VwGH Ra 2018/11/0088

VwGHRa 2018/11/008816.5.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Mag. H K in I, vertreten durch die Leissner Kovaricek Rechtsanwälte OG in 1070 Wien, Zieglergasse 12, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 19. Februar 2018, Zl. VGW- 041/075/10588/2017-36, betreffend Übertretungen des AVRAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

62013CJ0586 Martin Meat VORAB;
AVRAG 1993 §7d Abs2;
AVRAG 1993 §7i Abs10;
B-VG Art133 Abs4;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018110088.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde, indem im Wesentlichen das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 28. Juni 2017 bestätigt wurde, der Revisionswerber als gemäß § 9 Abs. 1 VStG nach außen zur Vertretung berufenes Organ (Geschäftsführer) der K. GmbH mit Sitz in W schuldig erkannt, diese Gesellschaft habe es am 8. September 2015 im Rahmen der grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung als inländische Beschäftigerin von namentlich genannten slowakischen Arbeitskräften unterlassen, deren Lohnunterlagen am Arbeitsort bereitzuhalten und damit gegen § 7d Abs. 2 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 94/2014 verstoßen. Über den Revisionswerber wurden deshalb gemäß § 7i Abs. 4 Z 3 dritter Strafsatz AVRAG Geldstrafen verhängt und ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens (vom Verwaltungsgericht auch hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens) vorgeschrieben.

Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

2 In der Begründung gelangte das Verwaltungsgericht - nach durchgeführter mündlicher Verhandlung - zu dem Ergebnis, dass gegenständlich Arbeitskräfteüberlassung vorliege, sodass den Revisionswerber die genannte Pflicht zur Bereithaltung der Lohnunterlagen, welcher dieser nicht nachgekommen sei, getroffen habe. Bei dem zwischen der K. GmbH und der (in der Slowakei ansässigen) M.s.r.o. abgeschlossenen "Rahmenvertrag" (dessen Gegenstand die Durchführung von Trockenbauarbeiten für die Errichtung eines Einkaufszentrums gewesen sei und der auch mit anderen "Subunternehmen" geschlossen worden sei) handle es sich nämlich entgegen dem Beschwerdevorbringen des Revisionswerbers nicht um einen Werkvertrag, sondern um einen Vertrag zur Überlassung der genannten Arbeitskräfte. So sei die Abrechnung "nach Aufmaß" erfolgt und es sei kein abgegrenztes, von der M.s.r.o. geschuldetes Werk vereinbart worden, für welches letztere hätte Gewähr leisten können. Gegen das Vorliegen eines Werkvertrages spreche weiters, dass die genannten Arbeitskräfte von einem Bediensteten (Bauleiter) der K. GmbH angewiesen und kontrolliert worden seien. Der Bauleiter habe auch mehr Personal eingefordert, wenn dieses benötigt worden sei.

3 Eine "Gesamtbetrachtung" im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das Erkenntnis VwGH 22.8.2017, Ra 2017/11/0068, und das dort besprochene Urteil des EuGH "Martin Meat") ergebe, dass es sich beim strittigen Vertragsverhältnis nach seinem wahren wirtschaftlichen Gehalt um Arbeitskräfteüberlassung handle.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. VwGH 25.3.2014, Ra 2014/04/0001 und 18.2.2015, Ra 2015/08/0008).

7 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

8 Die Revision macht zur Begründung ihrer Zulässigkeit zum Einen (zusammengefasst) geltend, es fehle Judikatur, ob die im zitierten Erkenntnis, Ra 2017/11/0068, und in dem dort auszugsweise wiedergegebenen Urteil des EuGH "Martin Meat" dargestellten Kriterien für die Arbeitskräfteüberlassung und deren Abgrenzung vom Werkvertrag auch für Großbauprojekte wie jenes des gegenständlichen Einkaufszentrums gelten. Dies sei nach Meinung der Revision (welche die Bauphasen eines Einkaufszentrums ausführlich beschreibt) nicht der Fall, sodass für solche Großbauprojekte andere Maßstäbe gelten müssten.

9 Dem ist zu entgegnen, dass der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis Ra 2017/11/0068 ebenso wie der EuGH in seinem Urteil "Martin Meat" im Einzelnen die Kriterien für das Vorliegen von grenzüberschreitender Arbeitskräfteüberlassung (in Abgrenzung vom Werkvertrag) nach rechtlichen Gesichtspunkten und nicht nach der Art der von den Arbeitskräften ausgeübten Tätigkeit dargelegt hat. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass die Frage, ob ein Vertrag betreffend die Durchführung von Bauarbeiten (fallbezogen im Rahmen eines Einkaufszentrums) als Werkvertrag oder als grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung zu qualifizieren ist, nach anderen Kriterien als jenen im letztzitierten Erkenntnis zu beurteilen wäre. Entgegen dem Revisionsvorbringen fehlt es somit nicht an diesbezüglicher hg. Judikatur.

10 Im Übrigen ist es entgegen dem Vorbringen der Revision zu ihrer Zulässigkeit nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes, das "rechtsrichtige Verhalten bei der Beauftragung im Rahmen von

Werkverträgen ... bei einem Großprojekt" zu erklären.

11 Die Revision macht zur Begründung ihrer Zulässigkeit zum Anderen (zusammengefasst) geltend, das Verwaltungsgericht sei vom zitierten Erkenntnis, Ra 2017/11/0068, und insbesondere von dem dort auszugsweise wiedergegebenen Urteil des EuGH "Martin Meat" abgewichen, nach welchem eines der drei wesentlichen und kumulativ zu erfüllenden Merkmale der Arbeitskräfteüberlassung darin bestehe, dass der Wechsel des Arbeitnehmers in den Aufnahmemitgliedstaat der eigentliche Gegenstand der Dienstleistung des erbringenden Unternehmens sei. Dazu fehlten wesentliche und eindeutige Feststellungen des Verwaltungsgerichts.

12 Mit diesem Vorbringen ist der Revisionswerber auf das Erkenntnis Ra 2017/11/0068 und die dort zitierten Teile des Urteiles des EuGH "Martin Meat" (vgl. die Rn 34 ff dieses Urteils) zu verweisen, nach welchem die Beurteilung des Vorliegens der soeben genannten Voraussetzung die Analyse des eigentlichen Gegenstands der Dienstleistung des erbringenden Unternehmens erfordert, bei der jeder Anhaltspunkt dafür zu berücksichtigen ist, dass der Wechsel des Arbeitnehmers in den Aufnahmemitgliedstaat den Gegenstand der betreffenden Dienstleistung darstellt oder nicht darstellt. Als diesbezügliche Anhaltspunkte für das Vorliegen von Arbeitskräfteüberlassung wurden (auch im zitierten Urteil des EuGH) ausdrücklich angeführt, dass der Dienstleistungserbringer nicht die Folgen einer nicht vertragsgemäßen Ausführung der vertraglich festgelegten Leistung trägt (also keinen "gewährleistungstauglichen" Erfolg zu erbringen hat) und dass er die Zahl der Arbeitnehmer, deren Entsendung in den Aufnahmemitgliedstaat er für sachgerecht hält, nicht bestimmt.

13 Da das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall zutreffend auf diese Kriterien (sowie auf den nach dieser Judikatur ebenfalls maßgebenden Umstand der Ausübung der Dienst- und Fachaufsicht) abgestellt hat, trifft der in der Revision erhobene Vorwurf der Abweichung von der hg. Rechtsprechung nicht zu.

14 Der Verwaltungsgerichtshof erachtet jene Revisionsfälle, in denen (wie soeben ausgeführt auch im gegenständlichen Fall) bei der Beurteilung des Vorliegens von Arbeitskräfteüberlassung die nach dieser Judikatur maßgebenden Kriterien im Rahmen einer Gesamtbeurteilung herangezogen wurden bzw. in denen das Verwaltungsgericht einzelnen dieser Kriterien ein höheres, anderen aber ein geringeres Gewicht beigemessen hat, wegen ihrer einzelfallbezogenen Bedeutung als nicht revisibel (vgl. etwa VwGH 20.9.2017, Ra 2017/11/0024 bis 0029 und Ra 2017/11/0016).

15 Wenn die Revision schließlich unter ausführlicher Wiedergabe von Zeugenaussagen meint, das Verwaltungsgericht hätte die Erfüllung der genannten Kriterien der grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung nicht bejahen dürfen, so spricht sie damit die Beweiswürdigung an. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge somit nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa VwGH 11.10.2017, Ra 2017/11/0131), wovon gegenständlich nicht auszugehen ist.

16 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 16. Mai 2018

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