Normen
GGG 1984 §18 Abs2 Z2
GGG 1984 §18 Abs2 Z2a
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RO2017160017.J00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Am 4. September 2012 brachte die mitbeteiligte GmbH beim Bezirksgericht Tulln eine "Mietzins- und Räumungsklage" ein, wofür unter Zugrundelegung eines gerichtgebührenrelevanten Streitwerts von 1.545,60 EUR (Streitwert des Leistungsbegehrens: 795,60 EUR, Streitwert des Räumungsbegehrens: 750 EUR) eine Gerichtsgebühr iHv 97 EUR mittels Gebühreneinzugs entrichtet wurde.
2 In der Tagsatzung vom 2. Oktober 2012 schlossen die Parteien einen gerichtlichen Vergleich mit folgendem Inhalt:
"1. Die beklagte Partei verpflichtet sich, der klagenden Partei die überdachte Verladerampe im nordöstlichen Teil der Liegenschaft (...) bis längstens 31.12.2012 geräumt von ihren Fahrnissen unter Verzicht auf jeden Räumungsaufschub zu übergeben.
2. Die beklagte Partei verpflichtet sich, der klagenden Partei zu Handen des Klagevertreters den Betrag von EUR 795,60 (rückständige Mieten per September 2012) sowie die mit EUR 448,84 verglichenen Kosten (...) bis längstens 20.10.2012 sowie die laufenden Mieten zu bezahlen."
3 Mit Bescheid vom 4. November 2015 schrieb der Präsident des Landesgerichts St. Pölten (nach Außerkrafttreten des Bescheids der Kostenbeamtin gemäß § 57 Abs. 3 AVG) der Mitbeteiligten eine restliche Pauschalgebühr nach TP 1 GGG iHv 576 EUR sowie eine Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs. 1 GEG iHv 8 EUR vor. Durch Punkt 2 des Vergleichs sei der Wert des ursprünglichen Streitgegenstands erweitert worden, was gemäß § 18 Abs. 2 Z 2 und Z 2a GGG eine weitere Pauschalgebühr nach TP 1 GGG auslöse. Die im Vergleich übernommene Verpflichtung zur Zahlung der "laufenden Mieten", sei zeitlich nicht begrenzt, sodass der Beklagte zu deren Bezahlung auch verpflichtet sei, wenn er den im Vergleich festgelegten Räumungstermin überziehe. Dem Vergleich sei nicht zu entnehmen, dass die Leistungsverpflichtung für den Fall der nicht fristgerechten Räumung mit dem in Aussicht genommenen Räumungstermin erlösche. Die Bemessungsgrundlage für die restliche Pauschalgebühr nach TP 1 betrage gemäß § 58 Abs. 1 JN das Zehnfache des Jahreswerts der im Vergleich zur Zahlung übernommenen Beträge.
4 Mit Erkenntnis vom 13. Juni 2017 gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde der Mitbeteiligten statt und hob den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichts St. Pölten vom 4. November 2015 auf. In der Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, strittig sei, ob durch den Vergleich vom 2. Oktober 2012 der Streitwert gerichtsgebührenrelevant erweitert worden sei.
5 Nach § 18 Abs. 2 Z 2a GGG sei (neben dem Streitwert der Räumung) auch der Streitwert für wiederkehrende Leistungen in die Bemessungsgrundlage eines Vergleichs einzubeziehen, wenn die - den Gegenstand des Vergleichs bildende - Räumungsverpflichtung auch der Sicherung einer Forderung auf wiederkehrende Leistungen diene. Ein solcher Fall liege nicht vor, sei dem Vergleich vom 2. Oktober 2012 doch nicht zu entnehmen, dass etwa auf die Räumung verzichtet werde oder von dieser kein Gebrauch gemacht werden solle, solange wiederkehrende Leistungen (laufende Mietzinse) fristgerecht erfüllt würden.
6 Auch liege kein Anwendungsfall des § 18 Abs. 2 Z 2 GGG vor. Zwar habe der Verwaltungsgerichtshof vor Einfügung der Z 2a in § 18 Abs. 2 GGG durch das Budgetbegleitgesetz (BBG) 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, die Ansicht vertreten, dass die in einem Vergleich - trotz Vereinbarung eines Räumungstermins ohne Räumungsverzicht bzw. Sicherung der Mietzinszahlung - übernommene Verpflichtung, die dort genannten Beträge "zusätzlich zu den laufenden Mietzinsen" zu bezahlen, dazu führe, dass auch der für die wiederkehrenden Leistungen von unbestimmter Dauer (laufende Mietzinse) gebildete Streitwert in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sei (Hinweis auf VwGH 27.9.2012, 2010/16/0046). Jedoch seien § 18 Abs. 2 Z 2 und Z 2a GGG zusammen zu lesen, sodass nach § 18 Abs. 2 GGG idF des BBG 2011 im Falle eines Vergleichs, der eine Räumungsverpflichtung zum Gegenstand habe, die Einbeziehung von wiederkehrenden Leistungen von unbestimmter Dauer (laufende Mietzinse) in die Bemessungsgrundlage nur dann in Betracht komme, wenn die Räumungsverpflichtung auch der Sicherung der wiederkehrenden Leistungen diene, was gegenständlich nicht der Fall sei. Die Einfügung der Z 2a in § 18 Abs. 2 GGG durch das BBG 2011 wäre überflüssig, würde in solchen Fällen weiterhin die Einrechnung des Streitwerts für die wiederkehrenden Leistungen in die Bemessungsgrundlage nach § 18 Abs. 2 Z 2 GGG erfolgen. 7 Dieses Ergebnis stehe auch mit der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes im Einklang, wonach eine Änderung der Bemessungsgrundlage nicht vorliege, wenn über künftige Mietentgelte (wiederkehrende Leistungen) nicht disponiert werde, etwa wenn diese im Vergleich lediglich "nebenher" erwähnt würden, ohne selbst Gegenstand der im Vergleich getroffenen Dispositionen zu sein (Hinweis auf VfGH 5.6.2014, B 145/2014; 8.6.2010, B 5/10; 8.10.2003, B 459/02).
8 Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Hinblick auf die Frage, ob ungeachtet der Einfügung der Z 2a in § 18 Abs. 2 GGG durch das BBG 2011 eine Einrechnung des Streitwerts für wiederkehrende Leistungen in die Bemessungsgrundlage (weiterhin) nach § 18 Abs. 2 Z 2 GGG zu bejahen sei, wenn die im Vergleich vereinbarte Räumungsverpflichtung nicht (auch) der Sicherung einer Forderung auf wiederkehrende Leistungen diene, für zulässig.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Revision (die Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung) - in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
10 Gemäß § 14 GGG ist die Bemessungsgrundlage, soweit nicht im Folgenden etwas anderes bestimmt wird, der Wert des Streitgegenstands nach den Bestimmungen der §§ 54 bis 60 JN. 11 Nach § 58 JN ist der Wert des Rechts auf den Bezug von Zinsen, Renten, Früchten oder anderen wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen bei unbestimmter Dauer das Zehnfache der Jahresleistung.
12 Gemäß § 18 Abs. 1 GGG bleibt die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren gleich. Von dieser Regelung tritt gemäß § 18 Abs. 2 Z 2 GGG eine Ausnahme ein, wenn der Wert des Streitgegenstands in Folge einer Erweiterung des Klagebegehrens geändert wird oder Gegenstand des Vergleichs eine Leistung ist, deren Wert das Klagebegehren übersteigt. Dann ist die Pauschalgebühr unter Zugrundelegung des höheren Streitwerts zu berechnen, wobei die bereits entrichtete Pauschalgebühr einzurechnen ist.
13 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung richtet sich in Anwendung des § 58 Abs. 1 JN die zu bezahlende Ergänzungsgebühr im Falle von gerichtlichen Räumungsvergleichen dann, wenn eine zeitlich nicht exakt begrenzte Verpflichtung zur Zahlung eines Betrags übernommen wird, nach dem Zehnfachen des Jahreswerts (vgl. etwa VwGH 16.12.2014, 2013/16/0023; sowie die bei Dokalik, Gerichtsgebühren13, E 60 ff zu § 18 GGG zitierte hg. Rechtsprechung).
14 Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung (vgl. nochmals VwGH 16.12.2014, 2013/16/0023; 27.9.2012, 2010/16/0046 und 8.9.2010, 2010/16/0117) die Ansicht, dass in Fällen wie dem vorliegenden, in denen in einem den Streitwert erhöhenden Vergleich eine Räumung und andererseits aber ein bestimmter, regelmäßig zu zahlender Mietzins ohne zeitliche Begrenzung vereinbart werden, eine Verpflichtung auf unbestimmte Zeit begründet wird, weil in solchen Fällen dem Vergleich selbst nicht entnommen werden kann, dass die Leistungsverpflichtung z. B. für den Fall der nicht fristgerechten Räumung mit dem in Aussicht genommenen Räumungstermin erlöschen sollte. 15 Dass der Gesetzgeber durch die Einfügung der Z 2a in § 18 Abs. 2 GGG durch das BBG 2011 solche Fälle, in denen im Rahmen eines Vergleichs neben einer Räumungsverpflichtung auch ein bestimmter, regelmäßig zu zahlender Mietzins ohne zeitliche Begrenzung vereinbart wird (ohne dass die Räumungsverpflichtung der Sicherung der wiederkehrenden Leistung dient), vom Anwendungsbereich des § 18 Abs. 2 Z 2 GGG hätte ausnehmen wollen, erschließt sich dem Verwaltungsgerichtshof nicht. Vielmehr stellt § 18 Abs. 2 Z 2a GGG lediglich eine lex specialis für jene Fälle dar, in denen Gegenstand eines Vergleichs eine Räumungsverpflichtung ist, die (auch) der Sicherung einer Forderung auf wiederkehrende Leistungen dient, etwa weil auf die Räumung verzichtet wird oder von dieser kein Gebrauch gemacht werden soll, solange die Leistungsverpflichtung fristgerecht erfüllt wird.
16 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Materialien zum BBG 2011 (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 981 BlgNR 24. GP 60), sollte mit § 18 Abs. 2 Z 2a GGG doch lediglich eine explizite gesetzliche Grundlage für die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geschaffen werden, wonach wiederkehrende Leistungen in die Bemessungsgrundlage eines Vergleichs einzubeziehen sind, wenn die Räumungsverpflichtung (auch) der Sicherung der wiederkehrenden Leistungen dient. Dass darüber hinaus eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 18 Abs. 2 Z 2 GGG beabsichtigt gewesen wäre, ist den Erläuterungen hingegen nicht zu entnehmen. Vielmehr wird ausgeführt, dass Rechtsklarheit für die Parteien geschaffen und es ihnen erleichtert werden soll, eine gebührenschonende Gestaltung ihrer Vereinbarung zu wählen und "z.B., soweit die Sicherung der wiederkehrenden Leistung nicht bezweckt sein sollte, auf deren Erwähnung im Vergleich zu verzichten".
17 Wird im Rahmen eines Vergleichs daher neben einer Räumungsverpflichtung (die nicht der Sicherung der wiederkehrenden Leistung dient, weil etwa nicht auf die Räumung verzichtet wird oder von dieser kein Gebrauch gemacht werden soll, solange die Leistungsverpflichtung fristgerecht erfüllt wird) - wie im streitgegenständlichen Fall - auch ein bestimmter, regelmäßig zu zahlender Mietzins ohne zeitliche Begrenzung vereinbart, ist auch der für die wiederkehrenden Leistungen von unbestimmter Dauer (laufende Mietzinse) gebildete Streitwert nach § 18 Abs. 2 Z 2 GGG in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen.
18 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 20. August 2019
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