VwGH Ro 2018/04/0018

VwGHRo 2018/04/001827.1.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision der W GmbH in W (als Rechtsnachfolgerin der P GmbH), vertreten durch Dr. Reinhard Schanda, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stallburggasse 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 28. Mai 2018, Zl. LVwG-AV-73/001-2018, betreffend elektrizitätsrechtliche Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer Windkraftanlage nach dem NÖ Elektrizitätswesengesetz 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Niederösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Parteien:

1. R S in W und 2. R Sin R, beide vertreten durch Mag. Rudolf Fidesser, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wildpretmarkt 1), zu Recht erkannt:

Normen

ElektrizitätswesenG NÖ 2005 §11 Abs1 Z2
ElektrizitätswesenG NÖ 2005 §11 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RO2018040018.J00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Revisionswerberin hat den mitbeteiligten Parteien jeweils Aufwendungen in Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 1. Die Revisionswerberin plant die Errichtung und den Betrieb einer Windkraftanlage auf dem Gebiet einer bestimmt bezeichneten Gemeinde. Es soll eine Windkraftanlage mit 126 m Rotordurchmesser und 137 m Nabenhöhe (zuzüglich 2,15 m Fundamentanhebung) errichtet werden.

2 Aus diesem Grund stellte die Revisionswerberin am 23. Dezember 2016 bei der belangten Behörde (unter anderem) den Antrag auf Erteilung der Genehmigungen für eine Windkraftanlage nach dem NÖ Elektrizitätswesengesetz 2005 (NÖ ElWG 2005) für den betreffenden Projektstandort.

3 Die mitbeteiligten Parteien sind die Eigentümer von jeweils einem der zwei in südlicher Richtung unmittelbar an das Projektgrundstück angrenzenden Nachbarliegenschaften. Diese werden von den mitbeteiligten Parteien jeweils forstwirtschaftlich genutzt. Auf diesen Liegenschaften verläuft entlang der Grundstücksgrenze zur Projektliegenschaft ein Waldweg. 4 Nach den Einreichunterlagen vom 23. Dezember 2016 betrug der kürzeste Abstand des Mastmittelpunktes der zu errichtenden Windkraftanlage zur Grenze der Nachbargrundstücke ca. 120 m. In der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde am 15. September 2017 wurden von der Revisionswerberin geänderte Einreichunterlagen vorgelegt, nach denen die projektierte Situierung des Windrades um 55 m näher als ursprünglich vorgesehen an die Grundstücksgrenze der mitbeteiligten Parteien herangerückt wurde.

5 Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Eisstück bestimmter Größe in eine Quadratfläche von 1m*1m fällt, ist im Bereich des Anlagen-Turmfußes am größten und nimmt mit zunehmendem Abstand von der Anlage ab.

6 2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 31. Oktober 2017 wurde der Revisionswerberin sowohl die Genehmigung nach dem NÖ ElWG 2005 als auch die - nicht revisionsgegenständliche - Bewilligung nach dem NÖ Starkstromwegegesetz unter Vorschreibung mehrerer Auflagen erteilt. Unter einem wurden die von den mitbeteiligten Parteien erhobenen Einwendungen - ohne nähere Begründung - abgewiesen.

7 Gegen diesen Bescheid erhoben die mitbeteiligten Parteien eine gemeinsam ausgeführte Beschwerde, in welcher sie insbesondere vorbrachten, dass das projektgegenständliche Windrad eine massive Gefährdung durch den mit dessen Betrieb verbundenen Eisabfall mit sich brächte. Der Sachverständige für Eisabfall habe ausgeführt, dass sich der südlich der Anlage verlaufende Weg bedingt durch die von der Revisionswerberin geplante Standortverschiebung nunmehr im möglichen Eisabfallbereich befinde.Das damit verbundene Todesfallrisiko stelle nicht nur eine Gesundheitsbedrohung dar, sondern würde darüber hinaus zu einer massiven Einschränkung der überwiegend im Winter durchzuführenden Bewirtschaftung der Waldgrundstücke führen.

8 3. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) wies zunächst die Beschwerde der mitbeteiligten Parteien, soweit sie sich gegen die - hier nicht gegenständliche - starkstromrechtliche Bewilligung richtete, unangefochten zurück.

Im Umfang der Anfechtung der Erteilung der elektrizitätsrechtlichen Bewilligung für die Windkraftanlage gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde der mitbeteiligten Parteien statt, wies den Genehmigungsantrag in der Fassung der am 15. September 2017 vorgelegten geänderten Einreichunterlagen ab (Spruchpunkt 4) und erklärte die Revision für zulässig (Spruchpunkt 5).

9 3.1. Das Verwaltungsgericht stellte, soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz, zusammengefasst fest, der geringste Abstand des Fußpunktes zu den Grundstücken der mitbeteiligten Parteien betrage aufgrund der geänderten Einreichunterlagen 65 m. Die Rotorblätter würden sich in einer solchen Vertikalebene drehen, dass der geringste Abstand zur (gedacht vertikal in die Höhe verlängerten) Grenze zu den Nachbargrundstücken 2 m betrage. Es bestehe hinsichtlich beider Nachbargrundstücke ein messbares Risiko, dass ein Eisstück vom Rotorblatt der geplanten Windkraftanlage im Bereich der Grenze zum Projektgrundstück auf die Nachbarliegenschaften herabfalle. Auf dem Waldweg entlang der Grenze zwischen dem Projektgrundstück und den Liegenschaften der Mitbeteiligten betrage die Wahrscheinlichkeit für das Auftreffen eines Eisstückes auf eine Fläche von 0,04 m2 (= Fläche des Kopfes eines Menschen, wobei im Falle eines Treffers vom Eintreten des Todes ausgehen sei) 2*10-5, wobei ein Unsicherheitsfaktor von 2 aufzuschlagen sei. Somit betrage das Risiko 4*10-5. Ein vergleichbares Risiko bestehe auch auf jeweils 0,04 m2 großen Flächen auf den Nachbargrundstücken in der unmittelbaren Nähe des Waldweges. Das Risiko für größere Flächen und damit zusätzliche Treffer, die nicht den Tod, aber Verletzungen bewirken würden, sei noch höher. Das gesellschaftlich akzeptierte Risiko für tödliche Treffer bei betriebsfremden Personen liege bei 1*10-6.

10 3.2. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht - soweit für die revisionsgegenständliche Bewilligung nach dem NÖ ElWG 2005 wesentlich - aus, einem Nachbarn komme in dem verfahrensgegenständlichen Genehmigungsverfahren gemäß § 11 Abs. 1 Z 2 NÖ ElWG 2005 Parteistellung betreffend den Schutz vor einer Gefährdung seines Lebens, seiner Gesundheit, seines Eigentums oder sonstiger dinglicher Rechte, und gemäß § 11 Abs. 1 Z 3 NÖ ElWG 2005 Parteistellung betreffend den Schutz vor unzumutbaren Belästigungen in Zusammenhang mit den dort genannten möglichen Emissionen zu.

11 Die Einwendungen der Mitbeteiligten betreffend Lärm und Eigentumsgefährdung wegen Minderung des Verkehrswertes würden sich aufgrund der Feststellungen als unbegründet erweisen. 12 Aus dem festgestellten Sachverhalt ergebe sich jedoch, dass die Grundstücke in einer Umgebung der Anlage liegen würden, in der ein - wenn auch nur geringes - Eisabfallrisiko und damit auch das Risiko bestehe, von herabfallenden Eisstücken getroffen und verletzt - schlimmstenfalls getötet - zu werden. Damit führe die Anlage zu einer Gefährdung des Lebens und der Gesundheit der Mitbeteiligten. Eine Gefährdung nach § 11 Abs. 1 Z 2 NÖ ElWG 2005 müsse vermieden und nicht (nur) - wie eine Belästigung nach Z 3 - auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Die Anlage müsse demnach außerhalb eines Bereiches liegen, in dem durch sie das Risiko des Eisabfalls auf die Nachbargrundstücke über ein von Bauwerken üblicherweise ausgehendes Risiko hinaus erhöht werde. Im Gegensatz zu dem ursprünglich eingereichten Projekt weise der Grenzbereich zwischen dem Projekt- und dem Nachbargrundstück nach der Änderung der Situierung eine markant erhöhte Trefferwahrscheinlichkeit auf. Diese durch das Heranrücken der Anlage zur Grenze bewirkte Erhöhung könne nicht mehr als eine "üblicherweise" von Bauwerken in Grenznähe ausgehende Gefahr angesehen werden.

13 § 11 Abs. 2 erster Satz NÖ ElWG 2005 sei dahingehend auszulegen, dass das Risiko eines lebens- oder gesundheitsgefährdenden Treffers auf dem Nachbargrundstück nicht durch eine grenznahe Anlage markant erhöht werden dürfe. Auch nach dieser Bestimmung müsse eine unübliche Erhöhung des Trefferrisikos somit von Relevanz sein. Eine solche unübliche Erhöhung liege nach Ansicht des Verwaltungsgerichts vor, wenn das Risiko, das durch die grenznahe Anlage erst entstehe, nicht in einem vernachlässigbaren Bereich liege. Fallbezogen sei das Risiko schon deshalb nicht vernachlässigbar, weil es über dem gesellschaftlich anerkannten Risiko liege, durch von Bauwerken ausgehende Gefahren getötet zu werden. Die Auslegung, das Risiko von Eisabwurf auf Nachbargrundstücke unabhängig von der Lage stets als übliche Gefährdung zu verstehen, würde den durch § 11 Abs. 1 Z 2 NÖ ElWG 2005 gewährleisteten Nachbarschutz im Ergebnis wirkungslos machen, da die Nachbarn in diesem Fall nur mehr vor Gefährdungen geschützt wären, die sich aus Risikoerhöhungen wegen einer unüblichen Bauweise ergeben würden. Zudem komme es dem Wortlaut der relevanten Bestimmungen zufolge jeweils nicht auf die konkrete Nutzung der Nachbargrundstücke an. Die Berücksichtigung der Aufenthaltswahrscheinlichkeit von Personen, um daraus auf ein konkretes Tötungs- bzw. Verletzungsrisiko zu schließen, sei daher rechtlich nicht zulässig. Es komme vielmehr auf das abstrakte Risiko eines verletzenden oder tödlichen Treffers an. Da eine Vermeidung des festgestellten Risikos durch Auflagen bei Eisabfall nicht in Betracht komme, sei der Antrag auf Erteilung der elektrizitätsrechtlichen Genehmigung abzuweisen.

14 3.3. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil der Wortlaut des § 11 Abs. 2 erster Satz NÖ ElWG 2005 nicht eindeutig sei und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu dieser Bestimmung nicht vorliege.

15 4. Gegen diese Entscheidung in dem der Beschwerde der Mitbeteiligten Folge gebenden Umfang richtet sich die Revision der Genehmigungswerberin mit dem Antrag, das Erkenntnis insoweit wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die mitbeteiligten Parteien erstatteten eine gemeinsame Revisionsbeantwortung und beantragten, die Revision zurückbzw. abzuweisen.

Die belangte Behörde erstattete ebenfalls eine als Revisionsbeantwortung bezeichnete Stellungnahme.

 

16 5. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5.1. Die Revision führt - ergänzend zu der Begründung des Verwaltungsgerichts - betreffend die Zulässigkeit der Revision zusammengefasst aus, das angefochtene Erkenntnis wolle unrichtigerweise allein das abstrakte Risiko eines Treffers durch Eisabfall am Boden zum relevanten Kriterium machen, nicht jedoch das Risiko, dass Menschen von einem solchen Eisstück getroffen werden.

17 Die Revision ist aus den angeführten Gründen zulässig, sie

ist jedoch nicht berechtigt.

18 5.2. Die maßgebliche Rechtslage:

5.2.1. Die Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG lautet auszugsweise:

"KAPITEL III

ERZEUGUNG

Artikel 7

Genehmigungsverfahren für neue Kapazitäten

(1) Für den Bau neuer Erzeugungsanlagen beschließen die Mitgliedstaaten ein Genehmigungsverfahren, das nach objektiven, transparenten und nichtdiskriminierenden Kriterien anzuwenden ist.

(2) Die Mitgliedstaaten legen die Kriterien für die Erteilung von Genehmigungen zum Bau von Erzeugungsanlagen in ihrem Hoheitsgebiet fest. Bei der Festlegung geeigneter Kriterien tragen die Mitgliedstaaten folgenden Aspekten Rechnung:

a) Sicherheit und Sicherung des elektrischen Netzes der Anlagen und zugehörigen Ausrüstungen,

b) Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der öffentlichen Sicherheit,

(...)"

19 5.2.2. § 12 Elektrizitätswirtschafts- und -

organisationsgesetz 2010, BGBl. I Nr. 110/2010, (ElWOG 2010)

lautet:

"3. Teil

Erzeugungsanlagen und Stromlieferungsverträge Errichtungsgenehmigung und Betriebsbewilligung

§ 12. (1) (Grundsatzbestimmung) Die Ausführungsgesetze haben jedenfalls die für die Errichtung und Inbetriebnahme von Erzeugungsanlagen sowie die für die Vornahme von Vorarbeiten geltenden Voraussetzungen auf Grundlage objektiver, transparenter und nichtdiskriminierender Kriterien im Sinne der Art. 7 und 8 der Richtlinie 2009/72/EG festzulegen.

(2) (Grundsatzbestimmung) Die Ausführungsgesetze können vorsehen, dass dezentrale Erzeugungsanlagen, Anlagen, die elektrische Energie aus erneuerbaren Energien oder Abfällen erzeugen, und Anlagen, die nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung arbeiten, bis zu einer bestimmten Leistung einem vereinfachten Verfahren oder einer Anzeigepflicht zu unterziehen sind. Anlagen, die nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 bewilligungs- oder anzeigepflichtig sind, sind jedenfalls von einer Bewilligungspflicht auszunehmen."

20 5.2.3. § 11 des NÖ Elektrizitätswesengesetzes 2005 (NÖ ElWG 2005), LGBl. 7800-5, in der hier maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 23/2018, lautet auszugsweise:

"§ 11

Voraussetzungen für die Erteilung der

elektrizitätsrechtlichen Genehmigung

(1) Erzeugungsanlagen sind unter Berücksichtigung der Interessen des Gewässerschutzes entsprechend dem Stand der Technik so zu errichten, zu ändern und zu betreiben, dass durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage oder durch die Lagerung von Betriebsmitteln oder Rückständen und dergleichen

1. das Leben oder die Gesundheit des Betreibers der Erzeugungsanlage,

2. das Leben oder die Gesundheit oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn nicht gefährdet werden,

3. Nachbarn durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen und Schwingungen, im Falle von Windkraftanlagen auch durch Schattenwurf, nicht unzumutbar belästigt werden,

4. die zum Einsatz gelangende Energie unter Bedachtnahme auf die Wirtschaftlichkeit effizient eingesetzt wird und

5. kein Widerspruch zum Flächenwidmungsplan besteht.

(2) Unter Gefährdungen im Sinne des Abs. 1 Z 2 sind nur jene zu verstehen, die über solche hinausgehen, die von Bauwerken (z. B. Hochhäuser, Sendemasten, Windkraftanlagen) üblicherweise ausgehen. Unter einer Gefährdung des Eigentums im Sinne des Abs. 1 Z 2 ist die Möglichkeit einer bloßen Minderung des Verkehrswertes des Eigentums nicht zu verstehen.

(3) Ob Belästigungen im Sinne des Abs. 1 Z 3 zumutbar sind, ist danach zu beurteilen, wie sich die durch die Erzeugungsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.

(...)"

21 5.3. § 11 Abs. 2 erster Satz wurde mit der NÖ ElWG-Novelle 2011 in das NÖ Elektrizitätswesengesetz 2005 eingefügt. Die Bezug habenden Materialien halten zu dieser Gesetzesänderung Folgendes fest:

"Diese Änderung wird im Hinblick auf Art. 7 Abs. 2 lit. b der Binnenmarktrichtlinie vorgenommen. Im Hinblick auf das Verwaltungsgerichtshoferkenntnis vom 19.1.2010, Geschäftszahl 2009/05/0020, wird im Abs. 2 klargestellt, dass als Gefährdungen nur jene zu qualifizieren sind, die über solche hinausgehen, die üblicherweise von Bauwerken (z.B. Silo, Hochhäuser, Windkraftanlagen, Sendemasten) ausgehen. Gesellschaftlich anerkannte Risken stellen daher keine Gefährdungen im Sinne des § 11 Abs. 1 Z 2 dar. (...)" 22 Dem dort erwähnten, zur BauO NÖ 1996 ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Jänner 2010, 2009/05/0020, sind folgende Ausführungen zu entnehmen:

"(...) Die Beschwerdeführerin befindet sich jedoch im Recht, wenn sie behauptet, dass durch den zu befürchtenden Eisabwurf vom Mobilfunkmast Gefährdungen im Sinne des § 48 Abs. 1 Z. 1 BO drohen. Der 36 m hohe Rohrgittermast ist nur 2 m von der Grundstücksgrenze zum Grundstück der Beschwerdeführerin entfernt. Der von der Berufungsbehörde befragte maschinenbautechnische Amtssachverständige hat ausgeführt, dass ein Schnee- und Eisabwurf von diesem Bauwerk nicht ausgeschlossen werden kann. Die belangte Behörde hält die von diesem Sachverständigen vorgeschlagene Maßnahme, am Mastfuß ein Warnschild, das auf die Gefahr des Eisabwurfes hinweist, anzubringen, für ausreichend. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass der benachbarte Grundstückseigentümer gemäß § 48 Abs. 1 Z. 1 BO keine Immissionen auf sein Grundstück hinnehmen muss, durch die das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdet wird. Auf Grund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse kann im Hinblick auf die geplante Nähe des Rohrgittermastes zum Grundstück der Beschwerdeführerin die behauptete Gefährdung durch Eisabwurf nicht ausgeschlossen werden (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2009, Zl. 2008/05/0166, betreffend eine auch nicht im Betrieb befindliche Windkraftanlage). Eine Bewilligung des Rohrgittermastes am begehrten Standort wäre dann unbedenklich, wenn die behaupteten Gefahren nicht über solche hinausgingen, die von jedem in Grenznähe befindlichen Bauwerk ausgehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2009, Zl. 2006/05/0283)."

23 In der erwähnten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Jänner 2009, 2008/05/0166, (Anm.: zu der vergleichbaren Bestimmung des § 11 Abs. 1 Bgld. ElWG 2006) hielt dieser im Zusammenhang mit der erhobenen Einwendung der Nachbarn (und dort mitbeteiligten Parteien), dass im Falle der Vereisung der Rotorblätter selbst bei Einstellung des Betriebes der Windkraftanlage Eisstücke auf das Grundstück der erst- und zweitmitbeteiligten Parteien fallen könnten und dadurch eine Gefährdung der auf diesem Grundstück befindlichen Personen und Sachen eintreten könne, zusammenfassend fest, dass Gefährdungen des Lebens oder der Gesundheit der Nachbarn jedenfalls zu vermeiden seien und nicht mit Durchschnittsbetrachtungen und Wahrscheinlichkeitsprognosen relativiert werden könnten. 24 5.4. Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Rechtslage (Pkt 3.) sowie der dort angeführten Rechtsprechung ist zu der von der Revision aufgeworfenen Rechtsfrage Folgendes zu erwägen:

25 5.4.1. Der bloße Wortlaut des § 11 Abs. 2 erster Satz NÖ ElWG 2005, dass Gefährdungen von Leben und Gesundheit der Nachbarn hinzunehmen seien, sofern es sich um solche handelt, die "üblicherweise" von Bauwerken ausgehen, ist insofern auslegungsbedürftig, als nicht als eindeutig angesehen werden kann, was der Gesetzgeber mit von Bauwerken "üblicherweise" ausgehenden Gefahren meint, zumal der Klammerausdruck in der betreffenden Bestimmung - über den Text des in den Materialien der Novellierung begründend angeführten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Jänner 2010, 2009/05/0020, hinausgehend - beispielgebend auf Hochhäuser, Windkraftanlagen und Sendemasten verweist, die aufgrund ihrer Beschaffenheit jedenfalls nicht als "übliche" Bauwerke angesehen werden können. 26 In Hinblick auf den rechtlichen Charakter der durch den Verweis auf § 11 Abs. 1 Z 2 leg.cit. bezeichneten Schutzgüter, des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit, als absolut geschützte Rechtsgüter ist jedoch nicht anzunehmen, dass der Landesgesetzgeber eine Einschränkung dieser Rechte ohne eine besondere Abwägung erlauben wollte. Durch den Verweis in den Materialien zu der NÖ ElWG-Novelle 2011 ist überdies klargestellt, dass § 11 Abs. 2 erster Satz NÖ ElWG 2005 in der novellierten Fassung im Sinne der angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs auszulegen ist, die eine den Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit derart einschränkende Auslegung nicht stützen würde, zumal in dieser (siehe oben Rn. 22) ausdrücklich ausgeführt wird, dass "(...) der benachbarte Grundstückseigentümer gemäß § 48 Abs. 1 Z 1 BO keine Immissionen auf sein Grundstück hinnehmen muss, durch die das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdet wird". Die Aussage des Verwaltungsgerichtshofs in seinem Erkenntnis vom 19. Jänner 2010, 2009/05/0020, "eine Bewilligung des Rohrgittermastes am begehrten Standort wäre dann unbedenklich, wenn die behaupteten Gefahren nicht über solche hinausgingen, die von jedem in Grenznähe befindlichen Bauwerk ausgehen", ist in ihrem Kontext dahingehend zu verstehen, dass eine nicht spezifizierte, bloß wegen des Vorhandenseins eines Gebäudes zu unterstellende Gefahr für die nachbarliche Umgebung eine Bewilligung nicht hindern würde. Dies kann jedoch nicht erweiternd dahingehend verstanden werden, dass auch eine konkrete, von einem geplanten Gebäude vorhersehbar ausgehende Gefahr für geschützte Güter eine Bewilligung nicht hindern könnte.

27 Insofern die Revision die Berücksichtigung der Vorhersehbarkeit anspricht, ist Folgendes zu erwägen: Dass nicht vorhersehbare Störfälle einer Anlage nicht berücksichtigt werden können, ist als auf der Hand liegend anzusehen. Dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. etwa VwGH 18.11.2004, 2004/07/0025) Störfälle zu berücksichtigen seien, die im Rahmen des Betriebes auf Grund einer unzureichenden Technologie regelmäßig und vorhersehbar auftreten, spricht gerade nicht gegen die Berücksichtigung von Eisabfall von der Windkraftanlage, da es sich bei Eisabfall um eine geradezu typischerweise mit dem Betrieb eines Windrades einhergehende Gefahr handelt. Daran zeigt sich, dass eine mit der Errichtung oder dem Betrieb einer Anlage typischerweise verbundene Gefahr nicht mit einer Gefahr gleichgesetzt werden kann, die im Sinne der ins Treffen geführten Judikatur "üblicherweise" von einem Bauwerk ausgeht und somit außer Betracht zu bleiben hat, weil dies dazu führen würde, dass Gefahren ungeachtet ihrer Schadensgeneigtheit bloß aufgrund ihrer Vorhersehbarkeit als von den Nachbarn hinzunehmende zu qualifizieren wären. Der Vollständigkeit halber ist hier festzuhalten, dass die rechtlichen Anforderungen an den Schutzbedarf unterschiedlicher Schutzgüter differenziert zu betrachten ist.

28 Die gesetzliche Anordnung in § 11 Abs. 2 erster Satz NÖ ElWG 2005, dass unter Gefährdungen im Sinne des Abs. 1 Z 2 nur jene zu verstehen sind, die über solche hinausgehen, die von Bauwerken (z. B. Hochhäuser, Sendemasten, Windkraftanlagen) üblicherweise ausgehen, ist damit vor dem Hintergrund der angeführten Rechtsprechung wie folgt auszulegen: Zwar ist zu akzeptieren, dass regelmäßig auch von einem dem Stand der Technik entsprechend errichteten Bauwerk ein Restrisiko - etwa aufgrund der Möglichkeit des Eintretens außergewöhnlicher Umstände - ausgehen wird. Es werden jedoch als Gefährdungen, die über solche hinausgehen, die von Bauwerken "üblicherweise" ausgehen, jedenfalls solche anzusehen sein, die wegen des Ausmaßes der - auch bei Einhaltung aller denkbaren Vorsichtsmaßnahmen - von ihnen ausgehenden Bedrohung für das Leben, die Gesundheit, das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn das gesellschaftlich akzeptierte Risiko einer Verletzung dieser Schutzgüter übersteigen. Das Ausgehen einer solchen Gefährdung von einer projektierten Erzeugungsanlage schließt demnach die Genehmigung der Errichtung und des Betriebs derselben aus. 29 Diese Rechtsanschauung steht in Einklang damit, dass die Materialien zu der NÖ ELWG-Novelle 2011 darauf verweisen, dass "gesellschaftlich anerkannte Risken (stellen) daher keine Gefährdungen im Sinne des § 11 Abs. 1 Z 2 dar(stellen)" würden. Über dieses Maß hinausgehende Risiken werden auch vor diesem Hintergrund sehr wohl als relevante Gefährdungen im Sinne der angeführten Gesetzesstelle anzusehen sein.

30 5.4.2. Darüber hinaus ist der Verweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Jänner 2010, 2009/05/0020, aufgrund der übrigen Ausführungen in der genannten Entscheidung dahingehend zu verstehen, dass - wie dort ausdrücklich festgehalten - der benachbarte Grundstückseigentümer keine Immissionen auf sein Grundstück hinnehmen muss, durch die das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdet wird. Ein Abstellen auf die Wahrscheinlichkeit des konkreten Schadenseintrittes stellt demnach keinen zu berücksichtigenden Aspekt dar. Die Genehmigung ist vielmehr dann zu erteilen, wenn eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, eine Gefährdung des Eigentums oder sonstiger dinglicher Rechte der vom Gesetz in den geschützten Personenkreis Miteinbezogenen ausgeschlossen ist (vgl. in diesem Sinne auch Tolar, Elektrizitätsrecht und Starkstromwegerecht in Pürgy, Das Recht der Länder, II/2, 589ff (603)).

31 In Hinblick darauf, dass es sich bei Leben und körperlicher Unversehrtheit um absolut geschützte Rechtsgüter handelt, bestünden gegen eine andere, den geforderten Schutz relativierende Auslegung der landesgesetzlichen Bestimmung verfassungsrechtliche Bedenken. Nicht zuletzt ist zu berücksichtigen, dass die Bestimmung des § 11 Abs. 1 Z 2 NÖ ElWG 2005 anders als Z 3 leg. cit., die Einwirkungen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen und Schwingungen, im Falle von Windkraftanlagen auch durch Schattenwurf, regelt, ausdrücklich keine Toleranzgrenze bei Zumutbarkeit der Immissionen normiert.

5.5. Zur Rechtsrüge der Revision:

32 5.5.1. Die Revision bringt zur Auslegung des § 12 Abs. 1 NÖ ElWG 2005 vor, dieser stelle auf die Vermeidung von nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefahren ab und damit nicht auf ein bloß abstraktes Risiko, und verweist in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 5. November 1991, 91/04/0136.

33 Der Verwaltungsgerichtshof führte in diesem Erkenntnis aus, dass, "was die Frage des 'Gefährdungsbegriffes' im § 74 Abs. 2 Z 1 GewO 1973 anlange, eine bloß abstrakte Eignung einer gewerblichen Betriebsanlage, Gefährdungen hervorzurufen, eine Vorschreiben von Auflagen noch nicht rechtfertigen würde, da hiefür eine derartige konkrete Eignung Voraussetzung sei. Auch ein derartiger Gefahrenbegriff setze aber seinem gesetzlichen Sinngehalt nach nicht etwa die Feststellung eines in Ansehung der Gewissheit seines Eintrittes als auch seiner zeitlichen Komponenten fixierten Schadenseintrittes voraus, sondern es genüge, dass die Gefahr sachverhaltsbezogen nicht ausgeschlossen werden könne". 34 Dem Vorbringen der Revision ist vor diesem Hintergrund zu erwidern, dass weder die obigen Ausführungen noch das hier angefochtene Erkenntnis in Widerspruch zu dieser ins Treffen geführten Rechtsprechung stehen: Die Feststellung der nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen erfordert zweifellos die Einbeziehung der konkreten Eigenschaften der projektierten Anlage zur Beurteilung der von ihr ausgehenden Gefahrengeneigtheit. Bei der Beurteilung der auf die Nachbarliegenschaften wegen der zu genehmigenden Anlage voraussichtlich einwirkenden Immissionen wurde ja auch unstrittig auf den konkreten Standort und die konkrete Beschaffenheit der verfahrensgegenständlichen Windkraftanlage abgestellt.

35 Das ändert jedoch nichts daran, dass ein Nachbar in Bezug auf die absolut geschützten Rechtsgüter im Sinne des § 11 Abs. 1 Z 2 NÖ ElWG 2005 keine aufgrund der konkreten Eigenschaften der projektierten Anlage vorhersehbaren, diese Schutzgüter gefährdenden Immissionen auf sein Grundstück hinnehmen muss. Auf die Feststellung eines voraussehbaren Schadenseintritts stellt das Gesetz in diesem Zusammenhang nicht ab, weshalb es keiner Feststellungen betreffend ein konkretes Verletzungs- oder Tötungsrisikos bedarf (vgl. wiederum VwGH 91/04/0136 und VwGH 2009/05/0020).

36 5.5.2. Insofern die Revision weiter vorbringt, die erforderliche Prognose der voraussehbaren Gefährdungen setze die Berücksichtigung der Aufenthaltswahrscheinlichkeit von Personen auf dem betroffenen Grundstücksteil voraus, ist sie auf das eben Gesagte zu verweisen.

37 Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit von Personen mag bei der Einschätzung der Wahrscheinlichkeit eines konkreten Schadenseintritts durch gefährliche Immissionen eine Rolle spielen. Bei der Frage, ob es (überhaupt) zu Immissionen auf das Nachbargrundstück kommt, die wegen ihrer Gefährlichkeit die absolut geschützten Rechtsgüter zu bedrohen geeignet sind, bedarf es der Einbeziehung der Aufenthaltswahrscheinlichkeit jedoch nicht.

38 5.5.3. Insofern die Revision aus § 11 Abs. 2 erster Satz NÖ ElWG 2005 abzuleiten versucht, dass das Gesetz nicht auf eine bloße Erhöhung des Risikos durch ein Gebäude abstelle, bzw. das Gesetz indiziere, dass die von Windkraftanlagen üblicherweise ausgehenden Gefahren innerhalb des gesellschaftlichen Risikos liegen würden, sowie zum Verständnis des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Jänner 2010, 2009/05/0020, ist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen unter Punkt 5.4. zu verweisen.

39 5.6. Zu den weiteren Revisionsgründen:

40 5.6.1. Zunächst ist anzumerken, dass ausgehend von der oben

dargestellten Rechtslage auf die Ausführungen der Revision betreffend die Unrichtigkeit der Veranschlagung des Unsicherheitsfaktors 2 bei der Errechnung des Risikos nicht weiter einzugehen ist. Das Immissionsrisiko ist nämlich auch ohne der Veranschlagung des Unsicherheitsfaktors entsprechend den insofern unstrittigen Feststellungen höher als das allgemein akzeptierte Risiko für betriebsfremde Personen.

41 5.6.2. Insofern die Revision vorbringt, die Auftreffwahrscheinlichkeit sage nichts über das konkrete Risiko aus, dass ein Mensch von einem Eisstück getroffen werde, weshalb dieser Wert mit der Aufenthaltswahrscheinlichkeit von Personen zu "verschneiden" sei, ist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen unter den Punkten 5.4.2. und 5.5.1. zu verweisen. Danach kommt es für die verfahrensgegenständliche Genehmigung nicht darauf an, wie hoch das Risiko eines konkreten Schadenseintritts veranschlagt wird, sondern ob es ausgeschlossen werden kann, dass es durch die Errichtung der projektierten Anlage zu einer Gefährdung für die in § 11 Abs. 1 Z 2 NÖ ElWG 2005 angeführten Schutzgüter kommt. Die begehrte "Ersatzfeststellung" betreffend die Höhe des Risikos, dass - konkret - Menschen auf dem Waldweg getroffen werden, ist damit für den Ausgang des Verfahrens nicht maßgeblich. Die diesbezügliche Rüge der Revision geht daher wegen mangelnder Relevanz ins Leere.

42 5.6.3. Insofern die Revision vermeint, das Verwaltungsgericht sei ohne Ausweis eigener Expertise von den Schlussfolgerungen des Sachverständigen abgegangen, weil es bei der Beurteilung der Gefahr für Leben und Gesundheit die Aufenthaltswahrscheinlichkeit von Personen außer Acht gelassen habe, ist darauf zu verweisen, dass es aufgrund der rechtlichen Ausführungen unter Punkt 5.4. der Feststellung der Trefferwahrscheinlichkeit unter Berücksichtigung der Aufenthaltswahrscheinlichkeit von Personen nicht bedarf. Diese Schlussfolgerungen sind Teil der rechtlichen Beurteilung und damit nicht Gegenstand der gutachterlichen Ermittlungstätigkeit. 43 5.6.4. Die Revision rügt, das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, seine Rechtsansicht, dass eine Gefährdung bereits bei einem geringen Eisfallrisiko bestehe, es auf das abstrakte Risiko ankomme und eine Erhöhung des Risikos das maßgebliche Kriterium sei, mit den Parteien zu erörtern und habe damit gegen das Überraschungsverbot verstoßen.

44 Dem ist Folgendes zu erwidern: Nach der gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist das sogenannte Überraschungsverbot auch im Verwaltungsverfahren anzuwenden. Unter dem Überraschungsverbot ist das Verbot zu verstehen, dass die Behörde in ihre rechtliche Würdigung Sachverhaltselemente einbezieht, die der Partei nicht bekannt waren. Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt festgehalten, dass sich das zum Überraschungsverbot in Beziehung gesetzte Parteiengehör nur auf die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts, nicht aber auf die von der Behörde vorzunehmende rechtliche Beurteilung erstreckt. Auch führt ein Verstoß gegen das Überraschungsverbot nur dann zu einer Aufhebung der beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erledigung, wenn diesem Verfahrensmangel Relevanz zukommt, was im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof darzulegen ist. Diese Grundsätze sind auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten maßgeblich, zumal von den Verwaltungsgerichten auf dem Boden des § 17 VwGVG sowohl das Amtswegigkeitsprinzip des § 39 Abs. 2 AVG als auch der Grundsatz der Einräumung von Parteiengehör iSd § 45 Abs. 3 AVG zu beachten ist (vgl. VwGH 19.6.2019, Ra 2019/02/0098, mwN).

45 Die Revision bringt vor, das Verwaltungsgericht habe gegen das Überraschungsverbot verstoßen, weil es seine Rechtsansicht nicht mit den Parteien erörtert habe. Sie lässt jedoch vermissen, welches Tatsachenvorbringen im Falle der erschöpfenden Erörterung erstattet worden wäre, das zu einem für die Revisionswerberin günstigeren Ergebnis hätte führen können. Damit ist die Relevanz des vorgebrachten Verfahrensmangels nicht dargetan. 46 5.6.5. Insofern die Revision moniert, das Verwaltungsgericht lege nicht offen, warum es als Wert für das akzeptierte Risiko 1*10-6 annehme, ist diese darauf hinzuweisen, dass das angefochtene Erkenntnis diesbezüglich unmissverständlich auf das Gutachten Bezug nimmt, das von der Genehmigungswerberin selbst vorgelegt wurde und das diesen Wert als das gesellschaftlich akzeptierte Todesfallrisiko für betriebsfremde Personen ausführlich darstellt (siehe Eisfallgutachten zum geänderten Standort, Seite 15). Das von der Revision ins Treffen geführte Risiko von 1*10-5 ist dort für Betriebspersonal angeführt, zu dem die Nachbarn jedenfalls nicht gezählt werden können.

47 Das Vorbringen, eine Erörterung dieser Frage hätte "eine generelle Erörterung der Risikobeurteilung ermöglicht", zeigt im Sinne der eben dargestellten Rechtsprechung (siehe Rn. 45) zum Überraschungsverbot keinen relevanten Verfahrensmangel auf. 48 5.6.5. Die Revision rügt, das Verwaltungsgericht habe es unterlassen die Möglichkeit von Auflagen zu erörtern. Ein solcher Verfahrensmangel kann nur dann erfolgreich geltend gemacht werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für die revisionswerbende Partei günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. VwGH 24.10.2018, Ra 2016/04/0040, mwN). 49 Die Revision zeigt mit ihren Ausführungen die Relevanz des vorgebrachten Verfahrensmangels nicht ausreichend konkret auf. Insbesondere kann hinsichtlich des Vorbringens, dass Warntafeln an der Anlage angebracht werden könnten, wiederum auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Jänner 2010, 2009/05/0020, verwiesen werden, wonach ein solcher Warnhinweis nicht ausreichend ist, wenn der benachbarte Liegenschaftseigentümer - so wie auch hier - die gefährdenden Immissionen nicht hinnehmen muss. Auch die übrigen Ausführungen, dass beispielsweise durch gezieltes Abtauen das Abfallen von Eisstücken auf geplante Zeiträume konzentriert werden könne, zeigt nicht auf, welche konkreten Tatsachen die Revisionswerberin im Falle der Erörterung vorgebracht hätte, um eine ausreichend wirksame Auflage zur Vermeidung der festgestellten Gefährdung aufzuzeigen.

50 5.7. Angesichts der unter Punkt 5.4. dargelegten Rechtsansicht ergibt sich fallbezogen Folgendes:

Unter Zugrundelegung der verwaltungsgerichtlichen Feststellungen, betreffend die Wahrscheinlichkeit, dass ein Eisstück auf eine Fläche von 0,04 m2 (= Fläche des Kopfes eines Menschen, wobei im Falle eines Treffers vom Eintreten des Todes auszugehen sei) auf dem Waldweg entlang der Grundstücksgrenze auftreffen könne, folgerte das Verwaltungsgericht aufgrund der dargestellten Rechtslage im Ergebnis zu Recht, dass die wegen der grenznahen Situierung der Windkraftanlage gegebene Gefahrenimmission durch Eisabfall größer ist als das allgemein akzeptierte Risiko einer Lebensbedrohung durch eine Betriebsanlage. Zutreffend ging daher das Verwaltungsgericht davon aus, dass gemäß § 12 Abs. 1 NÖ ElWG 2005 die hier zu beurteilende Erzeugungsanlage wegen der mit ihr verbundenen Gefährdung der Schutzgüter im Sinne des § 11 Abs. 1 Z 2 NÖ ElWG 2005 nicht errichtet und betrieben werden darf.

Die Revision der Genehmigungswerberin war aus diesem Grund als unbegründet abzuweisen.

51 5.8. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung. Der Aufwandersatz gebührt den mitbeteiligten Parteien gemäß § 49 Abs. 6 VwGG jeweils zu gleichen Teilen. Umsatzsteuer ist nicht gesondert zuzusprechen (vgl. VwGH 28.4.1999, 94/13/0097).

Wien, am 27. Jänner 2020

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