VwGH Ro 2017/19/0002

VwGHRo 2017/19/000212.12.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Revisionssache des R M U alias U, vertreten durch Mag. Andreas Lepschi, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 26/1/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27. Juli 2017, W112 1419084-1/60E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §25a Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RO2017190002.J00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Tadschikistan, stellte am 28. Juni 2010 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund brachte er vor, als ehemaliges Mitglied der Volksfront, die im Bürgerkrieg gekämpft habe, in Tadschikistan verfolgt zu werden.

2 Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 18. April 2011 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkte I. und II.). Das Bundesasylamt sprach aus, dass der Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen werde (Spruchpunkt III.).

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers mit der Maßgabe ab, dass der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 Z 2 iVm § 6 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 und bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 abgewiesen werde. Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Revisionswerbers gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 nicht zulässig sei. Es sprach zudem aus, dass Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben und das Verfahren nicht zur Prüfung der Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen werde. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Bundesverwaltungsgericht für zulässig.

4 In der Begründung hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass der Revisionswerber den in der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Asylausschlussgrund des Art. 1 Abschnitt F erfüllt habe. Der Revisionswerber sei für die von den Milizen der tadschikischen Volksfront im Rahmen des Bürgerkrieges begangenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch individuell verantwortlich. Die Ausschlussklauseln müssten, wie bei jeder Ausnahme von einem garantierten Menschenrecht, unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit zum verfolgten Ziel angewendet werden. Es seien daher die Schwere der betreffenden Tat und die Folgen des Ausschlusses gegeneinander abzuwägen. Der Revisionswerber habe keine asylrelevante Verfolgung in seinem Herkunftsstaat glaubhaft machen können. Selbst wenn man im vorliegenden Fall von "weniger schweren Kriegsverbrechen" ausginge, würde dies somit im Rahmen der Abwägung nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Anwendung des Ausschlusstatbestandes führen.

Hinsichtlich der Frage der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führte das Bundesverwaltungsgericht aus, es bestehe die reale Gefahr, dass der Revisionswerber im Fall der Rückkehr nach Tadschikistan wegen eines im Jahr 1993 begangenen Tötungsdeliktes angeklagt und verurteilt werden würde und er in der Haft einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre. Auf Grund der bereits zum Asylausschlussgrund ausgeführten Erwägungen habe der Revisionswerber jedoch auch den Tatbestand des § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 verwirklicht, der die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten ausschließe. Aus den dargestellten Gründen sei zudem gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 festzustellen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Revisionswerbers nach Tadschikistan unzulässig sei.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegenden ordentliche Revision, zu der keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

7 Die Begründung der Zulässigkeit einer Revision auf Grund fehlender Rechtsprechung erfordert die Darlegung, welche konkrete Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortet hat. Mit dem bloßen Hinweis des Verwaltungsgerichts auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu näher bezeichneten Verwaltungsvorschriften wird nicht dargelegt, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der Entscheidung über die Revision zu lösen wäre (vgl. VwGH 12.4.2018, Ro 2016/04/0057, mwN).

8 Das Bundesverwaltungsgericht begründete die Zulässigkeit der ordentlichen Revision damit, dass eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu "den Fragen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Tatbegehung durch sonstige Beteiligung und individuelle Zurechenbarkeit" nicht vorliege. Die im angefochtenen Erkenntnis wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 6 AsylG 2005 beziehe sich vor allem auf die Fragen der notwendigen Ermittlungen und die Verhältnismäßigkeit der Anwendung der Ausschlussbestimmungen.

9 Das Bundesverwaltungsgericht legt mit dieser Begründung nicht dar, inwieweit die von ihm genannten Asylausschlussgründe im vorliegenden Fall konkrete Rechtsfragen aufwerfen, die vom Verwaltungsgerichtshof zu lösen wären. So liegt bekanntlich trotz des Fehlens einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine grundsätzliche Rechtsfrage dann nicht vor, wenn die Rechtslage eindeutig ist und keiner Klärung durch den Verwaltungsgerichtshof bedarf (vgl. VwGH 30.6.2016, Ra 2016/19/0052, mwN).

10 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Revisionswerber auch in der ordentlichen Revision von sich aus die Gründe der Zulässigkeit der Revision darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. VwGH 7.3.2017, Ro 2014/04/0066, mwN).

11 In der vorliegenden ordentlichen Revision wird zur Zulässigkeit vorgebracht, es fehle Rechtsprechung bezüglich der Ausschlusstatbestände des § 6 AsylG 2005 in Hinblick auf das Vorliegen von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Tatbegehung durch sonstige Beteiligung und individuelle Zurechenbarkeit.

12 Damit wiederholt der Revisionswerber lediglich die vom Bundesverwaltungsgericht angeführten Zulässigkeitsgründe. Darüber hinaus wird in der Revision geltend gemacht, das angefochtene Erkenntnis weiche von der bisher vorhandenen Judikatur zu den Ausschlussgründen des § 6 Abs. 1 und 2 AsylG 2005 (Bezug: VwGH 21.4.2015, Ra 2014/01/0154) und den Grundsätzen eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens ab.

13 Wird eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend gemacht, hat der Revisionswerber konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt einem der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist. Dabei reicht es nicht aus, bloß Rechtssätze zu verschiedenen hg. Erkenntnissen wiederzugeben oder hg. Entscheidungen nach Datum und Geschäftszahl zu nennen, ohne auf konkrete Unterschiede in dieser Rechtsprechung hinzuweisen (vgl. etwa VwGH 24.1.2017, Ra 2017/05/0005, mwN).

14 Diesen Vorgaben wird mit der vorliegenden Revision, die ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes lediglich mit der Nennung des hg. Erkenntnisses VwGH 21.4.2015, Ra 2014/01/0154, begründet, nicht entsprochen.

15 Mit dem allgemein gehaltenen Vorbringen, das Bundesverwaltungsgericht sei von den Grundsätzen eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens abgewichen, zeigt der Revisionswerber schon deshalb keine grundsätzliche Rechtsfrage auf, weil nicht näher dargelegt wird, welche Grundsätze eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens im vorliegenden Fall verletzt sein sollen.

16 Es werden im vorliegenden Fall somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 12. Dezember 2018

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