VwGH Ra 2018/01/0039

VwGHRa 2018/01/003924.5.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Fasching und Mag. Brandl sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 31. Oktober 2017, Zl. VGW-103/048/8547/2017-9, betreffend eine Angelegenheit nach dem MeldeG 1991 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Wien; mitbeteiligte Partei: H J S in W), den Beschluss gefasst:

Normen

MeldeG 1991 §15 Abs1;
MeldeG 1991 §15 Abs2;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018010039.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Schreiben der Meldebehörde vom 24. März 2016 wurde dem (zu diesem Zeitpunkt bereits in der Justizanstalt W inhaftierten) Mitbeteiligten mitgeteilt, dass er - einer entsprechenden Information der Hausverwaltung zufolge - in der Wohnung an einer näher genannten Adresse in W nicht mehr wohne, dort jedoch trotz der Abmeldepflicht nach § 4 Meldegesetz 1991 (MeldeG) noch gemeldet sei. Der Mitbeteiligte wurde aufgefordert, hiezu binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen; dies mit dem Hinweis, dass er gemäß § 15 MeldeG von Amts wegen abgemeldet werde, wenn keine Stellungnahme erfolge.

2 Der Mitbeteiligte äußerte sich zu dem Schreiben nicht. Er wurde in weiterer Folge am 6. Mai 2016 mittels formloser Verfügung amtswegig von der genannten Unterkunft abgemeldet.

3 Mit Eingabe vom 27. September 2016 ("Beschwerde wegen amtlicher Abmeldung") bezeichnete der Mitbeteiligte die Abmeldung als rechtswidrig. Ein Bescheid über die Abmeldung sei ihm nicht zugestellt worden. Er stellte den Antrag "auf amtliche Berichtigung der rechtswidrig erfolgten Abmeldung und Wiederherstellung des früheren Zustandes".

4 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Wien vom 8. März 2017 wurde dieser Antrag zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass aufgrund nicht erfolgter Einwendungen die Abmeldung des Mitbeteiligten gemäß § 15 MeldeG ohne Erlassung eines Bescheides vorzunehmen gewesen sei. Damit sei das Verfahren zur amtlichen Abmeldung abgeschlossen gewesen. Darüber hinausgehende Antragsrechte der betroffenen Person betreffend An- oder Abmeldungen seien im Gesetz nicht normiert.

5 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte am 9. April 2017 Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien, in der er die "Behebung des angefochtenen Bescheides unter Berichtigung der amtlichen Abmeldung mit 27.3.2017, in eventu die Aufhebung des angefochtenen Bescheides unter Auftragung an die belangte Behörde, die (amtliche) Abmeldung mit 27.3.2017 vorzunehmen", beantragte.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde "der Beschwerde Folge gegeben" und die Revision für nicht zulässig erklärt.

7 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, das durchgeführte Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass die Inhaftierung des Mitbeteiligten seine amtliche Abmeldung vom gemeldeten Wohnsitz nicht notwendig mache, zumal ein Räumungsauftrag gegen die Gattin und den Sohn des Mitbeteiligten nicht diesen selbst betreffe. Es sei davon auszugehen, dass der Mitbeteiligte die gegenständliche Wohnung zwar unregelmäßig, aber dennoch als Unterkunft im Sinne des § 1 Abs. 1 MeldeG nutze. Er müsse daher dort auch gemeldet sein, eine amtliche Abmeldung habe zu unterbleiben.

8 Die vorliegende außerordentliche Revision bringt zur Zulässigkeit u.a. vor, dem angefochtenen Erkenntnis liege die (unzutreffende) Rechtsauffassung zu Grunde, dass im Falle eines ohne Bescheiderlassung beendeten Abmeldungsverfahrens gemäß § 15 Abs. 2 MeldeG der betroffenen Person ein "Beschwerderecht" eingeräumt werde. Diese Frage sei noch nie Gegenstand eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof gewesen und hätte diese Rechtsauffassung österreichweit erhebliche Auswirkungen auf die von den Meldebehörden durchzuführenden Verfahren.

9 § 15 des Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 9/1992 idF BGBl. Nr. 120/2016 (MeldeG), lautet (auszugsweise):

"Berichtigung des Melderegisters

§ 15. (1) Erhält die Meldebehörde vom Tod eines angemeldeten Menschen Kenntnis, hat sie die Abmeldung durchzuführen. Hat sie Grund zur Annahme, dass eine Meldung entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes vorgenommen oder unterlassen wurde, so hat sie die An- oder Abmeldung, in den Fällen des § 11 Abs. 1 auch die Ummeldung von Amts wegen vorzunehmen. Im Übrigen hat sie das Melderegister, soweit es unrichtige oder unvollständige Meldedaten enthält, zu berichtigen. ...

(1a) ...

(2) Von einer beabsichtigten An-, Ab- oder Ummeldung von Amts wegen hat die Meldebehörde den Meldepflichtigen zu verständigen und ihm Gelegenheit der Stellungnahme zu geben. Erhebt der Meldepflichtige gegen eine solche Maßnahme Einwendungen, so ist die An-, Ab- oder Ummeldung, falls die Einwendungen nicht berücksichtigt werden, mit Bescheid vorzunehmen.

..."

10 Die amtliche An-, Ab- oder Ummeldung nach § 15 MeldeG bedarf - nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens - nur dann einer rechtsförmlichen und anfechtbaren Entscheidung, wenn der Betreffende mit der geplanten Maßnahme nicht einverstanden ist (vgl. die Gesetzesmaterialien zu § 15 MeldeG, RV 279 BlgNR 18. GP , S. 20).

11 Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass an den Mitbeteiligten die Verständigung (samt Aufforderung zur Stellungnahme) vom 24. März 2016 über seine beabsichtigte Abmeldung von der genannten Wohnung im Sinne des § 15 Abs. 2 MeldeG ergangen ist und der Mitbeteiligte dagegen keine Einwendungen erhoben hat.

12 Der Erlassung eines förmlichen Bescheides über die Abmeldung des Mitbeteiligten bedurfte es daher nicht (vgl. VwGH 4.10.2000, 2000/11/0134, und 9.10.2001, 2001/05/0295; vgl. zur mangelnden Bescheidqualität einer mangels Einwendungen vorgenommenen amtswegigen Abmeldung auch bereits die zur Vorgängerbestimmung des § 11 Abs. 2 MeldeG 1972 ergangene Rechtsprechung, z.B. VwGH 17.12.1990, 90/19/0571, sowie VfSlg. 12.908/1991). Vielmehr erfolgte die amtswegige Abmeldung gemäß § 15 Abs. 1 MeldeG zu Recht in formloser Weise.

13 Das gegenständliche amtliche Abmeldungsverfahren war damit am 6. Mai 2016 rechtswirksam abgeschlossen und vom Mitbeteiligten mit Rechtsmitteln nicht mehr bekämpfbar.

14 Der mit dem erwähnten Schriftsatz vom 27. September 2016 gestellte Antrag auf "Berichtigung der erfolgten Abmeldung und Wiederherstellung des früheren Zustandes" kann daher nur dahin verstanden werden, dass der Mitbeteiligte damit die Revidierung der Abmeldung durch Vornahme einer (neuerlichen) Anmeldung an der in Rede stehenden Adresse nach § 15 Abs. 1 (zweiter Satz) MeldeG begehrte.

15 Die Durchführung der in § 15 Abs. 1 MeldeG vorgesehenen An- , Ab- oder Ummeldung obliegt der Behörde indes von Amts wegen. Eine betroffene Person kann die Vornahme einer entsprechenden Verfügung daher bei der Behörde lediglich anregen (vgl. etwa VwGH 18.8.2017, Ro 2017/04/0006 bis 0013, Rn. 29), ein diesbezügliches Antragsrecht bzw. ein subjektives Recht auf Durchführung einer der genannten Maßnahmen wird dem Betroffenen durch das Gesetz jedoch nicht eingeräumt.

16 Der Bürgermeister der Stadt Wien hat den auf Vornahme der amtswegigen Anmeldung gerichteten Antrag des Mitbeteiligten vom 27. September 2016 daher zu Recht zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wäre vom Verwaltungsgericht als unbegründet abzuweisen gewesen.

17 Im Übrigen ist im gegebenen Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem rezenten Erkenntnis vom 17. Oktober 2017, Ro 2016/01/0011 (Rn. 32 und 33), ausgesprochen hat, dass infolge mangelnder Unterkunftnahme einer Person an einer bestimmten Adresse während aufrechter Haft die Anmeldung eines Wohnsitzes an jener Adresse nicht in Betracht kommt.

18 Indem das Verwaltungsgericht der Beschwerde "Folge gegeben" hat, hat es das angefochtene Erkenntnis somit schon aus den genannten Gründen mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

19 Die vorliegende - auf Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG gestützte - Revision des Magistrats der Stadt Wien (Fertigungsklausel: "Die Abteilungsleiterin" der zuständigen Magistratsabteilung) erweist sich jedoch aus folgenden Erwägungen als unzulässig:

20 Nach der zitierten Bestimmung kann die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts wegen Rechtswidrigkeit Revision erheben.

21 Gemäß § 13 Abs. 1 MeldeG sind Meldebehörden die Bürgermeister (im übertragenen Wirkungsbereich der Gemeinde). Gemäß Abs. 2 leg. cit. entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide der Meldebehörden das Landesverwaltungsgericht.

22 Im vorliegenden Fall hat der Bürgermeister der Stadt Wien als Meldebehörde den vom Mitbeteiligten vor dem Verwaltungsgericht bekämpften Bescheid vom 8. März 2017 erlassen (vgl. die Fertigungsklausel: "Für den Bürgermeister"). Der Bürgermeister der Stadt Wien ist daher belangte Behörde im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht.

23 Der Magistrat der Stadt Wien ist zur Erhebung der gegenständlichen Amtsrevision im Grunde des Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG somit nicht legitimiert (vgl. bereits VwGH 31.7.2017, Ra 2017/05/0206, Rn. 4, betreffend die mangelnde Amtsrevisionslegitimation des Magistrats der Stadt Wien im Falle eines Bauausschusses der Bezirksvertretung als belangte Behörde). Eine sonstige gesetzliche Grundlage (im Sinne des Art. 133 Abs. 8 B-VG) zur Erhebung der vorliegenden Amtsrevision durch den Magistrat der Stadt Wien ist nicht ersichtlich und wird in der Revision auch nicht behauptet.

24 Die Revision war daher - in einem nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 24. Mai 2018

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