VwGH Ra 2018/11/0148

VwGHRa 2018/11/014818.12.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revisionen des H T in K, vertreten durch Dr. Herbert Marschitz, Dr. Peter Petzer, Mag. Johannes Bodner und Dr. Clemens Telser, Rechtsanwälte in 6330 Kufstein, Unterer Stadtplatz 24, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich jeweils vom 24. Mai 2018, Zlen. 1. LVwG-S-749/001-2017 (hg. Ra 2018/11/0148) und 2. LVwG-S-748/001-2017 (hg. Ra 2018/11/0149), betreffend Übertretungen des AVRAG bzw. des AÜG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Horn), den Beschluss gefasst:

Normen

AÜG §17 Abs7
AÜG §22 Abs1 Z2
AVRAG 1993 §7d Abs2
AVRAG 1993 §7i Abs4 Z3
B-VG Art133 Abs4
VStG §9 Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
62013CJ0586 Martin Meat VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018110148.L00

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Die Revisionswerber haben dem Bund Aufwendungen in Höhe von insgesamt EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 1.1. (zu Ra 2018/11/0148):

Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 1. Februar 2017 wurde dem Revisionswerber vorgeworfen, er habe es als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der T GmbH (in Folge: T) in seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer zu verantworten, dass diese Gesellschaft in ihrer Eigenschaft als inländische Beschäftigerin hinsichtlich vier namentlich genannter (von der S s.r.o. - in Folge: S - mit Sitz in der Tschechischen Republik überlassener) Arbeitnehmer am 16. November 2015 gegen 08:45 Uhr an einem bestimmt bezeichneten Arbeits(Einsatzort) die Lohnunterlagen in deutscher Sprache für die Dauer der Beschäftigung nicht bereitgehalten habe. Er habe dadurch jeweils § 7d Abs. 2 iVm § 7i Abs. 4 Z 3 AVRAG verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafen verhängt wurde. Darüber hinaus wurde ihm ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vorgeschrieben. 2 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Verwaltungsgericht mit dem erstangefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab (Spruchpunkt 1.) und verpflichtete diesen zur Leistung eines Beitrags zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens (Spruchpunkt 2.). Eine ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig (Spruchpunkt 3.).

3 1.2. (zu Ra 2018/11/0149):

Mit weiterem Straferkenntnis der belangten Behörde vom 1. Februar 2017 wurde dem Revisionswerber vorgeworfen, er habe es ebenso als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der T in seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer zu verantworten, dass diese Gesellschaft in ihrer Eigenschaft als Beschäftigerin vier namentlich genannter Arbeitnehmer für diese (nicht in Österreich sozialversicherungspflichtige, überlassene Arbeitskräfte) eine Abschrift der Meldung gemäß den Abs. 2 und 3 des § 17 AÜG (die ZKO 4-Überlassungsmeldung) am Arbeits(Einsatz)Ort nicht in geeigneter Form zur Überprüfung bereitgehalten habe. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ergebe sich zweifelsfrei, dass im Hinblick auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt eine Überlassung von Arbeitskräften vorliege. Der Revisionswerber habe dadurch § 17 Abs. 7 iVm § 22 Abs. 1 Z 2 zweiter Fall AÜG verletzt, weshalb über ihn deshalb eine Geldstrafe verhängt sowie ein Kostenbeitrag vorgeschrieben wurde.

4 Der gegen dieses (weitere) Straferkenntnis erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers gab das Verwaltungsgericht mit dem zweitangefochtenen Erkenntnis insofern statt, als es die von der Behörde festgesetzte Geldstrafe (einschließlich der Ersatzfreiheitsstrafe) herabsetzte (Spruchpunkt 1.). Zudem setzte es die vom Revisionswerber zu tragenden Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens neu fest (Spruchpunkt 2.). Eine ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig (Spruchpunkt 3.). 5 1.3. Gegen diese verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisse richten sich die - aufgrund ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhangs vom Verwaltungsgerichtshof zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen - Revisionen mit dem Antrag, die angefochtenen Entscheidungen jeweils wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.

6 Die belangte Behörde erstattete jeweils eine Revisionsbeantwortung und beantragte die kostenpflichtige Zurückweisung der Revisionen.

7 2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 2.2. Die insofern gleichlautenden Revisionen bringen zu ihrer Zulässigkeit jeweils vor, das Verwaltungsgericht sei in den angefochtenen Erkenntnissen nicht auf die in der EuGH-Entscheidung vom 18. Juni 2015 "Martin Meat", C-586/13 , dargelegten Voraussetzungen eingegangen. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. August 2017, Ra 2017/11/0068, werde vom Verwaltungsgericht zwar zitiert, jedoch nicht auf die vorliegenden Sachverhalte angewendet. Die angefochtenen Entscheidungen würden keine Begründung zu der Frage enthalten, warum fallbezogen kein Werkvertrag, sondern Arbeitskräfteüberlassung vorliege. Die diesbezügliche Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichtes sei mangels Begründung der angefochtenen Erkenntnisse nicht nachvollziehbar. 11 2.3. Mit diesem Vorbringen gelingt es der Revision nicht aufzuzeigen, dass ihre Behandlung von der Beantwortung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt:

12 2.3.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 22. August 2017, Ra 2017/11/0068, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH (u.a. Urteil vom 18.6.2015, C-586/13 , Martin Meat) dargelegt, welche Kriterien unter Berücksichtigung des Unionsrechts für die Beurteilung der auch gegenständlich entscheidungsrelevanten Frage, ob ein Vertragsverhältnis als grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung oder als Werkvertrag zu beurteilen ist, maßgebend sind.

13 An diese Entscheidung anknüpfend hat der Verwaltungsgerichtshof jene Revisionsfälle, in denen bei der Beurteilung des Vorliegens von Arbeitskräfteüberlassung die nach dieser Judikatur maßgebenden Kriterien im Rahmen einer Gesamtbeurteilung herangezogen wurden bzw. in denen das Verwaltungsgericht einzelnen dieser Kriterien ein höheres, anderen aber ein geringeres Gewicht beigemessen hat, wegen ihrer einzelfallbezogenen Bedeutung als nicht revisibel angesehen (vgl. etwa VwGH 20.9.2017, Ra 2017/11/0024 bis 0029 und Ra 2017/11/0016, VwGH 3.1.2018, Ra 2017/11/0207, VwGH 8.2.2018, Ra 2017/11/0206, VwGH 23.4.2018, Ra 2017/11/0221, 0222, 16.5.2018, Ra 2018/11/0088, 20.7.2018, Ra 2018/11/0053, 20.9.2018, Ra 2018/11/0112, 25.9.2018, Ra 2018/11/0174).

14 2.3.2. In den vorliegenden Revisionsfällen hat das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer (beide Verfahren betreffenden) mündlichen Verhandlung in den angefochtenen Erkenntnissen (übereinstimmend) u.a. folgende unbestritten gebliebene Feststellungen getroffen:

15 Anlässlich einer Kontrolle durch die Finanzpolizei am 16. November 2015 seien die vier in den Straferkenntnissen genannten Personen (tschechischer Staatsangehörigkeit) beim Schlichten und Öffnen von Kartons auf einer näher genannten Baustelle angetroffen worden. Diese hätten angegeben, seit 14. November 2015 auf der Baustelle tätig zu sein und Dekorationsarbeiten durchzuführen. Sie hätten internationale Versicherungsdokumente A1 für Selbständige und verschiedene tschechische Gewerbeberechtigungen vorweisen können. Die ZKO4- Überlassungsmeldungen bzw. Lohnunterlagen seien am Arbeitsort nicht bereitgehalten worden. Die Tätigkeiten der genannten Personen resultierten aus einem zwischen der O GmbH (in Folge: O) mit Sitz in Deutschland und der T mit Sitz in Österreich schriftlich ergangenen Vertragsverhältnisses betreffend "Merchandising Arbeiten" bzw. das "Rebranding" von Baumärkten. Grundlage dieses Vertragsverhältnisses sei eine näher spezifizierte Rahmenvereinbarung vom 30. September 2015. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2015 sei ein konkreter Auftrag der O an die T ergangen, als Liefertermin sei der 9. November 2015 festgelegt worden.

16 Die T habe zur Durchführung des gegenständlichen Auftrages über keine eigenen Mitarbeiter verfügt. Sie habe daher die S mit Sitz in Tschechien beauftragt, indem die Rahmenvereinbarung mit der O an S "weitergegeben" worden sei. Von der S sei ein Angebot für das revisionsgegenständliche Projekt gemacht worden. Die Materialien für die Montage bzw. das "Rebranding" seien von der O gestellt und geliefert worden. Seitens der O habe es exakte Zeitpläne gegeben, die Arbeitsschritte für die Dekoration seien mit exakten Ausführungsplänen terminlich vorgegeben gewesen. Die Arbeitnehmer hätten unter der Aufsicht der O gearbeitet, die für die einzelnen Baumärkte einen Beauftragten "abstellten". Vor Beginn der Arbeiten habe am Firmensitz der O eine Schulung stattgefunden, an der der Revisionswerber und ein Mitarbeiter sowie Projektleiter der S teilgenommen hätten. Über Kleinwerkzeug hätten die Arbeiter selbst verfügt, "Access Equipment" sei von der O zur Verfügung gestellt worden. Von den vier Arbeitnehmern der S seien die Wochenarbeitsstunden und die Art der Tätigkeit in Stundenaufzeichnungen erfasst und vom einzelnen Arbeitnehmer sowie vom Einrichtungsleiter der O unterschrieben worden. 17 Ausgehend von diesen Feststellungen führte das Verwaltungsgericht in seiner rechtlichen Begründung jeweils gleichlautend aus, die Vergütung für die Leistung der Arbeitnehmer hänge fallbezogen nicht von der Qualität der erbrachten Leistung ab, sondern erfolge über Stundensätze bzw. Manntagessätze. Die Vereinbarung eines gewährleistungstauglichen Erfolges sei nicht zu erkennen. Es handle sich bei den Tätigkeiten um einfache Montagebzw. Demontagearbeiten, die unter Aufsicht der Auftraggeberin, der O und nach deren vorgegebenen strengen Kriterien durchgeführt worden seien. Eine kreative Eigenleistung hinsichtlich Dekoration oder Gestaltung durch die T sei nicht zu erkennen. Die Zahl der eingesetzten Arbeitnehmer bestimme sich durch den Auftrag der O betreffend 48 Manntagessätze. Die Aufsicht und Einteilung für die Ausführung der Arbeiten im näher genannten Baumarkt seien durch Mitarbeiter der O erfolgt. Die Arbeiter seien von der S direkt zum Baumarkt in H entsandt worden. Unter Berücksichtigung der im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. August 2017, Ra 2017/11/0068, dargelegten Kriterien liege ausgehend von den fallbezogenen Umständen nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes kein Werkvertrag, sondern ein Vertrag betreffend grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung vor.

18 Der Revisionswerber bzw. die T sei im vorliegenden Fall einer Subüberlassung Beschäftiger der von S bereitgestellten Arbeitnehmer und gleichzeitig Überlasser dieser Arbeitnehmer an die O gewesen. Bei der Subüberlassung trage der Zwischenüberlasser bzw. Zwischenbeschäftiger die Pflichten des Überlassers bzw. Beschäftigers. Insofern hätten den Revisionswerber jedenfalls die Pflichten des Beschäftigers gemäß § 7d Abs. 2 AVRAG bzw. gemäß § 17 Abs. 7 AÜG getroffen und sei dieser daher gemäß den genannten Bestimmungen iVm § 7i Abs. 4 Z 3 AVRAG bzw. § 22 Abs. 1 Z 2 AÜG (insofern jedoch milder als im Straferkenntnis) zu bestrafen gewesen.

19 2.3.3. Vor dem Hintergrund dieser zusammengefasst wiedergegebenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts ist das Vorbringen der Revisionen, es mangle den angefochtenen Entscheidungen an einer nachvollziehbaren Begründung für die Schlussfolgerung, dass fallbezogen jeweils von einer Arbeitskräfteüberlassung auszugehen sei, nicht nachvollziehbar. 20 Dass das Verwaltungsgericht in seinen rechtlichen Beurteilungen die vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 22. August 2017, Ra 2017/11/0068, gezogenen Leitlinien verlassen hätte bzw. dass diesem bei der Gesamtwürdigung aller nach dieser Judikatur maßgeblichen Aspekte zur Beurteilung des wahren wirtschaftlichen Gehaltes des vorliegenden Vertragsverhältnisses eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre bzw. es dabei eine unvertretbare Einzelfallbeurteilung vorgenommen hätte, wird von den Revisionen nicht dargetan (vgl. zu ähnlichen Konstellationen - nochmals - VwGH 20.7.2018, Ra 2018/11/0053, sowie VwGH 12.11.2018, Ra 2018/11/0137; 3.12.2018, Ra 2018/11/0115). 21 2.4. In den Revisionen werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher zurückzuweisen.

22 2.5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung. Nach § 51 VwGG ist in Fällen, in denen die außerordentliche Revision - wie im vorliegenden Fall - nach der Einleitung des Vorverfahrens zurückgewiesen wurde, die Frage des Anspruches auf Aufwandersatz so zu beurteilen, wie wenn die Revision abgewiesen worden wäre (vgl. etwa VwGH 25.6.2014, Ra 2014/07/0025, und vom 29.4.2015, Ra 2014/06/0052).

Wien, am 18. Dezember 2019

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