. 2016, Ra 2016/09/0097, je mwN). Davon kann im vorliegenden Fall im Hinblick auf die beweiswürdigenden Darlegungen im angefochtenen Erkenntnis keine Rede sein. Dies wird durch die Revisionsausführungen auch nicht aufgezeigt.
13 Wie der Revisionswerber ferner selbst einräumt, gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gemäß § 17 VwGVG und § 45 Abs. 2 AVG auch für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht uneingeschränkt (VwGH 10.9.2018, Ra 2018/19/0451, mwN). Für das von ihm wegen näher dargelegter Zweifel an der Richtigkeit der Beweismittel der Videoaufzeichnung und der Liste mit den Losen geforderte Beweisverwertungsverbot fehlt es schlicht an einer gesetzlichen Grundlage (siehe dazu etwa auch VwGH 29.11.2000, 2000/09/0079; 23.2.2000, 98/09/0217).
14 Das Bundesverwaltungsgericht setzte sich zudem ausführlich mit den einzelnen Beweismitteln auseinander und erklärte etwa die Lücken in der Aufzeichnung der Überwachungskamera mit deren Funktionsweise, wonach diese bloß auf Bewegungen reagiere, weshalb es nachteilige Manipulationen ausschloss. Ferner begründete es in seiner nicht als unschlüssig zu erkennenden Beweiswürdigung, weshalb es der Aufstellung in der von Dienstgeberseite vorgelegten Liste folgte, und - nachdem es sich auch einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber in einer mündlichen Verhandlung verschafft hatte - dessen Verantwortung als nicht glaubhaft beurteilte. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung gelingt es dem Revisionswerber daher nicht, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen.
15 Soweit der Revisionswerber anschließend zur Begründung des vorgeworfenen Verhaltens auf eine Unkonzentriertheit/Ablenkung rekurriert, gilt - sofern auch darin eine Beweisrüge gelegen sein sollte - das zuvor Ausgeführte. Andernfalls geht das Revisionsvorbingen in diesem Zusammenhang nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. So stellte das Verwaltungsgericht dazu fest, dass der Revisionswerber zu diesen Zeitpunkten (nämlich der Entnahme der Lose ohne sie zu verrechnen und ohne eine Mitteilung darüber an einem Kollegen oder den Filialleiter zu machen) nicht in seiner Diskretions- und Dispositionsfähigkeit eingeschränkt war. Das Verwaltungsgericht führt unter diesem Gesichtspunkt ferner aus, dass der Revisionswerber gewusst habe, dass jeder Eigenkauf eines Loses nach den Vorschriften des Handbuches BLV nicht selbst kassiert werden durfte, sondern immer durch den Filialleiter oder einen anderen Mitarbeiter zu verrechnen und zu kassieren war. 16 Sofern in der Revision schließlich eine grundsätzliche Rechtsfrage in einem Rechtsirrtum darüber gesehen wird, dass nach den geltenden Vorschriften die Lose zu versperren gewesen seien und es keine Vorschriften des Handbuchs BLV für die bloße Entnahme oder Lagerung von Losen durch Mitarbeiter gegeben habe, gehen auch diese Ausführungen nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und vermögen schon deshalb eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufzuzeigen. So waren die Lose auch nach dem Revisionsvorbringen erst nach Dienstschluss zu versperren und sicher zu verwahren. Während der Dienstzeit waren sie jedoch für den Verkauf bereitzuhalten. Abgesehen davon, dass der Revisionswerber ausgewählte Lose nicht erst nach Dienstschluss an sich nahm, konnte das Verwaltungsgericht überdies gerade nicht feststellen, dass er diese Lose in seinem persönlichen Tresor versperrte. Das Bundesverwaltungsgericht hielt es vielmehr gleichermaßen für möglich, dass der Revisionswerber die Lose anderswo in der Filiale oder auch in seiner Privatkleidung verwahrt haben könnte. Die nun in der Revision bemühte Darstellung, dass er hinsichtlich einiger Lose nur die Dienstvorschriften eingehalten hätte, verfängt somit nicht und steht im Übrigen im Widerspruch zu seiner Verantwortung vor der Disziplinarkommission.
17 Wenn der Revisionswerber darauf hinweist, dass das Verwaltungsgericht hervorgehoben habe, dass es für die bloße Entnahme der Lose keine Regelung gegeben habe, ist für ihn daraus nichts zu gewinnen. So ging das Bundesverwaltungsgericht im Tatsachenbereich auf subjektiver Tatseite davon aus, dass der Revisionswerber die Lose (vorsätzlich) an sich nahm. Auch im Fall eines beabsichtigten Kaufs hätte der Revisionswerber jedoch zu beachten gehabt, dass jeder Verkauf eines Loses sofort im System zu verrechnen gewesen wäre und bei einem Eigeneinkauf das Entgelt für Artikel aus den Postamtslagern nicht selbst kassiert werden durfte, sondern immer durch den Filialleiter oder einen anderen Mitarbeiter zu verrechnen und zu kassieren war. Es verletzt den Revisionswerber daher nicht in Rechten, wenn das Verwaltungsgericht in dessen Handeln eine Pflichtverletzung erkannte.
18 Hinsichtlich der Kostenentscheidung (Spruchpunkt II.) enthält die insoweit zugelassene Revision keine eigenen Zulässigkeitsausführungen. Die Zulassungsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts zeigt jedoch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht auf. So ergibt sich zum einen aus dem klaren Wortlaut des § 17 VwGVG, dass auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG auch jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden sind, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Die Anwendbarkeit des § 117 BDG 1979 in Disziplinarverfahren kann ebenso wenig zweifelhaft sein. Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber hinaus auch bereits ausgesprochen, dass die Kosten für nichtamtliche Sachverständige im Disziplinarverfahren zu den Verfahrenskosten zählen und ein Verschulden des Beamten von § 117 Abs. 2 BDG 1979 nicht verlangt wird (VwGH 29.4.2011, 2009/09/0043). 19 Da in der Revision somit keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 22. Mai 2019
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