VwGH Ro 2019/13/0033

VwGHRo 2019/13/003313.11.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des Finanzamts Wien 9/18/19/Klosterneuburg in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 7. Mai 2019, Zl. RV/7103541/2018, betreffend Einkommensteuer 2016 (mitbeteiligte Partei: B in R, vertreten durch die Dr. Winkler - Mag. Perterer & Partner KG, Steuerberatungsgesellschaft in 6370 Kitzbühel, Josef-Pirchl-Straße 5), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §21 Abs1
EStG 1988 §30 Abs1
EStG 1988 §4 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019130033.J00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 30. November 2017 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2016 fest. Darin berücksichtigte das Finanzamt u. a. Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen. Das Finanzamt führte hiezu aus, der von der Mitbeteiligten geltend gemachte Befreiungstatbestand (Hauptwohnsitz) treffe nicht zu, da die Mitbeteiligte innerhalb der letzten zehn Jahre nicht fünf Jahre ihren Hauptwohnsitz an der betreffenden Liegenschaft gehabt habe. Der anteilige Veräußerungserlös sei abzüglich der mit 86% des Veräußerungserlöses anzusetzenden Anschaffungskosten mit dem besonderen Steuersatz von 30% zu besteuern.

2 Die Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Sie machte darin - wie schon in der Abgabenerklärung - geltend, sie habe mindestens zwei Jahre ihren Hauptwohnsitz an der betreffenden Liegenschaft gehabt (§ 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988).

3 Nach Abweisung der Beschwerde mittels Beschwerdevorentscheidung vom 31. Jänner 2018 beantragte die Mitbeteiligte die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das Bundesfinanzgericht den Bescheid des Finanzamtes ab. Es sprach aus, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

5 Nach Darstellung des Verfahrensgangs führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die Mitbeteiligte habe gemeinsam mit ihrem 2003 verstorbenen Ehemann (je zur Hälfte) die Liegenschaft in X mit Kaufvertrag im Jahr 1989 unbebaut erworben und sodann bebaut. Aufgrund der Einantwortung nach dem Tod ihres Ehemanns habe sie ein weiteres Sechstel der Liegenschaft erworben. Mit Kaufvertrag vom 10. Mai 2016 habe die Mitbeteiligte ihren Anteil veräußert. Damit sei die Liegenschaft samt Wohnhaus, Garage und Freischwimmbad übereignet worden. Nicht vertragsgegenständlich sei Inventar gewesen; alle fixen Einbauten seien aber im Haus verblieben. Gegenstände, die die Verkäufer im Haus im Zuge der Räumung zurückgelassen hätten, seien ersatzlos auf den Käufer übergegangen.

6 Unstrittig sei, dass das veräußerte Grundstück bzw. Gebäude nicht seit der Anschaffung bzw. Errichtung durchgehend (mehr als zwei Jahre) als Hauptwohnsitz gedient habe. Eine Hauptwohnsitznutzung sei auch innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung nicht mindestens fünf Jahre durchgehend der Fall gewesen. Die Hauptwohnsitzbefreiung stehe daher nicht zu. 7 Die Mitbeteiligte habe das Gebäude als Hälfteeigentümerin errichtet bzw. errichten lassen. Der Mitbeteiligten stehe daher die Herstellerbefreiung anteilig zu. Für den 2003 im Erbweg erworbenen Anteil stehe ihr diese Begünstigung hingegen nicht zu; für diesen Teil habe ihr verstorbener Ehegatte als Bauherr fungiert, die Mitbeteiligte sei insoweit nur Rechtsnachfolgerin. 8 Nur Grund und Boden sowie Gebäude seien in die Besteuerung einzubeziehen, nicht aber als "Zubehör" oder "Außenanlagen" genannte Wirtschaftsgüter (Küche, Decken- und Wandverbau, Terrasse - Granitplatten, Kopfsteinpflaster im Einfahrts- und Eingangsbereich, überdachter Freisitz mit Kamin und Außenpool). 9 Der Gesamtveräußerungspreis weiche im vorliegenden Fall gravierend vom Verkehrswert ab. Der Gesamtveräußerungspreis sei daher entsprechend dem Verhältnis der Verkehrswerte aufzuteilen:

Auf Grund und Boden entfielen demnach etwa 88,93% (steuerpflichtig); auf Gebäude etwa 9,41% (hievon 50% gemäß § 30 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 von der Besteuerung ausgenommen); und auf Außenanlagen und Einbauten 1,66% (nicht steuerbar). Im Hinblick auf die Herstellerbefreiung und den nicht steuerbaren Anteil betreffend Außenanlagen und Einbauten ergebe sich demnach eine Reduktion der Bemessungsgrundlage betreffend private Grundstücksveräußerungen.

10 Zwei Rechtsfragen seien nicht abschließend höchstgerichtlich geklärt. So sei vom Verwaltungsgerichtshof zur 2016 gültigen Rechtslage noch nicht geklärt, ob die Herstellerbefreiung auch einem Rechtsnachfolger zukomme. Rechtsprechung fehle weiters zur Frage, ob zivilrechtliches Zugehör (hier Einbauküche, Decken- und Wandverbau, Terrasse - Granitplatten, Kopfsteinpflaster im Einfahrts- und Eingangsbereich, überdachter Freisitz mit Kamin, Außenpool) in die Grundstücksveräußerung gemäß § 30 EStG 1988 einzubeziehen sei. Aus diesen Gründen sei die Revision zuzulassen gewesen. 11 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamts. Das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts wird (nur) insoweit angefochten, als jener Teil des Überschusses aus der Liegenschaftsveräußerung, der auf das "zivilrechtliche Zugehör" (Einbauküche, Decken- und Wandverbau, Terrasse - Granitplatten, Kopfsteinpflaster im Einfahrts- und Eingangsbereich, überdachter Freisitz mit Kamin, Außenpool inklusive Technikeinrichtung) entfällt, nicht als Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen iSd § 30 EStG 1988 berücksichtigt worden sei. Das Finanzamt verweist insbesondere darauf, dass es in einer Vielzahl von Grundstücksveräußerungen zwangsläufig zu einer Mitveräußerung von unselbständigen Bestandteilen komme. 12 Die Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht. Sie verweist darin insbesondere darauf, dass aus ihrer Sicht die Hauptwohnsitzbefreiung zu Unrecht versagt worden sei. Hinsichtlich der Außenanlagen und Einbauten werde auf die mangelnde Verhältnismäßigkeit verwiesen; die Auswirkung auf das Steueraufkommen entspreche 0,28% des Gesamtkaufpreises.

 

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14 Gemäß § 30 Abs. 1 EStG 1988 sind private Grundstücksveräußerungen Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören. Der Begriff des Grundstückes umfasst - nach Satz 2 dieser Bestimmung - Grund und Boden, Gebäude und Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (grundstücksgleiche Rechte). 15 In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum 1. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 22/2012, 1680 BlgNR 24. GP  7, wurde hiezu ausgeführt:

"In § 30 Abs. 1 soll auch der steuerliche Begriff des Grundstücks definiert werden. Unter einem Grundstück sind für ertragsteuerliche Belange der Grund und Boden samt Gebäude und grundstücksgleiche Rechte zu verstehen. Als (Teil‑)Grundstück gelten diese Wirtschaftsgüter aber jeweils auch für sich, wenn sie isoliert veräußert werden. Andere Dinge, die steuerlich als selbständige Wirtschaftsgüter anzusehen sind, sind dagegen, auch wenn sie zivilrechtlich Zugehör von Grund und Boden darstellen, vom Begriff des Grundstückes nicht erfasst und fallen daher nicht in den Anwendungsbereich des § 30. Dies gilt gemäß § 4 Abs. 3a auch für den betrieblichen Bereich; daher unterliegt insbesondere die Veräußerung von stehendem Holz, der stehenden Ernte und des Feldinventars nicht dem Besteuerungsregime für Grundstücke."

16 Entsprechend der - mit dem Wortlaut des Gesetzes vereinbaren - Absicht des Gesetzgebers sollen demnach nur Grund und Boden, Gebäude und grundstücksgleiche Rechte der Besteuerung nach § 30 EStG 1988 unterliegen; Dinge, die steuerlich als selbständige Wirtschaftsgüter anzusehen sind, fallen hingegen nicht in den Anwendungsbereich des § 30 EStG 1988, auch wenn sie zivilrechtlich als Zugehör von Grund und Boden zu beurteilen sind. 17 Wirtschaftsgüter sind alle im wirtschaftlichen Verkehr nach der Verkehrsauffassung selbständig bewertbaren Güter jeder Art. Ob ein Wirtschaftsgut vorliegt, ist nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten und nicht nach zivilrechtlichen Merkmalen zu beurteilen. So ist die zivilrechtliche Selbständigkeit des Gutes nicht entscheidend für die Wirtschaftsguteigenschaft, allerdings wird ihr Indizwirkung zukommen. Entscheidend ist die wirtschaftlich zu beurteilende Selbständigkeit (vgl. VwGH 23.2.2010, 2008/15/0027, mwN).

18 Was ein eigenständiges Wirtschaftsgut und was Teil eines Wirtschaftsgutes ist, entscheidet sich nach der Verkehrsauffassung. Ein wirtschaftlicher und funktioneller (technischer) Zusammenhang zwischen Wirtschaftsgütern bzw. Teilen von solchen spricht nach der Verkehrsauffassung bisweilen für ein einheitliches Wirtschaftsgut. Dies ist aber nicht immer der Fall. Ausschlaggebend ist im Zweifel, ob dem einzelnen Teil bei einer allfälligen Veräußerung eine besonders ins Gewicht fallende Selbständigkeit zugebilligt würde (vgl. VwGH 15.2.1983, 82/14/0067, VwSlg. 5752/F; 9.6.1986, 84/15/0128).

Gebäudeeinbauten, die typische Gebäudeteile sind, rechnen auch dann zum Gebäude, wenn sie nur lose mit diesem verbunden sind. Alle nach der Verkehrsauffassung typischen Gebäudeteile gelten als nicht selbständig bewertbar, auch wenn sie ohne Verletzung ihrer Substanz und mit geringen Kosten aus der Verbindung mit dem Gebäude gelöst werden können (vgl. VwGH 24.5.2012, 2009/15/0171, VwSlg. 8724/F; 5.9.2012, 2010/15/0002, VwSlg. 8742/F). 19 Die Revision verweist zutreffend darauf, dass im angefochtenen Erkenntnis nicht begründet wurde, ob den einzelnen Gegenständen der Außenanlagen bzw. des "Zubehörs" eine besonders ins Gewicht fallende Selbständigkeit zukomme; diese Frage wurde - nach den vorgelegten Verfahrensakten - auch nicht mit den Parteien erörtert. Zu bemerken wäre hiezu, dass im vorliegenden Kaufvertrag lediglich auf das Wohnhaus "samt Garage und Freischwimmbad" verwiesen wurde, woraus sich jedenfalls aus subjektiver Sicht der Vertragsparteien eine besondere Selbständigkeit anderer Gegenstände nicht ergeben würde. Auch wurde im Kaufvertrag festgehalten, dass sämtliche Gegenstände, die die Verkäuferin zurücklasse, ersatzlos in das Eigentum des Käufers übergingen; auch dies würde - aus subjektiver Sicht der Vertragsparteien - eine besondere Selbständigkeit nicht nahelegen. Die Mitbeteiligte verweist in ihrer Revisionsbeantwortung auch auf den geringen anteiligen Wert des Zubehörs und der Außenanlagen, was - wie aus dem in den vorgelegten Akten befindlichen Gutachten eines Sachverständigen hervorgeht - insbesondere auch für die Terrasse (Granitplatten) oder das Kopfsteinpflaster im Einfahrtsbzw. Eingangsbereich gilt (anders wohl für den - auch im Kaufvertrag gesondert erwähnten - Außenpool samt Technikeinrichtung); mit der Herstellung einer Forststraße oder eines landwirtschaftlichen Güterwegs oder auch mit "Platzbefestigungen" im Zusammenhang mit einem Lagerplatz (vgl. hiezu VwGH 20.5.2010, 2006/15/0238, VwSlg. 8545/F; zu einer - großflächigen - Gartenanlage samt Parkplätzen vgl. VwGH 23.2.2010, 2008/15/0027) erscheint ein derartiger Einfahrts- und Eingangsbereich nicht vergleichbar. Mangels konkreter Darlegungen des Bundesfinanzgerichts kann aber vom Verwaltungsgerichtshof nicht abschließend beurteilt werden, ob diesen Gegenständen (objektiv) jeweils eine besonders ins Gewicht fallende Selbständigkeit zuzubilligen wäre.

20 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am 13. November 2019

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