Normen
AVG §19 Abs3;
AVG §42 Abs4;
AVG §52;
AVG §53 Abs1;
AVG §53;
AVG §7 Abs1;
AVG §7;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art20 Abs1;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016040040.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 1. Die Revisionswerberin betreibt an einem näher bezeichneten Standort in Linz ein gewerbebehördlich genehmigtes Lokal. Mit Eingabe vom 3. November 2014 stellte sie den Antrag, die Gewerbebehörde möge gemäß § 358 GewO 1994 feststellen, dass der geplante Betrieb eines Müllverdichters (in Form einer Containerpresse) keine bewilligungspflichtige Änderung ihrer Betriebsanlage darstelle.
2 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz (belangte Behörde) vom 3. Februar 2015 wurde die gewerbebehördliche Genehmigungspflicht der Maßnahme festgestellt.
3 2. Die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 12. Juni 2015 als unbegründet ab. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig.
4 In der Begründung hielt das Verwaltungsgericht fest, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Betrieb der Containerpresse geeignet sei, die Nachbarn durch Lärm zu belästigen. Dass die Änderung auf Grund der besonderen Situation des Einzelfalles lediglich anzeigepflichtig wäre, sei nicht ersichtlich. Die Containerpresse könne nicht als emissionsneutral im Sinn des § 81 Abs. 2 Z 7 bzw. 9 GewO 1994 angesehen werden. Zum Antrag der Revisionswerberin in der Beschwerde, ein Gutachten eines nichtamtlichen Sachverständigen für Immissionstechnik einzuholen, führte das Verwaltungsgericht aus, dass die Mitwirkung von Amtssachverständigen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in verfahrensökonomischer Hinsicht jedenfalls Vorteile habe. Auch im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz gelte der Vorrang des Amtssachverständigen, wobei den Verwaltungsgerichten bei der Beweiswürdigung eine besondere Verantwortung zukomme. Von der Einvernahme des - in der Beschwerde namhaft gemachten - Zeugen C.H., der urlaubsbedingt nicht an der mündlichen Verhandlung habe teilnehmen können, sah das Verwaltungsgericht ab. Es stelle - so das Verwaltungsgericht - eine immissionstechnische Frage dar, ob und welche Emissionen von der Containerpresse würden ausgehen können. Die Frage sei vom Amtssachverständigen nachvollziehbar behandelt worden. Zu welchem relevanten Beweisthema der Zeuge C.H. im gegenständlichen Verfahren eine Aussage hätte machen können, sei nicht ersichtlich und werde auch in der Beschwerde nicht dargetan.
5 3. Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 19. November 2015, B 1645/2015-4, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 17. Dezember 2015, B 1645/2015-6, dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat.
6 In der Folge erhob die Revisionswerberin die vorliegende außerordentliche Revision.
7 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurückin eventu Abweisung der Revision beantragt.
8 5. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 6. Die vorliegende Revision führt zu ihrer Zulässigkeit aus, dass es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Zulässigkeit der Bestellung von Amtssachverständigen im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz gebe. Es sei in der Beschwerde geltend gemacht worden, dass die belangte Behörde den Sachverhalt nicht ausreichend erhoben habe und die Einholung eines Gutachtens eines nichtamtlichen Sachverständigen für Immissionstechnik beantragt werde. Das Verwaltungsgericht müsse in jedem Einzelfall prüfen, ob ein Amtssachverständiger unbefangen, also tatsächlich unabhängig von der Verwaltungsbehörde sei, deren Bescheid beim Verwaltungsgericht angefochten werde. Diese Prüfung habe das Verwaltungsgericht unterlassen. Der beigezogene Amtssachverständige Ing. R sei bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren tätig gewesen. Der Inhalt seiner gutachterlichen Stellungnahme im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sei daher von vornherein absehbar gewesen. Auf Grund der Nichtdurchführung der beantragten Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens eines nichtamtlichen Sachverständigen habe das Verwaltungsgericht den Sachverhalt unrichtig und mangelhaft festgestellt.
10 Ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. VwGH 26.6.2014, Ra 2014/03/0005).
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat - unter Verweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 2014, E 707/2014, (VfSlg. 19.902/2014) - bereits ausgesprochen, dass die Heranziehung von Amtssachverständigen in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz grundsätzlich zulässig ist (vgl. VwGH 22.10.2015, Ra 2015/12/0039).
12 Das Verwaltungsgericht ist auf dem Boden des § 17 VwGVG iVm §§ 52 und 53 AVG verpflichtet, die ihm zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständigen) seinen Verfahren beizuziehen, wobei ein Verwaltungsgericht stets prüfen muss, ob ein Amtssachverständiger unbefangen, unter anderem also tatsächlich unabhängig von der Verwaltungsbehörde ist, deren Bescheid beim Verwaltungsgericht angefochten wird. Im Interesse der Sicherstellung der Unabhängigkeit bzw. der Unbefangenheit von sachverständigen Personen ist es erforderlich, dass das Verwaltungsgericht die Frage ihrer Unbefangenheit bzw. Unabhängigkeit einschließlich eines allfälligen diesbezüglichen Vorbringens von Verfahrensparteien sorgfältig prüft und die Heranziehung jedenfalls in Form eines (verfahrensleitenden) Beschlusses anordnet. Gegebenenfalls ist zu begründen, wenn von den Parteien vorgebrachte Bedenken hinsichtlich der vollen Unbefangenheit nicht zutreffen. Sachverständige sind bei der Erstattung ihrer Gutachten nicht an Weisungen im Sinn des Art. 20 Abs. 1 B-VG gebunden, vielmehr beruht deren Begutachtung allein auf ihrer fachlichen Qualifikation. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt festgehalten, dass Amtssachverständige für die Richtigkeit des Gutachtens alleine verantwortlich sind und eine Ausübung dieser Funktion unter strafrechtlich sanktionierter Wahrheitspflicht steht, gegen die in Hinblick auf Art. 20 B-VG das Weisungsrecht nicht durchzudringen vermag (vgl. zu alldem VwGH 22.11.2017, Ra 2017/03/0014, mwN, sowie VfSlg. 19.902/2014).
13 Im vorliegenden Fall vermag die Revisionswerberin mit ihrem Vorbringen die Unbefangenheit des vom Verwaltungsgericht herangezogenen Amtssachverständigen nicht in Frage zu stellen. Weder mit der nicht näher substantiierten Rüge, das Verwaltungsgericht habe die Einholung eines Gutachtens durch einen nichtamtlichen Sachverständigen für Immissionstechnik unterlassen und daher den Sachverhalt unrichtig und mangelhaft ermittelt, noch mit der Behauptung, der Inhalt der erstatteten gutachterlichen Stellungnahme sei "von vornherein absehbar gewesen", weil der Amtssachverständige bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren tätig gewesen sei, wird aufgezeigt, dass bei dem Amtssachverständigen eine Hemmung seiner unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive in Bezug auf die konkreten und von ihm zu beurteilenden Fachfragen gegeben gewesen wäre. Auch der Umstand, dass der Amtssachverständige vorliegend eine für die Revisionswerberin ungünstige gutachterliche Stellungnahme erstattet hat, vermag eine Befangenheit nicht zu begründen (vgl. dazu erneut Ra 2017/03/0014).
14 7. Die Revisionswerberin erblickt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darin, dass der in der Beschwerde beantragten Einvernahme des Zeugen C.H. nicht entsprochen worden sei. Solange einem Beweismittel die grundsätzliche Eignung, der Feststellung des Sachverhalts dienlich zu sein, zukomme, stelle die Unterlassung einer beantragten Beweisaufnahme eine unzulässige antizipative Beweiswürdigung dar. Das Verwaltungsgericht hätte den Zeugen C.H. neuerlich laden müssen, weil nicht auszuschließen sei, dass es nach Durchführung der beantragten Beweisaufnahme zu einem anderen, für die Revisionswerberin günstigeren Ergebnis gekommen wäre.
15 Die Zulässigkeit der Revision setzt neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für die revisionswerbenden Parteien günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. etwa VwGH 4.7.2016, Ra 2016/04/0047, mwN).
16 Die Revision zeigt mit ihren diesbezüglichen, nicht weiter substantiierten Ausführungen die Relevanz des beantragten Zeugenbeweises für den Verfahrensausgang nicht auf.
17 8. Schließlich bringt die Revisionswerberin vor, ihrem am Tag der mündlichen Verhandlung erkrankten Vertreter sei durch die Nichtvertagung die Möglichkeit genommen worden, an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken und Fragen an Zeugen und Sachverständige zu richten. Der Vertreter habe angesichts der Schwere der Erkrankung nicht erscheinen können. Eine Substituierung sei auf Grund des frühen Termins der Verhandlung (9:00 Uhr) nicht mehr möglich gewesen.
18 Das Nichterscheinen einer Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung hindert die Durchführung der Verhandlung nicht (vgl. § 17 VwGVG iVm § 42 Abs. 4 AVG).
Voraussetzung für die Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit der Partei ist eine "ordnungsgemäße Ladung". Davon kann dann nicht gesprochen werden, wenn einer der im § 19 Abs. 3 AVG genannten - das Nichterscheinen des Geladenen rechtfertigenden - Gründe vorliegt (vgl. VwGH 17.2.2016, Ra 2015/08/0006, mwN). Die Rechtfertigungsgründe haben auch für einen geladenen Vertreter Geltung (vgl. VwGH 20.12.1994, 92/04/0276, sowie Hengstschläger/Leeb, AVG I2 (2014) § 19 Rz. 20).
Eine rechtswirksam geladene Partei hat die zwingenden Gründe für ihr Nichterscheinen darzutun. Sie muss etwa im Fall einer Erkrankung nicht nur deren Vorliegen behaupten und dartun, sondern auch die Hinderung am Erscheinen bei der Verhandlung aus diesem Grund. Die Triftigkeit des Nichterscheinens muss überprüfbar sein (vgl. nochmals VwGH Ra 2015/08/0006, mwN).
19 Im vorliegenden Fall hat der anwaltliche Vertreter der Revisionswerberin am Tag der mündlichen Verhandlung um 7:59 Uhr durch seine Kanzlei per E-Mail mitteilen lassen, dass er krank sei. Eine nähere Konkretisierung dieses Vorbringens erfolgte nicht. Auch wurde weder eine ärztliche Bestätigung vorgelegt noch begründet, warum für eine andere Vertretung habe nicht mehr Sorge getragen werden können. Ausgehend davon ist nicht zu erkennen, dass das Verwaltungsgericht, indem es vom Nichtvorliegen eines triftigen Grundes für das Nichterscheinen des anwaltlichen Vertreters der Revisionswerberin ausgegangen ist und deshalb die Verhandlung in seiner Abwesenheit durchgeführt hat, von der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist.
20 9. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
21 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 24. Oktober 2018
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