BVwG W112 1419084-1

BVwGW112 1419084-127.7.2017

AsylG 2005 §3 Abs3 Z2
AsylG 2005 §6 Abs1 Z2
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs3a
AsylG 2005 §9 Abs2 Z1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W112.1419084.1.00

 

Spruch:

W112 1419084-1/60E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX auch XXXX , geb. XXXX , StA Tadschikistan, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.04.2011, Zl. 10 05.611-BAE, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.04.2015, 24.05.2016 sowie am 01.06.2016 zu Recht erkannt:

 

A)

 

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass er zu lauten hat:

 

"Der Antrag auf internationalen Schutz wird bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 Z 2 iVm § 6 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 abgewiesen."

 

II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass er zu lauten hat:

 

"Der Antrag auf internationalen Schutz wird bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 abgewiesen."

 

III. Gemäß § 8 Abs. 3a AsylG wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von XXXX auch XXXX nach Tadschikistan nicht zulässig ist.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben und das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 nicht zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 28.06.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Im Rahmen der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer an, 1997 Tadschikistan verlassen und bis 2010 in der Russischen Föderation gelebt zu haben. Er sei nur einmal, 1997, gemeldet gewesen; zuletzt habe er sich ca. 1,5 Jahre lang in XXXX bei MOSKAU unangemeldet aufgehalten. Er habe illegal auf verschiedenen Baustellen gearbeitet. Am 23.06.2010 sei er mit einem LKW direkt von XXXX nach Österreich gefahren. Er wolle hier leben und arbeiten, das Wort Asyl sei ihm nicht bekannt. Er sei illegal, ohne Dokument aus- und in Österreich eingereist, sein Reisepass der UdSSR befinde sich in Tadschikistan.

 

Er sei XXXX in Tadschikistan geboren und Angehöriger der usbekischen Volksgruppe und moslemischen Glaubens. Seine Eltern seien 1994 und 2004 verstorben. Er sei ledig. Seine Lebensgefährtin und seine beiden Kinder XXXX , geb. 1994, und XXXX , geb. 1997, lebten in XXXX in Tadschikistan an der Adresse, an der er bis 1997 gelebt habe. Er habe 1972-1980 die Grund-, 1980-1983 die Berufsschule in XXXX besucht, 1988-1991 die berufsbildende höhere Schule in XXXX . 1983-1986 habe er seinen Militärdienst in Afghanistan geleitstet. Er habe 1986-1988 und 1991-1997 in XXXX als Maschinenschlosser in der staatlichen Geflügelfarm gearbeitet, 1997-2010 als gelegentlicher Hilfsarbeiter auf diversen Baustellen in der Russischen Föderation. Er spreche Russisch, Tadschikisch und Usbekisch.

 

Sein Leben sei in Tadschikistan gefährdet, weil er gegen die Regierung aufgetreten sei. 1997 habe er an diversen Demonstrationen gegen die Regierung teilgenommen. Er sei dann in die Russische Föderation geflüchtet. 1998 sei eine Amnestie bekannt gegeben worden, im November sei er nach Tadschikistan zurückgekehrt und habe dort leben wollen. Kurz darauf seien maskierte Militärs zu ihm nach Hause gekommen und hätten ihn abholen wollen, aber ihm sei die Flucht gelungen. Er sei auf der Flucht verfolgt und an der rechten Hüfte angeschossen worden. Er sei dann nach Usbekistan gefahren und dort behandelt worden. Anschließend habe er sich in der Russischen Föderation aufgehalten und sei er auf der Flucht. Im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat fürchte er um sein Leben.

 

Das Verfahren des Beschwerdeführers wurde durch Aushändigung einer Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG 2005 am 02.07.2010 zugelassen.

 

2. In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 08.11.2010 gab er an, er habe eine ca. 2 cm lange Schussnarbe an der rechten Hüfte; diese stamme aus 1998. Er sei psychisch und physisch in der Lage, eine Einvernahme durchzuführen. Er befinde sich nicht in ärztlicher Behandlung und sei gesund. Er habe bislang die Wahrheit angegeben.

 

Er sei 1997 nach der Demonstration in Tadschikistan ausgereist, die Demonstrationsteilnehmer seien von der Regierung mit Gewalt vertreiben worden. Er sei auch ein Demonstrant gewesen. Sie seien dagegen gewesen, dass die Wahabiten mit Waffen das Land wieder betreten dürfen; sie hätten einreisen dürfen, aber ohne Waffen. Er habe das Land nach der Demonstration verlassen, diese habe am 12. oder 13.08.1997 stattgefunden. Er habe sich ein Jahr lang in der Russischen Föderation aufgehalten. 1998 habe es geheißen, dass es eine Amnestie in Tadschikistan gebe und er sei wieder zurückgekehrt. Dann habe es einen Vorfall gegeben, bei dem auf ihn geschossen worden sei. Seither habe er eine Verletzung an der rechten Hüfte. 1998 sei er von Tadschikistan nach Usbekistan gereist, ein Arzt habe ihm die Patrone aus der Hüfte entfernt. Dann sei er weiter in die Russische Föderation gezogen, wo er bis 23.06.2010 gelebt habe. Er sei im November 1998 nach Tadschikistan zurückkehrt und am 06.11.1998 wieder ausgereist, er habe sich nur vier Tage lang in Tadschikistan aufgehalten. Er habe sich in verschiedenen Orten rund um Moskau aufgehalten, sich aber nicht angemeldet, weil man ihn sonst nach Tadschikistan abgeschoben hätte. 1997 und 1998 habe er in XXXX bei seiner Frau und den Kindern gelebt, diese würden immer noch dort wohnen. Weiters lebe noch ein Bruder in Tadschikistan. Mit seiner Frau telefoniere er alle zwei Wochen. Er habe die Russische Föderation verlassen, weil sein Leben in Gefahr sei. Er sei illegal aus Tadschikistan ausgereist und illegal in Österreich eingereist. Die Schleppung habe USD 2.500,- gekostet, diese habe er aus Ersparnissen aus der Zeit, in der er gearbeitet habe, bestritten, außerdem habe er auch in der Russischen Föderation gearbeitet. Über einen Identitätsnachweis verfüge er nicht. Ermittlungen im Herkunftsstaat stimme er zu.

 

Befragt nach seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer Folgendes zu Protokoll:

 

"Ich habe im Jahr 1992, 1993 gegen Wahabiten in meinem Heimatland gekämpft. Im August 1997 gab es dann eine Kundgebung, wo wir uns dagegen ausgesprochen haben, dass Wahabiten mit Waffen wieder bei uns einreisen dürfen. Dann kam es zu einer blutigen Vertreibung der Mitglieder der Kundgebung durch die Regierung. Danach bin ich ausgereist aus Tadschikistan nach Russland, dann bin ich 1998 wieder nach Tadschikistan zurückgekehrt. Dann sind maskierte Menschen, die einen Militäranzug trugen, zu mir nach Hause gekommen, ich bin dann geflohen diese sind mir aber nachgelaufen. Ich wurde dabei verletzt, ich bin nach Usbekistan gereist, wo ich medizinisch versorgt wurde und dann bin ich 1998 weiter nach Russland gereist. Unser Botschafter in Russland war sehr aktiv, alle Menschen, die aus Tadschikistan geflüchtet sind, wollte er nach Tadschikistan zurückbringen. Die Menschen wurden verhaftet, sie sind dann entweder in Haft gekommen oder spurlos verschwunden, verschollen. Ich kann auch Namen nennen von Leuten, die in Haft gekommen sind und dann spurlos verschwunden sind. Es gab Fälle, wo die Angehörigen Lösegeld bezahlt haben, um den Menschen wieder frei zu bekommen. Das Lösegeld wurde zwar angenommen, aber der Verhaftete wurde trotzdem ermordet. Es gab einen Präsidentschaftskandidaten, ISKANDAROV, für die Präsidentschaftswahl 2002, dieser wurde nur wegen der Kandidatur für 25 Jahr inhaftiert. Die Lage in Russland war auch nicht besser."

 

Die Frage, ob er seine Fluchtgründe näher ausführen wolle, verneinte der Beschwerdeführer.

 

Die Frage, wer die Kundgebung 1997 organisierte, beantwortete der Beschwerdeführer zunächst mit "wir", auf Nachfrage damit, dass es ein ehemaliger Nationalfreund gewesen sei, auf wiederholte Nachfrage, dass es XXXX , XXXX und XXXX gewesen seien. XXXX sei tot, was mit XXXX und XXXX sei, wisse er nicht, in Tadschikistan würden sie sicher nicht leben. Er sei Mitglied einer Bewegung gewesen, die Volksfront geheißen habe. Das sei keine Partei gewesen, sondern eine Nationalbewegung. Die Regierung sei gegen die Kundgebung gewesen, weil sie dafür gewesen sei, dass die Wahabiten mit Waffen das Land betreten dürfen. Seine Bewegung sei dagegen gewesen, weil sie gegen die Wahabiten gekämpft hatten; diese wären dann mit Waffen gewesen und sie ohne. Er wisse nicht, ob es die Volksfront noch gebe, aber er wisse, dass in Tadschikistan niemand mehr von dieser Bewegung anwesend sei und dass die Mitglieder der Volksfront überall gesucht und ermordet würden. Der Präsident sei gegen sie, die Volksfront, seit 1994 verfolgt er sie, er habe auch Angst vor anderen Präsidentschaftskandidaten und gehe auch gegen diese vor. Auf Nachfrage, warum der Präsident gegen "sie", die Volksfront, seien, gab der Beschwerdeführer an, dass sie die Unterstützung von der Bevölkerung landesweit gehabt hätten, der Präsident seit 16 Jahren im Amt sei und Angst habe, dass ein anderer Präsident werde. 1992, 1993 hätten "wir" das Land von Wahabiten befreit, das Volk sei dafür sehr dankbar gewesen. Dann sei der Präsident an die Macht gekommen. Er wisse nicht, was passiert sei, aber er habe dann die Wahabiten unterstützt.

 

Auf die Frage, wo und wann genau er in Tadschikistan demonstriert habe, führte der Beschwerdeführer aus, dass es zwei Kundgebungen gegeben habe, eine im südlichen Teil von Tadschikistan und eine zweite im westlichen Teil, in den Städten XXXX und XXXX und im Bezirk XXXX . Am 08.08.1997 habe die Kundgebung angefangen und am 12.08.1997 seien sie weggegangen. Auf die Frage, ob sie sie während der Kundgebung in Konflikt mit der Polizei geraten seien, gab der Beschwerdeführer an, dass "sie" eine Militärarmee gegen sie geschickt hätten, die Armee habe auf die Demonstranten geschossen. Er persönlich sei nicht festgenommen worden, aber man habe sehr wohl gewusst, wer sie seien. Im westlichen Teil, wo er gewesen sei, seien es mehr als 1000 Teilnehmer gewesen und im anderen Teil auch so viele. Auf die Frage, wo er demonstriert habe, gab er an, dass alle drei Städte und Bezirke im westlichen Teil des Landes gewesen seien, er sei in XXXX gewesen. Auf die Frage, was mit den Wahabiten passiert sei, gab er an, dass jetzt auch die Regierung gegen die Wahabiten sei und die Regierung gegen Wahabiten kämpfe; die Lage in Tadschikistan sei sehr unstabil. Auf die Frage, woher die staatlichen Behörden wissen sollten, dass er Mitglied der Volksfront 1997 gewesen sei, gab er an, dass es ein Buch gebe, in welchem stehe, dass er zusammen mit den Organisatoren und noch weitern Menschen Mitglied der Volksfront gewesen sei. Zuletzt im August 2010 habe man seine Frau wieder mit Fragen belästigt, wo er sich aufhalte. Ihm werde vorgeworfen, dass er an einer Kundgebung gegen die Regierung 1997 teilgenommen habe. Er habe Tadschikistan am 12. oder am 13.08.1997 verlassen, weil es nicht mehr sicher und gefährlich gewesen sei, sich länger in Tadschikistan aufzuhalten. Er sei nicht mehr nach Hause gegangen und gleich nach der Kundgebung ausgereist.

 

Die Regierung habe die maskierten Männer 1998 zu ihm nach Hause geschickt. Auf die Frage, wie viele Männer es gewesen seien, gab er an, dass er geflüchtet sei, sobald er sie aus dem Wagen aussteigen gesehen habe. Auf die Frage, wie diese Visite vor sich gegangen sei, gab er an, dass sie auf ihn geschossen hätten. Auf die Frage, wie sie seiner habhaft werden konnten, wenn er bereits geflüchtet sei, gab er an, dass sie in der Nähe seines Hauses geparkt und gesehen hätten, wie er aus seinem Haus geflüchtet sei. Sie seien ihm nachgelaufen und hätten auf ihn geschossen, das Ganze habe sich in der Nacht abgespielt. Auf die Frage, wie er In der Nacht beobachten habe können, dass diese Leute, welche nicht unmittelbar vor seinem Haus aus dem Auto ausgestiegen seien, zu ihm wollten, gab er an, dass dort, wo er gewohnt habe, kein anderer außer ihm an dieser Sache beteiligt gewesen sei. Diese Visite habe am 06.11.1998 stattgefunden. Als man ihn dann nicht mehr festnehmen habe können, hätten sie seinen Vater geschlagen. Sein Vater sei in der Folge dieser Schlägerei erblindet. Auf die Frage, wie erden maskierten Männern entkommen habe können, wo er doch auf der Flucht verletzt worden sei, gab er an, dass sich die Verfolger in dieser Gegend nicht gut ausgekannt hätten, daher ist es ihm gelungen, sich zu verstecken. Auf die Frage, wie viele Männer ihn verfolgt hätten, gab er dann dass es ja dunkel gwesen sei, er habe Schüsse gehört, er sei auch getroffen worden. Auf die wiederholte Frage, wie er seinen Verfolgern entkommen habe können, erklärte er, dass er sich zuerst hinter Bäumen versteckt habe und dann auf einen Baum geklettert sei, wodurch er auf ein Dach einer Hütte gelangte sei. Sie seien an ihm vorbei gelaufen. Zuerst habe er abgewartet, dann sei er aber nicht nach Hause gegangen, sondern woandershin, zu einem Bekannten, der ihm geholfen habe. Dieser wohne in der Nebenstraße, er sei mit ihm in die Klasse gegangen. Er heiße XXXX . Dieser habe einen Esel organisiert, und er sei in der gleichen Nacht mit diesem Esel nach Usbekistan gereist

 

Auf die Frage, wo sein Heimatort liege, gab er an, im Bezirk XXXX , im Westen von Tadschikistan. Er sei nicht Mitglied einer Partei, nur Mitglied der Volksfront von Tadschikistan. Er könne nicht sagen, ob es die Volksfront noch gebe, viele seien umgebracht worden und viele würden sich verstecken.

 

Seine Gattin bestreite ihren Lebensunterhalt, indem sie als Lehrerin in einer Mitteischule arbeite. Es seien fast alle Schulen unbenannt worden, daher könne er nicht mehr angeben, in weicher Schule sie arbeite. Damals – 1997 – habe sie 23. Mittelschule geheißen. Auf die Frage, ob seien Gattin Proleme seineitwegen habe, gab er an, dass sie von der Polizei oder vom Geheimdienst einvernommen werde, sobald es unruhig oder instabil im Land werde. Momentan sei es unruhig, weil die Regierung gegen die Wahabiten kämpfe, und in dieser Zeit sei meine Frau einvernommen worden. Auf die Frage, ob seine Frau dennoch Ihrer Arbeit in Tadschikistan nachgehen könne, gab er an, dass sie keine andere Möglichkeit habe, als dort zu leben. Sie könne nicht nach Russland, weil sie kein Russisch spreche. Er könne sie auch nicht unterstützen, da er selbst auch nichts bekomme.

 

Auf die Frage, an wie vielen Demonstrationen er 1997 teilgenommen habe, gab er an, dass es 1997 diese eine große Demonstration gegeben habe, 1996 habe es viele Demonstrationen wegen Herrn XXXX , dem nunmehrigen BOTSCHAFTER in RUSSLAND, gegeben. Damals habe dieser eine andere Position innegehabt. Sie hätten 1996 dagegen demonstriert, dass er von seinem Bezirk Menschen in die Regierung mitgenommen habe.

 

Der Beschwerdeführer gab an, nie in Haft gewesen zu sein und abgesehen von der Demonstration 1997 weder durch die Polizei noch von einem Gericht verfolgt worden zu sein. Befragt, ob er aufgrund seiner Religionszugehörigkeit Verfolgungen ausgesetzt gewesen sei, gab der Beschwerdeführer an, er sei von Wahabiten verfolgt worden; während des Militärdienstes 1983 habe er in Afghanistan gegen Wahabiten gekämpft und im Jahr 1992 in Tadschikistan und 1997 habe er gegen sie demonstriert. Die Wahabiten seien wieder ins Land zurückgekommen und sogar bewaffnet. Er sei kein Mitglied einer Partei, doch sei er wegen seiner politischen Überzeugung verfolgt worden; wäre er nicht verfolgt worden, wäre er nicht nach Österreich gekommen. Er sei weder auf Grund seiner Volksgruppenzugehörigkeit bzw. Rasse, noch auf Grund seiner Nationalität verfolgt worden. Im Falle der Rückkehr sei sein Leben in Gefahr. Er könne nicht in einem anderen Landesteil Zuflucht und Schutz vor Verfolgung finden. Über Vorhalt, dass er 12 Jahre in Russland gelebt habe, entgegnete er, er habe dort – mit einer Ausnahme im Jahr 1997 – illegal gelebt und sich versteckt gehalten. Nachdem XXXX aktiv gegen Tadschiken vorgegangen sei, habe er dort auch nicht mehr langer bleiben können. Er habe alles vorgebracht, was ihm wichtig erscheine.

 

Der Beschwerdeführer legte zudem die Kopie einer Seite aus dem Buch "KAMPFE GEGEN WAHABITEN" vor und erklärte, dass es sich bei einem der Abgebildeten um seine Person handle und dieses Buch von einem General geschrieben worden sei, mit welchem er gekämpft habe.

 

3. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.04.2011, zugestellt am 19.04.2011, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Tadschikistan abgewiesen (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Tadschikistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

 

Das Bundesasylamt traf umfassende herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Tadschikistan und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, es habe weder festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer aus politischen Gründen verfolgt worden sei, noch dass die Mitglieder der Volksfront generell gesucht und ermordet wurden. Es habe auch nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer bei einem Vorfall von Militärangehörigen angeschossen worden sei. So sei lediglich eine aktuelle Verfolgung oder begründete Furcht vor einer Verfolgung, welche zur Gewährung der Flüchtlingseigenschaft führen könne, relevant. Der Beschwerdeführer hingegeben habe vorgebracht, im Jahr 1997 bzw. 1998 Probleme mit der Regierung gehabt zu haben, da er sich politisch bei der Nationalbewegung "Volksfront" engagiert habe. Der Beschwerdeführer sei insbesondere nicht im Stande gewesen, plausibel zu machen, wie die Regierung bereits vier Tage nach seiner Rückkehr in Erfahrung bringen habe können, dass er in Tadschikistan aufhältig sei, ohne durch politisches Engagement oder öffentliches Auftreten aufzufallen und somit ins Blickfeld der Verfolger zu geraten. Er sei weder bei der Kundgebung noch davor von der Polizei oder dem Militär registriert bzw. verfolgt worden. Wäre er tatsächlich ein Organisator der Kundgebung gewesen und die Regierung oder die Sicherheitsbehörden hatten über seine Stellung in der Nationalbewegung der Volksfront Bescheid gewusst, dann wäre wohl naheliegender gewesen, dass er – spätestens – zum Zeitpunkt der Demonstration festgenommen worden wäre. Daher sei es überhaupt nicht glaubwürdig, dass er von maskierten Männern der Regierung aufgesucht und angeschossen worden sei, trotz der Erlassung eines Amnestiegesetzes. Aus den Länderfeststellungen des Bundesasylamtes lasse sich auch ableiten, dass es im Juni 2007 eine Generalamnestie anlässlich des 10. Jahrestages des Endes des Bürgerkrieges gegeben habe, welche vor allem Teilnehmer politischer und militärischer Aktionen betroffen habe. Das bedeute für den Beschwerdeführer, dass auf ihn – bei Wahrunterstellung – jedenfalls das Amnestiegesetz von 2007 anwendbar wäre. Von einem Amnestiegesetz 1998 sei in den Länderfeststellungen allerdings nichts zu lesen und werde daher stark angezweifelt, dass es ein solches tatsachlich gegeben habe. Als angeblicher Aktivist und Vertreter der "Volksfront", habe der Beschwerdeführer auch keine Auskunft darüber geben können, ob diese noch immer existiere und welche Ideologie diese Bewegung verfolge. Zudem habe er angegeben, dass nun die Regierung dieselben Ziele verfolgen würde, wie damals die Volksfront, nämlich die Verhinderung der Rückkehr der Wahabiten. Daraus ergebe sich, dass die Regierung und die Nationalbewegung Volksfront nun die gleichen Ziele anstrebten und es keine Gründe mehr gebe, aus welchen der Beschwerdeführer einer Verfolgung ausgesetzt sein sollte. Würde er tatsachlich aufgrund seines politischen Engagements von der tadschikischen Regierung verfolgt werden, dann würde seine Lebensgefährtin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr an einer öffentlichen Schule lehren können, sondern wäre auch Opfer seiner politischen Verfolgung geworden und hätte aufgrund dieser ständigen, latenten Bedrohung Tadschikistan ebenfalls verlassen.

 

Zur Situation im Falle einer Rückkehr führte das Bundesasylamt aus, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat weder Verfolgung noch anderswertige Gefahren drohen würden, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würden. Abschließend begründete das Bundesamt seine Ausweisungsentscheidung.

 

4. Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes erhob der Beschwerdeführer am 26.04.2011 Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Darin führte er nur allgemein aus, er erfülle entgegen der Ansicht der belangten Behörde die Voraussetzungen, um Asyl gewahrt zu erhalten. Zudem werde durch die ausgesprochene Ausweisung in sein durch Art. 8 ERMK geschütztes Recht auf Privat- und Familienleben eingegriffen. Sein weiterer Verbleib in Österreich gefährde das öffentliche Interesse in keiner Weise und stelle keine Gefahr für ein geordnetes Fremdenwesen dar. Da er nicht in der Lage sei, die Beschwerde zu begründen bzw. näher auszuführen, beantrage er die Beigabe eines Rechtsberaters gemäß § 66 AsylG 2005 zur Beratung und Vertretung im weiteren Verfahren. Zudem beantragte er die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

 

5. Die Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten langten am 03.05.2011 beim Asylgerichtshof ein.

 

Mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 04.05.2011 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 2 AsylG 2005 zur Vertretung im Verfahren ein Rechtsberater bestellt.

 

Mit Schreiben vom 09.05.2011 ergänzte der Beschwerdeführer seine Beschwerde dahingehend, dass die Polizei ungeachtet der Tatsache, dass er bei der Demonstration nicht verletzt worden sei und keine direkte Konfrontation mit der Polizei gehabt habe, seine Personaldaten sehr einfach besorgen hätte können, da er aktives Mitglied der "Volksfront" gewesen sei und dafür seine Daten angegeben habe. Als Beweis hierfür legte der Beschwerdeführer einen Auszug (diesmal die Kopie von drei Seiten) aus dem Buch von C. XXXX aus dem Jahr 1994 vor, das über den staatlichen Widerstand bzw. die Revolution handle. Darin seien sämtliche Mitglieder der Volksfront mit ihren persönlichen (aus Sicherheitsgründen verfälschten) Daten festgehalten worden. Der Gründer der "Volksfront" und Verfasser dieses Buches sei von der Regierung erschossen worden.

 

Beim fluchtauslösenden Vorfall 1998 habe ihm unbändige Angst die nötigen Kräfte verliehen, auf den Baum zu klettern. Es habe sich dabei um einen Baum mit vielen Ästen gehandelt, die bis zum Boden gereicht hätten. Es sei mit einer Maschinenpistole auf ihn gezielt und unzählige Kugeln abgefeuert worden. Ihn habe laut dem damals behandelnden Arzt, der die Kugel entfernt habe, eine Abprallkugel getroffen. Aus diesem Grund und weil sich sein Vater den Angreifern entgegengestellt habe, habe er flüchten können.

 

Aufgrund unzähliger Informanten, denen sich die Regierung bedient habe, sei es nicht außergewöhnlich, dass diese sogleich nach seiner Rückkehr im Jahr 1998 auf ihn aufmerksam geworden seien und ihn aufsuchten, auch ohne weiteres politisches Auffallen seinerseits.

 

Seine Lebensgefährtin trage nicht seinen Familiennamen, da sie nicht offiziell verheiratet seien. Wenn sie dennoch einvernommen werde, gebe sie an, dass sie nunmehr alleinstehend sei. Seine Familie werde nicht direkt angegriffen, jedoch diskriminiert. So habe sich seine Tochter, die seinen Familienname trage, nicht an der Fachschule anmelden können, sondern sei dies erst nach einer Namensänderung möglich gewesen.

 

Die "Volksfront" sei nicht mehr aktiv und die ehemaligen Mitglieder seien entweder gestorben, verhaftet oder geflüchtet. Das Amnestieangebot für politisch Verfolgte im Jahr 1998 sei lediglich ein verbreitetes Gerücht der Regierung gewesen und kein Gesetz; dieses sei, wie bereits richtig ausgeführt, erst im Jahr 2007 erlassen worden. Diesbezüglich weise er auch darauf hin, dass das Amnestiegesetz nicht für Widerstandskämpfer gegen die Regierung gelte (vgl. Punkt 305-313 der Generalamnestie aus dem Jahr 2007), weshalb dieses Gesetz auf ihn keine Anwendung finde. Ebenso gehe aus den Punkten 395-405 hervor, dass ein Ausschlussgrund für jene gegeben sei, die gegen die Sicherheit und den Frieden des Staates vorgegangen seien. Insofern sei die Beweiswürdigung der belangten Behörde äußerst mangelhaft und zeige, dass sie sich nicht mit seinem individuellen Sachverhalt auseinandergesetzt habe.

 

Aus dieser Begründung ergebe sich, dass sehr wohl eine aktuelle Verfolgung und begründete Furcht davor in seinem Herkunftsstaat gegeben sei. Da er nun die vorgeworfenen Widersprüche klären habe können, könne ihm nicht die gesamte Glaubwürdigkeit abgesprochen werden. Auf Grund der politischen Verfolgung und der bereits gesetzten Verfolgungshandlungen erfülle er die Voraussetzungen, um als Flüchtling zu gelten.

 

Weiters wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass die allgemeine Sicherheitslage seit August 2010 deutlich angespannt sei und es immer wieder zu Konflikten zwischen der Regierung und den Rebellen komme. Nach dem Ende des Bürgerkrieges habe sich die Situation zwar ein wenig stabilisiert, jedoch dazu geführt, dass sich die gesamte Macht in der Person des Präsidenten konzentriere. Dieser entscheide somit über alles Wesentliche und beeinflusse auch die Medien zugunsten seiner Person. Ebenso habe diese Machtfülle des Präsidenten zum Anstieg der Korruption im Land geführt. Menschendrechte seien normiert und schriftlich festgehalten worden, jedoch gebe es in der Praxis, vor allem beim Vollzug, deutliche Defizite in diesem Bereich. Die Feststellungen hinsichtlich der politischen Auseinandersetzungen und die genauen Details der Amnestie fehlten in den Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides. Daher seien diese mangelhaft. Darauf sei nicht detailliert eingegangen worden. Seine individuelle Situation sei nicht ausreichend gewürdigt worden. Da seine Unversehrtheit auf Grund der Mitgliedschaft und Aktivität in der Volksfront in Gefahr sei, käme eine Ausweisung einer unmenschlichen Behandlung iSd Art. 3 EMRK gleich und sei somit rechtswidrig. Er trete der Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid somit entschieden entgegen.

 

Mit Eingabe vom 25.05.2011 legte der Beschwerdeführer die Obdachlosenmeldung vom Verein XXXX , gültig ab 12.05.2011, vor.

 

Mit Eingabe vom 17.06.2011 legte der Beschwerdeführer mehrere Farbkopien von Unterlagen in russischer Sprache sowie die Bestätigung über die Teilnahme an einem Deutschkurs in seinem Quartier der Grundversorgung vom 10.05.2011 vor.

 

Weiters legt er einen psychiatrischen Befund des Vereins XXXX vom 26.05.2011 mit der Diagnose posttraumatische Belastungsstörung, in der ausgeführt wird, der Beschwerdeführer sei 2010 in Begleitung seiner Frau und seinen drei Kindern nach Österreich gereist, vor. Darin wird auch ausgeführt, dass er abends Angst vor Albträumen habe, weil er am Afghanistan-Krieg teilnehmen habe müssen und immer noch in seinen Träumen Dinge sehe, die er damals erlebt habe. Manchmal höre er, wie ihn eine Stimme rufe, oder er höre Schritte, als ob jemand hinter ihm her sei. Er bemühe sich, Streit zu schlichten und sich aus Konflikten herauszuhalten und fürchte, plötzlich die Kontrolle über sich zu verlieren, weshalb er keinen Alkohol trinke. Er habe immer wieder schläfenbetonte Kopfschmerzen.

 

Der Asylgerichtshof ließ am 28.06.2011 die russischsprachigen Unterlagen übersetzen.

 

Dabei handelte es sich um die Kopie des am 05.05.1991 in XXXX ausgestellten Diploms des Beschwerdeführers, wonach er nach Ausbildungsbeginn 1988 1991 das Technikums für Bauwesen abgeschlossen habe und ihm die Qualifizierung Bautechniker zukomme, die Kopie der am 26.02.1986 ausgestellten Bescheinigung des Rayons-Wehrkommissars, wonach der Beschwerdeführer nach der erfolgreichen Erfüllung der Aufgaben der Regierung das Recht auf Vergünstigungen laut dem Ministerratsbeschluss der UdSSR vom 17.01.1983 zeitlich unbegrenzt auf dem Territorium der UdSSR habe, und seines Inlandsreisepasses, ausgestellt am 24.02.1983 von der Abteilung der Dorfpolizei XXXX , Exekutivkommitee des Rayons XXXX , Tadschikische SSR, wonach der Beschwerdeführer der usbekischen Volksgruppe angehört, am XXXX in der Siedlung XXXX , XXXX geboren wurde, 24.02.1983-20-11.1997 an der Adresse ul. XXXX 11, XXXX , gemeldet war; die Abmeldung wurde am 25.11.1997 in seinem Pass vermerkt.

 

6. Mit Schreiben des Bundeskriminalamtes vom 20.06.2012 wurde mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer am 19.06.2012 wegen des Verdachts des Mordes bzw. Todschlags oder Körperverletzung mit Todesfolge durch Interpol XXXX zur Fahndung ausgeschrieben wurde. Laut Fahndungsbefehl ist der Beschwerdeführer verheiratet und verfügt über einen am 17.06.2003 in der Region XXXX ausgestellten Reisepass mit der Nummer XXXX .

 

Am 05.07.2012 stellte der Asylgerichtshof eine ACCORD-Anfrage zu dem dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Vorfall. ACCORD teilte umgehend mit, dass im Rahmen einer Internetrecherche keine Informationen zur Ermordung von XXXX . durch den Beschwerdeführer und XXXX . am 07.11.1993 in XXXX gefunden werden konnten.

 

Am 08.11.2012 ersuchte der Asylgerichtshof die Staatsanwaltschaft um Mitteilung, ob diesbezüglich ein Auslieferungsverfahren anhängig sei. Am 12.11.2012 teilte die Staatsanwaltschaft XXXX mit, dass ein Auslieferungsakt angelegt und der zuständigen Staatsanwaltschaft XXXX abgetreten worden sei. Am 19.11.2012 teilte die Staatsanwaltschaft XXXX mit, dass ein Verfahren zwecks Anbots der Auslieferung des Beschwerdeführers an Tadschikistan eingeleitet worden sei.

 

Am 26.11.2012 teilte ACCORD mit, dass auch im Rahmen einer vertieften Internetrecherche keine Informationen zur Ermordung von XXXX . gefunden werden konnten.

 

Am 03.12.2012 legte der Beschwerdeführer die Vollmacht seines nunmehr auch im Asylverfahren bevollmächtigten Vertreters vor. Am 12.12.2012 wurde der Beschwerdeführer im Auslieferungsverfahren niederschriftlich einvernommen. Hiebei gab er auf den Vorhalt der ihm von den tadschikischen Behörden zur Last gelegten Tat an, dass es viele Personen mit dem Namen XXXX gebe; er habe nie auf ein Fahrzeug geschossen, er habe noch nie jemanden getötet und könne überhaupt nicht schießen. Am 07.11.1993, dem Tag des ihm zur Last gelegten Mordes, habe er sich in Tadschikistan aufgehalten. Der vereinfachten Auslieferung stimme er nicht zu. Er habe 1993-1997 unbehelligt in Tadschikistan gelebt und gearbeitet. Er habe sich an regierungskritischen Demonstrationen 1997 beteiligt und vermute daher, dass es sich bei der Falschanklage um eine Retourkutsche wegen seiner politischen Gesinnung handle. Zu seiner Person gab er an, dass sein Vater Usbeke und seine Mutter Tadschikin gewesen sei; er sei verheiratet. Er sei in Tadschikistan geboren, das damals Teil der UdSSR gewesen sei. Er wies seinen Inlandsreisepass aus der Sowjetunion aus dem Jahr 1983 vor. Er habe 1998-2010 ständig in Russland gelebt und sei dann illegal nach Österreich gereist. Er habe derzeit keine Staatsangehörigkeit, jedenfalls nicht die usbekische. Er kenne eine Person namens XXXX näher, mit dem er gemeinsam auch Anti-Regierungs-Demonstrationen organisiert habe. Es gebe, genauer gesagt, viele XXXX , die sich an Anti-Regierungs-Demonstrationen beteiligt hätten und die er kenne, XXXX sei ein sehr häufiger Name in Tadschikistan, alleine in seiner Ortschaft gebe es sehr viele XXXX . Er habe niemanden getötet, habe an politischen Demonstrationen teilgenommen und werde aus diesem Grund verfolgt.

 

Mit Schreiben vom 12.12.2012 ersuchte das Auslieferungsgericht den Asylgerichtshof, mit der Entscheidung im Asylverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Auslieferungsverfahren zuzuwarten.

 

Am 16.01.2013 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Protokollberichtigung. Bei der Angabe "Ich kann überhaupt nicht schießen" müsse es sich um eine fehlerhafte Übersetzung handeln. Der Beschwerdeführer sei wehrdienstpflichtig und daher im Umgang mit Schusswaffen ausgebildet. Er könne sich den Text des Protokolls nur so erklären, dass er – bezogen auf den ihm zur Last gelegten Vorfall – angegeben habe, nicht auf diese Person geschossen zu haben. Dieser Antrag wurde mit Beschluss vom 25.01.2013 abgewiesen.

 

Am 27.05.2013 übermittelte Österreich eine Sachverhaltsdarstellung an die tadschikischen Behörden. Am 29.08.2013 informierte die Tadschikische Botschaft das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten über das seit 07.05.2003 gegen den Beschwerdeführer anhängige Strafverfahren. Das Bundesministerium für Justiz teilte mit Schreiben vom 30.08.2013 mit, dass weitere Auslieferungsunterlagen vorzulegen seien. Mit Schreiben vom 01.11.2013 teilten die tadschikischen Behörden mit, dass der Beschwerdeführer polizeilich gesucht werde, da er verdächtig sei, am 07.11.1993 auf Anordnung des XXXX als Teil der illegalen bewaffneten Gruppe XXXX unter Androhung von Waffengewalt und mit Tötungsabsicht gewaltsam in das Fahrzeug XXXX gezwungen, ihn an einen entlegenen Ort nahe XXXX in XXXX gebracht und dort mit einer Kalaschnikow-Maschinenpistole erschossen zu haben. Zur Verschleierung der hat hätten der Beschwerdeführer und XXXX den Fahrer eines XXXX gezwungen, die Leiche mit Erde zu bedecken. Der Beschwerdeführer werde daher verdächtigt, Mord unter erschwerenden Umständen begangen zu haben. Tadschikistan legte am 10.01.2014 ein Konvolut an Unterlagen vor. Am 07.03.2014 langte die Übersetzung ein.

 

Der Beschwerdeführer erstattete am 15.04.2014 eine Stellungnahme, in der er beantragt, die Auslieferung unter Bedachtnahme auf die drohende Todesstrafe für unzulässig zu erklären. Die übermittelten Akten würden keinen rechtsstaatlich zuverlässigen Anhaltspunkt bieten, dass der Beschwerdeführer die ihm angelastete Tat tatsächlich begangen habe. Der Sohn des Opfers habe in seiner Befragung angegeben, dass ein Täter klein (1,60 cm) sei und der zweite Täter eine markante Narbe aus seiner Kindheit habe. In den Ermittlungsergebnissen aus 1993 scheine der Beschwerdeführer nicht als tatverdächtig auf. Erst in der Zeugenbefragung 2013 werde von einem XXXX angegeben, er habe später erfahren, dass die Täter der Beschwerdeführer und XXXX seien. Im weiteren Verlauf des Protokolls fehle jegliches Beweissubstrat bzw. jeglicher Zusammenhang zwischen diesen Angaben und den angeblichen Beschuldigten. Am Ende der Zeugenbefragung gebe der Zeuge noch an, dass er nicht wirklich wisse, wer der Verbrecher gewesen sei. Die übermittelten Ermittlungsergebnisse seien daher bereits im Kern nicht geeignet, den Beschwerdeführer maßgeblich zu belasten. Der vom Beschwerdeführer glaubwürdig vertretene Standpunkt, dass diese Beschuldigungen haltlos seien und nur dazu dienten, einen politischen Gegner auszuschalten, würden sich durch die übermittelten Unterlagen erhärten.

 

Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 22.04.2014 wurde die Auslieferung des Beschwerdeführers nach Tadschikistan für unzulässig erklärt. Begründend führte das Gericht aus, dem Antrag der Staatsanwaltschaft und des Beschwerdeführers zu folgen, da trotz der Aussetzung der Todesstrafe nicht in ausreichendem Maß gewährleistet werden könne, dass die Todesstrafe in Tadschikistan tatsächlich nicht verhängt würde, da die Aussetzung lediglich eine vorläufige sei. Es bestehe daher die reale Gefahr, dass der Beschwerdeführer der Todesstrafe unterworfen werden könne.

 

7. Mit 01.01.2014 ging das Verfahren auf die Gerichtsabteilung W112 des Bundesverwaltungsgerichtes über. Am 06.06.2014 legte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers auch im Asylverfahren Vollmacht. Am 06.11.2014 wurde der Auslieferungsakt angefordert. Am 03.02.2015 langte die Übersetzung der drei vom Beschwerdeführer vorgelegten Buchseiten ein. Dabei heißt es betreffend den Beschwerdeführer unter anderem: " XXXX geb. XXXX in XXXX , Wirtschaft XXXX , XXXX , Tadschike, in der Geflügelfarm im XXXX beschäftigt, Mitglied der Volksfront".

 

Am 21.04.2015 begann die mündliche Verhandlung. Das Bundesamt teilte mit Schreiben vom 18.03.2015 mit, dass es an der Verhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht teilnehmen könne. Der Beschwerdeführer machte folgende Angaben:

 

"BFV: Ich möchte zunächst die Kopie des alten sowjetischen Reisepasses, den der BF in der

 

Zwischenzeit erlangt hat, vorlegen.

 

BF legt vor:

 

 

 

R: Der Reisepass wird an die Kriminaltechnische Untersuchung weitergelegt und danach an den BF retourniert.

 

R: Wie sind Sie an den Reisepass gekommen und wann?

 

BF denkt nach: Ich möchte die Aussage verweigern.

 

R: Aus welchem Grund möchten Sie die Aussage verweigern, wie Sie den Reisepass nach

 

Österreich geschickt bekommen haben?

 

BF: Ich will nicht darüber sprechen.

 

R an BFV: Warum wird aus diesem Grund die Aussage verweigert?

 

BFV: Ich habe keine Ahnung, das war so nicht besprochen.

 

R: Sie bleiben dabei, Sie möchten keine Aussage zu dem Thema machen?

 

BF: Ich will nicht darüber reden.

 

R: Ich entnehme dem Akt des Bundesasylamtes, das nunmehr Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) heißt, dass Sie XXXX heißen, geb. am XXXX . Ist das korrekt?

 

BF: Ja.

 

R: Was ist Ihre Staatsangehörigkeit?

 

BF: Ich bin Staatsangehöriger der ehemaligen Sowjetunion. Ich habe meinen Pass 1983 bekommen, sonst habe ich keine weiteren Dokumente oder Pässe.

 

R: Laut Interpol-Fahndungsmeldung sind Sie Usbeke, laut Ihren Angaben vor dem LG XXXX sind sie staatenlos und laut den Angaben vor dem BAA sind Sie tadschikischer [Staats-]Angehöriger, was trifft zu?

 

BF: Ich habe gesagt, dass meine Mutter Tadschikin ist, mein Vater Usbeke und ich bin in Tadschikistan geboren und habe in Tadschikistan gelebt. In meinem Pass steht, dass ich Usbeke bin.

 

R: Sind Sie verheiratet oder ledig?

 

BF: Ich bin nur nach islamischen Recht, aber nicht standesamtlich verheiratet.

 

BFV: Das muss ich richtigstellen. Der BF hat eine Frau in Tadschikistan und in Österreich eine Staatsangehörige der Russischen Föderation geheiratet, der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX Asyl zuerkannt wurde.

 

R: Sind Sie nun in Tadschikistan ebenfalls verheiratet, "ja" oder "nein"?

 

BF: Nur nach islamischen Recht, ich habe auch Kinder in Tadschikistan.

 

R: D. h. aktuell sind Sie nach islamischem Recht mit 2 Frauen verheiratet, einmal in Österreich und einmal in Tadschikistan, ist das korrekt?

 

BF: Ja.

 

R: Gibt es Beweismittel oder Unterlagen, die Sie heute vorlegen möchten und bisher im Verfahren nicht vorgelegt haben?

 

BFV: Der BF möchte ein Buch vorlegen. Dabei handelt es sich um eine Dokumentation des tadschikischen Widerstandes. Der BF ist darin namentlich erwähnt. Der BF wird selbst zum Inhalt und Verfasser Stellung nehmen.

 

[ ]

 

R: Wie geht es Ihnen gesundheitlich (sowohl in psychischer als auch in physischer Hinsicht): Sind sie insbesondere in ärztlicher Behandlung, befinden Sie sich in Therapie, nehmen Sie Medikamente ein?

 

BF: Ich bin gesund.

 

R: Wo lebten Sie im Laufe Ihres Lebens und mit wem lebten Sie zusammen und was machten Sie schulisch und beruflich? Ich bräuchte einen kurzen Lebenslauf von Ihnen!

 

BF: Bis 1990 habe ich mit meiner Familie in Tadschikistan gelebt. Im Jahr 1997 bin ich nach Russland gezogen. Im Jahre 1998 bin ich wieder nach Tadschikistan zurückgekehrt. Ich bin in Tadschikistan 4 Tage geblieben und bin dann wieder nach Russland gegangen. 1998 – 2010 habe ich in Russland gelebt. Am 28. Juni 2010 bin ich nach Österreich gekommen, wo ich einen Asylantrag gestellt habe. Seitdem lebe ich in Österreich.

 

R: Wo haben Sie zwischen 1990 und 1997 gelebt?

 

BF: In dieser Zeit habe ich in TADSCHIKISTAN gelebt. Ich habe in XXXX in Tadschikistan gelebt. Früher war es Gebiet XXXX und dann wurde es XXXX .

 

R: D. h. die Ortschaft wurde unbenannt, ist das korrekt?

 

BF: Es war so, zuerst war es nur XXXX , danach wurde die Ortschaft geteilt und ich lebte in dem Teil XXXX . Ich weiß nicht genau, ob es 1991 oder 1992 war.

 

R: Warum haben Sie dann davor nur angegeben bis 1990 in Tadschikistan gelebt zu haben? Das verstehe ich nicht!

 

BF: Ich bin XXXX geboren, bis 1997 war ich in Tadschikistan.

 

R: Laut Ihren Angaben vor dem BAA waren Sie von 1983 – 1986 in Afghanistan.

 

BF: Ja, 1983 – 1986 habe ich den Militärdienst in Afghanistan geleistet.

 

R: Was haben Sie beruflich und schulisch gemacht?

 

BF: 1972 – 1980 bin ich in die Schule gegangen. 1980 – 1983 habe ich die Berufsschule besucht und dann habe ich in der Geflügelfirma in XXXX gearbeitet. Ich habe bis 1988 in dieser Firma gearbeitet, dann bin ich nach XXXX gegangen und habe an einem Technikum studiert. Das war 1989 – 1991.

 

R: Jetzt geben Sie an, nach der Schule in der Geflügelfirma gearbeitet zu haben, aber 1988 nach XXXX gegangen zu sein. Vor dem BAA haben Sie angegeben bis 1986 den Militärdienst abgeleistet zu haben und bis 1997 in der Geflügelfarm gearbeitet zu haben.

 

BF: Das stimmt nicht.

 

R: Was stimmt nicht?

 

BF: Was ich heute sage, das ist richtig, bei der Einvernahme hat mich der Dolmetscher vielleicht nicht richtig verstanden. Vielleicht hat die Dolmetscherin keine Erfahrung gehabt und darum hat sie das so übersetzt. Es stimmt, was ich heute gesagt habe.

 

R: Aber heute verstehen Sie die D gut?

 

BF: Ja, ich bin zufrieden.

 

R: Mit wem lebten Sie zusammen?

 

BF: Bis 1991 habe ich mit meinen Eltern gelebt. 1991 – 1997 habe ich mit meiner Familie gelebt.

 

R: Damit meinen Sie Ihre Frau und Ihre Kinder, ist das korrekt?

 

BF: Ja.

 

R: Wo haben Sie mit denen gelebt?

 

BF: Ich habe mit meiner Frau und meinen Kinder in XXXX in der XXXX 1 gelebt.

 

R: Von wann bis wann haben Sie dann in XXXX gelebt?

 

BF: 1988 – 1991. XXXX ist nicht weit von XXXX .

 

R: Was haben Sie beruflich von 1991 – 1997 gemacht, womit haben Sie sich beschäftigt, wenn es nicht die Geflügelfarm war?

 

BF: In diesen Jahren habe ich wieder in dieser Geflügelfabrik gearbeitet. 1992 – 1993 habe ich eine kurze Pause gemacht. Es war ein Krieg in Tadschikistan und daher habe ich nicht gearbeitet.

 

R: Haben Sie noch Verwandte im Herkunftsstaat?

 

BF: Ich habe einen Bruder, nur einen Bruder habe ich.

 

R: Wie geht es Ihrem Bruder, Ihre Frau und Ihren Kindern?

 

BF: Keiner lebt in Tadschikistan gut.

 

R: Wie geht es ihnen konkret?

 

BF: Schlecht.

 

R: Warum geht es ihnen "schlecht"?

 

BF: Unser Präsident macht nichts für die Bevölkerung und daher geht es der Bevölkerung schlecht. Meine Frau wird bis heute gefragt, sie wollen wissen, wo ich mich befinde.

 

R: Wie geht es Ihrer Frau, Ihren Kinder, Ihrem Bruder gesundheitlich?

 

BF: Wenn ich anrufe und sie frage, sagen sie, dass es OK ist.

 

R: Wovon leben Ihre Verwandten in Tadschikistan?

 

BF: Meine Frau arbeitet als Lehrerin an einer Schule.

 

R: Und Ihr Bruder?

 

BF: Mein Bruder arbeitet, aber er hat eine eigene Familie. Mein Sohn ist auch groß geworden, er arbeitet auch.

 

R: Was arbeitet Ihr Sohn?

 

BF: Er arbeitet an einer Tankstelle.

 

R: Und was arbeitet Ihre Tochter?

 

BF: Sie hat geheiratet.

 

R: Was arbeitet sie?

 

BF: Sie arbeitet nicht.

 

R: Besitzen Sie im Herkunftsstaat noch eine Wohnung, ein Haus, oder sonstige Unterkunft bzw. nennenswertes Vermögen?

 

BF: Ich besitze noch das Elternhaus.

 

R: Ist das das Haus an der Adresse XXXX , an der Sie mit Ihrer Familie lebten?

 

BF: Ja.

 

R: Ihre Frau lebt immer noch dort, ist das korrekt?

 

BF: Ja.

 

R: Sind Sie aus wirtschaftlichen Gründen nach Österreich gekommen bzw. haben Sie in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, damit Sie Ihre wirtschaftliche Situation verbessern?

 

BF: Es war für mich sehr gefährlich, in Tadschikistan zu bleiben.

 

R: Vor der Polizei haben Sie gesagt: "Ich will hier leben und arbeiten, das Wort Asyl ist mir nicht bekannt".

 

BF: Ich habe nicht gesagt weiß, was das Wort "Asyl" bedeutet, aber ich habe gesagt, dass es sehr gefährlich für mich ist in Tadschikistan zu bleiben.

 

R: Sie wurden bereits beim Bundesasylamt bzw. bei den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen. Wie würden Sie die dortige Einvernahmesituation beschreiben?

 

BF: Ich wurde gefragt, ich habe geantwortet.

 

BFV: Der BF hat auch bei der Polizei bereits angegeben, dass er im Herkunftsstaat bedroht wurde.

 

R: Haben Sie bei Ihren bisherigen Aussagen vor der Polizei im Rahmen der Erstbefragung und dem Bundesasylamt immer die Wahrheit gesagt oder möchten Sie etwas richtig stellen oder ergänzen?

 

BF: Wie ich schon gesagt habe, ich wurde gefragt und ich habe geantwortet.

 

R: Hat sich an den Gründen Ihrer Asylantragstellung seit Erhalt des angefochtenen Bescheids etwas geändert?

 

BF: Jetzt bin ich auch in Gefahr.

 

R: Was bedeutet das? Was hat sich geändert seit der Bescheiderlassung?

 

BF denkt nach: Mein Anwalt kann auch was dazu sagen, Interpol hat mit mir auch gesprochen und Interpol hat gesagt, dass ich hierbleiben muss.

 

BFV: Der BF spricht das Auslieferungsverfahren im LG XXXX an, der Beschluss liegt dem Gericht vor.

 

R: Sind das alle Änderungen am Asylgrund nach Erlassung des angefochtenen Bescheides?

 

BFV: Der BF meint, dass ihm eine Anklage unterschoben wurde, das ist die Änderung seit der Erlassung des angefochtenen Bescheides.

 

R: Ist Ihnen der Inhalt der Beschwerdeschrift bekannt?

 

BF: Ja, ich weiß.

 

R: Halten Sie den Inhalt der Beschwerdeschrift und die dort gestellten Anträge aufrecht?

 

BF: Ja.

 

R: Haben Sie sich im Herkunftsland politisch betätigt und/oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei oder Bewegung?

 

BF: 1992 war ich Mitglied der "Volksfront".

 

R: Wurden Sie aufgrund Ihrer Rasse, Nationalität bzw. Zugehörigkeit zu einer best. sozialen Gruppe verfolgt?

 

BF: Nein.

 

R: Wurden Sie aus religiösen Gründen verfolgt?

 

BF: Nein.

 

R: Hatten Sie sonstige Probleme mit den staatlichen Behörden (zB der Polizei) in Tadschikistan?

 

BF: Ich habe an Kundgebungen teilgenommen und seitdem haben meine Probleme begonnen.

 

R: Schildern Sie bitte möglichst genau ihre Fluchtgründe, dh. die Gründe, weshalb Sie in Tadschikistan verlassen haben! Schildern Sie sie von sich aus in einem zusammenhängenden Vortrag so präzise wie möglich. Sie haben so viel Zeit, wie sie brauchen. Ich werde erst danach Nachfragen stellen.

 

BF: 1992 sind Wahhabiten nach Tadschikistan gekommen und sie haben gesagt, dass sie alle umbringen werden, [die] in Afghanistan Militärdienst geleistet ha[ben]. Gegen die Wahhabiten haben wir die "Volksfront" gegründet und ich bin Mitglied der "Volksfront" geworden. 1993 bin ich wieder arbeiten gegangen. Im August 1997 haben wir eine Kundgebung organisiert und nach dieser Kundgebung haben meine Probleme begonnen. Am 13. August 1997 musste ich Tadschikistan verlassen, ich bin nach Russland gegangen. Bis 1998 habe ich in Russland gelebt. Am 2. November 1998 bin ich zurück nach Tadschikistan gegangen. Am 06.11. sind maskierte Leute zu mir gekommen. Ich habe sie vorher gesehen, ich bin weggelaufen, sie haben auf mich geschossen. Später habe ich bemerkt, dass ich eine Verletzung am Bein habe. Ich konnte flüchten, ich habe mich versteckt. Ich habe mich auf dem Dach eines Schuppens versteckt. Sie haben nach mir gesucht und konnten mich nicht finden. Sie sind in einer anderen Richtung gegangen. Sie waren nicht von dieser Umgebung und daher haben sie die Gegend nicht gut gekannt. Sie haben mich nicht gefunden und sind zurückgegangen. Danach habe ich erfahren, dass mein Vater mit denen gestritten hat. Mein Vater wollte mir bei der Flucht helfen, sie haben meinen Vater geschlagen und mein Vater ist dabei erblindet. Auf der anderen Straße hat mein Klassenkamerad gelebt und hat mir dann geholfen. Es handelt sich dabei um die nächste Straße. Alle Leute in der Umgebung kennen mich, alle mögen mich. Dieser Klassenkamerad hat mir geholfen, er hat mir einen Esel organisiert, dann bin ich nach Usbekistan gekommen. Ich habe in Usbekistan mich behandeln lassen und dann bin ich nach Russland gegangen. Bis zum Jahr 2010 war ich in Russland. Ich habe am 23.06. Russland verlassen und am 28.06. bin ich nach Österreich gekommen.

 

R: Sind das alle Ihre Fluchtgründe?

 

BF: Ich konnte auch nicht in Russland bleiben, weil es in Russland auch sehr gefährlich für mich war. Unser Botschafter in Russland hat viele Leute nach Tadschikistan geschickt, sein Name war XXXX . So bin ich hierhergekommen.

 

R: Was würde Sie im Falle einer Rückkehr nach Tadschikistan konkret erwarten?

 

BF: Sie werden mich umbringen, nicht nur umbringen, sondern zuerst foltern und dann umbringen. Wenn ein Mensch ins tadschikische Gefängnis kommt, dann kommt man überhaupt nicht lebendig zurück.

 

R: Gibt es etwas, dass Sie bis dato noch nicht im Asylverfahren vorgebracht haben und angeben möchten?

 

BF: Wie ich schon früher gesagt habe, jetzt sage ich es wieder, dass ich in Tadschikistan nicht leben kann, weil es sehr gefährlich ist.

 

R: Sie haben 1998 – 2010 in der Russischen Föderation gelebt. Ich verstehe immer noch nicht den Grund für die Ausreise 2010!

 

BF: Ich will sagen, dass ich in Russland illegal gelebt habe. wenn man sich "legal" meldet, dann findet einen die russische Polizei sofort.

 

R: Beschreiben Sie mir Ihre Lebensumstände in der Russischen Föderation!

 

BF: Ich habe im Bauwesen gearbeitet, weil ich irgendwie leben musste. Ich musste das machen, obwohl ich sehr wenig Geld bekommen habe. Von einer Baustelle zu einer anderen Baustelle. So habe ich gearbeitet und gelebt.

 

R: Mit wem hatten Sie zu dieser Zeit Kontakt? Das sind ja mehr als 10 Jahre!

 

BF: Mit Leuten, die mit mir gearbeitet haben, mit denen habe ich Kontakt gehabt.

 

R: Hatten Sie auch mit Ihrer Familie Kontakt? Wenn ich das richtig verstehe, ist Ihre Tochter da erst auf die Welt gekommen!

 

BF: Sie waren in Tadschikistan und ich in Russland.

 

R: Haben Sie da nicht angerufen oder sich geschrieben? Sie hatten doch ein neugeborenes Kind!

 

BF: Natürlich habe ich mit meiner Familie telefonischen Kontakt gehabt. Ich habe meine Familie finanziell unterstützt.

 

R: Sie haben vor dem BFA angegeben, dass Sie bei Ihrem ersten Aufenthalt 1997 – 1998 gemeldet waren, ist das korrekt?

 

BFV: Im Protokoll steht nur: "Ich habe mich nur ein einziges Mal, 1997, angemeldet."

 

BF: Das war so, ich habe "Schmiergeld" bezahlt und mich "anmelden lassen".

 

R: Wie haben Sie sich "anmelden lassen"?

 

BF: Sie geben dann mir dann ein Schreiben, dass ich hier lebe, und in meinem Pass steht auch ein Stempel, dass ich in Russland lebe.

 

R: Ich habe Ihren Pass, soweit er mir vorgelegen ist, übersetzten lassen, da befindet sich kein diesbezüglicher Stempel.

 

Ich würde die D ersuchen im vorgelegten Pass nachzusehen, wo sich dieser Stempel befindet.

 

D: Passseite: 16:

 

Auf der Seite 16 des vorgelegten Passes findet sich ein Stempel, auf den steht " XXXX ". Der Stempel ist schlecht lesbar. Die Handschrift ist sehr gut lesbar, aber der Stempel ist verblichen. Der BF sagt, es handelt sich um " XXXX " (dt. XXXX ), das kann zutreffen.

 

R: Sie haben 10 Jahre in der Russischen Föderation gelebt, was hat Sie 2010 zur Ausreise bewogen?

 

BF: Wie ich schon gesagt, es war sehr gefährlich, weil XXXX hat Leute gesucht und nach Tadschikistan geschickt und ich habe Angst, dass mir das auch passieren kann.

 

R: Vor dem BFA haben Sie sich auf XXXX bezogen, der nach Tadschikistan ausgeliefert wurde. Sie sagten Sie hätten Angst, Ihnen würde das gleiche passieren. Trifft das zu?

 

BF: XXXX wurde 2002 nach Tadschikistan geschickt, andere Leute wurden auch geschickt und ich habe Angst gehabt.

 

R: Ich verstehe dann aus diesem Grund nicht, warum Sie 2002 – 2010 in der Russischen Föderation geblieben sind, wenn Sie Angst hatten, ausgeliefert zu werden!

 

BF: Wie schon gesagt, es war sehr gefährlich für mich in Russland zu bleiben und ich habe Angst gehabt, dass sie mich wieder nach Tadschikistan zurückschicken.

 

R: Warum haben Sie nicht in Russland einen Asylantrag gestellt?

 

BF: Wenn ich das gemacht hätte, hätten sie mich sofort nach Tadschikistan geschickt.

 

R: In Kasachstan ist das UNHCR mit einem Büro vertreten und führt Asylverfahren durch, warum haben Sie nicht da versucht, einen Asylantrag zu stellen?

 

BF: Kasachstan gehört auch zur ehemaligen Sowjetunion und jede Republik macht alles, was Moskau sagt. Die sind alle gleich, diese Länder.

 

R: Dann verstehe ich nicht, warum Sie über 10 Jahre in der Russischen Föderation geblieben sind!

 

BF: Ich habe schon gesagt, das sich illegal gelebt habe und immer in Gefahr war.

 

BFV an BF: Haben Sie nicht schon früher an Flucht gedacht?

 

BF: Ich wollte das machen, aber ich habe nicht gewusst, wohin ich fahren kann.

 

R: Wie sind Sie dann auf die Idee gekommen, nach Österreich zu fliehen?

 

BF: Ich wollte eigentlich nicht gerade nach Österreich gekommen. Ich wurde hergebracht und bin hergekommen.

 

R: Die Frage hat darauf gezielt, dass Sie gerade gesagt haben, dass Sie nicht wussten, wohin Sie fliehen sollten. Daher möchte ich wissen, wie Sie von dieser Möglichkeit Kenntnis erlangt haben?

 

BF: Wenn man in Gefahr ist, dann muss man irgendwelche Wege finden.

 

R: Können Sie mir genau schildern, was Sie dann veranlasst hat, 1998 von der Russischen Föderation nach Tadschikistan zu fahren, wie Sie das bewerkstelligt haben und was dort vorgefallen ist. Bitte schildern Sie die Vorgänge genau!

 

BF: Im Jahr 1998 wurde gesagt, dass alle begnadigt werden und dann bin ich zurück nach Tadschikistan gefahren, aber das war überhaupt nicht so, ich war immer in Gefahr und musste wieder Tadschikistan verlassen. Es war sehr gefährlich in Tadschikistan zu bleiben und ich musste Tadschikistan verlassen.

 

R: Wer hat gesagt, dass es diese Amnestie gibt?

 

BF liest von einem Zettel.

 

BF legt einen Zettel vor, in dem sich der BF handschriftliche Notizen gemacht hat.

 

BFV: Der BF hat sich diesen Zettel zur Verhandlungsvorbereitung vorbereitet.

 

R: Soll ich diesen Zettel zum Akt nehmen?

 

BF: Nein.

 

R: Von wem haben Sie erfahren von dieser "Amnestie" 1998?

 

BF: Wie ich schon gesagt habe, habe ich telefonischen Kontakt mit meiner Familie gehabt und als sie angerufen haben, haben sie, d. h. meine Frau gesagt, dass es eine Amnestie gibt.

 

R: Woher hat Ihre Frau das gewusst?

 

BF: Meine Frau hat mir gesagt, dass alle in Tadschikistan sagen, dass es eine Amnestie gibt. Ich bin nach Tadschikistan gefahren, da wurden viele Leute umgebracht. Sie haben jetzt den Zettel vor sich liegen, ich habe für mich aufgeschrieben, wann und wo das war und möchte gerne nachschauen.

 

[ ]

 

BFV: Die Staatsangehörigkeit des BF ist aus meiner Sicht ungeklärt und wird sich auch nicht klären lassen. Ich gehe davon aus, dass wir einen rechtlichen Vorhalt dazu erhalten werden, zudem wir Stellung nehmen werden.

 

[ ]

 

BF liest [seinen Zettel] vor und D übersetzt: Manche Leute sind nach Tadschikistan im Oktober zurückgekehrt, manche im November, ich bin im November. Amnestie wurde am 13. November 1998 unterschrieben. Gesetz Nr. 44/2001. Frauen über 50 Jahren und Männer über 55 Jahren können freigelassen werden. Nächstes Gesetz 286/2007. Die Frauen über 50 Jahren Männer über 55 Jahren können freigelassen werden, dazu gehören Kriegsveteranen. Jahr 2002: XXXX wurde von Moskau nach Tadschikistan geschickt. Viele von unseren Anhänger wurden in Gefängnisse gebracht, von diesen Gefängnissen kommt fast keiner zurück. XXXX war unser tadschikischer Botschafter in Russland.

 

R: Wie sind Sie von Russland nach Tadschikistan zurückgekehrt?

 

BF: Mit dem Zug bin ich nach Tadschikistan gefahren.

 

R: Hatten Sie Probleme bei der Einreise?

 

BF: Nein, habe ich keine gehabt, aber dann haben meine Probleme begonnen.

 

R: Schildern Sie genau diesen Vorfall 1998 und was Sie während Ihres Aufenthaltes, 1998, in Tadschikistan gemacht haben!

 

BF: Wie ich schon gesagt habe, mein Leben war in Gefahr und ich musste einfach flüchten.

 

R: Schildern Sie bitte genau! Was haben Sie bei Ihrer Wiedereinreise, 1998, in Tadschikistan gemacht?

 

BF: Ich war nur 4 Tage in Tadschikistan, diese Tage habe ich nur mit meiner Familie verbracht. Dann sind Leute zu mir gekommen, dann habe ich Angst bekommen und bin geflüchtet.

 

R: Was haben Sie in diesen 4 Tagen mit Ihrer Familie gemacht?

 

BF: Ich war mit meiner Familie.

 

R: Schildern Sie mir bitte genau diesen Übergriff!

 

BF: Wie ich schon alles geschildert habe, sind die Leute zu mir nach Hause gekommen, ich konnte flüchten. Mein Klassenkamerad hat mir geholfen. Er hat für mich einen Esel organisiert, mit dem ich nach Usbekistan gegangen bin. Dann bin ich nach Russland geflüchtet.

 

R: Wie spät war es? Wie haben Sie diese Leute gesehen? Wie sind diese zu Ihnen gekommen?

 

BF: Wie viele Leute es waren, kann ich nicht sagen, es war am Abend. Ich habe sofort verstanden, als sie mir zu Hause kommen und ich bin geflüchtet.

 

R: Es war am Abend, war es schon dunkel?

 

BF: Es war schon dunkel.

 

R: Wie haben Sie dann diese Leute gesehen, dass Sie zu Ihnen kommen wollen, das verstehe ich einfach nicht?

 

BF: Ich war zur Zeit zu Hause, ich habe gehört, wie ein Auto stehen geblieben ist. Dann habe ich verstanden, dass sie jetzt zu mir nach Hause kommen. Mein Vater ist zu ihnen gegangen und ich bin geflüchtet.

 

R: Ich verstehe es immer noch nicht, Sie haben nur ein Autogeräusch gehört. Woher wussten Sie, dass die nur zu Ihnen kommen, wenn Sie nur ein Autogeräusch gehört haben?

 

BF: Ich habe das sofort verstanden, weil nur ich in dieser Umgebung an der Kundgebung teilgenommen habe.

 

R: Ich verstehe es nicht. Sie hören nur ein Motorgeräusch. Woher wussten Sie, dass Sie gesucht werden?

 

BF: Weil solche Autos nur die Polizei hat und ich habe verstanden, dass sie zu mir kommen.

 

R: Heißt das nun, die klingen ganz anders diese Autos oder haben Sie das Auto gesehen und nicht nur gehört?

 

BF: Ich habe das zuerst gehört und als ich rausgegangen bin, habe ich das Auto und Leute mit Gewehren gesehen.

 

R: Jetzt haben Sie gerade gesagt, dass Ihr Vater nach draußen gegangen ist, damit Sie flüchten können. Sind Sie auch nach draußen gegangen?

 

BF: Wir sind gemeinsam mit meinem Papa rausgegangen und dann ist Papa zu diesen Leuten gegangen und dann konnte ich flüchten.

 

R: D. h. Sie sind nicht durch einem Hinterausgang geflohen, sondern auf der Straße, wo auch die Männer waren?

 

BFV an BF: Würden Sie das bitte aufzeichnen!

 

BF fertigt eine Skizze an. Der BF zeichnet das Haus, wobei sich zwischen Haus und Straße, ein Garten befindet, sowie das Tor, auf dem das Auto geparkt hat. Der Vater ist vom Haus zum Tor gegangen. Der BF vom Haus über den Hof zum Nachbargrundstück geflüchtet.

 

R: Können Sie das beschreiben, wer da gekommen ist, waren das Polizisten, war das das Militär?

 

BF: Sie haben Militärkleidung gehabt, es könnte Militär sein oder Polizei. Wie viele Leute es waren, weiß ich nicht.

 

R: Wie sind Sie dann genau geflüchtet?

 

BF: Ich bin zu meinem Klassenkamerad gegangen. Er hat für mich diesen Esel organisiert und ich bin dann nach Usbekistan gegangen.

 

R: An welchem Punkt wurden Sie angeschossen?

 

BF: Als ich gelaufen bin, wurde ich angeschossen.

 

R: Wo wurden Sie angeschossen?

 

BF: Bei mir, zu Hause, am Hof.

 

R: Sie wurden an der rechten Hüfte angeschossen?

 

BF: Ja.

 

R: War das ein Streifschuss oder etwas Ernsteres?

 

BF: Ein Streifschuss.

 

R: Was verstehen Sie unter "Streifschuss"?

 

BF: Der Arzt hat mir gesagt, dass es nur ein Streifschuss war.

 

R: Vor dem BFA haben Sie gesagt, dass der Arzt in Usbekistan Ihnen eine Kugel entfernt hat.

 

BF: Ja, das war eine Kugel.

 

R: Wie konnten Sie mit einer Kugel weiterflüchten?

 

BF: Ich war am Esel, ich bin nicht zu Fuß gegangen.

 

R: Sie mussten von diesem Hof weiter. Wie haben Sie das geschafft, mit einer Kugel im Bein?

 

BF: Das war nur in einem Bein, das andere war ohnedies in Ordnung.

 

R: Haben Sie nicht geblutet?

 

BF: Es hat geblutet und dann habe ich Penicillin genommen und wurde mit Penicillin behandelt.

 

R: Wie weit sind Sie noch gekommen, mit dem Kugel im Bein vom Hof aus?

 

BF: Genau kann ich es nicht sagen, vielleicht 60 Meter, vielleicht 70 Meter, zu meinem Klassenkameraden.

 

R: Wie sind Sie auf dem Dach des Schuppens gelangt, mit der Beinverletzung?

 

BF: Man will leben, ich wollte auch leben, meine Hände waren auch OK, mit meinen Händen bin ich nach oben gegangen.

 

R: Wie sind Sie auf dieses Schuppendach genau gekommen, das kann ich mir nicht vorstellen!

 

BF: Ich bin ein gesunder Mensch, ich betreibe Sport, für mich war es kein Problem. Ich bin über den Baum auf das Dach gekommen.

 

R: D. h. Sie haben sich nur mit den Händen nach oben gezogen oder was wollen Sie sagen?

 

BF: Hände, ein Fuß war eh OK.

 

R: Sie haben jetzt gesagt, dass Sie im Hof angeschossen wurden und geblutet haben und dass die Männer nach Ihnen gesucht haben. Wie kann es sein, dass sie Sie nicht gefunden haben, Sie müssen doch eine Blutspur hinterlassen haben!

 

BF: Es war dunkel, man konnte die Blutspuren nicht sehen.

 

R: Haben die keine Taschenlampen mitgehabt?

 

BF: Nein, die haben keine mitgehabt. Nein, sie haben am Dach überhaupt nicht geschaut, sie haben nur im Gemüsegarten geschaut.

 

R: Wenn es so finster war, wie haben Sie die Männer auf der Straße gesehen?

 

BF: Es war eine Straßenbeleuchtung und so konnte ich die Männer sehen.

 

R: Hat in Ihrem Haus die Lichter gebrannt?

 

BF: Ja, zu Hause auch.

 

R: Wie weit ist der Hof von zu Hause entfernt?

 

BF: Ungefähr 20 Meter vom Tor bis zum Haus.

 

R: Wenn das gleich angrenzend war, müssten die Polizisten durch das Licht am Fenster die Blutspuren gesehen haben!

 

BF: Ich bin vom Gemüsegarten zum Nachbarn geflüchtet.

 

R: Wie lange haben Sie dann auf den Esel von Ihrem Heimatort aus nach [USBEKISTAN] gebraucht?

 

BF: Wie viele Stunden kann ich nicht angeben. Es war fast Morgen, als ich nach Usbekistan gekommen bin.

 

R: Sie waren Mitglied der Volksfront, ist das richtig?

 

BF: Ja.

 

R: Wie wurden Sie Mitglied der Volksfront?

 

BF: Ich bin einfach Mitglied von dieser Volksfront, es gibt kein Dokument, das das beweist.

 

R: Wie wird man Mitglied?

 

BF: Alle in der Nachbarschaft haben mich sehr gemocht. So bin ich Mitglied der Volksfront geworden.

 

R: Meine Frage war: Wie wurden Sie Mitglied der Volksfront?

 

BF: Als Wahhabiten gekommen sind, mussten wir was unternehmen. So haben wir diese Volksfront organisiert.

 

R: D. h. Sie waren Gründungsmitglied der Volksfront?

 

BF: Andere und ich auch.

 

R: Von wann bis wann waren Sie Mitglied der Volksfront?

 

BF: 1992 – 1997.

 

R: Was war Ihre Position innerhalb der Volksfront?

 

BF: Wie meinen Sie "Position"?

 

R: Was haben Sie das gemacht, hatten Sie da eine organisatorische Funktion?

 

BF: Ich habe mit Leuten gesprochen, weil alle Leute mich geschätzt haben. Ich habe allen erklärt, was und wie.

 

R: Wie konkret haben Sie sich für die Volksfront engagiert?

 

BF: Während des Krieges gab es viele Diebe und wir mussten unsere Häuser verteidigen. So haben wir uns organisiert, dass wir gegen diese Leute etwas tun können.

 

R: Was konkret haben Sie für die Volksfront gemacht?

 

BF: Ich habe immer was organisiert, weil die Leute mich geschätzt haben.

 

R: Was haben Sie organisiert?

 

BF: Wie ich schon gesagt habe, es war Krieg und wir mussten unsere Häuser verteidigen. So haben wir das gemacht und alles habe ich organisiert.

 

R: D. h. Sie haben irgendwelche Wachbataillone organisiert oder was haben Sie organisiert?

 

BF: Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll. Ich habe alles organisiert, wie gesagt, dass wir uns verteidigen können.

 

R: Was konkret haben Sie für die Volksfront unternommen? Sie können dann immer die Aussage verweigern, wenn Sie selbst einer Straftat bezichtigen müssten, dann sagen Sie einfach bitte, dass Sie die Aussage verweigern!

 

BF: Wie ich schon gesagt habe, ich habe alles organisiert.

 

R: Sie haben ein Buch mitgebracht, das mir in Auszügen vorliegt. Was möchten Sie zu diesem Buch ausführen?

 

BF: Damit will ich beweisen, dass ich Mitglied der Volksfront war.

 

R: Dem BFA haben Sie die Kopie einer Seite vorgelegt und dazu angeben, dass man darauf ein Mitglied sieht, dessen Namen Sie nicht kennen sowie ein Foto von Ihnen und dass das Buch von einem Wahhabiten handelt und von einem General geschrieben wurde, der zusammen mit Ihnen gekämpft hat!

 

BF: Ja, das stimmt.

 

R: Sie haben den Ausdruck vorgelegt, betreffend Ihre Person steht darauf: XXXX 1967 in Dorf XXXX , XXXX geboren, Tadschike, in der Geflügelfarm in XXXX beschäftigt, Mitglied von Volksfront. Ist das korrekt?

 

BF: Ich will dazu sagen, dass alle Adressen falsch sind, weil wir Angst gehabt haben, dass sie uns umbringen.

 

R: Sind die übrigen Angaben korrekt?

 

BF: Das Geburtsdatum ist falsch.

 

R: Laut diesen Angaben waren Sie offenbar einfaches Mitglied der Volksfront, weil bei den anderen Personen Ränge, wie Kommandeur, angegeben sind!

 

BF: Bei niemanden steht, was er gemacht hat.

 

BFV: Es liegt vielleicht eine Verwechselung zwischen der Tätigkeit und dem militärischen Rang vor.

 

BF: Nur bei XXXX wurde geschrieben, dass er Stellvertreter war. Sie können nachschauen.

 

BFV legt das Buch vor.

 

R: Auch bei XXXX und XXXX sind Rang bzw. Tätigkeit angeben!

 

BF: Weil ich in der Organisation, ich war kein Kommandeur, ich habe nur organisiert, ich war kein Kommandeur. Ich habe das auch nicht gesagt. Ich war kein Kommandeur.

 

R: Soll ich der einen Übersetzungsauftrag wegen des "Buches" erteilen?

 

BF: Mein Name steht nur auf dieser Seite.

 

R an BFV: Wollten Sie zum Buch noch etwas angeben?

 

BFV an BF: Wer ist die Person, die auf der 1. Seite abgebildet ist?

 

BF: Er hat diese Volksfront organisiert und gegründet und er war Vorsitzender von der Volksfront.

 

BFV an BF: Welchen Namen und politische Funktion hat dieser Mann gehabt?

 

BF: XXXX . Er war der ehemalige Premierminister. Er ist ein ehemaliger Justizgeneral. Er wollte Präsident werden und darum wurde er umgebracht.

 

R: Von wann bis wann war er Premierminister?

 

BF: Bis 1992, als die Wahhabiten gekommen sind. Entweder ist er gegangen oder es wurde etwas anderes, er musste weggehen. Es ist ein anderer Mann Ministerpräsident geworden.

 

R: Wann wollte er Präsident werden?

 

BF: Ich kann das nicht genau angeben.

 

R: Der jetzige Präsident ist seit ca. 20 Jahren im Amt. War es davor? Wann wollte er sich um das Präsidentenamt bewerben?

 

BF: Das kann ich nicht sagen.

 

BFV an BF: Wann wurde er ermordet?

 

BF: Ich kann das genau nicht sagen, weil viele Leute ermordet wurden.

 

R an BFV: Haben Sie noch weitere Fragen an dem BF?

 

BFV an BF: Können Sie weiter erläutern, warum das Buch verfasst wurde?

 

BF: Dieses Buch heißt "Umsturz in Tadschikistan". Es wurde geschrieben, was Wahhabiten gemacht haben. Wie viele Leute sie umgebracht haben. Es wurde geschrieben, was Wahhabiten in Tadschikistan gemacht haben.

 

BFV ergänzt: Es gibt eine Fotobeilage betreffend getöteter Personen.

 

[ ]

 

D: Der BF gesagt, dass er Ministerpräsident war und hier (im Buch) steht, dass er

 

"Parlamentsvorsitzender" war.

 

[ ]

 

BFV an BF: Kennen Sie noch andere Personen, die im Buch abgebildet sind, diese 20 – 30 Personen, und kennen Sie deren Schicksal?

 

BF: Viele von denen wurden ermordet.

 

R: Wann wurden sie ermordet?

 

BF: Seit 1992 bis heute angeblich.

 

R: Hatten Sie auf Grund Ihrer Mitgliedschaft zur Volksfront bis zur Demonstration 1997 Probleme?

 

BF: Bis 1997 habe ich keine Probleme gehabt.

 

R: Schildern Sie bitte noch einmal die Probleme, die Sie 1997 bekommen haben?

 

BF: Ich habe an einem Meeting teilgenommen und so haben meine Probleme bekommen.

 

R: Schildern Sie mir bitte Ihre Probleme!

 

BF: Wenn sie mich festgenommen hätten, hätten sie mich umgebracht.

 

R: Schildern Sie mir bitte die Probleme! Welches Meeting war das? Welche Probleme sind entstanden?

 

BF: Bei diesem Meeting habe ich Probleme gehabt.

 

R: Was passierte genau bei diesem Meeting?

 

BF: Der Präsident wollte es so haben, dass Wahhabiten nach Tadschikistan mit den Gewehren kommen. Wir haben das organisiert, weil wir wollten, dass Wahhabiten ohne Gewehre nach Tadschikistan kommen. Dann ist das Militär gekommen und hat geschossen.

 

R: Wann genau fand diese Demonstration statt? Wo genau und wie viele Leute waren dabei?

 

BF: Am 8. AUGUST 1997, mehr als 1.000 Teilnehmer.

 

R: Wo genau?

 

BF: Im Bezirk XXXX .

 

R: Vor dem BFA haben Sie angegeben, dass Sie an Demonstration im Süden und im Westen teilgenommen haben. XXXX ist im Westen. Haben Sie an mehreren teilgenommen oder nur einer einzigen?

 

BF: Eigentlich waren es 2 Demonstrationen, eine im Westen und eine im Süden. Ich habe nur im Westen teilgenommen. In Westen waren Demonstrationen in 3 Bezirken und [ ] an alle[n] 3 habe ich teilgenommen.

 

R: Wann waren diese 3 Demonstrationen?

 

BF: Alle 3 haben am 8. August 1997 begonnen und an allen 3 habe ich teilgenommen.

 

R: Waren die hintereinander oder wie haben Sie das gemacht?

 

BF: Ich war nur im Bezirk XXXX . Im Bezirk XXXX waren 3 Demonstrationen, ich habe an alle[n] 3 teilgenommen.

 

R: Wie haben Sie das zeitlich "hingekriegt"?

 

BF: Im Westen waren 3 Demonstrationen, ich habe in SCHAHRINAU teilgenommen. Ich war nur an einer Demonstration.

 

R: Wen bezeichnen Sie als "Wahhabiten"?

 

BF: Wahhabiten sind einfach Wahhabiten, Islamisten. Früher haben Sie "Wahhabiten" geheißen, jetzt heißen Sie Islamisten.

 

R: Waren das Afghanen, die nach Tadschikistan hätten kommen sollen, oder waren das eigene islamistische Parteien?

 

BF. Die Wahhabiten sind nach Afghanistan geflüchtet und sind dann mit den Gewehren zurück nach Tadschikistan gekommen.

 

R: Beschreiben Sie mir bitte noch einmal die Versammlungsauflösung!

 

BF: Im Jahr 92 – 93 war Krieg gegen die Wahhabiten. Dann sind Sie nach Afghanistan geflüchtet und dann wieder zurückgekommen.

 

R: Meine Frage war: Wie hat das Militär die Versammlung aufgelöst?

 

BF: Natürlich, wenn das Militär schießt, muss man flüchten.

 

R: Wiederholt die Frage.

 

BF: Die Demonstration hat am 8. b[e]gonnen, 4 Tage gedauert und dann ist das Militär gekommen, hat geschossen und so hat sich die Demonstration aufgelöst.

 

R: D. h. die Demonstration hat 4 Tage gedauert, ist das korrekt?

 

BF: Ja.

 

R: Wie haben Sie sich organisiert, dass Sie 4 Tage bei der Demonstration bleiben konnten?

 

BF: Es hat 4 Tage gedauert, weil keiner wollte, dass die Wahhabiten mit Gewehren von Afghanistan nach Tadschikistan kommen.

 

R: Haben Sie an der Demonstration nur teilgenommen, oder auch organisiert?

 

BF: Ich habe mit anderen Leuten die Demonstration organisiert.

 

R: Was war Ihr Bereich der Organisation bei dieser Demonstration?

 

BF: Sie wissen schon, wie man ein Meeting organisiert. Alle waren dagegen, dass die Wahhabiten mit Gewehren zurückkommen und ich habe das organisiert.

 

R: Was war Ihr Teil an der Organisation? Welche Stellung hatten Sie in dieser Demonstration?

 

BFV: Es herrschte Bürgerkrieg.

 

BF: Ich musste mit Leuten sprechen und alles erklären. Das war meine Aufgabe.

 

R: Haben Sie Reden gehalten oder wie soll man sich das vorstellen?

 

BF: Ich habe organisiert, dass Leute zu dieser Kundgebung kommen und andere haben Rede gehalten.

 

R an BF: Wollen Sie zu diesem Punkt noch etwas sagen?

 

BFV an BF: Wie haben Sie das gemacht, sind Sie von Tür zu Tür gegangen?

 

BF: In jedem Dorf gibt es einen Ältesten. Mit diesen Ältesten habe ich gesprochen. Dann hat er mit den Leuten gesprochen und so haben wir die Leute "gesammelt".

 

R: Sie haben gesagt, Ihre Familie hat Ihretwegen Probleme. Welche Probleme hat Ihre Frau Ihretwegen seit 1997?

 

BF: Sie muss oft zur Polizei gehen und die Polizei fragt immer, wo ich mich befinde. Die Polizei und KGB.

 

R: Ihre Frau wird nur nach Ihrem Aufenthaltsort befragt, ist das korrekt?

 

BF: Ja, sie wird befragt, aber natürlich die Befragung in Tadschikistan ist nicht so wie in Österreich.

 

R: Was meinen Sie dann mit "Befragung"?

 

BF: Sie schreien und schimpfen. Wie gesagt, ganz anders, es ist nicht so wie in Österreich.

 

R: Hat Ihre Familie sonst noch Probleme Ihretwegen?

 

BF: Nur das, dass sie zur Polizei gebracht wird und befragt wird.

 

R: Warum ist Ihre Frau nicht ausgereist?

 

BF: Es ist sehr schwierig von Tadschikistan hierher zu kommen, es war für mich sehr schwierig und für meine Frau wäre es noch schwerer.

 

R: Warum ist es für Ihre Frau schwerer?

 

BF: Für mich war es sehr schwer von Tadschikistan zu flüchten. Es war sehr schwer in Russland zu leben.

 

R: Wissen Sie, wann die Volksfront aufgelöst wurde?

 

BF: Bis 1997, weil jeder umgebracht wird.

 

R: Wissen Sie, ob noch Angehörige der Volksfront in Tadschikistan leben?

 

BF: Ich denke, dass in Tadschikistan kein Mitglied der Volksfront lebt.

 

R: Laut Bericht der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde e.V. vom 15.05.2012 haben die ehemaligen Führer der ehemaligen Partei der Volksfront bekannt gegeben, sich neuerlich zur Volksfront zusammenzuschließen und eine Volksfront ohne Waffen zu gründen und sich politisch zu engagieren. Auch im aktuellsten Bericht vom 01.04.2015 sind keine Probleme dieser Personen erwähnt! Wenn Sich die ehemaligen Führer Ihrer Partei in Tadschikistan politisch betätigen können, warum sollte an Ihnen als einfachem Parteimitglied Interesse bestehen?

 

BF: Das ist nicht richtig.

 

R: Was meinen Sie mit "das ist nicht richtig"?

 

BF: Der Präsident lügt immer, er sagt nie die Wahrheit, das ist nicht so.

 

R: Laut dem Bericht Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde e.V. kämpft der Präsident gegen Islamisten und Wahhabiten, warum sollten gerade Sie verfolgt werden?

 

BF: Das stimmt überhaupt nicht, der Präsident kämpft überhaupt nicht gegen Wahhabiten und Islamisten.

 

BFV: Es besteht ein offensichtlich hohes Interesse daran, dass der BF der tadschikischen Behörden ausgeliefert wird. Es ist zu beachten, dass das Auslieferungsersuchen aus Jahr 2012 datiert und sich auf einen angeblichen Sachverhalt aus dem Jahr 1993 bezieht. Ich verweise auf die Stellungnahme im Auslieferungsverfahren vom 15.04.2014, wonach keinerlei rechtsstaatliche Anhaltspunkte vorliegen, wonach der BF die angelastete Tat begangen haben soll. [ ] Es gibt diesbezüglich nur eine Zeugenaussage, wobei der BF nicht zur Täterbeschreibung des einzigen Zeugen passt. Es stellt sich daher die Frage, warum das Auslieferungsbegehren erst 2012 gestellt wurde.

 

R: Die entsprechende Zeugenaussage stammt aus 2003.

 

BFV: Internetfahndung aus 2012 (folglich 9 Jahren später) ist dermaßen schlecht formuliert und grammatikalisch nicht ganz nachvollziehbar, dass der Richter nicht damit arbeiten konnte und auch die nachgelieferten Unterlagen der tadschikischen Behörden wurde kein rechtsstaatliches Verfahren garantiert.

 

R an BFV: Möchten Sie zum Auslieferungsverfahren noch etwas sagen?

 

BFV: Zu dem vorgelegten Buch möchte ich ergänzend fragen, warum die angegeben Personen, nach wie vom Regime Probleme haben?

 

BF: Ich kenne nicht alle, ich kenne nur die Leute von meinen Rajon und dazu kann ich sagen, dass manche von denen nicht mehr am Leben sind und manche in Gefängnissen.

 

BFV an BF: Können Sie ideologisch erklären, warum die Regierung gegen diese Personen vorgehen möchte?

 

BF: Unser Präsident ist seit 1994 ein Präsident und er will jetzt, dass sein Sohn diesen Posten übernimmt. Er macht alles, dass alle Mitglieder der Volksfront entweder umgebracht werden oder ins Gefängnis gebracht werden, weil er Angst hat, dass wir wieder "lebendig" werden.

 

R: Warum sollte sich der Präsident vor der Volksfront fürchten?

 

BF: Wie ich schon gesagt habe, er will das sein Sohn der Präsident von Tadschikistan wird. Sein Sohn ist 26 Jahre alt und korrupt und der Präsident denkt, wenn die Volksfront wieder "lebendig" wird oder wieder zurückkehrt und da wird die Volksfront etwas unternehmen, dass der Sohn nicht Präsident wird.

 

BFV an BF: Ist die Narbe von der Schussverletzung noch sichtbar?

 

BF: Ja.

 

BFV an BF: Wurde das 2010 von einem Arzt angeschaut [ ]?

 

BF: Nein es wurde nicht von einem Arzt angeschaut.

 

R an BFV: Wie sollte ein Arzt feststellen, aus welchem Grund die Schussverletzung erfolgt[e]. [D]as Erfolgen der Schussverletzung wird nicht bezweifelt.

 

BFV: Man könnte den Zeitpunkt der Entstehung der Verletzung eingrenzen sowie die Entstehungsart. Im Übrigen ist daraufhin hinzuweisen, dass der BF in sehr guter körperlicher Verfassung war und militärisch ausgebildet war. Es war daher für ihn, im Gegensatz zu "normalen Bürger" möglich, 60, 70 Meter zu flüchten und auf das Dach eines Schuppens zu klettern.

 

R: Laut Bericht der Hans-Seidl-Stiftung wurde der Präsident XXXX selbst von der die Volksfront als Präsident eingesetzt, die in Kasachstan in Opposition ist [und] ist die Volksfront die ehemalige Partei des Präsidenten XXXX , bis er die Volksdemokratische Partei gründete. Warum sollte ein Interesse an der Verfolgung seiner ehemaligen Parteikollegen haben?

 

BF: Das stimmt, was Sie sagen und warum er das gemacht hat, weiß ich nicht, vielleicht hatte er Angst.

 

R: Warum sollte die Amnestie 2007 auf Sie nicht anwendbar sein, wie Sie in Ihrer Beschwerdeergänzung behaupten?

 

BF: Wie schon gesagt habe, das wurde nur für Frauen über 50 Jahren, Männer über 55 Jahre, Tuberkulose kranke Menschen und Kriegsveteranen, verfügt.

 

R: Sie haben angegeben, gegen die "Wahhabiten" gekämpft zu haben. Was genau haben Sie gemacht? Sie können die Antwort auf diese Frage verweigern, wenn Sie sich einer strafbaren Handlung bezichtigen müssten!

 

BF: Ich habe in Afghanistan gegen Wahhabiten gekämpft. Als Wahhabiten nach Tadschikistan gekommen sind, haben sie gesagt, dass jeder, der in Afghanistan Militärdienst abgeleistet hat, umgebracht, gehängt, wird. 1992 wurde dann die Volksfront organisiert.

 

R: Haben Sie auch mit der Volksfront gegen die Wahhabiten gekämpft? Sie können sich der Aussage verweigern, wenn Sie sich einer strafbaren Handlung bezichtigen müssten!

 

BF: Wie ich schon gesagt habe, ich habe nur Organisationstätigkeiten gehabt.

 

R: Die Volksfront führte nach dem Sieg im Bürgerkrieg und der Einsetzung von XXXX als Präsident im November 1992 ethnische Säuberungen gegen "Garmis, Badachschanis und ‚Araber‘ aus Khation" durch, denen sich v.a. die islamistische Islamic Renaissance Party widersetzte (so zB XXXX , Universität Hamburg, s. www.wiso.unihamburg.de ). Wollen Sie sich dazu äußern?

 

BF: Darüber möchte ich nicht sprechen.

 

R: Laut Ihren Angaben vor dem Bundesamt verfügen Sie nur über den sowjetischen Inlandsreisepass, der 1997 abgelaufen ist, laut der Fahndungsmeldung wurde Ihnen der Reisepass mit der Nummer XXXX am 17.06.2003 in der Region XXXX , Tadschikistan, ausgestellt. Nehmen Sie dazu Stellung!

 

BF: Nein, den habe ich nicht.

 

R: Laut Ihrem Reisepass, den Sie jetzt vorgelegt haben, wurde die Wohnsitzmeldung am 20.11.1997 gelöscht. Ihrem Vorbringen zufolge hielten Sie sich bereits seit August 1997 in Russland auf und hatten auch die Anmeldung in Russland. Was möchten Sie dazu sagen?

 

BF: Wie ich schon gesagt, ich habe "Schmiergeld" bezahlt, um mich anmelden zu lassen.

 

R: In Russland, aber Sie haben sich auch in Tadschikistan abmelden lassen!

 

BF: Ich habe "Schmiergeld" bezahlt und auch den Stempel betreffend meiner Abmeldung in XXXX habe ich in MOSKAU bekommen.

 

R: Seit wann befinden Sie sich in Österreich?

 

BF: Seit 28. Juni 2010.

 

R: Haben Sie seit Ihrer Asylantragstellung in Österreich das Bundesgebiet einmal verlassen?

 

BF: Nein.

 

R: Besitzen Sie außer den asylrechtlichen Aufenthaltstitel in Österreich noch ein weiteres Aufenthaltsrecht?

 

BF: Nein.

 

R: Haben Sie in Österreich oder in anderen Staaten außerhalb Ihres Herkunftsstaates noch Verwandte?

 

BF: Nein.

 

R: Haben Sie in Österreich bislang eine Berufstätigkeit oder ehrenamtliche Tätigkeiten ausgeübt?

 

BF: Nein.

 

R: Wovon bestreiten Sie derzeit Ihren Lebensunterhalt?

 

BF: Ich bekomme Geld vom Staat.

 

R: Haben Sie versucht (sei es erfolgreich oder erfolglos) Ihre Selbsterhaltungsfähigkeit herzustellen?

 

BF: Ich wollte arbeiten, aber mit meiner "weißen Karte" darf ich das nicht.

 

R: Sprechen Sie Deutsch? Besuchen Sie Deutschkurse?

 

BFV legt vor: Deutschkursbestätigungen aus 2011 - 2015

 

R: Besuchen Sie in Österreich andere Kurse, machen Sie eine Ausbildung?

 

BF: Nur Deutschkurse besuche ich derzeit.

 

Fragen auf Deutsch:

 

[ ]

 

R: Leben Sie alleine oder mit jemanden zusammen?

 

BF: Jetzt alleine, meine Frau lebt in WIEN, vorher haben wir zusammengelebt.

 

R: Warum leben Sie getrennt?

 

BF: Sie hat einen positiven Bescheid bekommen.

 

R: Und seitdem leben Sie getrennt?

 

BFV erklärt: Der BF kann nicht so leicht aus der Grundversorgung, so lange sein Verfahren nicht abgeschlossen ist.

 

R: Warum ist Ihre Frau dann alleine nach WIEN gezogen und nicht bei Ihnen in GRAZ geblieben?

 

BF: Weil sie in WIEN leben möchte, weil sie in GRAZ keinen Deutschkurs bekommen hat. Sie will einfach in WIEN leben.

 

R: Lebt Sie in WIEN alleine oder hat sie hier Familie?

 

BF: Sie ist alleine.

 

R: Besuchen Sie sich gegenseitig?

 

BF: Ja, ich besuche sie.

 

R: Wann haben Sie sie kennengelernt?

 

BF: Wir haben einer Pension gelebt.

 

R: D.h. Sie haben sich in Österreich kennengelernt?

 

BF: Ja.

 

R: Haben Sie Kinder?

 

BF: Noch nicht.

 

R: Was heißt das?

 

BF: Ich möchte Kinder haben. Ich weiß nicht, ob sie schwanger ist oder nicht.

 

R: Haben Sie eine andere, besondere Bindung an Österreich?

 

BF: Nein.

 

R: Sind Sie in Österreich und Ihrem Herkunftsland strafgerichtlich unbescholten?

 

BF: Ja, unbescholten.

 

R: Sind sie auf andere Art und Weise mit der österreichischen Rechtsordnung in Konflikt

 

geraten?

 

BF: Nein.

 

R: Wie nehmen Sie am sozialen Leben in Österreich teil (Mitgliedschaft bei Vereinen, Organisationen, Hobbies etc.)?

 

BF: Nein.

 

R an BF: Möchten Sei mit Ihrer in Österreich lebenden Gattin wieder zusammenziehen oder möchten Sie getrennte Wohnsitze behalten?

 

BF: Ja, natürlich, wir wollen wieder zusammenziehen.

 

R: Weiß Ihre erste Frau von Ihrer zweiten Frau?

 

BF: Nein.

 

BFV an BF: Haben Sie sich von Ihrer ersten Frau getrennt?

 

BF: Nein, sie ist meine Frau."

 

Der Beschwerdeführer legte in der Verhandlung am 21.04.2015 zudem eine Bestätigung der Eheschließung mit XXXX , geb. XXXX in GROSNY, StA Russische Föderation am 14.10.2012, durch das Islamische Zentrum WIEN vor, erste und letzte Seite des seine Gattin nach muslimischem Ritus betreffenden Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.11.2014, mit dem ihr Asyl zuerkannt wurde sowie drei Seiten einer Kopie seines Inlandsreisepasses.

 

8.1. Am 21.05.2015 langte der Untersuchungsbericht des Bundeskriminalamts zum Inlandsreisepass des Beschwerdeführers ein, wonach der Formularvordruck authentisch ist und keine Änderungen am Dokument vorgenommen wurden, außer einer Nachbearbeitung beim Siegelabdruck auf S 16 des Passes mit dem Datum 20.11.1997.

 

8.2. Das Außenministerium übermittelte dem Bundesverwaltungsgericht auf seine Anfrage betreffend Kriegsverbrechen im tadschikischen Bürgerkrieg hin den folgenden Bericht von Human Rights Watch:

 

"Das Land, das von 1992 bis 1997 einen Bürgerkrieg mit etwa 100.000 Toten geführt hatte, wird seit mehr als 20 Jahren von Emomali Rachmon autoritär regiert. Dieser war aus der Volksfront Tadschikistans hervorgegangen, die im Bürgerkrieg die Oberhand über die islamistische Opposition erlangt hatte. (Hans Seidel Stiftung Politischer Sonderbericht November 2013)

 

Im Anschluß an den Zerfall der Sowjetunion eskalierte in Tadschikistan 1992 eine Vielzahl ideologischer, religiöser, regionaler und entlang ethnischer Grenzen mobilisierter Widersprüche, die der Gesellschaft als Erbe realsozialistischer Modernisierung erhalten geblieben waren. Bei den Kämpfen der ersten Phase des Bürgerkrieges im November 1992, die sich auf die Regionen um die Hauptstadt Duschanbe, die südliche Khatlon-Provinz (Kurgan-Tjube und Kuljab) und das Garmtal konzentrierte, ließen sich kaum klare Frontlinien ausmachen. Etwa fünfzigtausend Menschen verloren ihr Leben, während bis zu 250.000 weitere vor allem nach Afghanistan und Gorno-Badachschan flohen. Die kriegerische Eskalation begann mit der Konkurrenz um die Regierungsmacht. Dem unter dem Druck der Straße zurückgetretenen, aus Khojand (ehemals Leninabad) stammenden, kommunistischen Präsidenten Nabijew folgte im September 1992 eine nationaldemokratisch-islamistische Koalition unter Führung Iskanderows. Zwei Monate später vermochten die Kommunisten der Khatlon-Provinz mit der militärischen Unterstützung der Volksfront-Milizen die neue Regierung aus dem Amt zu vertreiben und setzten den Kuljab-Kommunisten Rachmonow als Präsident ein. Den bewaffneten Widerstand gegen die nun einsetzenden "ethnischen Säuberungen" der Volksfront, denen vor allem Garmis, Badachschanis und die "Araber" aus Khatlon zum Opfer fielen, trugen in erster Linie die islamistische "Islamic Renaissance Party" (IRP) und die regional in Gorno-Badachschan (GB) verankerte Bewegung "Liali Badakshan". Die IRP findet ihre Unterstützung in der Garm-Region, in Teilen des Leninabad-Oblastes (Ura-Tjube, Isfara) und unter den Landarbeitern in der Khation-Provinz. Hinzu kam ein separatistisch-ethnisch motivierter Widerstand in der südöstlichen Provinz GB. Ein Teil der Badachschanis steht der IRP aber skeptisch gegenüber: Einerseits teilen sie ihr Schicksal als Opfer der Zwangsumsiedlungen mit der islamistischen Opposition, aber andererseits fürchten sie als Ismaeliten die sunnitischen Islamisten der IRP. Im Gegensatz zum kommunistischen Khojand und Kuljab haben die sowjetischen Modernisierungsversuche die Garm-Region und Badachschan nur in Ansätzen durchdrungen; die traditionalen Clanoberhäupter oder religiösen Führer besaßen hier auch zu Sowjetzeiten eine größere Autorität als die Statthalter sowjetischer Herrschaft, was bereits in der Vergangenheit zu Konflikten geführt hatte. Auf der politischen Ebene schlossen sich die IRP, Liali Badakshan und die "Democratic Party" zur "United Tajik Opposition" (UTO) zusammen. Der Bürgerkrieg, der 1992 als Anti-Regime-Krieg begann, hatte seit 1995 seinen Charakter grundlegend verändert. Bestimmender Hintergrund für das Festhalten der verschiedenen Gruppierungen am Krieg war nicht mehr primär der Kampf um die Regierungsmacht. Vielmehr hatte sich eine Situation herausgebildet, in der einzelne Warlords auf Regierungs- und Oppositionsseite um die regionale Kontrolle ökonomischer Ressourcen (z.B. Baumwolle, Aluminium, Drogen) kämpften. Der Formwandel des Krieges in Tadschikistan vollzog sich vor dem Hintergrund zerfallender zentralstaatlicher Strukturen. Ursache dafür war, daß mit dem Wegfall der regelmäßigen finanziellen Transferleistungen aus Moskau Legitimation und Macht der Zentralregierung in Duschanbe rapide schwanden. Da die tadschikische Regierung seit den vierziger Jahren ohnehin vom industrialisierten kommunistischen Norden Khojand dominiert worden war, standen die anderen Regionen in Tadschikistan plötzlich nicht nur als politischer, sondern auch als ökonomischer Verlierer da. Die Regionalisierung von Herrschaft wirkte sich auch auf die Kontrolle der ökonomischen Ressourcen aus. Die großen Baumwollproduzenten Kuljab und Kurgan-Tjube z.B. forderten nicht nur mehr politische Macht, sondern sorgten auch dafür, daß ihre regional erwirtschafteten Gewinne nicht mehr an die Zentralregierung abgeführt wurden. Innerhalb kürzester Zeit entzogen sich die Großbetriebe der staatlichen Kontrolle und wurden durch regionale Eliten faktisch privatisiert. Dieser Prozeß der Privatisierung durch regionale Eliten wurde im Bürgerkrieg mit militärischer Gewalt fortgeführt. Die Volksfront-Einheiten aus Kuljab konnten sich mit Duldung der regionalen Machthaber großzügig aus den Waffenlagern der GUS-Streitkräfte bedienen und verfolgten bei ihren nur vordergründig politisch motivierten "ethnischen Säuberungen" hintergründig vor allem das Ziel des schnellen Reichtums durch Plünderungen und der Besetzung fremden Ackerlandes. Auch nach dem Ende der "ethnischen Säuberungen" im Frühjahr 1993 blieb es den Milizen selbst überlassen, sich um ihre materielle Reproduktion zu kümmern, da die Umwandlung der Volksfront in Einheiten der tadschikischen Streifkräfte keine ausreichende materielle Lebensgrundlage bot. So bildete sich eine Struktur heraus - und das gilt in gleichem Maße für die Einheiten der Opposition -, in der der Kommandeur einer Einheit nicht nur militärischer Führer war, sondern auch für das ökonomische Auskommen der Einheit Sorge zu tragen hatte. Der bewaffnete Verband, gleich ob auf Regierungs- oder Oppositionsseite, wurde zum Privatunternehmen, das seine militärische Macht direkt zur Aneignung ökonomischer Ressourcen oder als Tauschprodukt einsetzt. Das auf Druck von Rußland im Juni 1997 von Regierung und Opposition unterzeichnete Friedensabkommen erwies sich in den Folgejahren als instabil. Gleichwohl sanken die militärischen Auseinandersetzungen im Jahr 1999 unterhalb die Kriegsschwelle und sind seitdem als bewaffneter Konflikt einzustufen (vgl. Bewaffneter Konflikt in Tadschikistan). (Dornewendt, Tadschikistan, www.wiso.uni-Hamburg.de )

 

Menschenrechtsentwicklungen

 

Nach dem Sieg der Regierung, den sie im Bürgerkrieg gegen die aus der Demokratischen Partei von Tadschikistan (DPT) und der Islamischen Wiederbelebungspartei (IRP) gebildeten Allianz errungen hatte, wurde Tadschikistan zu einer Menschenrechtskatastrophenregion. Von Anfang Dezember 1992 durchgehend bis Februar 1993 war die tadschikische Regierung unter dem Vorsitz von Emomali RAKHMONOV federführend in einem äußerst gnadenlosen Rachefeldzug gegen einzelne Personen, die man für Unterstützer bzw. Sympathisanten der DPT/IRP-Koalition hielt, welche Tadschikistan im Jahre 1992 sechs Monate lang regiert hatte. In den darauffolgenden Monaten begann die Regierung, Personen wegen deren Handlungen während der DPT/IRP-Koalitionsphase zu verhaften und zu verurteilen, bzw. setzte sie ihr scharfes Vorgehen gegen die Presse fort und verhängte auch ein Verbot über die vier führenden politischen Organisationen der Opposition. Der Krieg brachte eine wahre Katastrophe über Tadschikistan: Geschätzte 20.000 bis 50.000 Menschen wurden getötet, und die von der Baumwollproduktion abhängige Wirtschaft des Landes lag in Trümmern. Mehr als 500.000 Einwohner von Tadschikistan flohen vor dem Bürgerkrieg und suchten Zuflucht entweder in anderen Landesteilen Tadschikistans oder in Afghanistan. Im Frühling bzw. Sommer begannen Flüchtlinge und Vertriebene, in ihre Häuser zurückzukehren, wobei sie in der Folge – zum Teil auch wegen unzureichender Schutzmaßnahmen seitens der örtlichen Gemeinderegierungen – Schikanierungen, körperlichen Misshandlungen und Tötungen am eigenen Leib erfahren mussten. Am 10. Dezember 1992 marschierten regierungsfreundliche paramilitärische Gruppen in Duschanbe (der Hauptstadt von Tadschikistan) ein. Angeführt von der Volksfront von Tadschikistan (dem wichtigsten regierungsfreundlichen Armeeverband im Bürgerkrieg) führten sie einen Feldzug mit standrechtlichen Hinrichtungen und Verschleppungen gegen die Angehörigen der Pamiri und Garmi (zweier Ethnien/Regionen in Tadschikistan, welche die DPT/IRP-Koalition unterstützt hatten) und töteten dabei mehr als 300 Personen und verschleppten zudem hunderte Andere. Laut Augenzeugen, welche von der in Moskau ansässigen Menschenrechtsgruppe "Memorial and Helsinki Watch" befragt wurden, haben Soldaten der Volksfront sowie auch andere regierungsfreundliche Kräfte Autobusse und Oberleitungsbusse angehalten, Menschen auf der Straße aufgegriffen und Kräfte am Flughafen DUSCHANBE eingesetzt, um die Personaldokumente von Personen zu überprüfen. In vielen Fällen wurden jene, aus deren Reisepässen ersichtlich war, dass sie in Pamir oder Garm geboren wurden, einfach getötet oder verschleppt, ohne dass man je wieder von ihnen hörte. Gräber mit bis zu 20 bzw. 30 Leichen wurden an mehreren Örtlichkeiten in und rund um Duschanbe freigelegt. Die Volksfront verübte standrechtliche Hinrichtungen in den Dörfern und Vororten von Duschanbe, nachdem sich die DPT/IRP-Rebellen bereits zurückgezogen hatten – und in zumindest einem Fall auch im Dorf SUBULAK, d.h. an Örtlichkeiten, welche den Rebellen nie als Basis gedient hatten. Im Jänner wurde ein 31-jähriger Mann (Angehöriger der GARMI-Volksgruppe), den ein Nachbar des Mordes bezichtigt hatte, in einem weiteren Dorf namens KRYGYZON durch die Volksfront, welche sich selbst Exekutivbefugnisse übertragen hatte, verhaftet und hingerichtet. Vor der standrechtlichen Hinrichtung fand ein zwei Minuten dauernder "Volksprozess" in Anwesenheit der Dorfbewohner statt. Die gegenwärtige Regierung unternahm keinerlei Versuch, die standrechtlichen Hinrichtungen in SUBULAK und KYRGYZON zu untersuchen, und gestand nicht einmal ein, dass im Zeitraum von Dezember 1992 bis durchgehend Februar 1993 ein Feldzug gegen die Garmis und Pamiris stattgefunden hatte, sondern führte die Vielzahl an Morden auf die hohe Raub- und Verbrechensrate zurück, durch welche die ersten paar Monate der Regierungsherrschaft geprägt gewesen seien. Es ist nicht genau bekannt, wie viele Menschen im Jahr 1993 verschwunden sind. Bei den Verschwundenen handelte es sich aber hauptsächlich um Personen, welche die DTP/IRP-Koalition unterstützt hatten bzw. Angehörige der Pamiris oder Garmis waren. Ihre Kidnapper waren paramilitärische Banden und selbsternannte Kriegsherren vor allem aus KULIAB – einer jener Regionen in Tadschikistan, welche die gegenwärtige Regierung unterstützt. In einigen Fällen könnten auch Exekutivbeamte mit dem Verschwinden der Leute zu tun gehabt haben. In einem informellen Gespräch mit [der Gesellschaft] "Memorial" stellte ein hochrangiger Beamter des Innenministeriums ("MVD") die Behauptung auf, dass Mitarbeiter des Innenministeriums ("MDV") mitunter an Entführungen mitgewirkt hätten. Außerdem erklärte er, dass dem Innenministerium höchstwahrscheinlich das generelle Verhaltensmuster bei Verschleppungen ebenso bekannt war wie die behauptete Existenz sogenannter "informeller Gefängnisse". In der zweiten Hälfte des Jahres 1993 wurden Verschleppungen noch professioneller und fanden – zumindest in zwei Fällen – mit vollem Einblick der Gemeinderegierung bzw. örtlicher Exekutivbeamter statt. Bei einigen der Verschleppten hieß es, dass man sie in sogenannte "informelle Gefängnisse" verbracht hätte – bzw. in Gebäude, derer sich selbsternannte Kriegsherren bemächtigt hatten und als Haftanstalten für ihre Gefangenen nutzten. Helsinki Watch hatte berechtigten Grund zur Annahme, dass die tadschikische Regierung von der Existenz zumindest zweier "informeller Gefängnisse" sehr wohl Kenntnis hatte. Anstatt sich an vorderster Stelle zu bemühen, sämtliche Parteien zu bestrafen, welche sich während und nach dem Bürgerkrieg der Verübung von Verbrechen schuldig gemacht hatten, verhaftete die Regierung binnen eines Jahres zumindest 19 Personen, welche die DPT/IRP-Koalition unterstützt hatten. Darunter waren auch vier Fernsehjournalisten, von denen einige während der Haft misshandelt wurden und denen man "Aufhetzung" und "die Verbreitung von Propaganda zum gewaltsamen Umsturz der Regierung" zur Last legte. Im Jänner kam es dann zur Verhaftung (i) von zumindest drei Mitgliedern der Islamischen Wiedergeburtspartei , von denen zweien zur Last gelegt wurde, zum Umsturz der Regierung aufgerufen zu haben; (ii) eines der bekanntesten Dichter von Tadschikistan, dem man zur Last legte, mit seinen Gedichten Volksverhetzung zu üben und im Zuge der Massendemonstrationen im Frühjahr 1992 eine Rede gehalten zu haben, bei der er Parlamentsabgeordnete kritisiert hatte und welche – nach Ansicht der gegenwärtigen Regierung – ein Zeichen für die Massen gewesen sei, eine Gruppe von Parlamentariern als Geiseln zu nehmen; (iii) des vormaligen Dekans der Juridischen Fakultät in Duschanbe, sowie (iv) einer Vorstandsvorsitzenden der DPT. In Nordtadschikistan, das von den Bürgerunruhen und dem Bürgerkrieg von 1992 unangetastet geblieben war, wurden im Jänner sechs Mitglieder der DPT, IRP und der Volksbewegung RASTOKHEZ verhaftet. Fünf der Verhafteten legte man den Besitz von Schusspatronen und Pistolen zur Last, jedoch wurden bei drei der ab November Verurteilten (einschließlich des Regionalvorsitzenden der DPT in LENINABAD) niemals die Prüfung bzw. Abnahme von Fingerabdrücken auf den gefundenen Schusswaffen angeordnet. Am 21. Juni verhängte der Oberste Gerichtshof von Tadschikistan über die DPT, die IRP, die Volksbewegung RASTOKHEZ und die pamirische Organisation La’li Badakshan ein Verbot wegen der Organisation der Massendemonstrationen im Jahr 1992 sowie wegen angeblicher Bereitstellung von Kämpfern während des Bürgerkriegs. Nach der Machtergreifung durch die gegenwärtige Regierung kam es zu einer dramatischen Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit in Tadschikistan. In den ersten Dezemberwochen des Jahres 1992 wurde Druck auf Journalisten ausgeübt, welcher offensichtlich aus dem Bestreben der mit der Volksfront und der regionalen Splittergruppe KULIABI verbundenen bewaffneten Gruppen herrührte, sich an jenen Zeitungen und Journalisten rächen zu wollen, welche ihre schärfsten Kritiker gewesen waren. Im Dezember flohen deshalb die meisten dieser bedrohten Personen aus Tadschikistan. In den Redaktionen von ADOLAT (="Gleichberechtigung") sowie der DPT-Zeitung und der unabhängigen Zeitung CHAROGI RUZ ("Tageslicht") wurden Hausdurchsuchungen durchgeführt. Deren Autoren und Redakteure gingen daraufhin ins Exil. Zwar wurden die vorgenannten Zeitungen durch Beamte der tadschikischen Regierung offiziell nie geschlossen, doch brachte dieser Eingriff kritische Stimmen in der Presse zum Schweigen. Im Jahr 1993 wurden sogar regierungstreue Zeitungen daran gehindert, Inhalte zu Themen wie "staatliche Korruption" zu veröffentlichen. Die Regierung machte den Versuch, zwei Journalisten von CHAROGI RUZ zu verhaften, scheiterte aber bei diesem Vorhaben. Die Beamten der Prokurator (d.h. des ermittelnden Arms der Exekutive) führten Hausdurchsuchungen in den Wohnungen eines Journalisten der Opposition durch (welcher anschließend außer Landes floh) und beschlagnahmten seine gesamten Archive, journalistischen Unterlagen und Privatalben. Diese Hetzkampagne wurde in der Folge noch ausgedehnt, als vier in Moskau niedergelassene Journalisten, welche Artikel über Tadschikistan veröffentlicht hatten, im Jahr 1993 in Moskau überfallen wurden.Während des Jahres 1993 wurden ca. 20.000 Flüchtlinge und Vertriebene, welche in ihre Häuser in Südtadschikistan zurückkehrten, misshandelt, verfolgt und getötet. Ihre Häuser wurden als "Feindesgebiet" angesehen. Die örtliche Gemeinderegierung und die Polizeikräfte wurden zudem von früheren Befehlshabern der Volksfront angeführt – bzw. von Angehörigen der Armee, welche die Flüchtlinge im Sommer und Herbst 1992 zur Ausreise gezwungen hatten. Die meisten Binnenflüchtlinge kehrten aus freien Stücken wieder in ihre Häuser zurück, d.h. ohne jedweden Zwang und auch ohne jedwede Unterstützung. Allerdings wurden viele der 30.000 bis 40.000 Flüchtlinge in Duschanbe Ende des Monats März vertrieben. Seitens der Regierungstruppen wurden die Vertriebenen genötigt, in Züge in Richtung Süden nach KABODION einzusteigen, wo ihnen die Einwohner vor Ort eine Rückkehr in ihre Dörfer verwehrten. In weiterer Folge wurden die Vertriebenen in einem freien Areal sich selbst überlassen – ohne Essen, Wasser und Strom. Viele von ihnen wurden von Ortsansässigen getötet. Nachdem man sie dann doch in ihren Dörfern rückeingegliedert hatte, wurden die Rückkehrer noch eine Zeitlang Opfer von Misshandlungen. Im Juni gingen die Tötungen und Misshandlungen von Rückkehrern zwar zurück, doch kam es in zahlreichen Bezirken Südtadschikistans nach dem 13. Juli zu einem neuerlichen Anstieg, als tadschikische Rebellen russische Grenzsoldaten in Afghanistan angriffen. Die Gewalt gegen Rückkehrer nahm dann derartige Ausmaße an, dass das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) sein Rückführungsprogramm vorübergehend aussetzte. Die Rückkehrer sind frustriert darüber, dass sie ihr Eigentum nicht zurückverlangen können. Im Bezirk KABODION gestatteten örtliche Beamte den Vertriebenen eine Rückkehr nur unter der Bedingung, dass sie eine Verzichtserklärung unterschreiben, kraft welcher sie einen Forderungsverzicht in Bezug auf gestohlenes Eigentum abgeben. Die Rückkehrer leben unter fürchterlichen Bedingungen in Moscheen, weil ihre Häuser entweder niedergebrannt oder besetzt wurden.

 

Recht auf Kontrolle

 

Helsinki Watch und Memorial haben versucht, sich mit vier Journalisten zu treffen, welche in Tadschikistan im Gefängnis angeblich misshandelt worden sind. Trotz anfänglicher Zusagen, uns bei der Kontaktaufnahme mit diesen behilflich sein zu wollen, delegierten hochrangige Exekutivorgane diese Entscheidung dann an den Ermittlungsbeamten in gegenständlicher Sache, welcher uns zunächst eine Absage erteilte (unter Hinweis auf das Stillschweigegebot während laufender Ermittlungen), dann aber durch Bedingungen "aushandelte". Helsinki Watch und Memorial haben das letztgemachte Angebot des Ermittlungsbeamten jedoch ausgeschlagen, zumal dieses vorgesehen hätte, dass sie die Journalisten (in geschlossenen Hemden) in einer Entfernung von fünf Metern an uns vorbeigeführt hätten. Rechtsanwälte vor Ort, welche politische Gefangene in Duschanbe vertreten, berichten in diesem Zusammenhang, dass sie wiederholt telefonische Morddrohungen erhalten haben.

 

US-Politik

 

Das US-Außenministerium bewahrte beinahe völliges Stillschweigen, was die Menschenrechtsverletzungen im Jahre 1993 in Tadschikistan betraf. Dieses Ausmaß der Unterlassung war – angesichts der Schwere der dort weiterhin stattfindenden Menschenrechtsverletzungen und der Schlüsselrolle, die Russland in der Region einnahm – schlichtweg besorgniserregend. Und selbst wenn Tadschikistan einmal auf der öffentlichen Tagesordnung des US-Außenministeriums auftauchte, wurde die dort herrschende üble Menschenrechtslage nicht kritisiert. Das Außenministerium in Washington äußerte nur selten Bedenken über Menschenrechtsverletzungen. Glücklicherweise aber nahm sich die US-Botschaft in Tadschikistan ihres Menschenrechtsmandats ernsthaft an. So besuchte der Botschafter persönlich Mirbobo MIRAKHIMOV im Gefängnis und traf sich auch mit der Frau des inhaftierten Dichters Bozor SOBIR. Angehörige der Botschaft waren zudem auch bei dessen Gerichtsprozess anwesend. Ferner brachte der US-Botschafter bei seinen Treffen mit tadschikischen Regierungsbeamten auch regelmäßig konkrete Menschenrechtsfälle zur Sprache. Das Botschaftspersonal steht zudem auch Oppositionsmitgliedern zur Seite, welche Verfolgung zu gewärtigen haben. Nach massiven Rebellenangriffen entlang der tadschikisch-afghanischen Grenze im Juli erklärte ein Sprecher des US-Außenministeriums, dass diese Angelegenheit "für die Vereinigten Staaten Anlass zu großer Sorge sei und wir hierüber unsere Besorgnis auch gegenüber Russland zum Ausdruck gebracht haben." Nach dem Besuch des US-amerikanischen Botschafters Strobe TALBOTT in Tadschikistan verlautete aus dem US-Außenministerium, dass die Botschafterdelegation "ernsthafte Gespräche mit Präsident RAKHMANOV über die Notwendigkeit einer politischen Aussöhnung in Tadschikistan" geführt habe. Präsident RAKHMANOV habe angedeutet, dass er "gewillt sei, mit internationalen Organisationen zusammenzuarbeiten, um den Frieden nach Tadschikistan zu bringen."

Tadschikistan erhielt in den Jahren 1992 und 1993 an die 50 Millionen Dollar an Hilfsleistungen, hiervon vorwiegend humanitäre Hilfe. Im September gab Botschafter TALBOTT bekannt, dass die US-amerikanische Regierung Tadschikistan eine Zusage über humanitäre Hilfe im Umfang von 45 Millionen Dollar unter der Voraussetzung machen werde, dass sich Tadschikistan an internationale Menschenrechtsnormen hält. Der Kongress unterzeichnete dann im Juli 1993 ein Handelsabkommen mit Tadschikistan. Trotz der düsteren Vorgeschichte Tadschikistans in Menschenrechtsfragen gab es keinerlei Beleg dafür, dass sich die US-Regierung etwa auf die Menschenrechtsbestimmungen im Sinne des Mandats der Privaten Auslandsinvestitionsgesellschaft ("Overseas Private Investment Corporation", "OPIC") berufen hätte, welches zwingend vorschreibt, dass sämtliche Regierungen, welche eine solche Zusage für US-amerikanische Geschäftsbetriebe erhalten, die grundlegenden Menschenrechte einhalten müssen.

 

Politik der Russischen Föderation

 

Tadschikistan ist – was militärische, wirtschaftliche und sonstige Hilfe betrifft – sehr stark auf Russland angewiesen. Russische Offizielle – darunter auch Präsident Jelzin – betrachten die tadschikische Grenze mit Afghanistan als ihre eigene Grenze. 70% der Auslandshilfe an Tadschikistan stammte aus Russland, und Russland soll auch mehr als 50% zum tadschikischen Staatsbudget zuschießen. Die russische Armee leistete zudem auch Hilfestellung beim Aufbau der tadschikischen Nationalarmee und – mit der eigenen 201. Motorisierten Division – bei der Verteidigung der tadschikisch-afghanischen Grenze bzw. bei der Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit, wobei Russland im Bürgerkrieg auf Regierungsseite mitkämpfte und dabei selbst in Menschenrechtsverletzungen verstrickt war. Die russische Politik in Tadschikistan zielte darauf ab, den "islamistischen Fundamentalismus" zu bekämpfen und die in Tadschikistan lebenden Russen zu schützen. Zwar sieht der russisch-tadschikische Freundschaftsvertrag eine zwischenstaatliche Menschenrechtskommission vor, doch war diese bis November 1993 noch nicht gebildet worden. Tatsächlich dürfte sich Russland in Tadschikistan öffentlich noch zu keiner Menschenrechtsagenda erklärt haben, und russische Regierungsbeamte haben sich bloß ein einziges Mal gegen Menschenrechtsverletzungen in Tadschikistan ausgesprochen. Auf der Habenseite ist jedoch zu vermerken, dass Außenminister KOZYREV die tadschikische Regierung dazu aufgerufen hat, mit den tadschikischen Rebellen in Afghanistan zu verhandeln. Der Oberste Sowjet Russlands hat – im Zusammenwirken mit dem russischen Außenministerium – im Mai eine Delegation nach Tadschikistan entsandt, um die dortige Menschenrechtslage zu erkunden, doch bis November noch keinen Bericht hierüber veröffentlicht. [ ] (HRW 1994)"

 

8.3. Die Anfrage an ACCORD ergab folgende Ergebnisse:

 

Die Lage von Mitgliedern der Volksfront nach der Amnestie von 1997 und ihre aktuelle Lage (Anfragebeantwortung von ACCORD vom 29.04.2015):

 

"Ein Forscher zu Zentralasien, von dem keine Erlaubnis zur Nennung seines Namens vorliegt, schreibt in einer E-Mail-Auskunft vom 27. April 2015, dass die Volksfront die erste Runde des Bürgerkriegs gewonnen und im Dezember 1992 Duschanbe erobert habe. Die Befehlshaber der Volksfront hätten Emomali Rachmonow als Anführer in Duschanbe "installiert" und er habe diese Funktion bis heute inne. Die Volksfront habe Anfang 1993 mit dem Tod der beiden ranghöchsten Befehlshaber (die sich gegenseitig umgebracht hätten) aufgehört zu existieren. Die Volksfront, die nie etwas anderes als eine locker zusammengeschlossene Gruppe gewesen sei, sei aufgelöst worden und ihre Mitglieder hätten sich entweder der nationalen Armee und Polizei angeschlossen oder sich kriminellen Aktivitäten zugewandt. Präsident Rachmonow habe dann einen langen und langsamen Prozess gestartet, in dessen Verlauf er ehemalige Befehlshaber der Volksfront, die er als Bedrohung für seine Herrschaft wahrgenommen habe, eliminiert habe (selbst während er noch die Opposition bekämpft habe). So seien ehemalige Anführer der Volksfront, obwohl sie auf der Seite des Präsidenten gekämpft hätten, zum Ziel von Verhaftungen und Tötungen geworden. Der Forscher gibt an, dass sich dies seinen Recherchen nach nur auf bewaffnete ehemalige Militärbefehlshaber bezogen habe, die ihre eigenen Streitkräfte oder Banden unterhalten hätten. 1997 hätten zwei ehemalige Befehlshaber der Volksfront (beide ethnische Usbeken), die mit ihrem Anteil an der Macht unzufrieden gewesen seien, ihre Streitkräfte mobilisiert, seien auf Duschanbe marschiert und hätten Zugeständnisse vom Präsidenten gefordert. 1998 habe einer der beiden von Usbekistan aus versucht, in Nord-Tadschikistan einzumarschieren. Abgesehen davon seien andere Befehlshaber der Volksfront getötet oder verhaftet worden (üblicherweise, weil sie zu einflussreich gewesen seien oder wegen Konkurrenz im Drogenhandel oder kriminellen Aktivitäten). Die Volksfront sei eine locker zusammengeschlossene Gruppe gewesen, die sich dann aufgelöst habe und deren Mitglieder Teil der Regierung oder der kriminellen Welt geworden seien. Er, der Forscher, könne sich an keine Demonstrationen erinnern, die ehemalige Mitglieder der Volksfront organisiert hätten. Wenn es sie gegeben habe, seien sie wahrscheinlich ziemlich klein gewesen (hypothetisch beispielsweise ehemalige Kämpfer, die sich vor einem Regierungsgebäude versammelt hätten, um Soldatenpensionen oder etwas anderes zu fordern).

 

Auf eine Nachfrage zu möglichen Demonstrationen der Volksfront schrieb der Forscher zu Zentralasien in einer E-Mail-Auskunft vom 28. April 2015, dass ihm keine Geschichten oder Informationen über Demonstrationen der Volksfront untergekommen seien. Drei bis vier Monate vor der Bildung der Volksfront (August-September 1992) hätten viele derer, die später Anführer oder Mitglieder der Volksfront gewesen seien, an Protesten in Duschanbe teilgenommen (April – Mai – Juni 1992). Danach sei nichts gewesen, was als Demonstration bezeichnet werden könnte. Der Konflikt habe sich zu einem Bürgerkrieg entwickelt und die Leute hätten entweder in einer Miliz gekämpft oder sich in ihren Häusern versteckt. Auf eine Rückfrage zur Lage von Mitgliedern der Volksfront schrieb der Forscher zu Zentralasien, dass einige von ihnen zum Ziel geworden seien bei "internen Kämpfen um die Kriegsbeute" ("in-fighting over the spoils of war"). Wenn jemand Mitglied der Volksfront gewesen und nach der Amnestie von 1997 in die Schusslinie der Regierung geraten sei, habe letztere entweder dessen kriminelles Unternehmen übernehmen wollen, seine Miliz sei außer Kontrolle gewesen oder er sei in der Regierung zu mächtig geworden. Er, der Forscher, verwende den Begriff "Regierung" locker. Man müsse diesen Prozess so verstehen wie bei einer großen Mafia-Gruppe, die ihre eigenen Mitglieder bei internen Machtkämpfen töte.

 

Die unabhängige tadschikische Nachrichtenagentur Asia-Plus (AP) berichtet im März 2004, dass die tadschikische Generalstaatsanwaltschaft ein Strafverfahren gegen Sodiq Muhammadochunow (Spitzname Satschan), einen ehemaligen Feldkommandanten einer der Einheiten der Volksfront, eingeleitet habe. Muhammadochunow werde nach Angaben einer verlässlichen Quelle in der Generalstaatsanwaltschaft beschuldigt, eine kriminelle Gruppe und Morde organisiert zu haben. Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) habe zudem berichtet, dass ihm Beteiligung an Drogenhandel und Wirtschaftsverbrechen vorgeworfen würden.

 

Der iranische Radiosender Voice of the Islamic Republic of Iran berichtet im August 2005, dass in Kulob Ramason Emomow, ein ehemaliger Kommandant der Volksfront und aktuell Befehlshaber einer Einheit der Grenzwache, wegen Beteiligung an Drogenschmuggel verhaftet worden sei. Eine Woche zuvor sei Chol Safarow, ein weiterer ehemaliger Vertreter der Volksfront und der Bruder von Sangak Safarow, eines Anführers der Volksfront, wegen Mordes verhaftet worden.

 

Die tadschikische Nachrichtenagentur Awesta berichtet im November 2005, dass Rahim Radschabow wegen Verbrechen während des Bürgerkriegs zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden sei. Nach Angaben des Gerichts sei Radschabow Mitglied einer kriminellen Bande gewesen, die von Chudscha Karimow, einem ehemaligen Kommandanten der Volksfront, angeführt worden sei. Radschabow sei unter anderem wegen Mordes und Geiselnahme schuldig befunden worden. In Übereinstimmung mit einem Erlass des tadschikischen Parlaments vom November 1998 über eine generelle Amnestie habe das Gericht Radschabow ein Drittel seiner Haftstrafe erlassen.

 

Richard W. T. Pomfret, Wirtschaftsprofessor an der Universität Adelaide, schreibt in dem 2006 veröffentlichten Buch "The Central Asian Economies Since Independence", dass durch das Abkommen von 1997 Mitgliedern der Vereinigten Tadschikischen Opposition und Kämpfern der Volksfront eine Amnestie gewährt worden sei. Zudem seien viele derer, die im Krieg gekämpft hätten, in die nationale Armee eingegliedert worden und 30 Prozent der Regierungsposten auf allen Ebenen seien der Opposition angeboten worden. Viele Mitglieder der Opposition seien mit dem Abkommen unzufrieden gewesen und hätten sich geweigert, der Regierung nach 1997 beizutreten. Auch viele Kämpfer hätten sich geweigert, sich der Zentralregierung zu ergeben. Im November 1998 sei eine bewaffnete Rebellentruppe unter der Führung eines unzufriedenen ehemaligen Offiziers der Volksfront von Usbekistan aus in die nördliche tadschikische Provinz Sughd einmarschiert. In einer Fußnote dazu wird angegeben, dass der Einmarsch von Machmud Chudoberdijew, der sich 1997 gegen Rachmonow gewandt habe, angeführt worden sei.

 

Das Buch fährt fort, dass eine im Jahr 2000 getroffene Entscheidung der Regierung, 4.000 ehemalige Kämpfer der Opposition zu demobilisieren, die Probleme verstärkt habe, da viele dieser ehemaligen Soldaten arbeitslos geworden seien und versucht gewesen sein könnten, sich bewaffneten oppositionellen Kräften oder kriminellen Banden anzuschließen. 2001 seien mehrere hochrangige Regierungsbeamte und Minister ermordet worden, dies sei aber der Höhepunkt der bewaffneten Opposition gewesen. Prominente Rebellenanführer seien 2001 von Regierungskräften getötet worden und Ende 2001 seien Recht und Ordnung mehr oder minder wieder hergestellt gewesen. Die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen von 1999 und der Parlamentswahlen von 2000 hätten die Gegner als eine Konsolidierung der Macht der Eliten aus dem Distrikt Kulob erachtet. Zwischen 2001 und 2004 habe Präsident Rachmonow systematisch daran gearbeitet, die Macht lokaler Warlords, auch der aus den Reihen der Volksfront, die 1992 dabei geholfen hätten, ihn an die Macht zu bringen, einzuschränken. Dieser Prozess habe seinen Höhepunkt mit Ghaffor Mirsojew erreicht, dessen Basis in Kulob gewesen sei und der die Verantwortung für die Präsidentengarde innegehabt habe, bis er im Jänner 2004 entlassen worden sei. In einer Fußnote dazu wird angemerkt, dass Mirsojew im Jänner 2004 von seinem Posten als Leiter der Nationalgarde entfernt und zum Leiter der tadschikischen Behörde für Drogenkontrolle und zum Vorsitzenden des tadschikischen Olympischen Komitees ernannt worden sei. Kurz vor seiner Abreise zu den Olympischen Spielen in Athen sei er aufgrund von neun Anklagepunkten verhaftet worden, darunter Machtmissbrauch, illegaler Besitz von Waffen, Steuerhinterziehung und Mord. Laut einem Bericht der BBC sei er unter anderem beschuldigt worden, Hubschrauber der Drogenbekämpfung zum Transportieren von Heroin aus Afghanistan verwendet und ein privates Waffenarsenal, zu dem auch Flugabwehrraketen gehört hätten, besessen zu haben.

 

Im April 2006 berichtet Awesta, dass Ibrohim Marufow, ein Gefährte des ehemaligen Volksfront-Kommandanten Machmud Chudoberdijew, zu fünf Jahren Haft verurteilt worden sei. Marufow sei des Mordes und der Bildung einer illegalen bewaffneten Gruppierung für schuldig befunden worden – Verbrechen, die er im August 1997 begangen habe.

 

Im Juli 2006 berichtet AP, dass Habibullo Nasrullojew von Russland nach Tadschikistan ausgeliefert werde. Dort sei gegen Nasrullojew wegen verschiedener Anklagepunkte, darunter Mord und Hochverrat, Strafverfahren eingeleitet worden. Nach Angaben des tadschikischen Generalstaatsanwaltes habe Nasrullojew die Verbrechen zwischen 1992 und 1997 begangen. Nasrullojew sei im August 2003 in Moskau auf Antrag des tadschikischen Generalstaatsanwaltes verhaftet worden. Zur gleichen Zeit sei sein Sohn, nach dem wegen Mordes gefahndet worden sei, in Moskau verhaftet worden. Nasrullojew sei 1992 ein aktives Mitglied der Volksfront gewesen. Zwischen 1992 und 1997 sei er der Vorsitzende des tadschikischen Verbraucherverbandes gewesen. Nach mehreren Anschlägen auf sein Leben seien er und seine Familie nach Usbekistan gezogen, wo sie bis zu seiner Ankunft in Russland gelebt hätten.

 

AP berichtet im Jänner 2007, dass der Oberste Gerichtshof Tadschikistans fünf Mitglieder der ehemaligen regierungstreuen Volksfront, darunter einen Polizisten, wegen in den 1990er- Jahren verübten Verbrechen zu langen Haftstrafen verurteilt habe. Eine Quelle am Obersten Gerichtshof habe mitgeteilt, dass die fünf Mitglieder der Volksfront Haftstrafen zwischen 13 und 15 Jahren wegen des Tötens von 19 Personen in den 1990er-Jahren erhalten hätten.

 

Im September 2007 berichtet AP, dass eine Gruppe von Insassen in tadschikischen Gefängnissen sich mit einem Brief an Präsident Rachmon sowie internationale Organisationen und Menschenrechtsorganisationen gewandt habe. Der Brief besage, dass die vom Präsidenten erlassenen Amnestien der vorangegangenen Jahre nicht auf sie angewandt worden seien. Der Leiter des Zentrums für Menschenrechtserziehung habe AP gegenüber mitgeteilt, dass die Verfasser des Briefes ehemalige UnterstützerInnen der Volksfront und der Vereinigten Tadschikischen Opposition seien, die an den bewaffneten Auseinandersetzungen in Tadschikistan zwischen 1992 und 1997 teilgenommen hätten. Der Brief habe auch darauf hingewiesen, dass die Verfasser während der Voruntersuchungen gefoltert und unmenschlich behandelt worden seien und dies auch immer noch anhalte. Dadurch seien viele zu Invaliden geworden.

 

Im Jänner 2008 berichtet AP, dass der Oberste Gerichtshof Tadschikistans Mahmadahdi Nasarow (besser bekannt unter seinem Spitznamen Machsum Mahdi), einen ehemaligen Kommandanten der Volksfront, zu 15 Jahren Haft in einem Hochsicherheitsgefängnis verurteilt habe. Eine Quelle am Obersten Gerichtshof habe angegeben, dass zusammen mit Nasarow auch seine Komplizen, Murod Saidow und Mirso Mullojew, jeweils zu 14 Jahren Haft verurteilt worden seien. Die Quelle habe angegeben, dass Nasarow wegen einer Reihe von Verbrechen, die er Mitte der 1990er während des Bürgerkriegs begangen habe, verurteilt worden sei. In Übereinstimmung mit einem Erlass des tadschikischen Parlaments vom November 1998 "Über eine generelle Amnestie" habe die Richterin ein Urteil gefällt, das die Haftstrafen der drei Männer um ein Drittel reduziert habe.

 

Die International Crisis Group (ICG), eine unabhängige, nicht profitorientierte Nicht- Regierungsorganisation, die mittels Informationen und Analysen gewaltsame Konflikte verhindern und lösen will, erläutert in einem Bericht vom Februar 2009, dass Präsident Rachmon nach dem Friedensabkommen ein anderer Mann geworden sei. Er habe das Hauptaugenmerk auf persönliches Vertrauen gelegt, nicht die nationale Einheit. Er habe langsam die politisch breite Front hinter sich gelassen und um sich ein kleine Gruppe von Personen aus Kulob und Dangara geschart. In den folgenden Jahren seien die militärischen Befehlshaber der Vereinigten Tadschikischen Opposition allmählich verdrängt worden: einige seien bei Zusammenstößen getötet, andere ins Exil gezwungen oder verhaftet worden. Dasselbe Schicksal habe auch die meisten von Rachmons eigenen Warlords ereilt. Ein tadschikischer Experte habe angegeben, der Präsident habe klare Spielregeln für seine "Waffenbrüder" festgelegt: Sie könnten machen, was sie wollten, nur keine Politik betreiben, keine politischen Parteien gründen und nicht ins Parlament gehen. Viele seien berühmte Regierungsbeamte und Militärbefehlshaber geworden, aber fast alle seien letztendlich von ihren Posten entfernt worden. Einige seien wegen Drogenhandels und anderen Vergehen verhaftet worden. Damals hätten westliche Diplomaten angemerkt, dass die Anschuldigungen wahrscheinlich wohlbegründet gewesen seien. Aber die Entscheidung, strafrechtliche Verfolgungen einzuleiten, sei als politisch motiviert und nicht in Verbindung zu den fraglichen Vergehen stehend wahrgenommen worden. Zwei der wichtigsten Befehlshaber seien in den vorangegangenen Jahren verhaftet worden. General Gaffar Mirsojew sei 2004 verhaftet und zu 28 Jahren Haft verurteilt worden. Jakub Salimow sei 2003 in Russland verhaftet und dann ausgeliefert worden. Er sei 2005 zu 15 Jahren Haft wegen Verbrechen gegen den Staat verurteilt worden.

 

Ein international kaum wahrgenommener Versuch der Regierung, die Zentralisierung der Macht in Tadschikistan voranzutreiben und alle potentielle Gegner und politischen Alternativen auch in den eigenen Reihen auszuschalten, war die Zerschlagung eines ‚Drogenrings‘ in Kuljab im Jahr 2008. Nach einem mehrstündigen Feuergefecht im Zentrum der Stadt wurde schließlich das Anwesen eines ehemaligen einflussreichen Feldkommandeurs der Volksfront gestürmt. Die dabei festgenommenen Suhrob Langarijew und Nurmahmad Safarow stammen beide aus einflussreichen Familien, die den heutigen Präsidenten Tadschikistans 1992 an die Macht gebracht hatten und zum Teil bis heute unterstützen. (Forschungsstelle Osteuropa der Universität Bremen, 26. Oktober 2012, S. 4-5)

 

Im Oktober 2011 berichtet AP, dass Gaffor Mirsojew, der 2006 verurteilt worden sei, eine Erklärung zu seiner lebenslangen Haftstrafe verlange. Seine Schwester habe angegeben, Mirsojew verlange die Bildung einer speziellen Kommission, um seinen Fall zu überprüfen. Vor seiner Verhaftung im August 2004 sei Mirsojew der Leiter der Behörde für Drogenkontrolle gewesen. Bis zum 31. Jänner 2004 sei er der Kommandant der Präsidentengarde gewesen. Während des Bürgerkriegs von 1992 bis 1997 sei er ein einflussreicher Feldkommandant der Volksfront gewesen. Später habe man ihm den Rang des Generals und alle staatlichen Ehrungen wieder entzogen. Die Militärstaatsanwaltschaft habe ihn wegen 104 Straftaten nach 34 Paragrafen des tadschikischen Strafgesetzbuches angeklagt. Am 11. August 2006 sei Mirsojew wegen Mordes, versuchten Staatsstreichs, illegalen Grenzübertritts, Steuerhinterziehung und Amtsmissbrauchs zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Auch der Bruder von Gaffor Mirsojew sei in Haft. Seine Haftstrafe sei nach einem Gefängnisausbruch verlängert worden und belaufe sich nun auf 30 Jahre:

 

Im Mai 2012 fasst BBC Monitoring einen Artikel der AP zusammen, in dem darüber berichtet worden sei, dass ehemalige Mitglieder der aufgelösten Volksfront die Bewegung wieder gründen wollten, um die Korruption im Land zu bekämpfen und einen Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen aufzustellen. Die Volksfront sei laut dem Artikel der AP 1992 gebildet worden und habe im selben Jahr den amtierenden Präsidenten Rachmon an die Macht gebracht. 1993 sei die Volksfront aufgelöst worden und Dutzende UnterstützerInnen der Bewegung seien wegen verschiedener Verbrechen in den folgenden Jahren verurteilt worden.

 

Der tadschikische Dienst von Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL), Radio Osodi, berichtet im Juni 2012, dass einige ehemalige Anführer der Volksfront den Präsidenten Tadschikistans aufgerufen hätten, ehemalige Mitglieder der Volksfront, die im Gefängnis seien, zu amnestieren. Einer der ehemaligen Kommandanten der Volksfront, Ibrochim Ismoilow, habe den Rechtsanwalt Schuchrat Kudratow dazu aufgerufen, die Unterlagen und eine Liste der in Haft befindlichen Mitglieder der Volksfront vorzubereiten. Im Interview mit Radio Osodi habe Kudratow angegeben, dass es zwischen ihm und Ismoilow eine Vereinbarung gebe hinsichtlich der Vorbereitung einer Liste von inhaftierten Mitgliedern der Volksfront, um sich mit der Bitte um Begnadigung an den Präsidenten wenden zu können. Nach Aussage von Kudratow seien zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels nach vorläufiger Zählung mehr als 150 Mitglieder und ehemalige Rebellen der Volksfront in Haft gewesen, darunter der ehemalige Innenminister Salimow und der Befehlshaber der Nationalgarde Mirsojew.

 

Im Jänner 2013 meldet AP, dass ehemalige Mitglieder der Volksfront, die im Gefängnis seien, Präsident Rachmon einen offenen Brief geschrieben hätten. In dem Brief werde angemerkt, dass die Mitglieder der Volksfront sich für die Erreichung von Frieden und Einheit im Land Lebensgefahr ausgesetzt hätten. Sie seien bereit zu schwören, dass sie ihre Fehler eingesehen hätten, und würden den Präsidenten darum bitten, ihnen zu verzeihen.

 

BBC Monitoring schreibt in einem Dokument mit Hintergrundinformationen vom Juli 2013, dass mehrere ehemalige ranghohe Beamte verhaftet worden seien, nachdem sie die Behörden herausgefordert hätten. Auch Joqub Salimow, ehemaliger Innenminister und Anführer der Volksfront, sowie Ghaffor Mirsojew, ehemaliger Leiter der Behörde für Drogenkontrolle und Kommandant der Präsidentengarde, seien 2005 und 2004 zu hohen Haftstrafen verurteilt worden. Die meisten BeobachterInnen seien der Ansicht, dass Mirsojew und Salimow zumindest in einigen der Anklagepunkte tatsächlich schuldig gewesen seien, dass ihre unvorhergesehenen Verhaftungen, ihre Verfahren hinter verschlossenen Türen und ihre harten Urteile jedoch politisch motiviert gewesen seien und darauf abgezielt hätten, politische Gegner des Präsidenten abzuschrecken.

 

Im März 2014 berichtet AP, dass ein ehemaliger Feldkommandant der Volksfront, Dawlat Tscholow, verhaftet worden sei, weil er Jugendliche aus Kulob dazu aufgerufen habe, auf der Seite der Antiregierungskräfte in Syrien zu kämpfen. Dawlat Tscholow sei einer der Brüder von Qurbon Tscholow, der einer der hochrangigsten Kommandanten der Volksfront der Region Kulob gewesen sei. Zwei weitere Brüder von Qurbon Tscholow seien zu sechs und acht Jahren Haft verurteilt worden. Ein weiterer Bruder sei bereits seit drei Monaten in Haft. Sein Fall werde in den nächsten Tagen an ein Gericht weitergeleitet. Es werde davon ausgegangen, dass die Tscholow-Familie dazu beigetragen habe, die aktuelle Führung des Landes an die Macht zu bringen und Qurbon Tscholow habe in den 1990er-Jahren Führungspositionen im tadschikischen Grenzkontrollkomitee innegehabt. Anfang der 2000er-Jahre sei allerdings eine Kampagne zur Entfernung von Warlords aus Führungspositionen gestartet worden und so seien Qurbon Tscholow und einige weitere Warlords der Volksfront 2002 entlassen worden.

 

Im November 2014 berichtet AP erneut über den Fall der Tscholow-Familie. Qurbon Tscholow sei im Gefängnis verstorben, nach Angaben seiner Verwandten wegen Bluthochdrucks. Ein Bruder von Qurbon Tscholow, Dawlatali Tscholow, der ebenfalls ein ehemaliger Kommandant der Volksfront gewesen sei, sei im Februar 2014 verhaftet worden, weil er Jugendliche in Kulob augerufen haben solle, auf der Seite der Antiregierungskräfte in Syrien zu kämpfen. Im Jänner 2003 sei Sulajmon, ein weiterer Bruder von Qurbon Tscholow und ehemaliger stellvertretender Vorsitzender des Zollausschusses von Duschanbe, wegen Erpressung, Entführung, Heirat einer Minderjährigen und Polygamie zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Ein weiterer Bruder, Firdaws, sei im April 2013 wegen des Verdachts auf Drogenhandel und Diebstahl verhaftet und zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Jawharscho, ebenfalls ein Bruder von Qurbon Tscholow, verbüße ebenfalls eine Haftstrafe in einer Strafkolonie.

 

Die Lage in Haftanstalten und das Vorkommen von Folter (Anfragebeantwortung von ACCORD vom 29.04.2015):

 

"Die Haftbedingungen sind prekär: überfüllte Zellen, mangelhafte Ernährung, Tuberkulose-Ansteckungsgefahr, etc. (EDA, 9. September 2014, Stand 27. April 2015)

 

In den Gefängnissen herrschen nach wie vor unzumutbare Verhältnisse. (GIZ, März 2015)

 

Die internationale Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) schreibt in ihrem im Februar 2015 veröffentlichten Jahresbericht (Berichtszeitraum 2014 und wichtige Ereignisse von 2013), dass Folter und andere Formen von Misshandlungen weiterhin weit verbreitet gewesen seien. Tadschikische NGOs hätten 24 Fälle von Folter zwischen dem 1. Dezember 2013 und dem 8. Oktober 2014 dokumentiert. Die meisten Angehörigen und Opfer hätten jedoch aus Angst vor Repressionen davon abgesehen, Beschwerde einzulegen. Es sei wahrscheinlich, dass über viele Fälle von Folter nicht berichtet worden sei. Die strafrechtliche Verfolgung von Mitgliedern der Strafverfolgungsbehörden, die der Folter verdächtigt worden seien, sei selten gewesen und häufig eingestellt oder vor Abschluss ausgesetzt worden. Bis zum Ende des Jahres 2014 seien seit der Kriminalisierung von Folter 2012 nur vier Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Folter verurteilt worden, zwei davon hätten bedingte Strafen erhalten. Tadschikistan habe die Entscheidungen von Gremien der Vereinten Nationen zu Einzelfällen nicht umgesetzt. AnwältInnen sei häufig der Zugang zu ihren MandantInnen in Haft verwehrt worden, vor allem in Einrichtungen des Staatlichen Komitees für Nationale Sicherheit. Personen, die als Gefahr für die nationale Sicherheit wahrgenommen worden seien, seien einem besonders großen Risiko ausgesetzt gewesen, in Haft ohne Kontakt zur Außenwelt gehalten, gefoltert und misshandelt zu werden. Umed Todschijew, ein Mitglied der Islamischen Partei der Wiedergeburt Tadschikistans sei am 19. Jänner 2014 im Krankenhaus verstorben. Er sei am 30. Oktober 2013 verhaftet und am 4. November 2013 angeklagt worden, eine kriminelle Gruppe organisiert zu haben. Er habe jedoch bis zum 13. November 2013 keinen Zugang zu seinem Anwalt gehabt. Seine Familie habe behauptet, er sei unter anderem Elektroschocks, Schlaf- und Essensentzug ausgesetzt gewesen. Am 5. November 2013 sei er aus dem Fenster einer Polizeistation gesprungen und habe sich dabei beide Beine gebrochen, er sei jedoch bis zum 4. Jänner 2014 nicht adäquat medizinisch versorgt worden. AI fährt fort, dass im Februar 2014 eine Gruppe zur Überwachung der Haftbedingungen ihre Arbeit aufgenommen habe. Der Gruppe würden VertreterInnen der Zivilgesellschaft angehören. In manchen Fällen sei den NGO-VertreterInnen willkürlich der Zugang zu Hafteinrichtungen verwehrt worden.

 

In einem gemeinsamen Bericht der NGO-Koalition gegen Folter in Tadschikistan (NOTORTURE.TJ), der belgischen NGO International Partnership for Human Rights, der Weltorganisation gegen Folter (World Organisation Against Torture, OMCT) und anderer vom Februar 2015 wird angegeben, dass Folter in Tadschikistan weiterhin weit verbreitet sei. Meist komme es in den ersten Stunden in Polizeigewahrsam und in Untersuchungshaftanstalten, insbesondere in denen des Staatlichen Komitees für Nationale Sicherheit, zu Folter. Die NGO-Koalition gegen Folter in Tadschikistan habe zwischen 2011 und 2014 mehr als 100 Fälle dokumentiert, in denen Männer, Frauen und Kinder mutmaßlich gefoltert oder anderweitig misshandelt worden seien. Nur bei wenigen Fällen seien offizielle Ermittlungen eingeleitet worden, in den meisten Fällen seien nur Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Es werde angenommen, dass viele Folteropfer aus Angst vor Repressionen keinerlei Beschwerde eingelegt hätten.

 

Die international tätige Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) berichtet in ihrem im Jänner 2015 veröffentlichten Jahresbericht (Berichtzeitraum 2014), dass die Anwendung von Folter durch die Behörden, um Geständnisse zu erhalten, weiterhin besorgniserregend sei. Folter werde oft angewandt, um Geständnisse zu erzwingen, und die Polizei sowie ErmittlerInnen würden Häftlingen in Untersuchungshaft oft den Zugang zu Rechtsberatung verweigern. Auch HRW erwähnt den Fall von Umedschon Todschijew, der nach dreitätiger Folter aus dem Fenster einer Polizeistation im dritten Stock gesprungen und infolge seiner Verletzungen gestorben sei. Die Behörden hätten nach Forderungen der NGOKoalition gegen Folter in Tadschikistan eine Untersuchung eingeleitet, aber zum Zeitpunkt, als HRW den Bericht verfasst habe, noch keinerlei Ergebnisse präsentiert. Nach Angaben der NGO-Koalition hätten die Behörden bei mindestens drei von sieben verdächtigen Todesfällen in Haft innerhalb der letzten vier Jahre Untersuchungen eingeleitet, aber dies habe nie zu aussagekräftigen Ergebnissen geführt.

 

Im Vergleich zur Zeit des Bürgerkriegs hatte sich die Menschenrechtslage zunächst deutlich verbessert. Tadschikistan hat alle wichtigen Menschenrechtskonventionen der Vereinten Nationen ratifiziert. Im regionalen Vergleich steht das Land relativ gut da. Insbesondere wurde 2009 ein ‚Beauftragter der Regierung für die Wahrung der Menschenrechte‘ - ein sogenannter Ombudsmann – per Dekret des Präsidenten eingesetzt; seine Einwirkungsmöglichkeiten sind jedoch begrenzt. Defizite gibt es u.a. bei der Freiheit der Medien, bei Rechtsstaatlichkeit, Herstellung menschenwürdiger Bedingungen in Strafvollzugsanstalten sowie innerhalb der Streitkräfte. [ ] Tadschikistan hatte 2012 den Sonderberichterstatter für Folter sowie den Sonderberichterstatter für das Recht auf Gesundheit der Hochkommissarin für Menschenrechte eingeladen und gewährte ihnen im Rahmen ihrer Besuche weitgehend freien Zugang zu Haftanstalten und anderen geschlossenen Institutionen. Seit dem Jahr 2012 wurde auch eine rechtlich wirksame Definition der Folter in den Gesetzeskanon aufgenommen, die Strafen für Folter wurden verschärft und inzwischen auch einzelne Fälle vor Gericht gebracht und abgeurteilt." (AA, Stand Oktober 2014)

 

Wie die Menschenrechtsorganisation Freedom House in ihrem im Juni 2014 veröffentlichten Bericht Nations in Transit 2014 (Berichtsjahr 2013) festhält, hätten der tadschikische Sicherheitsapparat und die Justiz es versäumt, die offenbar systematische Anwendung von Folter, mysteriöse Todesfälle, Fälle von Verschwindenlassen, mögliche Morde und berichtete Verletzungen des Grundsatzes des fairen Verfahrens zu untersuchen. Es habe 2013 mehrfach Berichte über Folter gegeben, die Täter seien aber nur selten strafrechtlich verfolgt worden. Tadschikistan habe unabhängigen Stellen weiterhin den Zugang zu Gefängnissen verwehrt und habe sich geweigert, das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe zu ratifizieren. Das Ausmaß der Repressionen habe seit der Bürgerkriegszeit (den 1990er Jahren, Anm. ACCORD) abgenommen, es herrsche aber nach wie vor ein Klima der Straflosigkeit vor. Artikel 88(3) des tadschikischen Strafgesetzbuchs enthalte ein Verbot der "Verwendung von Beweismitteln in Gerichtsverfahren, die unter Folter erzwungen" worden seien. Jedoch habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), dem Tadschikistan nicht angehöre, die Lage im Land als "bestürzend" bezeichnet und angegeben, dass der Einsatz von Folter "systematisch, weit verbreitet und alltäglich" sei. Weiters berichtet Freedom House unter Berufung auf Amnesty International (AI), dass die Sicherheitsorgane unter anderem von Methoden wie Schlägen mittels Knüppeln, Faustschlägen, Fußtritten, sowie Elektroschocks, Übergießen mit kochendem Wasser und Verbrennen mittels Zigaretten und Chemikalien Gebrauch machen würden, um echte bzw. auch falsche Geständnisse zu erzwingen. MenschenrechtlerInnen hätten auch über Fälle von angedrohter oder tatsächlicher Vergewaltigung von männlichen und weiblichen Gefangenen berichtet. Derartige Misshandlungen würden auch begangen, um Personen, die um rechtlichen Schutz ansuchen könnten, einzuschüchtern.

 

Laut einem gemeinsamen Bericht von Amnesty International (AI) und der NGO-Koalition gegen Folter in Tadschikistan vom April 2014 seien Personen, denen vorgeworfen werde, islamische ExtremistInnen zu sein, besonders von Folter und andere Formen der Misshandlung bedroht. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle gebe es keine unabhängigen Untersuchungen zu diesbezüglichen Beschwerden. Trotz der in Artikel 88 der Strafprozessordnung festgeschriebenen Unzulässigkeit von unter Folter erzwungenen Beweismitteln in Gerichtsverfahren habe es in den Jahren 2012 und 2013 keine Fälle gegeben, in denen RichterInnen diese Ausschlussregelung umgesetzt hätten. Wie AI weiter ausführt, seien bei NGOs und Anwälten in Tadschikistan zwischen 2011 und 2013 insgesamt 137 Beschwerden wegen Folter und anderer Misshandlung eingegangen. Es scheine jedoch nur in zehn dieser Fälle ordnungsgemäße Untersuchungen gegeben zu haben, wobei hierbei die Täter zumeist mit Disziplinarverfahren belangt worden seien. Der Bericht fährt fort, dass unabhängige BeobachterInnen nach wie vor keinen Zugang zu geschlossenen Einrichtungen hätten. Im Dezember 2012 habe der tadschikische Ombudsmann für Menschenrechte vorgeschlagen, eine Arbeitsgruppe zur Überwachung von Hafteinrichtungen zu schaffen. Die Beobachtungsgruppe habe im Februar 2014 die Arbeit aufgenommen, die Verwaltungen von Hafteinrichtungen hätten NGO-VertreterInnen der Gruppe aber teilweise den Zugang verwehrt, obwohl die zuständigen Regierungsstellen über die Schaffung der Gruppe und ihre Befugnisse informiert worden seien.

 

Das US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) hält in seinem Jahresbericht zur Menschenrechtslage in Tadschikistan vom Februar 2014 (Berichtszeitraum 2013) fest, dass zu den Menschenrechtsproblemen unter anderem harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen gehören würden. Folter sei gemäß der Verfassung Tadschikistans verboten. Im Jahr 2012 habe die Regierung das Strafgesetzbuch novelliert und darin einen Artikel eingeführt, in dem Folter auf völkerrechtskonforme Art definiert worden sei. Es habe jedoch weiterhin Berichte darüber gegeben, dass Schläge, Folter und andere Formen des Zwangs bei Verhören angewendet worden seien, um Geständnisse zu erpressen. Die Behörden hätten Menschenrechtsorganisationen keinen ausreichenden Zugang zu Informationen gewährt, der es ihnen erlaubt hätte, diese Berichte näher zu prüfen. Das USDOS berichtet weiters, dass die Regierung zehn Gefängnisse betrieben habe, darunter eines für Frauen, und zwölf Untersuchungshaftanstalten. Wie sich die Bedingungen in den Gefängnissen genau dargestellt hätten, sei weiterhin nicht bekannt gewesen, aber die Häftlinge hätten harte und lebensbedrohliche Bedingungen beschrieben, darunter extreme Überbelegung und unhygienische Bedingungen. Krankheiten und Hunger seien ernsthafte Probleme gewesen. UNO-Agenturen hätten berichtet, dass die Ansteckungsraten mit Tuberkulose und HIV in Gefängnissen beträchtlich seien, die medizinische Versorgung aber von schlechter Qualität. Es sei nicht bekannt gewesen, ob Trinkwasser in den Gefängnissen verfügbar gewesen sei. Frauen und Männer seien getrennt entweder in unterschiedlichen Teilen derselben Einrichtung oder in unterschiedlichen Einrichtungen inhaftiert gewesen.

 

Das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (Office of the High Commissioner for Human Rights, OHCHR) informiert in einer Pressemitteilung vom Februar 2014 darüber, dass der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über Folter, Juan Méndez, nach seinem Besuch im Februar 2014 die tadschikische Regierung dazu aufgefordert habe, ihre Politik zur Ausmerzung und Verhütung von Folter und Misshandlung vollständig umzusetzen. Laut Méndez müsse Tadschikistan die Lücke zwischen Politik und Realität schließen. Der Sonderberichterstatter habe sich ermutigt gezeigt von neuen Gesetzen, die die Definition von Folter mit dem Übereinkommen gegen Folter in Einklang bringen würden und von einer Verordnung des Obersten Gerichtshofes, die die Verfügbarkeit von Schutzmaßnahmen zur Verhütung von Folter ab der Inhaftierung garantiere. Er habe aber darauf gedrängt, die Strafen für Folter und Misshandlung zu erhöhen und Amnestien bei derartigen Verbrechen zu verbieten. Zudem habe sich Méndez besorgt gezeigt, dass es in den vorangegangenen zwei Jahren nur in vier Fällen zu strafrechtlichen Verfolgungen unter den neuen gesetzlichen Regelungen gekommen sei, obwohl es weiterhin Behauptungen gebe, dass während Festnahmen, Befragungen in Untersuchungshaft und in Gefängnissen gefoltert und misshandelt werde.

 

Die wirtschaftsliberale Bertelsmann Stiftung, eine deutsche gemeinnützige Denkfabrik mit Sitz in Gütersloh, schreibt in ihrem 2014 veröffentlichten Transformationsindex, einem Ländergutachten zu politischer Partizipation, Rechtsstaatlichkeit, Stabilität demokratischer Institutionen, sozioökonomischer Entwicklung etc. im Zeitraum 31. Jänner 2011 bis 31. Jänner 2013, dass willkürliche Verhaftungen, lange Untersuchungshaftzeiten, Folter und Misshandlungen weiterhin systematisch vorgekommen seien. Es habe nach wie vor Todesfälle in Haft gegeben. Die Haftbedingungen seien weiterhin wegen Überbelegung, unhygienischen Zuständen und hohen Tuberkulose- und AIDS-Raten lebensbedrohlich gewesen. Mitglieder der Polizei und der Sicherheitskräfte hätten oft die zivilen Reche der BürgerInnen verletzen und seien nur selten für derartige Vergehen strafrechtlich verfolgt worden, was zu einer Kultur der Straflosigkeit geführt habe.

 

Im März 2012 erklärte die Regierung ihre Absicht, die Empfehlungen der Universellen Regelmäßigen Überprüfung durch den UN-Menschenrechtsrat umzusetzen. So will sie beispielsweise Inhaftierten Zugang zu juristischem und ärztlichem Beistand gewähren. Im April wurde das Strafgesetzbuch ergänzt und enthält nun Folter als Straftatbestand. Im Juni gab der Oberste Gerichtshof Richtlinien heraus für Richter in Fällen vermeintlicher oder mutmaßlicher Folter oder anderer Misshandlungen. Die Generalstaatsanwaltschaft legte Strafverfolgern Empfehlungen für die Ermittlungen in Folterfällen vor. Trotz dieser positiven Entwicklungen trafen immer wieder Berichte über Folter und andere Misshandlungen ein. Der UN-Sonderberichterstatter über Folter und der UN-Ausschuss gegen Folter veröffentlichten ihre Ergebnisse. Nach seinem Besuch im Mai erklärte der Sonderberichterstatter, dass Folter und andere Misshandlungen ‚häufig ... in vielen verschiedenen Umfeldern vorkommen‘. Im November registrierte der UN-Ausschuss gegen Folter ‚zahlreiche und übereinstimmende Klagen ... über den systematischen Einsatz von Folter und anderen Misshandlungen gegen Straftatverdächtige, in erster Linie, um ihnen 'Geständnisse'

abzupressen ... vor allem in den ersten Stunden des Verhörs in

Polizeigewahrsam sowie in vom Staatlichen Ausschuss für Nationale Sicherheit (SCNS) und von der Behörde für den Kampf gegen das organisierte Verbrechen betriebenen provisorischen Hafteinrichtungen und Untersuchungsgefängnissen‘. Kinder, ältere Menschen und Zeugen in Strafprozessen berichteten über Vorfälle, bei denen sie Folter und andere Misshandlungen erlitten hatten. Zu den Foltermethoden zählten der Einsatz von Elektroschocks, kochendem Wasser, Beinahe-Ersticken, Prügel und das Verbrennen mit Zigaretten. Es gab Berichte über tatsächliche und angedrohte Vergewaltigungen von weiblichen und männlichen Inhaftierten sowie über psychische Folter. Folter und andere Misshandlungen geschahen meist, bevor die Straftatverdächtigen auf einer Polizeiwache registriert worden waren. Die Straftatverdächtigen wurden vor der Registrierung ihrer Inhaftierung nicht über ihre Rechte aufgeklärt (einen Anwalt zu sprechen, ihre Angehörigen zu informieren oder zu schweigen). Die Registrierung sollte innerhalb von drei Stunden nach der Mitnahme auf eine Polizeiwache erfolgen, fand in der Praxis aber oft viel später statt. Es gab Fälle, in denen die Betroffenen vor der Registrierung tage- oder sogar wochenlang ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten wurden. Sherik Karamhudoev, der Führer der oppositionellen Gruppierung Islamische Partei der Wiedergeburt in Chorugh in der Region Berg-Badachschan, verschwand am 24. Juli 2012 während der gewaltsamen Zusammenstöße. Seine Familie erfuhr erst am 8. August von seinem Aufenthaltsort, und er durfte sich fast zwei Monate lang nicht mit seinem Strafverteidiger treffen. Dem Vernehmen nach wurde er in der SCNS-Haftanstalt in Duschanbe gefoltert. Man beschuldigte Sherik Karamhudoev der Organisation einer kriminellen Gruppierung und des illegalen Besitzes von Schusswaffen. (AI, 23. Mai 2013)

 

In seinen abschließenden Betrachtungen vom Jänner 2013 hält der UNO-Ausschuss gegen Folter (UN Committee Against Torture, CAT) fest, dass es insbesondere während der ersten Stunden des Verhörs in Polizeigewahrsam sowie in den vom GKNB und dem Amt für den Kampf gegen Organisierte Kriminalität geleiteten Anstalten für temporäre Haft bzw. Untersuchungshaft regelmäßig zu Folter und anderer Misshandlung von Verdächtigen komme. Dies diene in erster Linie der Einholung von Beweismitteln, die im Strafverfahren verwendet werden sollten. Die Einführung des Artikels 88(3) in die Strafprozessordnung im März 2008 (s.o.) sowie ein Dekret des Obersten Gerichtshofs, in dem die Unzulässigkeit illegal eingeholter Beweismittel klargestellt werde, seien zu begrüßen. Jedoch sei der Ausschuss besorgt über das Fehlen von effektiven Umsetzungsmechanismen und der tatsächliche Umsetzung dieser Rechtsnormen. Der Ausschuss fährt fort, dass er die aktuellen Anstrengungen der Regierung, die Bedingungen in Gefängnissen und Untersuchungshaftanstalten zu verbessern, begrüße, dass man aber über folgende Punkte besorgt sei:

 

a) Berichte über einen Mangel an Warmwasser, unhygienische Bedingungen, schlechte Belüftung, fehlende Möglichkeiten zum Trocknen von Kleidung, was zu Infektionen der Atemwege und Krankheiten führe, das Fehlen von persönlichen Hygieneartikeln und eine nicht adäquate Versorgung in Bezug auf Ernährung und Gesundheit.

 

b) Unnötig strenge Regelungen für InsassInnen, die zu lebenslanger Haft verurteilt seien, die Berichten zufolge in faktischer Isolation bis zu 23 Stunden pro Tag in kleine, stickige Zellen eingesperrt seien, keine Zugang zu AnwältInnen hätten, nur einmal pro Jahr Besuch von der Familie empfangen dürften und an verschiedenen Aktivitäten im Gefängnis nicht teilnehmen dürften.

 

c) Das weiterhin bestehende Fehlen einer systematischen und unabhängigen Überprüfung aller Hafteinrichtungen durch nationale und internationale Beobachter. Der Ombudsmann könne zwar Hafteinrichtungen besuchen, der Ausschuss sei aber besorgt, dass die Ergebnisse nicht veröffentlicht würden.

 

d) Das Fehlen eines Beschwerdemechanismus für Häftlinge. Tadschikistan berichte zwar, dass Beschwerden über Folter und Misshandlung mittels versiegelter Umschläge eingereicht werden könnten. Diese würden aber Berichten zufolge nicht die zuständigen Behörden erreichen und Häftlinge hätten oft keinen Zugang zu Stiften und Papier.

 

e) Die Tatsache, dass die Anzahl, der Ort und die Kapazität von Hafteinrichtungen sowie die Anzahl der Insassen in Tadschikistan als "Staatsgeheimnisse" gelten würden."

 

Zur Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe sowie fairen Verfahren (Anfragebeantwortung ACCORD vom 29.04.2015):

 

"Duschanbe - Nach weltweiter Kritik und Protesten der Menschenrechtsorganisation amnesty international hat das Parlament in Tadschikistan einstimmig die Abschaffung der Todesstrafe beschlossen. Präsident Emomali Rachmonow hatte im April einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Hinrichtungen werden ab sofort ausgesetzt, als Höchststrafe sollen stattdessen 25 Jahre Haft gelten, wie Parlamentspräsident Machmadato Sultonow am Mittwoch mitteilte. amnesty international hatte zuvor gegen die geplante Hinrichtung von vier unter anderem wegen Mordes und Geiselnahme Verurteilten protestiert. Vier Häftlinge waren im April hingerichtet worden. Rachmonow hatte bereits im vergangenen Jahr die Zahl der Straftaten, die mit Exekution geahndet werden können, von 15 auf fünf reduziert und die Hinrichtung von Frauen und Minderjährigen verboten. Wie viele Menschen in der ehemaligen Sowjetrepublik hingerichtet wurden, hat die Regierung stets geheim gehalten. (der Standard, 4. Juni 2004)

 

Am 10. und 11. Februar 2014 fand in Duschanbe die fünfte Runde des Menschenrechtsdialogs zwischen der Schweiz und Tadschikistan statt. Bei diesen jährlichen Treffen ziehen die beiden Länder Bilanz über die Fortschritte im Bereich des Schutzes und der Förderung der Menschenrechte. Dieses Jahr wurde ein besonderer Fokus auf die Prävention von Folter und von Frühehen gelegt. [ ] Die drei übrigen Themen dieser Dialogrunde waren die Vorbereitung und das Follow-up der allgemeinen regelmässigen Überprüfung (UPR) des Menschenrechtsrats, die Menschenrechte von Migrantinnen und Migranten und die Todesstrafe. Der letzte Punkt bot der Schweiz Gelegenheit, ihr Ziel einer weltweiten Abschaffung der Todesstrafe bis 2025 zu bekräftigen. Die Schweiz ermuntert Tadschikistan, über das gegenwärtige Moratorium für Hinrichtungen hinauszugehen und die Todesstrafe in der Gesetzgebung abzuschaffen. (news.admin.ch, 11. Februar 2014)

 

Tadschikistan hat die Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe kraft Gesetzes mit Rückwirkung zum 30. April 2004 ausgesetzt. Für Frauen ist die Todesstrafe gänzlich abgeschafft. (AA, Stand Oktober 2014)

 

Staaten, die die Todesstrafe in der Praxis, aber nicht im Gesetz abgeschafft haben [ ] Tadschikistan 2004 (AI, Stand 1. April 2015, S. 7)

 

Der UNO-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CESCR), ein Gremium unabhängiger ExpertInnen, schreibt in seinen Schlussbemerkungen zum Staatenbericht über die Umsetzung des Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, dass der Ausschuss über das Fehlen wirksamer Rechtsmittel bei der Verletzung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte besorgt sei, was auf die hohen Anwalts- und Gerichtskosten zurückzuführen sei. Man sei ebenfalls besorgt über den beschränkten Zugang zu kostenlosem Rechtsbeistand für Rechteinhaber, die diesen benötigten würden, insbesondere Opfer von Rechtsverletzungen. Der Ausschuss sei weiters besorgt, dass effektive Garantien für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz trotz laufender Reformen fehlen würden. In dieser Hinsicht sei man besonders darüber besorgt, dass der Prüfungsausschuss, der die Zulassungsprüfungen von RichterInnen überwache, in den Zuständigkeitsbereich des Justizministeriums falle. Man sei auch weiterhin darüber besorgt, dass Korruption im öffentlichen Sektor trotz zahlreicher Maßnahmen des Staates weit verbreitet und systematisch sei, was durch Platz 152 von 175 im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International für 2014 verdeutlicht werde. Der Ausschuss sei zudem besorgt über die fehlende Effektivität von präventiven Maßnahmen sowie die begrenzte Anzahl von Fällen, in denen es wegen Korruption zu strafrechtlicher Verfolgung gekommen sei, vor allem auf den höheren Ebenen der Verwaltung.

 

Amnesty International (AI) veröffentlicht im März 2015 eine Pressemitteilung, in der angegeben wird, dass MitarbeiterInnen von Umarali Kuwatow, einem Gründungsmitglied einer tadschikischen Oppositionsgruppe, der in Istanbul erschossen worden sei, dem Risiko weiterer Angriffe ausgesetzt seien. Kuwatow sei einer der Gründer der "Gruppe 24" gewesen, die die weit verbreitete Korruption unter Präsident Rachmon kritisiert habe. In Tadschikistan sei Kuwatow wegen "Wirtschaftsverbrechen" und "Terrorismus" angeklagt gewesen, was, so scheine es, politisch motiviert gewesen sei.

 

Rechtsstaatlichkeit ist nur sehr bedingt gewährleistet. Korruption und Nepotismus genießen unter der Regierung, in Verwaltung und Justiz hohe Verbreitung. (GIZ, März 2015)

 

Freedom House, eine in den USA ansässige NGO, die zu den Themen Demokratie, politische Freiheit und Menschenrechte forscht und sich für diese einsetzt, äußert sich im Jänner 2015 ebenfalls zu Umarali Kuwatow und der Forderung Tadschikistans an die Türkei, ihn auszuliefern. In einer Stellungnahme gibt Freedom House an, dass man um die Sicherheit von Kuwatow besorgt sei, sollte er nach Tadschikistan geschickt werden. In den letzten Jahren seien mehrere Mitglieder der tadschikischen Opposition körperlich angegriffen, strafrechtlich verfolgt und ins Gefängnis gebracht worden. Sollte Kuwatow nach Tadschikistan zurückgebracht werden, sei er nicht in der Lage, ein faires Verfahren zu erhalten, und dem ernsthaften Risiko ausgesetzt, im Gefängnis misshandelt zu werden.

 

Die international tätige Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) äußert sich¿im Jänner 2015 zur Verurteilung des berühmten Menschenrechtsanwalts Schuchrat Kudratow in Tadschikistan zu neun Jahren Haft. Die Verurteilung sei nach einem politisch motivierten Verfahren erfolgt.

 

In einem gemeinsamen Bericht mehrerer tadschikischer NGOs und Einzelpersonen aus dem Jahr 2015 zu wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten, wird erläutert, dass der Zugang zur Justiz ein wesentliches Element des Rechts auf ein faires Verfahren sei. Die meisten Verdächtigen könnten es sich aber wegen der hohen Rechtsanwalts- und Gerichtskosten nicht leisten, juristische Dienste in Anspruch zu nehmen. Das existierende System des kostenlosen Rechtsbeistands, das vom Staat zur Verfügung gestellt werde, sei aus mehreren Gründen nicht effizient. Im Februar 2013 sei eine Arbeitsgruppe gegründet worden, um ein neues Gesetz zu Rechtsbeistand, darunter auch kostenloser Rechtsbeistand, auszuarbeiten. In dem Bericht wird weiters ausgeführt, dass trotz laufender Reformen die Einhaltung der internationalen Standards und Prinzipien in Bezug auf die Unabhängigkeit der Justiz im tadschikischen System noch sichergestellt werden müsse. Der "Justizrat" ("Council of Justice"), ein Organ der Exekutive, sei für das Durchführen der Zulassungsprüfungen von KandidatInnen für ein Richteramt und das Vorschlagen von KandidatInnen als RichterInnen zuständig. Eine Analyse des Vorgehens der Prüfungskommission des Rates, die für die Prüfungen zuständig sei, zeige aber, dass diese nicht unabhängig und unparteilich sei. Der Vorsitzende der Kommission, der auch der Vorsitzende des Justizrates sei, spiele eine wichtige Rolle, wohingegen andere Mitglieder bei den abschließenden Entscheidungen wenig zu sagen hätten. Der Aktionsplan 2013-2015 für die Umsetzung der Empfehlungen der Allgemeinen Regelmäßigen Überprüfung der UNO sehe vor, den Justizrat aus der Exekutive zu entfernen, um die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken.

 

Defizite gibt es u.a. bei der Freiheit der Medien, bei Rechtsstaatlichkeit, Herstellung menschenwürdiger Bedingungen in Strafvollzugsanstalten sowie innerhalb der Streitkräfte. [ ] Auch der Aufbau und die Arbeit der Zivilgesellschaft wird durch selektive Justiz und Anwendung bestehender Regularien und Gerichtsurteile in Einzelfällen willkürlich behindert. (AA, Stand Oktober 2014)

 

Reporters Sans Frontières (RSF), eine internationale NGO, die sich für Medienfreiheit einsetzt, äußert sich im Juni 2014 zum Fall von Aleksandr Sodiqow, einem tadschikischen Blogger und Forscher an der Universität Toronto, der während eines Aufenthalts in Tadschikistan festgenommen und der Spionage bezichtigt worden sei. Am 18. und 19. Juni 2014 habe das Fernsehen stark abgeänderte Auszüge aus einem Video, das Sodiqow bei einem Verhör und offensichtlich unter Druck stehend gezeigt habe, ausgestrahlt. Johann Bihr von RSF gibt zu dem Fall an, dass die Geheimhaltung rund um Sodiqows Verhaftung und die Ausstrahlung von Auszügen seines Verhörs sein Recht auf ein faires Verfahren verletzten würden.

 

Freedom House berichtet in dem im Juni 2014 veröffentlichten Bericht Nations in Transit 2014 (Berichtsjahr 2013), dass das Justizsystem und die Exekutive sehr korrupt und fast gar nicht unabhängig seien und in fast allen Fällen für den Staat bzw. die Wohlhabenden Partei ergreifen würden. Obwohl das Ausmaß der Repressionen seit der Bürgerkriegszeit (den 1990er Jahren, Anm. ACCORD) abgenommen habe, herrsche nach wie vor ein Klima der Straflosigkeit vor. Die Strafverfolgungsbehörden, darunter auch das Staatliche Komitee für Nationale Sicherheit (GKNB), würden mutmaßliche Strafsachen routinemäßig durch Einschüchterung, Schläge und Folter "lösen". Verdächtigen in Haft stehe per Gesetz das Recht zu, in Anwesenheit eines Anwaltes innerhalb von 24 Stunden verhört zu werden und innerhalb von 72 Stunden vor einen Richter zu kommen, der über die Rechtmäßigkeit der Haft entscheide. Derartige Regeln und Vorschriften würden von der Polizei in ihrer Gesamtheit fast nie eingehalten und vom GKNB oft absichtlich umgangen. Die nicht öffentlichen internen Richtlinien des Innenministeriums und des GKNB bezüglich der Kommunikation zwischen StrafverteidigerInnen und Häftlingen, die im Widerspruch zu tadschikischen und internationalen Gesetzen stehen würden, würden fast immer dazu führen, dass die StrafverteidigerInnen die Häftlinge für Tage oder sogar Monate nicht sehen könnten. Dies trage zur Anfälligkeit von Verdächtigen für physischen und psychischen Missbrauch sowie zu unter Folter erzwungenen Geständnissen bei.

 

Das US-amerikanische Außenministerium (US Department of State, USDOS) erwähnt in seinem im April 2014 veröffentlichten Jahresbericht zu Terrorismus im Jahr 2013 Korruption im Justizsystem und die missbräuchliche Anwendung von Antiterrorgesetzen um die legitime politische Opposition zu unterdrücken.

 

In seinem im Februar 2014 veröffentlichten Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2013 führt das USDOS aus, dass unter anderem die Verweigerung des Rechts auf ein faires Verfahren und Korruption zu den Menschenrechtsproblemen gehört hätten. In Bezug auf das Recht auf ein faires, öffentliches Verfahren berichtet das USDOS, dass das Gesetz zwar eine unabhängige Justiz vorsehe, die Exekutive aber Druck auf StaatsanwältInnen und RichterInnen ausgeübt habe. Korruption und Ineffizienz seien wesentliche Probleme gewesen. Was Gerichtsverfahren angehe, gelte für Angeklagte per Gesetz die Unschuldsvermutung, was in der Praxis aber nicht so gewesen sei. Die Gerichte hätten fast alle Angeklagten für schuldig befunden. 2012 habe es bei 8.467 Fällen 42 Freisprüche gegeben. Davon seien 19 Personen gänzlich freigesprochen worden, die übrigen 23 seien in weniger schweren Anklagepunkten für schuldig befunden worden. Verfahren würden von einem Richter geführt, der Urteile erlasse. Es gebe keine Geschworenenverfahren. Üblicherweise hätten die Angeklagten die Möglichkeit gehabt, während Verfahren rechtzeitig einen Anwalt zu konsultieren, im Vorfeld des Prozesses und während der Ermittlungen sei ihnen aber oft das Recht auf einen Anwalt verweigert worden. Per Gesetz solle die Regierung einen Anwalt auf Staatskosten zur Verfügung stellen, wenn dies gefordert werde, die Regierung habe aber nur selten einen kostenlosen Rechtsbeistand zur Verfügung gestellt. Eine Reihe lokaler und internationaler NGOs habe den Beschuldigten kostenlose Rechtsberatung angeboten. Beschuldigte könnten, wenn der Richter zustimme, Zeugen und Beweise in einem Verfahren vorbringen. Die Beschuldigten und die Anwälte hätten das Recht, alle Beweise der staatlichen Seite zu prüfen, Zeugen zu konfrontieren und zu befragen sowie Beweise einzubringen und Aussagen zu machen. Es würden keine Gruppen vom Ablegen von Aussagen ausgeschlossen und im Prinzip würden alle Aussagen gleichberechtigt berücksichtigt. Die Gerichte hätten in der Regel aber Aussagen der Staatsanwaltschaft mehr berücksichtigt als Aussagen der Verteidigung. Die geringen Gehälter von RichterInnen und StaatsanwältInnen hätten sie anfällig für Bestechung gemacht, die eine gängige Praxis sei. Regierungsbeamte hätten RichterInnen politisch beeinflusst. Prozesse seien zwar öffentlich, das Gesetz sehe aber auch "geheime" Prozesse vor, wenn die nationale Sicherheit betroffen sei. VertreterInnen der Zivilgesellschaft hätten Probleme gehabt, Zugang zu Fällen, die viel Aufmerksamkeit erhalten hätten, zu bekommen, da diese von der Regierung oft für "geheim" erklärt worden seien. Im Verlauf des Jahres habe die Regierung mehrere politisch motivierte Prozesse hinter verschlossenen Türen geführt, unter anderem gegen Scherik Karamchudojew, den Vorsitzenden der Islamischen Partei der Wiedergeburt Tadschikistans (IRPT) in Chorugh, und gegen Said Saidow, den Leiter der nicht registrierten politischen Partei "Neues Tadschikistan". Die Behörden hätten behauptet, es habe keine politischen Gefangenen oder politisch motivierte Verhaftungen gegeben. Oppositionsparteien und lokale BeobachterInnen hätten jedoch berichtet, dass die Regierung ausgewählte politische Gegner verhaftet und strafrechtlich verfolgt habe. Es habe keine verlässliche Schätzung zur Anzahl der politischen Gefangenen gegeben. In weiterer Folge wird näher auf die Fälle von Said Saidow und Scherik Karamchudojew eingegangen.

 

Human Rights Watch (HRW) geht in einer Stellungnahme vom Februar 2014 ebenfalls auf den Fall von Said Saidow ein. Die Verurteilung von Saidow verdeutliche, dass die tadschikische Regierung weder Kritik noch die Rolle von Oppositionsparteien in einer demokratischen Gesellschaft akzeptieren werde. Saidows Verurteilung habe eindeutig darauf abgezielt, einen lautstarken Gegner von der politischen Bühne zu entfernen. Saidow sei in Haft ohne Kontakt zur Außenwelt gehalten worden. Man habe ihm den Zugang zu Rechtsberatung verweigert und ihm keine ausreichende Möglichkeit gewährt, eine Verteidigung vorzubereiten. Äußerungen von hochgestellten Regierungsbeamten in den Medien über Saidows Schuld würden die Bedenken bezüglich der Unabhängigkeit der tadschikischen Justiz vergrößern.

 

Freedom House erwähnt in seinem im Jänner 2014 veröffentlichten Jahresbericht zu politischen Rechten und bürgerlichen Freiheiten im Jahr 2013, dass es der Justiz an Unabhängigkeit mangele. Viele RichterInnen seien schlecht ausgebildet und unerfahren und Bestechung sei Berichten zufolge weit verbreitet.

 

Die wirtschaftsliberale Bertelsmann Stiftung, eine deutsche gemeinnützige Denkfabrik mit Sitz in Gütersloh, schreibt in ihrem 2014 veröffentlichten Transformationsindex, einem Ländergutachten zu politischer Partizipation, Rechtsstaatlichkeit, Stabilität demokratischer Institutionen, sozioökonomischer Entwicklung etc. im Zeitraum 31. Jänner 2011 bis 31. Jänner 2013, dass die Justiz in Tadschikistan per Gesetz unabhängig und institutionell ausdifferenziert sei. In der Praxis aber sei sie weiterhin großteils der Exekutive untergeordnet. Der Präsident kontrolliere die Justiz durch sein in der Verfassung verankertes Vorrecht, RichterInnen und den Generalstaatsanwalt zu ernennen und zu entlassen. Die Gerichte würden auch durch die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft beeinflusst, die, was Einfluss und politische Macht angehe, über ihnen stehe. In politisch heiklen Fällen würden RichterInnen so entscheiden, wie es ihnen von einflussreichen BeamtInnen in der Präsidialverwaltung und den Sicherheitsbehörden aufgetragen werde. Die Tätigkeiten der Justiz würden durch Funktionsdefizite, beispielsweise weit verbreitete Korruption, begrenzte Ressourcen und schlechte Ausbildung, stark eingeschränkt. Die Mechanismen der Justiz würden durch Korruption, Klientelismus und die willkürliche Anwendung der Rechtsstaatlichkeit beeinträchtigt. Während des Berichtszeitraums seien hunderte nicht gewalttätige MuslimInnen verhaftet und wegen mutmaßlicher Mitgliedschaft in verbotenen islamischen Gruppen zu langen Haftstrafen verurteilt worden, meist ohne faires, öffentliches Verfahren. Tadschikistan sei ein autoritärer Staat, in dem demokratische Institutionen nur eine Fassade seien. Die Herrschaft sei das Monopol des Präsidenten und seines engstes Umfeldes. Die Exekutive, die Legislative und die Judikative würden nur auf die Entscheidungen reagieren, die dieser Personenkreis treffe.

 

EurasiaNet, eine vom Central Eurasia Project des Open Society Institute betriebene Website, die Informationen und Analysen zu politischen, wirtschaftlichen und sozialen Themen zur Verfügung stellt, erwähnt in einem Artikel vom April 2013, dass in Tadschikistan nach dem ehemaligen Premierminister Abdumalik Abdulladschanow wegen versuchten Sturzes des Präsidenten gefahndet werde. Abdulladschanow, der Flüchtlingsstatus in den Vereinigten Staaten besitze, sei am 4. April aus einem Gefängnis in der Ukraine entlassen worden. Die UNO habe Kiew gedrängt, Abdulladschanow nicht an Tadschikistan auszuliefern, da er dort wahrscheinlich kein faires Verfahren erhalte."

 

8.4. Am 08.06.2015 erstattete der Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs eine Stellungnahme, in der er hinsichtlich der Länderinformation vom 18.04.2014 ausführt, dass die Todesstrafe zwar rückwirkend mit 30.04.2004 ausgesetzt sei. Dies ändere jedoch nichts an der realen Gefahr, dass der Beschwerdeführer der Todesstrafe unterzogen werden könnte.

 

Auf Grund der Länderberichte lägen auch im Fall des Vollzuges einer Haftstrafe mit maßgebender Wahrscheinlichkeit Umstände vor, die Folter und andere Formen der Misshandlung in der Haft erwarten ließen. Trotz der formellen Unzulässigkeit der Anwendung von Foltermaßnahmen sei auch ein Beschwerdesystem dagegen ineffizient bzw so gut wie nicht existent. Im Übrigen seien auch die sonstigen Haftbedingungen (Nahrung/medizinische Versorgung/Hygiäne) lebensbedrohend. Hinsichtlich der Lage von Mitgliedern der Volksfront sei festzuhalten, dass jeweils durchgehend bis zum heutigen Datum ehemalige Mitglieder der Volksfront in tadschikischen Haftanstalten langjährige Haftstrafen verbüßten. Der Beschwerdeführer sei nachweislich in der Volksfront engagiert gewesen und dies sei auch mit Lichtbild im vorgelegten Buch dokumentiert worden. Dieser Umstand biete naturgemäß einen Ansatzpunkt für Ermittlungen, wie von Interpol, XXXX mit 19.06.2012 gegen den Beschwerdeführer initiiert. Nach Ansicht des Beschwerdeführers handle es sich dabei um eine gezielte Verfolgungsmaßnahme, die allein politisch motiviert sei. Der Beschwerdeführer soll im Jahr 1993 einen Mord verübt haben, wobei er von 1993 bis 1997 unbehelligt in Tadschikistan gelebt habe. Ein Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer sei aus den Ermittlungsergebnissen des Jahres 1993 der tadschikischen Behörden keineswegs ableitbar – der Beschwerdeführer scheine darin überhaupt nicht als tatverdächtig auf. Eine im Nachhinein auf Urgenz der österreichischen Behörden am 28.08.2013 durchgeführte Zeugenbefragung habe keinen sinnvollen Konnex des Beschwerdeführers zur vorliegenden Straftat hergestellt und dieser wirke völlig konstruiert, um den Beschwerdeführer als unliebsamen politischen Gegner dingfest zu machen.

 

Mit Stellungnahme vom 01.07.2015 ergänzte der Beschwerdeführer, dass er nicht russischer Staatsangehöriger sei, sonder Staatsangehöriger der UdSSR gewesen und auf Grund seiner Geburt und Registrierung in Tadschikistan nunmehr Tadschike sei.

 

8.5. Eine weitere Anfrage an ACCORD ergab folgendes Ergebnis:

 

Zu den ethnischen Säuberungen, die die tadschikische Volksfront 1992 durchführte, sowie anderen Kriegsverbrechen bzw. Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zeitraum 1992-1997 und einer möglichen Beteiligung des Beschwerdeführers (Anfragebeantwortung von ACCORD vom 09.11.2015):

 

"[ ]

 

Das US-amerikanische Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem im Jänner 1994 veröffentlichten Jahresbericht zur Menschenrechtslage 1993, dass es keine kompletten Angaben zur Anzahl der politischen und außergerichtlichen Tötungen gebe, internationale Organisationen hätten aber mindestens 80 Morde und Fälle von Verschwindenlassen im Zeitraum zwischen März und Oktober 1993 registriert. Die Anzahl sei aber sicher höher, so das USDOS. Es gebe glaubwürdige Beweise, dass die regierungstreuen Milizen der Volksfront, die nach dem Bürgerkrieg in begrenztem Ausmaß in Spezialbataillone des Verteidigungsministeriums, des Innenministeriums und des Nationalen Komitees für Sicherheit eingegliedert worden seien, für viele der Tötungen und Fälle von Verschwindenlassen verantwortlich gewesen seien. Während des Bürgerkriegs und bis zur Konsolidierung der Regierungskontrolle über die Hauptstadt Duschanbe im Februar 1993 seien Hunderte Kämpfer und ZivilistInnen auf beiden Seiten des Konflikts Opfer von Verschwindenlassen geworden oder ermordet worden. Schätzungen würden sich auf über 20.000 Todesopfer belaufen. Paramilitärische regierungstreue Kräfte seien von Dezember 1992 bis Februar 1993 in Duschanbe für ein Pogrom gegen Männer, die aus den Gebieten Pamir und Gharm gestammt hätten, verantwortlich gewesen. Dabei seien Dutzende Personen ums Leben gekommen. In der finalen Phase des Bürgerkriegs seien sowohl die Regierung als auch die Opposition für weitgehende Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gewesen, darunter summarische Hinrichtungen von Gefangenen, Missachtung des Status von zivilen und nicht an Kampfhandlungen teilnehmenden Personen, Geiselnahmen, Folter, Vergewaltigungen, Plünderungen, Zwangsarbeit und -rekrutierung. Die Regierung sei im Dezember 1992 nach Duschanbe vorgedrungen, die Kämpfe zwischen der Regierung und Oppositionskräften hätten allerdings bis März 1993 angedauert, als die Regierung die Opposition aus dem Gharmtal vertrieben habe. Bei den Kämpfen zur Rückeroberung des Tals hätten Regierungskräfte wahllos Stadtzentren und Dörfer bombardiert und beschossen, wobei zivile Personen, die nicht an den Kampfhandlungen teilgenommen hätten, getötet und verletzt worden seien. Die Opposition ihrerseits habe die lokale Zivilbevölkerung brutal ausgebeutet.

 

Die internationale Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) schreibt in ihrem 1994 veröffentlichten Jahresbericht zu Vorfällen von Jänner bis Dezember 1993 im Kapitel zu Tadschikistan, dass es bis Anfang 1993 in großem Ausmaß zu außergerichtlichen Hinrichtungen und Fällen von Verschwindenlassen durch regierungstreue Kräfte gekommen sei, wobei Dutzende Personen getötet worden seien, die hauptsächlich wegen ihrer regionalen Herkunft zum Ziel geworden seien. Später im Jahr sei es zu weiteren Fällen von Verschwindenlassen gekommen, unter den Opfern hätten sich politische AktivistInnen befunden. Die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Regierungskräften, die von Armeeeinheiten aus Russland und anderen zentralasiatischen Staaten unterstützt worden seien, und Oppositionsgruppen seien im Laufe des Jahres sporadisch weitergeführt worden. Die Kämpfe hätten sich vor allem auf Gebiete entlang der südlichen Grenze zu Afghanistan und in Ost-Tadschikistan konzentriert. Die Welle der außergerichtlichen Hinrichtungen und Fälle von Verschwindenlassen, die eingesetzt habe, nachdem die Hauptstadt Duschanbe am Höhepunkt des Bürgerkriegs im Dezember 1992 an Regierungskräfte gefallen sei, habe im Jänner und Februar 1993 angehalten. Dutzende Personen, hauptsächlich aus den Gebieten Pamir und Gharm in Ost-Tadschikistan, seien Berichten zufolge summarisch hingerichtet worden oder zu Opfern von Verschwindenlassen geworden, nachdem sie von Kräften der Volksfront Tadschikistans, einer paramilitärischen Gruppe mit Verbindungen zur Regierung, festgenommen worden seien. In Duschanbe sei es Berichten zufolge zu außergerichtlichen Hinrichtungen und Fällen von Verschwindenlassen gekommen, nachdem Ausweispapiere am Flughafen, in den Straßen oder bei Hausdurchsuchungen überprüft worden seien. Einige Personen seien Berichten zufolge an Ort und Stelle hingerichtet worden, andere seien festgenommen worden. Ihre Körper seien später auf der Straße oder in der städtischen Leichenhalle gefunden worden. Das Schicksal anderer Personen sei weiterhin unbekannt. Später im Jahr seien Einzelfälle in Duschanbe und in südlichen ländlichen Gebieten gemeldet worden.

 

Der Bürgerkrieg nahm seinen Anfang, als sich die islamistisch-demokratische Opposition mit Waffengewalt gegen den kommunistischen Präsidenten Nabijew und das von Kommunisten beherrschte Parlament wandte. Präsident Nabijew und die Kommunisten des Nordens (Chodschent) verbanden sich mit den Kommunisten des Südens (Kuljab) und weigerten sich, sich den Beschlüssen der neuen Koalitionsregierung unterzuordnen. Die Gebietssowjets von Chodshent (Leninabad) und Kuljab erkannten die Regierung der ‚Nationalen Aussöhnung‘ nicht an. Der Imam von Kuljab, Haidar Schafirsoda, erklärte, daß in Duschanbe die Wahabiten (islamische Ketzer) mit Akbar Turandschonsoda an der Spitze die Macht ergriffen hätten. Die von Präsident Nabijew gebildete Nationalgarde aus jungen Kuljabis blieb zwar kurzlebig, und ihre Mitglieder kehrten nach ihrer Auflösung nach Kuljab zurück. Dort gründeten sie jedoch eine neue Miliz unter Führung von Rustam Abdurachim und des Gastwirtes Sangak Safarow, der wegen Raubmordes zuvor 23 Jahre im Gefängnis verbracht hatte. Die Milizen aus dem Gebiet Kuljab überfielen im Juni/Juli 1992 das ursprünglich von den Basmatschen bewohnte und von den Islamisten und Demokraten kontrollierte Gebiet Kurgan-Tjube, wo sie Tausende von Menschen töteten und Flüchtlingsströme unter der Zivilbevölkerung auslösten. Der Versuch der islamistisch-demokratischen Regierung, durch die Gründung einer Rettungsfront ‚Heimat‘ (Nadzhoti Watan) unter Führung von Schodmon Jusufow (Demokratische Partei) am 21. Juni sowie die Unterzeichnung eines Friedensabkommens am 26. Juli in Chorog auf die Ereignisse Einfluß zu nehmen, scheiterte. Sie verlor die Kontrolle über immer größere Landesteile. Im Herbst 1992 versammelten sich die bewaffneten Gruppierungen der Kuljaber Klane vor der Hauptstadt Duschanbe. Ihr Anführer Sangak Safarow gründete eine Volksfront, der sich auch der frühere Parlamentsvorsitzende und Kuljaber Kommunist Safarali Kendschajew anschloß. Im September 1992 trat Nabijew von seinem Posten als Präsident der Republik zurück und kam am 10. April 1993 unter ungeklärten Umständen ums Leben. Parlamentspräsident Akbar Iskandarow (ein Pamiri) wurde neuer Übergangspräsident und schuf einen Staatsrat, der dazu beitragen sollte, den Bürgerkrieg zu beenden. [ ] Im Oktober 1992 gelang es den Regierungstruppen der islamistisch-demokratischen Koalition noch, einen Angriff der Truppen der kommunistischen Volksfront aus Kuljab und Hissar auf Duschanbe zurückzuschlagen. Da in Duschanbe und Umgebung gekämpft wurde, fand die Tagung des Parlaments in Chodshent, im Norden des Landes, statt. Das mehrheitlich von Kommunisten besetzte und von Soldaten der russischen Armee umringte Parlament beschloß die Absetzung der islamistisch-demokratischen Regierung. Die Kommunisten von Chodshent (Leninabad) und Kuljab, d.h. die Klane des Nordens und des Südens, ergriffen erneut die Macht. Diesmal besetzten allerdings nicht die Kommunisten des Nordens, sondern die des Südens (Kuljab) die Schalthebel der Macht. Am 10. Dezember 1992 marschierten die Truppen der kommunistischen Volksfront schon als Regierungstruppen in Duschanbe ein. Zum neuen Vorsitzenden des Obersten Sowjets Tadschikistans wurde Emomali Rachmonow gewählt, ehemaliger Vorsitzender des Exekutivkomitees des Gebiets Kuljab, Direktor der Sowchose ‚Lenin‘ sowie Organisator des Widerstandes gegen die Islamisten in Kuljab. Er wurde damit automatisch auch neuer Übergangspräsident des Landes. [ ] Die Kommunisten aus der Region Kuljab, die im Dezember 1992 die Macht übernommen hatten, errichteten bald ein Terror-Regime, das sich vor allem gegen die islamische und demokratische Bewegung sowie die Berg-Badachschaner richtete. Die Flüchtlingsströme, vor allem aus den Hochburgen der islamischen und demokratischen Bewegung (Kurgan-Tjube, Garm, Kofirnichon, Tawildara u.a.), wuchsen an. Am 21. Juni 1993 wurden die Demokratische Partei, die Islamische Partei, Rastochez, und Lal’i Badachschan verboten, ihre Anhänger, darunter zahlreiche Journalisten, zu Hunderten umgebracht oder verhaftet. [ ] Die Repressalien richteten sich auch gegen die nationalistisch gesinnte städtische Intelligenz. Ihre Zeitungen sowie die unabhängige Wochenschrift ‚Charoghi ruz‘ wurden verboten, der Dichter Bozor Sobir verhaftet. Amnesty International warf dem kommunistischen Terror-Regime Folter, barbarische Tötungen und Verantwortung für das Verschwinden von Personen vor (vgl. Süddeutsche Zeitung, 5.5.1993). Auch russische Zeitungen berichteten über die Verhaftungswellen (Nezavisimaja Gazeta, 21.4.1993; Segodnja, 29.6.1993). Die Intensität der Repression ließ auch nicht nach, nachdem sich am 29. März 1993 Volksfront-Führer Sangak Safarow und sein 1. Kommandeur Fajsali Sajdow bei Kurgan-Tjube gegenseitig umgebracht hatten. Zuvor hatte bereits der 3. Kommandeur der Kuljab-Truppen, Langari Langrijew, den 2. Kommandeur Rostam Abdulrachim erschossen. Der Ausnahmezustand wurde im Juli 1993 verschärft und ausgedehnt. Nachdem sich zahlreiche Anhänger der islamisch-demokratischen Bewegung in das Pamir-Gebirge zurückgezogen hatten, ließ die kommunistische Regierung Ortschaften in Berg-Badachschan bombardieren." (Bischof, 1996)

 

Der tadschikische Bürgerkrieg von 1992-1997 forderte unter den ca. sechs Millionen Einwohnern Tadschikistans mindestens 20 000-150 000 Tote. Besonders die slavische Bevölkerung Tadschikistans verringerte sich nach der Volksbefragung von 1989 um fast 10%. Ein Großteil der Opfer kam in den ersten zwei Jahren des Bürgerkrieges zwischen 1992 und 1994 ums Leben. Im Prinzip ging der Bürgerkrieg schon 1994 zu Ende, es kam jedoch immer wieder zu Zwischenfällen und das Friedensabkommen wurde erst 1997 unterzeichnet. In Folge des Krieges, der teilweise Züge einer ethnischen Säuberung hatte, verließen Hunderttausende das Land und flohen in die Nachbarländer. Auch noch im Jahre 1992 führte die tadschikische Volksfront, die hinter der Regierung stand, Massenexekutionen durch und Menschen, besonders Gharmis und Pamiris verschwanden in grossem Umfang."

(Wiegman, 2007, S. 2-3)

 

Im September 1991 verdrängte der ehemalige Vorsitzende der tadschikischen kommunistischen Partei, Rachmon Nabiew, mit Hilfe von Gruppierungen aus dem Norden des Landes den islamisch-demokratischen Präsidenten Akbarscho Iskanderow. Dieser hatte sich vor allem auf die Ismailiten in der autonomen Region Berg-Badachschan im Osten des Landes gestützt. Im Mai 1992 kam es zu ersten bewaffneten Auseinandersetzungen in Duschanbe. Die Vereinigte Tadschikische Opposition – eine Koalition aus der Demokratischen Partei und der Partei der Islamischen Wiedergeburt, die vor allem im Rascht-Tal und in Berg-Badachschan im Zentrum und Osten des Landes verankert war, die Iskanderow unterstützt hatte, wurde nach Afghanistan vertrieben. Von dort kämpfte sie mit Unterstützung der islamistischen Gruppierung Jamiat-e-Islami (zu deutsch ‚islamische Gesellschaft‘) weiter gegen Nabiew. Dieser wurde zwar von rußländischen Truppen unterstützt. Als sein Regime in Duschanbe gleichwohl einer militärischen Niederlage nahe war, stürzten ihn im November 1992 seine ehemaligen Anhänger aus der Stadt Khudjand im Gebiet Sogd (früher Leninabad) im Norden des Landes sowie vor allem Gruppierungen aus Kuljab im Gebiet Khatlon und ersetzten ihn mit Hilfe rußländischer und usbekischer Kräfte durch den ehemaligen Vorsitzenden des Obersten Sowjets, den aus Kulob stammenden Emomali Rahmon. In den Jahren 1992–1993 vertrieben Regierungsmilizen 100 000 Pamiris und Gharmis aus Zentraltadschikistan nach Afghanistan, vor allem aus dem Gebiet um die Stadt Qurghonteppa (Kurgan-Tyube). Zusätzlich verließen 300 000 das Land. [ ] Eine weitere Konfliktlinie brach im Mai 1992 auf nationaler Ebene auf und es kam zu Kämpfen zwischen Vertretern ‚der alten Garde‘, die die Regierung unterstützten, unterstützt durch Moskau und einer lose organisierten Opposition bestehend aus marginalisierten Gruppierungen aus dem Rascht-Tal und Berg-Badachschan. Mithilfe des russischen und usbekischen Militaers gelang es den Pro-Regierungs-Kräften im Dezember desselben Jahres die Vereinigte Tadschikische Opposition, bestehend aus islamistischen und demokratischen Kraeften aus dem Rascht-Tal und Berg- Badachschans zu besiegen und eine neue Regierung unter der Führung Emomali Rakhmons aus Danghara in Kuljab zu etablieren. Von 1993 an wurde Tadschikistan von einer Koalition aus regionalen und Clan-Gruppen regiert, die sich aus der nationalen Volksfront, einer der Haupt-Kriegsparteien, formierte und vor allem von Tadschiken aus dem südlichen Kulob dominiert war." (Wiegman, 2007, S. 5-6)

 

Nach dem Zerfall der Sowjetunion schlidderte das Land in einen blutigen Machtkampf zwischen den Clans der Kuljab-Ebene und den Hochland-Tadschiken im Garmtal und dem Pamir. Der heutige Präsident Rachmon stammt aus der Talebene. Als die Volksfront der Kuljabis 1993 siegte und die Hauptstadt Duschanbe eroberte, begann eine mörderische Hatz auf die Menschen aus dem Hochland, an die 100.000 sollen dabei grausam getötet worden sein. Wo jemand herkam, welchen Dialekt er sprach, entschied über Leben und Tod. Die Hochland-Tadschiken und ihre geschlagenen Kampfeinheiten flüchteten ins schwer zugängliche Pamirgebirge, dessen Zufahrtsstraßen lokale Milizen erfolgreich blockierten und die sie gegen die Kuljabi verteidigten. Seither ist es Präsident Emomali Rachmon, seit 1994 an der Macht, nicht gelungen, die östliche Gebirgsprovinz zu kontrollieren. Die früheren Milizenführer konnten ihre Einflusszonen am Pamir sichern. (taz, 27. August 2012)

 

Nach dem Zerfall der Sowjetunion begann in Tadschikistan der Bürgerkrieg (1991-1997). Die Hochlandtadschiken aus dem Pamirgebirge und Garmtal kämpften gegen die Clans der Tieflandtadschiken aus Kulob (russ.: Kuljab) um die Macht. Der Krieg wurde besonders am Anfang mit inner-ethnischer Brutalität geführt. Als die siegreiche Volksfront der Kuljabis (im Süden) die tadschikische Hauptstadt stürmte, begann eine regelrechte Hetzjagd auf die Abkömmlinge des Hochlandes und die Pamiris. Die Opposition führte von Afghanistan aus den Krieg gegen die Zentralregierung, während die Kuljabis die Unterstützung Russlands und Usbekistans genossen, und 1994 Emomali Rachmonow, einen der ihren, als Präsidenten einsetzten, der bis heute regiert. Die Pamiris, denen als Ismailiten jeder religiöser Fanatismus fremd ist, gingen gleichwohl eine Allianz mit der von islamistischen Sunniten dominierten Opposition ein." (HSS, 18. Oktober 2012, S. 3)

 

Es konnten keine Informationen zu einer Beteiligung von XXXX gefunden werden. Dies bedeutet nicht notwendigerweise, dass die genannte Person nicht an den oben angeführten Ereignissen beteiligt war."

 

8.6. Am 02.02.2016 langte die Übersetzung des vom Beschwerdeführer vorgelegten Buches ein.

 

Am 17.05.2016 nahm der Beschwerdeführer durchs einen rechtsfreundlichen Vertreter Akteneinsicht.

 

Mit Beschluss vom 19.05.2016 wurde ein länderkundiger Sachverständige bestellt.

 

8.7. Am 31.05.2016 langte das Gutachten des länderkundigen Sachverständigen ein. Dieses lautet wie folgt:

 

"Ad 1)

 

Die verfügbaren Quellen enthalten keine Hinweise auf eine Involvierung von Herrn XXXX in die unter Punkt 1. aufgeführten Verbrechen.

 

Ad 2)

 

Die sogenannte "Volksfront" (tad.: FRONTI XALQI, russ. NARODNY FRONT) im tadschikischen Bürgerkrieg (1992-97) war kein regulärer militärischer Verband mit festen Hierarchien bzw. Rängen, sondern ausgesprochen heterogene Gruppen lokaler Gewaltakteure, die die Desintegration staatlicher Strukturen (ausgelöst durch den Zerfall der Sowjetunion) ausnutzen, um sich den Zugriff zu lokalen Ressourcen zu sichern. Die offiziellen Befehlsstrukturen und die staatliche legitimierte Rekrutierung der Volksfront, wie sie von Safarali KENGAEV (Kendschaev) in seinen Erinnerungen (Titel: Coup d’etat in Tadschikistan, tad.: Tabadduloti Togikiston) dargestellt werden, existierten nicht in dieser Form. Bei der Volksfront handelt es sich somit um eine irreguläre Miliz, wie sie in Bürgerkriegen häufig anzufinden sind.

 

Die Anführer (russ. komandir = Kommandant) der verschiedenen und teilweise konkurrierenden Volksfront-Milizen waren zum einen Angehörige der ehemaligen sowjetischen Nomenklatura (Innenministerium, KGB und Miliz/Polizei), zum anderen Repräsentanten organisierter Verbrechensstrukturen der späten Sowjetzeit. Eine Komplizenschaft zwischen beiden Gruppen, d.h. den repressiven Sicherheitskräften und dem organisierten Verbrechen, ist evident. Vielfach schlossen sich auch Veteranen des sowjetischen Afghanistaneinsatzes (1979- 89), die sog. AFGANCY (wie Herr XXXX), den Milizen an. Diese Veteranen wurden aufgrund ihrer Ausbildung und militärischen Gerät und ihrer Kampferfahrung von den Kommandanten geschätzt.

 

In der HISOR (rus.: GISSAR) Region, zu der auch die Ortschaft SAHRINAV (SCHARINAU) gehört, bildeten sich die ersten Volksfront Milizen im August/September 1992. Lokale Kommandanten rekrutierten "ihre" Miliz in der Regel unter jungen Männern gleicher Ethnie und regionaler Herkunft in einem Nachbarschaftsviertel.

 

Die Loyalität innerhalb der Miliz entstand durch drei Faktoren: (1) Kombattanten in den Milizen erhielten eine finanzielle Kompensation,

(2) Zugehörigkeit zu einer Miliz umfassten eine Schutzfunktion (vor allem gegen rivalisierende Milizen), die sich auch auf den Familien- bzw. Nachbarschaftsverband erstreckte, und (3) die Komplizenschaft in Gewaltverbrechen. In der Regel handelte es sich bei den Milizen um relativ kleine Gruppen von 15-40 Männern. Zu beachten ist, dass die Region HISOR von einer signifikanten usbekischen Minderheit bewohnt wird, die in den lokalen Volksfront Milizen überrepräsentiert war (die Volksfront Milizen aus dem südlichen KULOB hingegen waren größtenteils ethnische Tadschiken). Safarali KENGAEV (KENDSCHAEV), ehemaliger Sprecher des tadschikischen Parlaments sowie Staatsanwalt im Transportministerium, versuchte die Aktivitäten der Milizen in der Region HISOR zu koordinieren und gegen die Übergangsregierung in DUSCHANBE einzusetzen (die tadschikische Übergangsregierung versuchte durch Einbindung der Opposition zwischen Mai und November 1992 eine politische Lösung der Konflikte zu finden). Unter anderem unterhielt KENGAEV in QARATOGH (ca. 20km nördlich von SAHRINAV) ein Ausbildungslager (Mai bis Oktober 1992).

 

Anhand der verfügbaren Quellen kann festgestellt werden, dass Herr XXXX kein hochrangiger Kommandant einer eigenen Miliz war. Der einflussreichste Kommandant in SAHRINAV war 1992/93 Abdumalik SOLEHOV, wichtige andere Akteure in der Region (inklusive TURSUNZODA/REGAR) waren Amirqul AZIMOV (bis 2011 Vorsitzender des Sicherheitsrates der Republik Tadschikistan) und Ibodullo BOYMATOV (1993/94 Bürgermeister von TURSUNZODA/REGAR, wird 1997 in einem bewaffneten Aufstand gegen die Regierung RAHMON getötet).

 

Die Milizen der Volksfront in der HISOR/SAHRINAV operierten im Betrachtungszeitraum (August 1992 bis Marz 1993) allerdings keineswegs nur in der Verteidigung der Nachbarschaftsquartiere, sondern nahmen aktiv an offensiven Kampfhandlungen teil, in denen Angehörige bestimmter Bevölkerungsgruppen vertrieben bzw. getötet wurden. Bei den Opfern von Vertreibung und Gewalt handelte es sich überwiegend um sog. Gharmis, i.e ethnische Tadschiken des Gharm Tals (östlich der Hauptstadt DUSCHANBE), die bei Ausbruch des Bürgerkrieges eine Gruppe mit eigener regionaler Identität formten. Im Sommer 1992 flüchteten ca. 800.000 Menschen vor den Kampfhandlungen im Süden und Westen Tadschikistans. Obwohl keine offiziellen Zahlen zu den Opferzahlen vorliegen, gehen seriöse Quellen von ca. 60.000-120.000 Toten aus.

 

Die Volksfront Milizen diffamierten die politische Opposition in der Regel als Wahhabiten (benannt nach der saudi-arabischen Variante des sunnitischen Islams und in Rückgriff auf die Erfahrungen des Afghanistankrieges). Tatsächlich handelte sich bei diesen "Wahhabiten" um Angehörige der Opposition, hier vor allem der Partei der islamischen Wiedergeburt (HIZBI NAHZATI ISLOMII TOGIKISTON) und der Demokratischen Partei Tadschikistans, die zu keinem Zeitpunkt die konservative Auslegung der Wahhabiten teilten.

 

Basierend auf Interviews mit Kombattanten und Feldkommandeuren kann festgehalten werden, dass die Angehörigen einer lokalen Miliz über die Art und Weise der Kampfhandlungen in ihrer Region wussten. Die Übergriffe gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen, die weitreichende Zerstörung der Infrastruktur sowie ganzer Wohnviertel ereignete sich auch in der Region HISOR/SAHRINAV. Loyalität wurde zudem oft durch gemeinsam begangene Gewalttaten generiert. Die Legitimationsnarrative von Herm XXXX (hier: die Gründung der Volksfront gegen die Wahhabiten) entspricht unmittelbar den Narrativen der Feldkommandeure und politischen Akteure. Es ist davon auszugehen, dass die Kombattanten der Milizen von der extremen Gewalt in der frühen Phase des Bürgerkrieges Kenntnis hatten.

 

Ad 3)

 

Die Volksfrontmilizen in der HISOR/SAHRINAV Region waren in verschiedene Aktivitäten involviert:

 

1) Der Angriff der Volksfront Milizen unter dem Kommando von S. KENGAEV auf DUSCHANBE am 24./25. Oktober 1992. KENGAEV griff in den Morgenstunden des 24. OKTOBER 1992 die westlichen Vororte und folgend das Stadtzentrum von DUSCHANBE an. Der Übergangsregierung gelang es nach schweren Kämpfen den Angriff zurückzuschlagen. Neben ca. 200-250 Kombattanten wurden auch 100-120 Zivilisten getötet bzw. schwer verletzt.

 

2) Nach dem missglückten Angriff auf DUSCHANBE blockierten die Volksfrontmilizen aus HISOR/SAHRINAV die Verkehrsverbindungen nach DUSCHANBE, hier vor allem die Hauptverkehrsstrasse M41 (die durch SAHRINAV führt) sowie die wichtige Schienenverbindung nach Usbekistan (ca. 5km südlich von SAHRINAV). Die Blockade fand zwischen Ende Oktober und Anfang Dezember 1992 statt und betraf vor allem die Zivilbevölkerung DUSCHANBES (darunter ca. 250.000 Flüchtlinge).

 

3) Anfang DEZEMBER 1992 griffen Volksfront Milizen erneut DUSCHANBE an, diesmal auch Gruppen aus dem Süden. Nach schweren Kämpfen konnte die Stadt am 10. DEZEMBER eingenommen werden und eine neue Regierung (unter dem jetzigen Präsidenten RAHMON) nahm ihre Tätigkeit auf. Nach der Besetzung DUSCHANBES wurde die Minderheit der Pamiris (aus dem östlichen Pamir-Gebirge) systematisch verfolgt, ca. 600 Personen wurden exekutiert. Auch an diesen "Säuberungen" beteiligten sich Volksfrontmilizen aus der HISOR/SAHRINAV Region.

 

4) Im Oktober 1997 versuchten Volksfront Kommandeure der HISOR/SAHRINAV Region (u.a. Ibodullo BOYMATOV und Col. Mahmud KHUDOYBERDIEV) den amtierenden Präsidenten RAHMON zu stürzen. Nach schweren Kämpfen (bei denen BOYMATOV getötet wurde) zog sich KHUDOYBERDIEV mit Teilen seiner Miliz (u.a. aus der Region HISOR/SAHRINAV) nach Usbekistan zurück und unternahm nochmals 1998 eine militärische Insurrektion in die nördliche Provinz

LENINOBOD/SUGHD

 

Eine persönliche Involvierung von Herrn XXXX in die oben aufgeführten Aktivitäten der Volksfront ist jedoch auf Grundlage der in Europa vorhandenen Quellen nicht nachzuweisen.

 

Ad 4)

 

Die Ermordung von Shomurota HASANOV wird in den mir zugänglichen Quellen nicht erwähnt. Eine Beteiligung von Herrn XXXX an einer kriminellen Organisation kann nicht nachgewiesen werden.

 

Anmerkung: Das Gutachten habe ich auf der Grundlage der folgenden, mir zur Verfügung stehenden Quellen angefertigt. Bei einem Großteil der Quellen handelt es sich um autobiographische Schriften, die die Zeit des Bürgerkrieges behandeln. Zudem habe ich das FOREIGN BROADCAST INFORMATION SERVICE 1991-1993 (die Ordner UdSSR/Zentralasien) eingesehen und die Daten eines ORAL HISTORY ARCHIVS ausgewertet.

 

Amnesty International. Tadzhikistan: Hidden terror: Political killings, 'disappearances' and torture since December 1992. London, 1993. Buskov, Valentin, and D. Mikul'skiy. Anatimiya grazdanskoy voyny v Tadzikistane [Anatomie des Bürgerkrieges in Tadschikistan]. Moskva, 1996.

 

Dostiev, Abdulmagid. Togikiston. Dusanbe: Irfon, 2005.

 

Dustov, Narzullo. Zaxm bar gismi vatan [Die Wunde im Körper des Heimatlandes]. Dusanbe: Irfon, 1994.

 

Habibov, Abdullo. Vaqte amr qonunro ivaz mekunad... [Wenn ein Befehl das Gesetz ändert...]. Dusanbe: Vatanparvar, 2009.

 

Helsinki Watch. Conflict in the Soviet Union: Tadzhikistan. New

York: Human Rights Watch, 1991.

 

Kendzaev [Kengaev], Safarali, and Kutfiniso Mirzoeva. Ocerk istorii prokuratury Tadzikistana [Historische Übersicht über die Staatsanwaltschaft in Tadschikistan]. Dusanbe: Fondi Kendzaeva, 1995.

 

Tabadduloti Togikiston 1 [Coup d’etat in Tadsehikistan 1]. Dusanbe:

Fondi Kengaev, 1993.

 

Tabadduloti Togikiston 2 [Coup d’etat in Tadsehikistan 2]. Toskand:

Fondi Kengaev, 1994.

 

Tabadduloti Togikiston 3 [Coup d’etat in Tadsehikistan 3]. Toskand:

Fondi Kengaev, 1995.

 

Mosalmaniyan-QobadiyanI, Rahim. Tdgikestan: azadi ya marg [Tadschikistan: Freiheit oder Tod]. Tehran: Daftar-e nasr-e farhang-e Eslami, 1373hs=l 994/95.

 

Nasriddinov, Hikmatulloh. Tarkis [Explosion]. Dusanbe: Afsona, 1995.

 

Nazriev, Davlat, and Igor Sattarov. Respublika Tadjikistan: Istoriya nezavisimosti. (Ill Tom) [Republik Tadschikistan: Geschichte der Unabhängigkeit in drei Bänden]. Dusanbe: Nur, 2003-2005. Sohibnazar, Asliddin. Subhi sitorakus. Kitobi avval. Nazare ba ruydodhoi oxiri Togikiston [Der getötete Morgenstern. Band 1. Eine Version der aktuellen Ereignisse in Tadschikistan]. Dusanbe: Donis, 1997.

 

Subhi sitorakus. Kitobi diyom. Nazare ba ruydodhoi oxiri Togikiston [Der getötete Morgenstern. Band 2. Eine Version der aktuellen Ereignisse in Tadschikistan]. Dusanbe: Mahmadgon, 2000.

 

Usmonov, Ibrohim. Soli Nabiev [Das Jahr of Nabiev]. Dusanbe, 1995."

 

9. Am 24.05.2016 wurde die mündliche Verhandlung fortgesetzt, das Bundesamt nahm wiederum auf Grund dienstlicher und personeller Gründe an der Verhandlung nicht teil. Darin machte der Beschwerdeführer folgende Angaben:

 

"R: Haben Sie bei der letzten hg. mündlichen Verhandlung die Wahrheit gesagt oder möchten Sie etwas richtig stellen oder ergänzen?

 

BF: Nein, ich habe nur die Wahrheit gesagt.

 

R: Hat sich an den Gründen die Stellung des Antrages auf internationalen Schutz seit der letzten hg. mündlichen Verhandlung etwas geändert?

 

BF: Ich habe die gleichen Gründe.

 

R: Halten Sie den Inhalt der Beschwerdeschrift und die dort gestellten Anträge aufrecht?

 

BF: Ja.

 

R: Sie haben in der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2015 ihren Reisepass vorgelegt, aber die Aussage zur Frage, wie und wann Sie an ihren Reisepass gekommen sind, verweigert. Ich wiederhole die Frage [Hinweis auf das Aussageverweigerungsrecht]!

 

BF: Ich werde nur die Wahrheit sagen, ich habe voriges Mal gesagt, dass ich die Frage nicht beantworten möchte, die Personen, die mich hierher gebracht haben, haben gesagt, dass ich das nicht sagen soll. Sie haben mich darum gebeten.

 

R wiederholt die Frage.

 

BF: Das habe ich gerade gesagt, die Leute, die mich hierher gebracht haben, haben mich darum gebeten. Ich habe ihnen Geld bezahlt.

 

R erkennt keinen Grund für eine Aussageverweigerung.

 

BFV: Wenn sich der BF schon den Namen nicht zu nennen traut, kann er wenigstens die Umstände schildern, unter denen er ihn erlangt hat.

 

BF: Die Leute, die mich hierher gebracht haben, haben mir gesagt, dass sie mir den Pass später bringen werden und das haben sie auch gemacht.

 

R: Das heißt, sie hatten auch von Österreich aus noch Kontakt mit den Schleppern.

 

BF: Nein, sondern mit der Person, mit der ich in Russland gearbeitet habe.

 

R: Warum hatte diese Person Ihren Pass?

 

BF: Weil ich den Pass ihm gegeben habe, als ich hierher fuhr, so war das vereinbart.

 

R: Warum sind Sie ohne Pass eingereist?

 

BF: Die Leute, die mich hierher gebracht haben, haben gesagt, dass ich keinen Pass mit haben soll, das war ein alter Pass.

 

R: Hat Ihnen der Arbeitskollege aus Russland den Pass geschickt oder gebracht?

 

BF: Der Mann, mit dem ich in Russland gearbeitet habe, hat den Pass nicht mitgebracht, ich habe mit ihm nur telefoniert und er hat mit den Pass nicht geschickt, sondern den Leuten gegeben, die mich hierher gebracht haben. Sie haben mir den Pass vom Auto aus gegeben.

 

R: Warum haben Sie nicht von sich den Pass aus dem Bundesamt vorgelegt?

 

BF: Wann?

 

R: Als sie aufgefordert wurden.

 

BF: Den Pass hat man mir erst nach der ersten Einvernahme gebracht.

 

R: Sie haben in der mündlichen Verhandlung das Buch von XXXX , Umsturz in Tadschikistan, 2. Buch, 1994, vorgelegt. Die Titelseite dieses Buches sowie eine Seite mit Ihrem Konterfei und Ihrem Datensatz haben sie bereits zuvor im Verfahren in Kopie vorgelegt. Ausweislich der von Ihnen vorgelegten Dokumente, die in der Zwischenzeit kriminaltechnisch untersucht wurden, trifft es zu, dass sich dieses Buch auf Sie bezieht und Ihre Mitgliedschaft in der tadschikischen Volksfront vor 1994 bestätigt.

 

BF: Warum sagen Sie vor 1994? Vor 1997.

 

R: Das Buch wurde 1994 geschrieben, so bestätigt es Ihre Mitgliedschaft vor 1994.

 

R: Können Sie den Aufbau der Tadschikischen Volksfront beschreiben? Welche Ränge gab es in der Hierarchie und wer war wofür zuständig?

 

BF: Die Volksfront hat eine eigene Verfassung, ein Konto und einen eigenen Stempel. Die Volksfront wurde geschaffen, damit in Tadschikistan der Bruderkrieg aufhört. Das war in einem anderen Gebiet. Die Volksfront wurde geschaffen, damit dieser interne Krieg aufhört, damit eine Verfassungsordnung geschaffen wird. Es gab auch einen Mitgliedsausweis.

 

R wiederholt die Frage.

 

BF: XXXX hat die Volksfront geschaffen, unter ihm gab es Stellvertreter, aber ich weiß nicht wie viele. Ich war nicht so ein wichtiges Mitglied, dass ich alle Namen wusste. Allerdings kenne ich den Aufbau in meinem Rayon. Es gab sozusagen einen Kommandant im Rayon, dieser hieß XXXX . Jeder hatte eigene Aufgaben, der Kommandant hatte eigene Aufgaben gehabt und ich war der Organisator.

 

R: Welche Ränge gab es zwischen Ihnen und dem Kommandanten?

 

BF: Jeder Kommandant hat eigene Aufgaben gehabt.

 

R wiederholt die Frage.

 

BF: Unter dem Kommandanten standen andere Kommandanten, ich war der Organisator, es gab keine Ränge zwischen mir und dem Kommandanten. Der Kommandant hat mir gesagt, was ich zu tun hatte.

 

R: Gab es Ränge unter Ihnen?

 

BF: Bei uns war der Aufbau so, dass in jedem Dorf, auf jeder Straße gab es eigene Kommandanten. Ich habe mich an diese Anführer gewandt. Das waren Direktoren von Fabriken oder von Unternehmen, wie etwa die Brotfabrik oder die Ziegelfabrik.

 

R wiederholt die Frage.

 

BF: Ich habe mit den Anführern gesprochen, dass die Leute zu Kundgebungen und Demonstrationen gehen, damit die Organisation aktiv ist und keinen Stillstand erlebt.

 

R: Wie viele aktive Mitglieder hatte die Tadschikische Volksfront im Landkreis XXXX 1992-1993 ungefähr?

 

BF: Ich weiß es nicht, die Kommandanten waren Militärangehörige, ich weiß es nicht.

 

R: Können Sie es schätzen?

 

BF: Ich weiß es wirklich nicht.

 

R: Wie hatten Sie zu anderen Mitgliedern der Volksfront Kontakt? Gab es allgemeine Treffen, ?

 

BF: Wen meinen Sie genau?

 

R wiederholt die Frage.

 

BF: Es hat eine Grafik gegeben, wann der Anführer da ist und wann man zu ihm kommen kann. Es war wichtig, dass möglichst viele Leute zu Kundgebungen gehen, damit die Organisation aktiv ist und keinen Stillstand erlebt.

 

R: Wie wurden in der Tadschikischen Volksfront Beschlüsse gefasst? Wie hat man beschlossen, wer was macht?

 

BF: Der Kommandant des Rayons hat das Kommando gehabt, er hat gesagt, was zu tun ist, mit wie vielen Leuten, und ich habe gemacht, was er gesagt hat.

 

R: Welchen Rang bekleideten Sie innerhalb der Tadschikischen Volksfront?

 

BF: Ich war nur der Organisator, ich habe keinen Dienstgrad gehabt.

 

R: Was haben Sie bei Ihrer Tätigkeit für die Volksfront 1992-1993 gemacht?

 

BF: Wie soll ich das sagen, ich musste die Leute organisieren, damit die Organisation keinen Stillstand erlebt, damit die Organisation aktiv ist. Es wurden Fachleute dorthin geschickt, wo sie notwendig sind, damit es keinen Stillstand gibt. Am Abend wurden Personengruppen zwecks Überwachung organsiert. Es geht darum, dass die Feinde uns keinen Schaden zufügen, z.B. bei den Elektrowerken. Es ging darum, dass die Leute Patrouillengruppen bilden, herumgehen und aufpassen.

 

R wiederholt die Frage.

 

BF: ich habe das alles in unserem Rayon gemacht in XXXX .

 

R: Haben Sie immer mit denselben Leuten zusammengearbeitet?

 

BF: Bei uns ist es so, dass sich in unserem Dorf viele Unternehmen befinden und man musste schauen, dass die Feinde uns keinen Schaden zufügen. Während des Krieges war unsere Organisation aktiv.

 

R: Welchen Zeitraum meinen Sie?

 

BF: 1992-1993. Ich meine den Krieg.

 

R: Was konkret haben Sie während des Krieges gemacht? (Hinweis auf die Aussageverweigerungsrechte)

 

BF: Ich habe während des Krieges nicht gekämpft, ich habe nur die Leute organisiert, damit Ordnung herrscht.

 

R: Was haben Sie 1993-1997 für die tadschikische Volksfront gemacht?

 

BF: Ich war Mitglied und habe in einer Geflügelfabrik gearbeitet.

 

R: Was haben Sie als Mitglied der Volksfront 1993-1997 gemacht?

 

BF: Der Krieg war zu Ende, jeder hat sein eigenes Leben gelebt und friedlich gelebt bis 1997.

 

R: Warum sind Sie 1997 aus der tadschikischen Volksfront ausgetreten?

 

BF: Ich war Mitglied, ich habe nur gesagt, dass wir friedlich gelebt haben. Nach der Demonstration 1997 wurden wir verjagt, im August.

 

R: Wie haben Sie in der Zeit, als Sie ausschließlich für die Tadschikische Volksfront tätig waren, Ihren Lebensunterhalt bestritten?

 

BF: 1992, ich weiß nicht welches Monat es war, der Kommandant wusste wann ich zur Arbeit gehe, wir haben unsere Löhne bekommen.

 

R: Das heißt, Sie wurden von der Tadschikischen Volksfront entlohnt.

 

BF: Nein, von dort, wo wir gearbeitet haben.

 

R: Sie haben in der letzten VH angegeben, 1992-1993, nicht gearbeitet zu haben, wegen des Krieges.

 

BF: Ja, ich habe nicht gearbeitet, aber ich habe mich mit der Organisation beschäftigt, ich war für die tadschikische Volksfront tätig, ich habe von der Stelle, wo ich zuvor gearbeitet habe, weiter mein Gehalt bezogen.

 

R: Sie haben in der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2015 angegeben, dass 1992 die Wahabiten gekommen seien, die gesagt hätten, dass sie alle umbringen werden, die in Afghanistan Militärdienst geleistet hätten. Gegen die Wahabiten hätten sie Volksfront gegründet und Sie seien Mitglied der Volksfront geworden. Was verstehen Sie unter "Wahabiten"? Wen konkret meinen Sie damit?

 

BF: Die Wahabiten sind Fundamentalisten, wie jetzt die religiösen radikalen Islamisten. Da ich in Afghanistan gedient habe, hat man uns für Ungläubige gehalten. Laut deren Gesetzen sollte man uns umbringen.

 

R: Meinen Sie damit Garmis, Badachschanis, Araber aus Khation oder die die islamistische Islamic Renaissance Party, die vereinigte Tadschikische Opposition, die Demokratische Partei? Die Jamiat-e-Islami?

 

BF: Nein, damals wurde die islamische Partei gegründet, dort waren Personen verschiedene Nationen dabei, Araber, Afghanen, alle möglichen Leute.

 

R: In der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2015 haben Sie angegeben, dass es während des Krieges viele Diebe gab und Sie Ihre Häuser verteidigten mussten; daher hätten Sie sich organisiert, damit Sie gegen diese Leute etwas tun können. Wie konkret haben Sie Ihre Häuser verteidigt und wie waren Sie daran beteiligt?

 

BF: Wissen Sie, dort wo es Krieg gibt, gibt es Gesetzlosigkeit, wir haben patrouilliert, ich habe die Gruppen festgelegt und die Leute sind herumgegangen und haben patrouilliert.

 

R: Sie haben in der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2015 ausdrücklich gesagt, es habe 1992 bis 1993 Krieg gegen die Wahabiten gegeben. Was wissen Sie von diesem Krieg? Waren Sie an diesem Krieg beteiligt?

 

BF: Ich habe ja heute schon gesagt, wer die Wahabiten sind, das sind die Fundamentalisten. Ich halte diese Leute für Wahabiten, früher hat man solche Leute als Wahabiten bezeichnet.

 

R wiederholt die Frage.

 

BF: Ich habe nicht gekämpft, ich habe in Afghanistan den Krieg gesehen und ich wollte keinen Krieg führen. Ich wollte friedliche Maßnahmen setzen, ich wollte nicht, dass es Krieg gibt, dass ein Bruder den anderen Bruder umbringen muss.

 

R: Sie haben auch angegeben, dass Ihr Name nur auf dieser einen Seite des Buches erwähnt werde und das Gericht daher keinen Übersetzungsauftrag betreffend den Rest des Buches zu erteilen brauche. Auf Grund des Übersetzungsauftrages steht allerdings fest, dass Ihr Name auch auf S 270 vorkommt. Dabei bedankt sich der Autor ausdrücklich bei Ihnen für Ihre Dienste als Befehlshaber im Landkreis XXXX .

 

BF: Ich habe nicht gesagt, dass sie nur eine Seite übersetzen sollen, ich habe gesagt, dass sie alles übersetzen können.

 

R wiederholt die Frage und ergänzt, Befehlshaber ist gleichlautend mit Feldkommandant.

 

BF: Ich war kein Kommandant, er lobt nur meinen Verdienst, weil ich Tag und Nacht tätig war.

 

BFV: Sie haben Befehle vom Kommandanten empfangen, diese Befehle haben Sie dann weitergeleitet an die Anführer. Hatten Sie da selbstständige Befehlsgewalt oder waren Sie nur der Überbringer?

 

BF: Ich habe keine eigenen Befehle erteilt, ich habe diese Befehle nur weitergeleitet.

 

BFV: Und wenn die Anführer nicht oder etwas falsch gemacht haben, wem waren sie dann verantwortlich?

 

BF: Dem großen Rayonskommandanten. Bei uns ist das Volk anders, die Mentalität ist anders. Wenn eine alte, hochgestellte Person etwas sagt, dann machen das die jungen Leute.

 

BFV: Wen meinen Sie mit alt und hochgestellt?

 

BF: Ich meine die älteren Leute, oder einen Chef.

 

BFV: Der BF hat auch einen Bezug auf S 281 dieses Buches zu sich gefunden.

 

BF: Auf dieser Seite wurden die Kommandanten namentlich angeführt und mein Name befindet sich nicht darunter.

 

R. Der Autor des Buches bestätigt, dass Sie agitatorische und organisatorische Arbeit geleistet hätten. Er schreibt aber über die Befehlshaber auch wörtlich: "Nachts erfüllten sie dann die anderen Aufgaben ". Welche "anderen Aufgaben" haben Sie des Nächtens erfüllt?

 

BF: Das habe ich bereits geschildert, das waren die Patrouillen, wegen der Diebe und Plünderer. Es sollten auch Betriebe geschützt werden, wie z.B. Elektrowerke, damit die Feinde diese Betriebe nicht sprengen. Wir mussten in der Nacht diese Betriebe schützen.

 

R: Sie haben in der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2015 auf den Vorhalt, dass die Tadschikische Volksfront 1992 ethnische Säuberungen gegen Garmis, Badachschanis und Araber aus Khation durchgeführt hat, denen sich die islamistische Islamic Renaissance Party wiedersetzte, keine Angaben machen wollen. Wollen Sie sich heute dazu äußern?

 

BF: Gegen die Araber in dem XXXX hat niemand etwas gemacht. Es gab keine Säuberungsaktion. Im Gegenteil, die Fundamentalisten haben die verschiedensten Volksgruppen umgebracht, die Usbeken, die Araber und russisch-sprechende Personen.

 

[ ]

 

BFV: Ich habe bei der Akteneinsicht eine Anfrage gesehen, betreffend die Vorwürfe der Volksfront im tadschikischen Bürgerkrieg. Die Antwort war, dass es zwar Anzeigen gab, aber keine Verurteilungen.

 

R: Das ist richtig und laut Außenministerium hatte dies politische Gründe.

 

[ ]

 

BF: Die Volksfront war in drei Teile geteilt, ich kann für die anderen nicht sprechen.

 

BFV: Durch das Auslieferungsverfahren ist die letzte Frage im Beschluss als rechtskräftig geklärt anzusehen. Es gab im strafrechtlichen Verfahren massive Tatsacheneinwände und konnten von den tadschikischen Behörden lediglich lückenhafte Beweismittel vorgelegt werden."

 

Am 01.06.2016 wurde die mündliche Verhandlung fortgesetzt. Das Bundesamt verzichtete mit Schreiben vom selben Tag auf die Teilnahme an der Verhandlung. Der Beschwerdeführer machte in der Verhandlung folgende Angaben:

 

"R: Haben Sie bei der letzten hg. mündlichen Verhandlung die Wahrheit gesagt oder möchten Sie etwas richtig stellen oder ergänzen?

 

BF: Nein, ich habe die Wahrheit gesagt.

 

R: Hat sich an den Gründen die Stellung des Antrages auf internationalen Schutz seit der letzten hg. mündlichen Verhandlung etwas geändert?

 

BF: Nein.

 

R: Halten Sie den Inhalt der Beschwerdeschrift und die dort gestellten Anträge aufrecht?

 

BFV: Ja.

 

R: Möchten Sie zum Bericht von Human Rights Watch, der ACCORD-Anfrage und dem Gutachten von Herrn Prof. XXXX , Angaben machen?

 

BFV: Über die Einschätzung der Volksfront und ihrer islamistischen Gegner gibt es unterschiedliche Auffassungen, so kann etwa die Bewegung der islamischen Wiedergeburt als radikal islamistischer Flügel bezeichnet werden. Auf der anderen Seite, der Volksfront, finden sich zahlreiche politische Verantwortungsträger der ehemaligen UDSSR (Parlamentssprecher, Justizbedienstete, usw.) die letztlich im Auftrag der damaligen Regierung handelten. Richtig ist wohl, dass es einen entsetzlichen Bürgerkrieg um die Macht nach dem Zerfall der UDSSR gab, der BF aber nicht an Kampfhandlungen sondern am Schutz ziviler Einrichtungen teilgenommen hat. Im Einklang mit dem Gutachten gibt es keine Anhaltspunkte, dass der BF ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben soll. Diese völkerrechtlichen Kategorien wurden im Übrigen auch von den zuständigen Organen des internationalen Rechts bis zum heutigen Zeitpunkt nicht festgestellt. Laut Gutachten gibt es keine offiziellen Zahlen zu den Opfern. Die vorgenommenen Schätzungen des Gutachtens differieren überdies stark mit den vorliegenden Auskünften von Human Rights Watch und Accord. Dass es zu grausamen Tötungen von beiden Seiten gekommen ist, wird nicht bestritten. Auffällig ist auch, dass das Gutachten außer Amnest[y] International auf keine internationalen Quellenangaben verweisen kann und der Gutachter zwar einen Forschungsschwerpunkt zum tadschikischen Bürgerkrieg angibt, andererseits aber keine Publikationen aufscheinen. Der Vorwurf der ethnischen Säuberungen bezieht sich örtlich hauptsächlich auf den Bezirk der XXXX . Der BF war dort für die Volksfront nicht tätig.

 

Die Länderberichte von Human Rights Watch und die ACCORD-Anfrage werden zur Kenntnis genommen.

 

R: Möchten Sie dazu was sagen?

 

BF: Nein.

 

R: Es trifft zu, dass Sie Mitglied der tadschikischen Volksfront 1992 bis 1997 waren?

 

BF: Ja.

 

R: Und des trifft zu, dass Sie Feldkommandant waren, dh. kein hochrangiger Kommandant, aber auch kein einfacher [Kombattant]?

 

BF: Ich war kein Kommandant.

 

R: In den Memo[iren] von XXXX werden Sie als Feldkommandant bzw. Befehlshaber angeführt.

 

BF: Ich war kein Kommandant, ich habe mich mit den Organisationen beschäftigt. Ich vermute, dass er mich aus Dankbarkeit als Feldkommandant bezeichnet hat.

 

R: Was ist mit all den anderen Personen die aufgezählt werden (Seite 270), wurden auch die alle nur ehrenhalber als Feldkommandant bezeichnet?

 

BF: Ich kenne nicht alle.

 

R: Warum sollte XXXX in seine Memo[iren] ungenaue Angaben machen? Es handelt sich um das Beweismittel, das Sie vorgelegt haben!

 

BF: Ich weiß es nicht.

 

BFV: Feldkommandant steht in dieser Übersetzung nicht. Auf Seite 281 heißt es "Befehlshaber der zentralen Stabsstelle".

 

R: Laut Gutachten auf der Seite 2/3 haben die Milizen der Volkfront in XXXX 1992 bis 1993 nicht nur in der Verteidigung der Nachbarschaftsquartiere sondern aktiv an Kampfhandlungen teilgenommen und dabei bestimmte Bevölkerungstruppen vertrieben bzw. getötet, insbesondere die sogenannten Gharmis. Was sagen Sie dazu?

 

BF: Die Miliz ist etwas anderes. Sie haben einen eigenen Anführer, auch das Ministerium hat einen eigenen Anführer, das ist ein anders Amt. Ich war nur für zivile Einrichtungen zuständig. Ich weiß nicht, was die anderen gemacht haben, weil wir nicht darüber berichtet wurde. In unserem Ray[o]n wurde niemand vertrieben.

 

R: Ihr Rayon war der XXXX . Ist das korrekt?

 

BF: Ja.

 

R: Mit Miliz bezeichnet das Gutachten die tadschikische Volksfront (Seite1).

 

BF: Die Miliz unterliegt dem Innenministerium das ist etwas anders. Sie hatten eigene Aufgaben.

 

R: Das Gutachten stellt fest, dass die Miliz, gemeint die tadschikische Volksfront, an der Vertreibung der Gharmis beteiligt war.

 

BF: Ich weiß nicht, was die Miliz gemacht hat, in unserem Rayon wurde niemand vertrieben. Alle haben weiterhin so gelebt wie früher.

 

R: Das Gutachten stellt fest, dass ca. 800.000 Menschen flüchteten und 60.000 bis 120.000 Tote zu beklagen [waren] (Seite 3 oben).

 

BF: Bezieht sich die Zahl 800.000 auf XXXX ?

 

R: Wussten Sie von der extremen Gewalt, die die [ ] Volksfront übte?

 

BF: Ich war nicht im Krieg, ich weiß es nicht.

 

R: Laut Gutachten kam es in der Rayon XXXX zu Übergriffen gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen, die weitreichende Zerstörung der Infrastruktur sowie ganzer Wohnviertel!

 

BF: Das ist nicht wahr. Ein ehemaliger Mitschüler, der mich gerettet hat, gehörte der Volksgruppe der Gharmis an, und sein Haus wurde nicht zerstört.

 

R: Abgesehen des Haus Ihres Freundes haben Sie von den Zerstörungen und Übergriffen keine Notiz genommen?

 

BF: Bei uns war das nicht der Fall, vielleicht hat die Polizei jemand einvernommen, aber ich hatte doch kein Recht mi[ch] zu erkundigen.

 

R: Das Gutachten führt aus, dass die Angehörigen der lokalen Miliz über die Art und Weise in Kenntnis waren.

 

BF: Ja, aber ich hatte ja mit der Miliz nichts zu tun. Die tadschikische Volksfront, wie der Name schon sagt, entsprang aus dem Volk.

 

R an BFV: Haben Sie noch Fragen für den Gutachter?

 

BFV: Welche Wohnviertel von XXXX sind zu welchen Zeiten zur Gänze zerstört worden und den Zeitpunkt. Welche Kampfhandlungen hat es zu welchen Zeitpunkten in XXXX mit welchen Folgen gegeben.

 

BFV an BF: Haben Sie eine Waffe getragen?

 

BF: Nein.

 

BFV: Waren Sie in irgendeiner Form uniformiert?

 

BF: Nein, ich war in zivil.

 

BFV: Wie haben Sie sich ausgewiesen in der Volksfront?

 

BF: Es gab einen Ausweis.

 

BFV: Sie sind von Beruf Techniker, wo haben Sie Ihre Ausbildung gemacht?

 

BF: Das ist ein Bautechnikum in XXXX (D: das entspricht einer HTL für Bauwesen).

 

BFV: Was das mit ein Grund warum Sie sich für den Zivilschutz in der Volksfront interessiert haben?

 

BF: Nicht nur das, sondern auch die Tatsache, dass ich in Afghanistan war und ich habe dort den Krieg gesehen, ich wollte das nicht mehr erleben.

 

[ ]

 

Telefonische ergänzende Befragung des nichtamtlichen

Sachverständigen:

 

R: Der Sachverständige wird auf die gerichtliche Strafbarkeit der Erstattung eines falschen Befundes oder falschen Gutachtens gemäß § 288 StGB sowie auf den Gebührenanspruch gem. GebAG hingewiesen.

 

R: Sie schreiben in den Gutachten von einer "Miliz", meinten Sie damit die Volksfront?

 

G: Ich meine damit irreguläre Krampfverbände, die sich teilweise auf staatliche Strukturen berufen haben, aber aufgrund des Zusammenbruchs als irregulär zu bewerten sind, nämlich des Zusammenbruchs der staatlichen Strukturen. Es handelt sich dabei um verschiedene Gruppierungen, die sich unter dem Mantelbegriff oder dem Schirm der Volksfront zusammengefunden haben. Wichtig ist allerdings anzumerken, dass sich diese Gruppen um charismatische Kommandeure gebildet haben (BFV: Feldkommandeure), die eine eigene Agenda, eigene Ziele verfolgt haben.

 

R: Handelt es sich bei der Volksfront und den Milizen um getrennte Organisationen?

 

G: Man darf sich die Volksfront als nicht als monolitischen Block vorstellen, es handelt sich um verschiedene, teilweise revalisierende Gruppen.

 

R: Was bedeutet der Begriff Befehlsführer oder Feldkommandant?

 

G: Im tadschikischen wird der Begriff "comnandir" verwendet, der aus dem russischen entlehnt wurde und mit Kommandant oder Kommandeur übersetzt wird.

 

R: Auf Seite 281 kommen die Kommandanten der zentralen Stabsstellen vor, ist dies ein anderer Begriff?

 

G: Bei XXXX muss man vorsichtig sein, da die Strukturen und Befehlshirachien der so genannten Volksfront in dieser Form nicht der Realität entsprach sondern von XXXX weitgehend erfunden wurden, um den Eindruck zu erzeugen, es handle sich bei den Volksfrontmilizen um reguläre staatliche Militäreinheiten.

 

R: Der Begriff politischer Akteur und Befehlshaber sind unterschiedlich, ist das korrekt?

 

G: Das ist korrekt, aber es gab auch politische Akteure als Feldkommandeure, z.B. XXXX selbst.

 

R: Taugt daher das Buch von XXXX als Beweis dafür, dass der BF Feldkommandant war?

 

G: Nur bedingt, weil sich Personenangaben bei XXXX teilweise in komplimentären Quellen belegen lassen, dies ist aber beim BF nicht der Fall.

 

R: Was bedeutet das?

 

G: Das bedeutet zunächst einmal, dass der BF anderen Akteuren persönlich nicht bekannt war, allerdings gilt hier einzuschränken, dass dies nur für Quellen gilt, die hier in Europa einsehbar sind.

 

R: Der BF bringt heute vor, das XXXX ihn nur ehrenhalber als Feldkommandeur bezeichnet, lassen sich weitere solche Fälle belegen?

 

G: In dieser Form nicht, mir sind keine ähnlichen Fälle bekannt.

 

R: Verstehe ich Ihr Gutachten auf Seite 2/3 richtig, dass in der Region XXXX Opfer von Vertreibung und Gewalt wurden.

 

G: Es gab eine Gharmi-Minderheit in dieser Region, die durch die Kampfhandlungen gezielt vertrieben und teilweise getötet wurde.

 

R: Musste ein Mitglied der Volksfront von diesen Vorgängen Kenntnis erlangen?

 

G: Ich gehe davon aus.

 

R: Der BF gibt an, dass das Haus eines Freundes von ihm, der dieser Minderheit angehört hat, stehen geblieben ist, spricht das gegen Ihre Annahme?

 

G: Nein, grundsätzlich nicht, es ist den Quellen überliefert, dass persönliche Beziehungen bzw. nachbarschaftliche Beziehung vor Verfolgung und Vertreibung schützten.

 

R: Welche Wohnviertel von SAHRINAV sind zu welchen Zeit[punkt]en zur Gänze zerstört worden und zu welchem Zeitpunkt?

 

G: Das lässt sich im Nachhinein im Einzelnen nicht mehr rekonstruieren bzw. man müsste mit der Bevölkerung vor Ort in einer Rekonstruktion befragen.

 

BFV: Welche Kampfhandlungen hat es zu welchen Zeitpunkten in SAHRINAV mit welchen Folgen gegeben?

 

G: Das lässt sich nicht mehr rekonstruieren.

 

BFV: Gab es im Bereich der Volksfront auch politische Akteure, die nicht bewaffnet waren?

 

G: Grundsätzlich ist das nicht auszuschließen, aber mir sind diese individuellen Fälle nicht bekannt.

 

R: Musste auch ein einfaches Mitglied von dieser Volksfront Kenntnis haben?

 

G: Ich gehe davon aus.

 

BFV: Warum gehen Sie davon aus?

 

G: Weil es sehr kleine Gruppen waren, die in Befragungen danach die gleichen Narrative verwendeten und die gleichen Aussagen machten.

 

BFV: Beziehen sich die Opferzahlen bzw. die Vertreibungszahlen nur auf die Gharmis oder auf alle Konfliktparteien?

 

G: Diese bezieht sich auf alle Gruppen, die im Bürgerkrieg involviert waren, sowohl auf Gharmis, Pamiris, Usbeken und Kulob.

 

BFV: Was ist der Unterschied zwischen Feldkommandant und Kommandant?

 

G: Das hängt von den akademischen Konvention ab, man spricht in der Regel von Feldkommandeuren, die an Kampfhandlungen beteiligt waren, und Kommandeuren, die in der Regel untergeordnet waren. In der Literatur wird der Begriff Kommandeur häufig verwendet, um von politischen Kommandeuren auszugrenzen.

 

BFV: Können Sie ausschließen, dass es Mitglieder der Volksfront gab, die nicht bewaffnet waren?

 

G: Nein, das kann ich nicht ausschließen.

 

R: Woraus gründen sich die Zahlen in Ihrem Gutachten?

 

G: Die Zahlen werden von UNHCR belegt.

 

R: Bezieht sich die Zahl der Geflüchteten auf Seite 3 nur auf die Region XXXX ?

 

G: Sie bezieht sich auf Süd-Tadschikistan insbesondere " XXXX ", " XXXX " sowie " XXXX ".

 

[ ]

 

BFV: Ich beantrage folgende Ergänzung des Gutachtens: Es wird beantragt eine genaue Quellenangabe betreffend die Anzahl der Vertriebenen vorzulegen, ebenso betreffend die Opferzahlen. Dies betrifft beider Seiten der Kontrahenten sowie die Belege für die Zerstörung ganzer Wohnviertel in Sahrinav, wie bereits mündlich gefragt, beantragt.

 

BF: Auch in der Volksfront gab es verschiedene Personen. Die Zahl 800.000 bezieht sich auf [g]anz Tadschikistan.

 

R: Beantragen Sie die Fortsetzung der mündlichen Verhandlung zur Erörterung der Gutachtensergänzung?

 

BFV: Das ist nicht absehbar."

 

10. Am 06.06.2016 langte das Ergänzungsgutachten des länderkundigen

Sachverständigen ein. Dieses lautet wie folgt:

 

"1) Quellenangaben zu Vertriebenen und Kampfhandlungen:

 

Im Rahmen von Kampfhandlungen kam es ab Mai 1992 zu Vertreibungen und Zerstörungen in den Regionen QURGON-TEPPA (QURGHONTEPPA, russ: KURGAN-TYUBE), KULOB (russ: KULYAB), REGAR/SAHRINAV und (später) SAHRITUZ, DUSCHANBE sowie dem QAROTEGINTAL. Eine zuverlassige Rekonstruktion des Verlaufes der Kampfhandlungen, der Vertreibungen auf lokaler Ebene sowie der Opferzahlen ist – wie häufig in Bürgerkriegen – auf Basis der vorhandenen Quellen nicht möglich.

 

Erschwerend kommt hinzu, dass in Tadschikistan bis 1994 keine internationalen Beobachter disloziert waren. Die UN Mission UNTOP (United Nations Mission of Observers in Tajikistan) nahm ihre Tätigkeit erst im Dezember 1994 auf und stellte in ihren Berichten fest, dass zu Vertreibungen und Opferzahlen keine zuverlässigen Angaben vorliegen.

 

Die tadschikische Regierung unter Präsident RAHMONOV verzichtete nach 1997 auf eine juristische bzw. historische Aufarbeitung der Ereignisse.

 

Zu Vertreibungen ist es in allen Kampfgebieten im südlichen Tadschikistan gekommen, grundsätzlich wird in den verfügbaren Quellen zwischen Flüchtlingen, die in das benachbarte Ausland (vor allem Afghanistan, Iran, Kasachstan, Kirgisien, Russland und Usbekistan) geflohen sind, und Internally Displaced Persons (IDPs/"inteme Vertreibung") unterschieden. Folgende Angaben liegen unter anderem vor:

 

• Am 22. Juli 1992 meldete ITAR-TASS ca. 150,000 Flüchtlinge im Raum QURGON TEPPA (FBIS-SOV-82-141, 22 July 1992, 72).

 

• Am 19. Oktober 1992 berichtete der Stellv. tadsch. Premierminister ABDULLOJONOV in einer Pressekonferenz, dass ca. 90,000 Einwohner aus QURGON TEPPA vertrieben wurden (ITAR TASS).

 

• Am 9. November 1992 gab Asliddin SOHIBNAZAR (Mitglied des Präsidiums des Obersten Sowjets und der Interimsregierung) bekannt, dass nur im Raum DUSCHANBE 430,000 IDPs aufhalten (ITAR-TASS, 9. November 1992/FBIS-SOV-92- 217, 9 November 1992, 46).

 

• Human Rights Watch (May 1996 Vol. 8, No. 6 (D) https://www.hrw.org/reports/1996/Tajik.htm ) berichtet für den Zeitraum 800,000 IDPs.

 

• UNHCR erfasste erst ab 1993 Zahlen zu IDPs und berichtet für 1993 520,000 IDPs in der Republik Tadschikistan, 70,000 tad. Flüchtlingen im GUS Raum, sowie 62,000 Flüchtlinge in Nordafghanistan (http://www.unhcr.org/414ad5ae7.html ; ITAR-TASS vom 8. Dezember 1993).

 

Aufgrund der Datenlage können keine Aussagen über die ethnische bzw. regionale Zusammensetzung der IDPs/Flüchtlinge gemacht werden.

 

Opferzahlen:

 

Angaben zu den Opferzahlen des tadschikischen Bürgerkrieges liegen nicht vor. Die einschlägige Forschung geht von ca. 41,300 bis 120,000 Toten aus, siehe hier zuletzt Jesse DRISCOLLS Diskussion in Warlords and Coalition Politics in Post-Soviet States (Cambridge: Cambridge University Press, 2015, S. 70).

 

Aufgrund der Datenlage ist eine Zuschreibung der Opferzahlen auf bestimmte ethnische oder regionale Gruppen nicht möglich.

 

In den Quellen finden sich einzelne Verweise, die allerdings nicht überprüft werden können:

 

BURI KARIM (ehemaliger Minister und Vorsitzender der staatlichen Planungsbehörde) berichtet in seinen tagebuchartigen Aufzeichnungen (die als zuverlässig eingeschätzt werden) von 267 Angehörigen der Pamiri Bevölkerung, die im Dezember 1992 in DUSCHANBE ermordet wurden. Auch berichtet BURI von weitreichenden Zerstörungen im Raum TURSUNZODA/REGAR und SAHRINAV (KARIM, BURI: Faryodi solho. Huggat, dalel, tabsira, xulosa. Moskva: Transdornauka, 1997, S. 565- 567).

 

Sodmon YUSUF (in: Tagikestan. Baha-ye azadi. Tehran: Daftar-e nasr-e farhang-e Eslaml, 1373hs = 1994/1995, S. 316) berichtet über mehr als 1,000 Opfer unter der Pamiri Bevölkerung im Dezember 1992, allerdings werden seine Angaben als unzuverlässig eingeschätzt. YUSUF berichtet ferner, dass der Bürgerkrieg bis Ende 1992 300,000 Opfer gefordert habe, diese Angaben werden als unrealistisch eingeschätzt.

 

Safarali KENGAEV berichtet im Anhang zum 2. Band seiner Aufzeichnungen über die Verluste der Nationalen Front bis Dezember 1992 (d.h. nach der Einnahme DUSCHANBES). Er führt 530 gefallene Kombattanten mit Namen und Alter auf, von denen 65 aus dem Raum SCHAHRINAV stammten (KENGAEV, Tabadduloti Togikiston, Bd. 2, S. 341-363).

 

2) Kampfhandlungen und Zerstörungen in SAHRINAV

 

Eine detaillierte Rekonstruktion der Kampfhandlungen und Zerstörungen in bestimmten Wohngebieten der Stadt und des Distriktes SAHRINAV ist auf Basis des vorliegenden Quellenmaterials nicht möglich."

 

Das Bundesverwaltungsgericht räumte hiezu Parteiengehör ein. Der Beschwerdeführer verzichtete mit Schreiben vom 23.06.2016 auf die Erstattung einer Stellungnahme. Auch das Bundesamt gab keine Stellungnahme ab.

 

11. Mit Eingabe vom 20.07.2017 ersuchte der Beschwerdeführer um eine rasche Entscheidung und teilte mit, dass er seit sieben Jahren durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sei und sich sehr um seine Integration bemühe. Er besuche zahlreiche Deutschkurse, um seine Sprachkenntnisse zu verbessern.

 

Unter einem legte der Beschwerdeführer eine Teilnahmebestätigung des Wr. Hilfswerks vor, wonach sich der Beschwerdeführer sehr gut in das Nachbarschaftszentrum integriert habe und eine Bestätigung über die Teilnahme an einem Deutschkurs seit April 2017.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Anmerkung: Die im Folgenden angeführten unterschiedlichen Schreibweisen von Eigennamen resultierten aus der Beiziehung verschiedener Dolmetscher und der Transkription aus dem Russischen bzw. Tadschikischen.

 

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch genannten Namen und ist am XXXX geboren. Er war Staatsangehöriger der UdSSR und verfügte von 24.02.1983 bis 20.11.1997 an der Adresse ul. XXXX , XXXX , Tadschikische Sowjetische Sozialistische Republik, über einen behördlich registrierten Wohnsitz. Er ist seit 06.11.1994 tadschikischer Staatsangehöriger; er ist nicht österreichischer Staatsbürger. Der Beschwerdeführer ist in Österreich unbescholten.

 

Er ist Angehöriger der usbekischen Volksgruppe und muslimischen Glaubens.

 

Der Beschwerdeführer ist gleichzeitig sowohl in Tadschikistan als auch in Österreich nach muslimischem Ritus verheiratet, wobei seine beiden Gattinnen nach muslimischem Ritus nichts von der Existenz der jeweils anderen wissen. Standesamtlich ist er mit keiner von beiden verheiratet. Mit seiner in Tadschikistan lebenden Gattin nach muslimischem Ritus hat der Beschwerdeführer eine Tochter, geb. 1994, und einen Sohn, geb. 1997, mit seiner in Österreich lebenden Gattin nach muslimischen Ritus hat er keine Kinder; diese ist russische Staatsangehörige und seit 14.11.2014 in Österreich asylberechtigt. Es bestand kein gemeinsamer Wohnsitz des Beschwerdeführers mit seiner in Österreich lebenden Gattin nach muslimischem Ritus von Oktober 2012 (dem Zeitpunkt der Eheschließung) bis August 2013, da der Beschwerdeführer in der STEIERMARK lebte, seine Gattin aber in WIEN. Von August 2013 bis März 2015 bestand eine gemeinsame Meldeadresse in der STEIERMARK, dann zog die Gattin des Beschwerdeführers wieder nach WIEN. Der Beschwerdeführer ist seit März 2017 nunmehr bei seiner Gattin nach muslimischem Ritus in WIEN wohnhaft.

 

Der Beschwerdeführer spricht Deutsch, darüber hinaus hat er keine Bildungsmaßnahmen ergriffen. Er war in Österreich noch nie legal erwerbstätig und bestreitet seinen Lebensunterhalt durch Grundversorgung.

 

Mit seiner in Tadschikistan lebenden Gattin nach muslimischem Ritus hat der Beschwerdeführer regelmäßigen telefonischen Kontakt. Sie arbeitet als Lehrerin in einer staatlichen Mittelschule und wohnt weiterhin an der ehemals gemeinsamen Adresse. Es kann nicht festgestellt werden, dass sie wegen des Beschwerdeführers Verfolgung ausgesetzt ist; gleiches gilt für die Kinder und den Bruder des Beschwerdeführers, die ebenfalls in Tadschikistan leben; seine Eltern sind 1994 bzw. 2004 verstorben.

 

Der Beschwerdeführer spricht russisch, tadschikisch und usbekisch. Er besuchte in Tadschikistan die Grund- und Berufsschule bis 1983. Von 1983 bis 1986 leistete der Beschwerdeführer seinen Militärdienst ab und kämpfte als Angehöriger der Streitkräfte der UdSSR in Afghanistan. Von 1986 bis 1988 und von 1993 bis 1997 arbeitete der Beschwerdeführer als Maschinenschlosser in der staatlichen Geflügelfarm in XXXX . Von 1988 bis 1991 absolvierte der Beschwerdeführer die berufsbildende höhere Schule in DUSCHANBE.

 

Der Beschwerdeführer kämpfte von 1991 bis 1993 für die tadschikische Volksfront des XXXX auch XXXX auch XXXX (im Folgenden: XXXX auch XXXX auch XXXX auch XXXX auch XXXX (im Folgenden: XXXX ). Der Beschwerdeführer war kein hochrangiger Kommandant einer eigenen Miliz. Er empfing seine Befehle direkt vom Rayonskommandanten XXXX auch XXXX auch XXXX auch XXXX (im Folgenden: XXXX ), der eine von XXXX auch XXXX auch XXXX auch XXXX auch XXXX auch XXXX (im Folgenden: XXXX ) koordinierte Miliz anführte. Der Beschwerdeführer war als Befehlshaber selbst in einer Position, Befehle an andere Volksfrontangehörige zu erteilen und war XXXX direkt verantwortlich. Der Beschwerdeführer übte in der Zeit auch organisatorische und agitatorische Tätigkeiten aus. Dass der Beschwerdeführer die tadschikische Volksfront mitgegründet hat, kann nicht festgestellt werden.

 

Die Milizen der Volksfront aus XXXX waren nicht nur in der Verteidigung der Nachbarschaftsquartiere beteiligt, sondern nahmen von August 1992 bis März 1993 aktiv an offensiven Kampfhandlungen teil, bei denen Angehörige bestimmter Bevölkerungsgruppen vertrieben bzw. getötet wurden. Bei den Opfern von Vertreibung und Gewalt handelte es sich überwiegend um sog. XXXX , i.e. ethnische TADSCHIKEN des XXXX , die bei Ausbruch des Bürgerkrieges eine Gruppe mit eigener regionaler Identität formten. Die Übergriffe auf bestimmte Bevölkerungsgruppen und die weitreichende Zerstörung der Infrastruktur sowie ganzer Wohnviertel ereignete sich auch in der Region XXXX . Die Milizen der Volksfront aus XXXX nahmen am Angriff auf XXXX im Oktober 1992 teil, bei dem zahlreiche Zivilisten getötet und verletzt wurden. Weiters blockierten sie die Hauptverkehrsstraße M41 sowie die wichtige Schienenverbindung nach USBEKISTAN, die durch die Ortschaft SAHRINAV bzw. 5 km an der Ortschaft XXXX vorbei führen, von Oktober bis Dezember 1992, was vor allem die Zivilbevölkerung in XXXX , darunter ca. 250.000 Binnenvertriebene, betraf. Die Milizen der Volksfront von XXXX waren an den ethnischen Säuberungen in XXXX nach der Einnahme der Stadt im Dezember 1992 an der Minderheit der XXXX , bei denen ca. 600 Personen exekutiert wurden, beteiligt.

 

Die Kombattanten der Volksfront wussten über die extreme Gewalt vor allem in der verfahrensgegenständlichen Phase des Bürgerkrieges Bescheid, insbesondere wussten die Angehörigen einer lokalen Miliz über die Art und Weise der Kampfhandlungen in ihrer Region Bescheid.

 

Die im Verfahrensgang wiedergegebenen Berichte zu den Kriegsverbrechen der Tadschikischen Volksfront (8.2., 8.5.), zur Lage der Mitglieder der tadschikischen Volksfront nach der Amnestie 1997 (8.3.), zur Lage in den Haftanstalten sowie zur Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe und fairen Verfahren (8.3.) sowie das Gutachten des länderkundigen Sachverständigen (8.7., 10.) werden als Feststellungen dem hg. Erkenntnis zugrunde gelegt.

 

Das Fluchtvorbringen betreffend die Demonstrationsteilnahme 1997 und die Verfolgung 1998 ist unglaubwürdig.

 

Dass der Beschwerdeführer an den militärischen Insurrektionen im Oktober 1997 unter XXXX auch XXXX auch XXXX (im Folgenden: XXXX ) und XXXX auch XXXX auch XXXX auch XXXX (im Folgenden: XXXX ), bei denen XXXX getötet wurde, bzw. 1998 unter XXXX beteiligt war, kann nicht festgestellt werden.

 

Der Beschwerdeführer wurde am 19.06.2012 durch INTERPOL XXXX in dem seit 07.05.2003 anhängigen Strafverfahrens wegen des Verdachts des Mordes bzw. Todschlags oder Körperverletzung mit Todesfolge am 07.11.1993 zur Fahndung ausgeschrieben. Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 22.04.2014 wurde die Auslieferung des Beschwerdeführers für unzulässig erklärt, da trotz der Aussetzung der Todesstrafe nicht in ausreichendem Maß gewährleistet werden könne, dass die Todesstrafe in Tadschikistan tatsächlich nicht verhängt würde, da die Aussetzung lediglich eine vorläufige sei.

 

Der Aufenthaltsort des Beschwerdeführers ab November 1997 sowie die Gründe für seine Ausreise können nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

 

Im Übrigen stellt sich die Lage in Tadschikistan wie folgt dar:

 

Politische Lage

 

Nach der Unabhängigkeit Tadschikistans am 9. September 1991 kam es zu Spannungen zwischen der kommunistischen Regierung unter Präsident Nabijew und einer starken nationaldemokratisch-religiösen Opposition, die sich zur Vereinigten Tadschikischen Opposition (UTO) zusammenschloss (Demokratische Partei Tadschikistans, Partei der Islamischen Wiedergeburt und Lali Badachschon). Trotz Machtbeteiligung der Opposition brach im Mai 1992 der Bürgerkrieg aus, der bis zu 100.000 Opfer gefordert haben soll. Innertadschikische Gespräche unter russischer und iranischer Vermittlung führten am 17.09.1994 zu einem Waffenstillstand (Dokument von Teheran). Der Bürgerkrieg wurde mit Unterzeichnung des "Allgemeinen Abkommens über Frieden und Nationale Versöhnung in Tadschikistan" durch Präsident Rahmon und Oppositionsführer Nuri am 27.06.1997 in Moskau beendet. Zum Vorsitzenden der mit der Umsetzung der Friedensvereinbarungen beauftragten Nationalen Versöhnungskommission (NVK) wurde der 2006 verstorbene UTO-Chef Nuri gewählt. Zu den wichtigsten Ergebnissen der NVK-Tätigkeit zählen die Rückführung aller Flüchtlinge aus Afghanistan, der Austausch der Kriegsgefangenen und eine Amnestie für bürgerkriegsbedingte Straftaten. Der Opposition wurde eine 30-Prozent-Quote an hohen Regierungsämtern eingeräumt, die jedoch nie erfüllt wurde. Nach Aufhebung des Verbots der Parteien und politischen Gruppierungen der UTO am 12.08.1999 konnten sich diese und andere Parteien registrieren lassen und am politischen Leben teilnehmen (AA 12 .2013a).

 

Tadschikistan hat ein Zweikammer-Parlament mit einer Legislaturperiode von fünf Jahren. Die Abgeordneten des Unterhauses werden laut Verfassung in gleicher, freier, direkter und geheimer Wahl gewählt. Es gilt ein gemischtes Mehrheits- und Verhältniswahlrecht sowie eine Fünfprozent-Klausel. Die Abgeordneten des Oberhauses werden zum Teil von den Regionen entsandt, zum Teil vom Staatspräsidenten ernannt. Die ersten Wahlen zum Unterhaus fanden am 27.02.2000 statt. Sie wurden von den Vereinten Nationen und der OSZE beobachtet und trugen zu einer ersten Konsolidierung der lange durch Misstrauen bestimmten Beziehungen zwischen Regierung und Opposition bei (AA 12 .2013a). Die Republik Tadschikistan ist von ihrer 1994 angenommenen Verfassung her gesehen ein eng an westlichen Vorbildern und Werten orientiertes Staatswesen - mit Gewaltenteilung, Parlament, Mehrparteiensystem und freien Wahlen, mit Presse-, Meinungs-, und Versammlungsfreiheit. Lediglich die starke, überwiegend in den Händen des Präsidenten konzentrierte Exekutive sticht bei den Regelungen der Verfassung ins Auge (GIZ 3.2014a). Der Präsident ist laut Verfassung Staats- und Regierungsoberhaupt. Er kontrolliert die Exekutive, Legislative und Judikative, ernennt und entlässt die Provinzgouverneure und ist oberster Armeechef. Im Parlament hält seine Partei (Volksdemokratische Partei Tadschikistans) die für Verfassungsänderungen notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit. Alle wesentlichen Entscheidungen werden von dem parallel zu den staatlichen Strukturen agierenden Präsidialapparat getroffen. Alle Schlüsselpositionen in Politik, Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Bereichen sind mit Vertrauten des Präsidenten besetzt. Diese stammen, wie der Präsident selbst, aus der Region Danghara/Kulob. Durch Ämtervergabe an Angehörige der eigenen Loyalitätsgruppe hat Rahmon seine Herrschaft bis hinunter auf die lokale Ebene gefestigt und präsentiert sich als alleiniger Stabilitätsgarant und Friedensstifter (Bpb 6.1.2014). 1994 wurde Emomali Rahmon erstmals zum Präsidenten Tadschikistans gewählt (AA 12 .2013a). Auch wenn sich für das letzte Jahrzehnt eine gewisse Konsolidierung bemerken lässt – Fälle offener, politisch motivierter Gewalt haben seit 2002 erheblich nachgelassen –, so scheint dieser Prozess doch eher einseitig zugunsten eines weiteren Ausbaus präsidialer Macht zu verlaufen. Im Juni 2003 erfolgte ein Verfassungsreferendum, dessen Ausgang zwei weitere Amtsperioden des Präsidenten bis ins Jahr 2020 ermöglicht (GIZ 3.2014a). Bei den Präsidentschaftswahlen am 06.11.13 gewann der Amtsinhaber, Emomali Rahmon, mit 84 % der Stimmen. Die OSZE beschrieb den Wahlverlauf als undemokratisch. Wirkliche Gegenkandidaten gab es nicht, da die fünf zugelassenen Kandidaten als dem Präsidenten gegenüber loyal gelten (BAMF 11.11.2013). Zur allgemeinen Überraschung konnten sich just zum 9. September, dem Tag der Unabhängigkeit Tadschikistans, die wesentlichen Oppositionsparteien auf eine gemeinsame Gegenkandidatin für die anstehenden Präsidentschaftswahlen einigen – die schon seit Jahrzehnten aktive Bürgerrechtlerin Oynihol Bobonazarova. Jedoch sollte es ihr nicht gelingen, die für eine Kandidatur nötigen 210.000 Unterschriften zu sammeln (GIZ 3.2014a). Die Parlamentswahlen vom 28.02.2010, die laut Urteil der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) trotz kleinerer Verbesserungen nach wie vor nicht dem OSZE-Standard entsprachen, erbrachten keine wesentlichen Veränderung in der Zusammensetzung des von der Regierungspartei dominierten Unterhauses. Von den 63 Sitzen werden 55 von der Regierungspartei gehalten (AA 12 .2013a).

 

Quellen:

 

 

 

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 6 von 23

 

 

gration_und_Fl%C3%BCchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_11.11.2013_%28deutsch%29.pdf?nodeid=16931349&vernum=-2, Zugriff 10.4.2014

 

 

 

Sicherheitslage

 

Die nicht zu übersehende Heterogenität Tadschikistans und seiner Gesellschaft erwies sich 1992 als ein Faktor von gravierender Bedeutung. Kaum dass das Land seine international anerkannte staatliche Souveränität erlangt hatte, stürzte es unversehens in einen verheerenden Bürgerkrieg ab (GIZ 3.2014a). Als mit dem Zerfall der Sowjetunion Subventionen aus Moskau ausblieben und Tadschikistan ohne eigenes Zutun die Unabhängigkeit erhielt, entwickelte sich rasch ein Konflikt um die politische und wirtschaftliche Macht entlang regionaler und ideologischer Linien. Die trennenden Gruppenloyalitäten und Solidaritäten haben durch den Bürgerkrieg zusätzlich Auftrieb erhalten und sich weiter verfestigt. Als Sieger aus diesen Machtkämpfen ging die Kulober Fraktion hervor. Im September 1992 wurde die alte kommunistische Führung durch eine Koalition der sog. Vereinigten Tadschikischen Opposition (VTO), bestehend aus "Gharmis", "Pamiris" und "Demokraten", entmachtet. Nur drei Monate später konnte die Fraktion der Kulober und Hisorer Milizen mit Unterstützung Russlands und Usbekistans in Duschanbe die Macht an sich reißen. In der Folge flohen bis zu 60.000 Menschen, die aufgrund ihrer regionalen Herkunft der Opposition zugerechnet wurden, aus den Hauptkampfgebieten in Südtadschikistan nach Nordafghanistan. Die Rückführung dieser Flüchtlinge erfolgte 1997, nach dem Friedensschluss zwischen den Kulober und den Gharmer Eliten, die den Widerstand nach ihrer Entmachtung ebenfalls von Afghanistan aus koordiniert hatten. 1994 wurde Emomali Rahmon, als Repräsentant der Kulober Fraktion, erstmals zum Präsidenten gewählt. Im Friedensabkommen 1997 wurden ein Drittel der Regierungsposten auf nationaler und lokaler Ebene Vertretern der VTO zugestanden. Usbeken und die alten sowjetischen Eliten aus Chudschand sowie einige Angehörige der Opposition blieben außen vor. Seither hat es Rahmon verstanden, alle politische Kontrahenten (Oppositionelle und ehemals enge Verbündete) auszuschalten, und so seine Macht im Land Schritt für Schritt ausgebaut. Die autoritäre und klientelistische Politik von Präsident Emomali Rahmon ist die wesentliche Ursache für die Machtrivalitäten zwischen verschiedenen, regional verankerten Eliten und Bevölkerungsgruppen. Seit 2007 belegten mehrere Wirtschaftsskandale die systematische Selbstbereicherung der herrschenden Eliten und deren Unfähigkeit und Unwillen, das politische und ökonomische System des Landes zu reformieren. Der harte Winter 2007/08 brachte die Bevölkerung an den Rand einer humanitären Katastrophe und führte erstmals seit dem Ende des Bürgerkriegs zu zaghaften öffentlichen Protesten. Diese wurden bereits im Keim erstickt. Gerüchte über aufbrechende Konflikte im inneren Macht- und Familienkreis des Präsidenten sowie über die Rückkehr einiger am tadschikischen Bürgerkrieg, aber nicht am Friedensprozess beteiligter Kommandeure und Kämpfer aus Afghanistan heizten die angespannte Lage weiter an. Im Sommer 2009 demonstrierte die Zentralregierung mit einer groß angelegten Operation der Sicherheitskräfte in der zentralen und östlichen Gebirgsregion, der Hochburg der Opposition, militärische Stärke. Im darauf folgenden Herbst wurde nach einem Angriff auf einen Armeekonvoi die gesamte zentrale Gebirgsregion abgeriegelt und die angeblichen "Drahtzieher der Tat" gejagt (Bpb 6.1.2014).

 

Im Sommer 2012 erfolgte ein militärischer Angriff auf Chorog, das Verwaltungszentrum der Autonomen Region Berg-Badachschan (GBAO). Drei Tage nach der Ermordung eines Geheimdienstgenerals, der angeblich das lukrative grenzüberschreitende Schmuggelgeschäft im tadschikischen Pamir an der afghanischen-tadschikischen Grenze organisierte, versuchten Spezialtruppen des Innenministeriums und Armeeeinheiten, die Stadt einzunehmen. So sollten die lokalen Autoritäten zur Rechenschaft gezogen und die Kontrolle der Region wieder in Regierungshände gebracht werden. Wie schon bei der Militäraktion im Jahr zuvor stellte die Regierung diesen Konflikt als von ausländischen Kräften unterstützten Umsturzversuch von radikalen Islamisten, Terroristen und Kriminellen dar. Die vier Hauptbeschuldigten, unter anderem der Leiter einer Einheit der tadschikischen Grenztruppen, versuchten, die offizielle Darstellung der Ereignisse zu widerlegen. Im Verlauf der mehrtägigen Auseinandersetzungen, bei denen sich die Bevölkerung Chorogs auf die Seite der Beschuldigten stellte und den Abbruch der Militäraktion forderte, wurden die gesuchten Personen und ihre Unterstützer entweder getötet oder ergaben sich den Behörden, um weiteres Blutvergießen zu verhindern (Bpb 6.1.2014). Dieser Konflikt war -seit der militärischen Operation gegen die Rebellen im Rascht Tal im Herbst 2010- der schwerwiegendste Ausbruch von Gewalt im Land, mit den heftigsten Kämpfen seit dem Ende des Bürgerkriegs (1992-97) (AI 23.5.2013 / BTI 2014). Bei der Militäroperation der Regierung gegen Verbände, die loyal zu Tolib Ayombekov standen, dem stellvertretenden Kommandeur der Grenztruppen von Ishkashim und früheren Oppositionsführer im Bürgerkrieg, kamen inoffiziellen Berichten zufolge etwa 150 Personen ums Leben, darunter Soldaten und Zivilpersonen (AI 23.5.2013).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Sicherheitsbehörden

 

Das Innenministerium, das Verteidigungsministerium, das Komitee der Regierung für Notfallsituationen und zivile Verteidigung, die Nationalgarde und das Staatskomitee für Nationale Sicherheit sind für die innere Sicherheit des Landes zuständig. Das Innenministerium ist für die öffentliche Sicherheit verantwortlich und kontrolliert die Polizei. Das Staatskomitee für Nationale Sicherheit ist für den Geheimdienst verantwortlich. Das Verteidigungsministerium ist in erster Linie für die externe Sicherheit zuständig, kann jedoch auch bei ernsthaften inneren Konflikten eingesetzt werden. Das Komitee der Regierung für Notfallsituationen und zivile Verteidigung ist für innere Probleme zuständig, einschließlich der Naturkatastrophen. Die Nationalgarde, die direkt dem Staatsoberhaupt unterstellt ist, kann auch im Bereich der inneren Sicherheit tätig werden, ist aber primär für den Schutz der Gebäude des Staatsoberhauptes und für interne Bedrohungen verantwortlich. Es wird von Korruption unter Angehörigen der Polizei, des Militärs oder der Sicherheitskräfte berichtet, auch Straflosigkeit stellt ein Problem dar (BAMF 11.2009 / USDOS 27.2.2014).

 

Quellen:

 

 

 

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit / Opposition

 

Das von der Verfassung vorgesehene Recht auf Versammlungsfreiheit wird in der Praxis von der Regierung eingeschränkt. Einzelpersonen müssen mit Repressalien rechnen, wenn sie keine Erlaubnis für öffentliche Demonstrationen einholen (USDOS 27.2.2014).

 

Die Regierung in Duschanbe ist stets darauf bedacht, nicht den geringsten Zweifel an ihrer Machtposition aufkommen zu lassen. Potenzielle Konkurrenten wurden seit dem Ende des Bürgerkriegs (1997) Schritt für Schritt entmachtet, kriminalisiert oder militärisch außer Gefecht gesetzt. Die beiden letzten Oppositionsparteien – die Partei der Islamischen Wiedergeburt und die Sozialdemokratische Partei – werden nur als demokratisches Feigenblatt geduldet. Reale Macht haben sie längst nicht mehr (Bpb 6.1.2014). Der Druck auf Vertreter der Opposition und unabhängige Medien erhielt im Vorfeld der Parlamentswahlen von 2010 wieder schärfere Konturen. So hatte bei den kleinen Oppositionsparteien die angekündigte Einführung von Gebühren (pro aufgestellter Kandidat 1700.- US$) Proteste ausgelöst und ein paar Zeitungen sahen sich für kritische Artikel über Korruption in Justiz und Verwaltung mit Schadensersatzklagen in Millionenhöhe konfrontiert. Ausgehend vom Wahlergebnis hat sich dann an den Verhältnissen kaum etwas geändert:

Volksdemokratische Partei 70,6%, Partei der Islamischen Wiedergeburt 8,2%, Kommunistische Partei 7,0%; knapp die 5%-Hürde überwanden die Agrarpartei und die Partei für Wirtschaftsentwicklung. Die beiden letzteren, 2006 gegründeten Parteien, gelten als Ableger der regierenden Volksdemokratischen Partei. Seitens der "genuinen" Oppositionsparteien gab es Kritik am Wahlverlauf. Vertreter der Partei der Islamischen Wiedergeburt meinten, in Wirklichkeit um die 30% der Stimmen erhalten zu haben. Eine Klage von ihnen gegen den Wahlverlauf wurde vor Gericht abgewiesen. Die OSZE-Wahlbeobachter gelangten in ihrem Bericht zu dem Schluss, dass die Parlamentswahlen vom Februar 2010 "viele Kernverpflichtungen der OSZE verfehlt haben" (GIZ 3.2014a).

 

Bei den Präsidentschaftswahlen 2013 wurde die Kandidatin der Oppositionsparteien bereits im Vorfeld von der Wahl ausgeschlossen, da sie die zur Registrierung nötige Zahl an Unterschriften knapp verfehlte. Die Opposition trat daraufhin nicht zur Wahl an. Wie bereits bei den letzten Präsidentschaftswahlen 2006 dienten die übrigen fünf zur Wahl zugelassenen und in der Bevölkerung weitgehend unbekannten Kandidaten nur als Staffage. Die OSCE spricht erneut von einer "Wahl ohne Wahl" in Tadschikistan (Bpb 6.1.2014).

 

Wie aus einem Skandal um den ehemaligen Regierungsbeamten Zaid Saidov ersichtlich wird, geht Emomali Rahmons Regierung mit ihren Widersachern nicht zimperlich um. Zaid Saidov hatte im Mai 2013 verkündet, eine oppositionelle Partei zu gründen, mit der er bei den Parlamentswahlen im Jahr 2015 antreten wollte. Kurz darauf wurde er wegen eines acht Jahre alten Veruntreuungsvorwurfes sowie des Vorwurfs der Polygamie verhaftet (KAS 11.2013).

 

Quellen:

 

 

 

 

Amnestien

 

Seit der Unabhängigkeit Tadschikistans gab es mehrere Amnestien. Zur umfangreichsten Amnestie kam es im Jahr 2001, als etwa 10.000 Strafgefangene freigelassen wurden. Im August 2006 wurden anlässlich des 15. Jahrestages der Unabhängigkeit Tadschikistans mehr als 6.700 Personen freigelassen und für mehr als 4.500 Personen die Haftdauer reduziert. Im Juni 2007 gab es eine Generalamnestie anlässlich des 10. Jahrestages des Endes des Bürgerkrieges. Diese betraf vor allem Teilnehmer politischer und militärischer Aktionen, Häftlinge, die keine schweren Straftaten begangen hatten, sowie alle Frauen, die erstmalig verurteilt worden waren. Darüber hinaus wurden Personen, die im jugendlichen Alter Straftaten begangen hatten, Behinderte und Veteranen amnestiert. Anlässlich des 15. Jahrestages der tadschikischen Verfassung am 06.11.2009 wurden 10.000 Personen amnestiert. Durch diese Amnestie wurden alle Frauen, alle Kriegsveteranen und Behinderte und alle minderjährigen Straftäter aus der Haft entlassen (BAMF 11.2009). In der zweiten Hälfte des Jahres 2011 wurden anlässlich des 20. Jahrestages der Unabhängigkeit Tadschikistans mehr als 4.300 Menschen amnestiert und aus dem Gefängnis entlassen; weitere 5.000 Personen erhielten Reduzierungen in ihrem Strafmaß (CRS 31.8.2012).

 

Quellen:

 

 

 

Religionsfreiheit

 

Die Bevölkerung Tadschikistans besteht zu 85% aus Sunniten, zu 5% aus Schiiten und zu 10% aus Angehörigen anderer Religionsgruppen (CIA 28.3.2014). Die Verfassung gewährt Religionsfreiheit; es gibt jedoch Einschränkungen durch Gesetze, welche von der Regierung auch in der Praxis vollzogen werden (USDOS 20.5.2013). Das Verhältnis zur Mehrheitsreligion in Tadschikistan, dem Islam, ist von Kontrollbemühungen der Regierung und der teilweisen Unterdrückung als fundamentalistisch gebrandmarkter Religionsausübung gekennzeichnet. Eine Grundlage bildet das 2009 in Kraft getretene "Gesetz über Gewissensfreiheit und religiöse Organisationen", das von OSZE und EU in vielen Punkten kritisiert wurde; im August 2011 trat trotz erheblicher in- und ausländischer Kritik ein "Gesetz über die Pflichten der Eltern in der Erziehung" in Kraft, das u.a. die Teilnahme von Kindern und Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr an religiösen Zeremonien und Veranstaltungen jeglicher Art untersagt (AA 12 .2013a).

 

Quellen:

 

 

 

 

Ethnische Minderheiten

 

Die Tadschiken sind, sowohl aus sprachlicher, kultureller und auch ethnischer Sicht, sehr eng mit den Persern verwandt. Die Bevölkerung besteht aus ca. 65-80% Tadschiken, 15-25% Usbeken, 1-6% Russen sowie Kasachen, Kirgisen, Turkmenen, Pamiris und etwa 1.200 Deutschstämmigen (1979: noch 39.000). Letztere leben hauptsächlich in eigenen Dörfern oder in der Hauptstadt Duschanbe. Nach der Unabhängigkeit haben viele Russen und Deutsche das Land verlassen. Es wurde berichtet, dass einige Bedienstete der Strafverfolgungsbehörden ethnische Afghanen und Usbeken belästigten, doch derartige Berichte waren nicht sehr häufig. Generell stellt Diskriminierung kein signifikantes Problem in Tadschikistan dar (BAMF 11.2009 / USDOS).

 

Quellen:

 

 

 

Bewegungsfreiheit

 

Das Gesetz garantiert Bewegungsfreiheit; in der Praxis kommt es jedoch zu einigen Einschränkungen durch die Regierung. Die Regierung verbietet Ausländern, mit Ausnahme von Diplomaten und internationalen Helfern, das Reisen innerhalb einer 15-Meilen-Zone entlang der Grenze zu China und Afghanistan in der Region Khatlon und GBAO, es sei denn, sie besitzen dazu eine Erlaubnis vom Ministerium für auswärtige Angelegenheiten. Es existieren keine Gesetze welche Exil vorsehen, und es gab keine Berichte über Personen, welche ins Exil gezwungen wurden. Manche Gegner der Regierung blieben im selbstgewählten Exil in Russland (USDOS 27.2.2014).

 

Quellen:

 

 

Autokraten-Partei gewann Wahl in Tadschikistan

 

OSZE kritisiert Urnengang als undemokratisch

 

Duschanbe - Bei der Parlamentswahl in der zentralasiatischen Ex-Sowjetrepublik Tadschikistan hat der autoritär regierende Präsident Emomali Rachmon seine Macht weiter gefestigt. Die Wahlkommission sprach der Rachmon nahestehenden Volksdemokratischen Partei am Montag 65,2 Prozent der Stimmen zu.

 

Scharfe Kritik des OSZE

 

Drei weitere Parteien schafften den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde, nicht aber die bisher im Parlament vertretene Partei der Islamischen Wiedergeburt. Wie alle früheren Urnengänge kritisierten Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die Wahl in dem verarmten Land als undemokratisch. Zwar habe es für die Wähler einige Alternativen zu Regierungskandidaten gegeben, allerdings sei der Raum für die Opposition zu beschränkt gewesen, teilte die OSZE in Duschanbe mit.

 

Die Wahl in Tadschikistan mit seinen etwa 8,3 Millionen Einwohnern erfolgte im Schatten einer schweren Wirtschaftskrise. Die Regierung hatte im Wahlkampf 200.000 neue Stellen angekündigt. Viele Tadschiken verdienen als Gastarbeiter vor allem in Russland den Lebensunterhalt für ihre Familien. Der bis heute unter den Folgen eines Bürgerkrieges leidende Staat gilt als Transitland für Drogen aus dem benachbarten Afghanistan in den Westen. Russland als Schutzmacht unterhält eine Militärbasis mit 7.000 Soldaten im Land. (www.derstandard.at 02.03.2015)

 

Tadschikistan verbietet islamische Oppositionspartei

 

Partei der Islamischen Wiedergeburt hat rund 40.000 Mitglieder – Regierung warf ihr Terrorismus vor

 

Duschanbe – Nach blutigen Unruhen im zentralasiatischen Tadschikistan hat das Oberste Gericht der Ex-Sowjetrepublik die oppositionelle Partei der Islamischen Wiedergeburt verboten. Seit ihrer Gründung 1991 ist sie die einzige religiös ausgerichtete Partei auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR.

 

Mit der erwarteten und von Beobachtern kritisierten Maßnahme verboten die Richter am Dienstag auch die Parteizeitung sowie die Webseite der Partei. Diese hat rund 40.000 Mitglieder. Im tadschikischen Bürgerkrieg (1992 bis 1997) einte die Partei der Islamischen Wiedergeburt die zersplitterte Opposition. Wegen ihrer zentralen Rolle damals war sie bereits von 1993 bis 1999 verboten.

 

Zuletzt hatte die Regierung die Oppositionspartei massiv unter Druck gesetzt und auch mit Anschlägen von Terroristen auf Sicherheitskräfte in Verbindung gebracht. Bei einer großen Anti-Terror-Aktion wurden im September rund 40 Menschen getötet und etwa 140 festgenommen. Den Behörden des islamisch geprägten Landes zufolge kämpfen auch Hunderte Tadschiken für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien.

 

Parteichef Muchiddin Kabiri war bereits nach den vorgezogenen Wahlen im März aus Angst vor Repressionen ins Ausland geflohen. In der Türkei soll er Asyl als politischer Flüchtling beantragt haben. (www.derstandard.at 29.09.2015)

 

Unbegrenzte Amtszeit für Tadschikistans Präsidenten

 

94,5 Prozent stimmten in einem Referendum für den "Führer der Nation"

 

Duschanbe – Der autoritär regierende Präsident Emomali Rachmon (63) hat sich in Tadschikistan nach rund 25 Jahren im Amt in einer Volksabstimmung einen unbegrenzten Verbleib an der Macht gesichert. Etwa 94,5 Prozent der Wähler hätten dafür gestimmt, dass für Rachmon als "Führer der Nation" die Begrenzung auf zwei Amtszeiten nicht gelten soll.

 

Dieses vorläufige Endergebnis teilte die Wahlkommission in der Hauptstadt Duschanbe am Montag mit. In einer zweiten Änderung wurde das Mindestalter für Präsidenten von 35 auf 30 Jahre gesenkt. Damit könnte bei der Wahl 2020 Rachmons Sohn Rustami Emomali (29) antreten.

 

Religiöse Parteien per Verfassungsänderung verboten.

 

Tadschikistan mit acht Millionen Einwohnern grenzt an Afghanistan und gilt als anfällig für islamischen Fundamentalismus. Deshalb wurde bei dem Referendum ein Verbot religiöser und nationaler Parteien in der Verfassung verankert. Rachmon hatte 2015 die einflussreiche Partei der Islamischen Wiedergeburt verboten. Den Titel "Führer der Nation" hatte sich der seit 1992 regierende Präsident 2015 zuschreiben lassen. Tadschikistan ist eines der ärmsten aus der früheren Sowjetunion hervorgegangenen Länder. Die Beteiligung an dem Referendum am Sonntag lag der Wahlkommission zufolge bei 92 Prozent. Etwa 3,3 Prozent stimmten demnach gegen die Verfassungsänderung. (www.derstandard.at 23.05.2016)

 

2. Beweiswürdigung:

 

Die Angaben zur Identität des Beschwerdeführers und seiner UdSSR-Staatsangehörigkeit stehen auf Grund des auf seine Echtheit hin überprüften russischen Inlandsreisepasses des Beschwerdeführers fest, ebenso seine Hauptwohnsitzmeldung in Tadschikistan. Dass das in dem vom Beschwerdeführer als Beweismittel vorgelegten Buch als Geburtsdatum aufscheinende Datum ebenso wie die dort angeführte Adresse falsch sind, gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung selbst an.

 

Dass der Beschwerdeführer nicht österreichischer Staatsbürger ist, ergibt sich aus dem IZR, das sich mit den Angaben des Beschwerdeführers deckt. Die tadschikische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich daraus, dass er am Tag der Annahme der tadschikischen Verfassung als Staatsangehöriger der UdSSR seinen Hauptwohnsitz in Tadschikistan hatte (Art. 15 tadschikische Verfassung vom 06.11.1994; s. Kudratov, Tadschikistan, S 8, in Bergmann/Ferid/Henrich [Hrsg.], Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Stand 203. Lfg., 31.05.2013).

 

Die Feststellungen zu Religionszugehörigkeit und ethnischer Zugehörigkeit ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der polizeilichen Erstbefragung und seinem Inlandsreisepass.

 

Die Festestellungen des Beschwerdeführers zu seinen Familienverhältnissen in Tadschikistan ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der polizeilichen Erstbefragung und in der hg. mündlichen Verhandlung. Die Angaben zu seinen Lebensumständen in Österreich und seiner in Österreich lebenden Gattin nach muslimischen Ritus ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung, dem in ihrem Verfahren ergangenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.11.2014 und der vorgelegten Bestätigung des islamischen Zentrums Wien über die Eheschließung sowie den Auszügen aus dem IZR und dem ZMR betreffend den Beschwerdeführer und seine Gattin nach muslimischem Ritus, ebenso aus der Eingabe vom 20.07.2017. Dass beide Ehen zeitgleich ohne Wissen der jeweils anderen Gattin bestehen, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung. Dass der Beschwerdeführer in Begleitung seiner Gattin und von drei seiner Kinder nach Österreich gereist sei, wie der Verein OMEGA im vom Beschwerdeführer als Beweismittel vorgelegten Befund vom 26.05.2011 ausführt, kann hingegen wegen des Widerspruchs zu den sonst in diesem Punkt gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden. Dass der Beschwerdeführer (nunmehr) gesund und arbeitsfähig ist, ergibt sich aus seinen Angaben in der hg. mündlichen Verhandlung.

 

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, seine in Tadschikistan an seiner alten Adresse verbliebene Gattin nach muslimischem Ritus werde seinetwegen verfolgt, ist unplausibel: Gegen eine Verfolgung seiner tadschikischen Gattin spricht bereits, dass der Beschwerdeführer angibt, sie habe Tadschikistan nur wegen mangelnder Russischkenntnisse nicht verlassen; darüber hinaus gibt der Beschwerdeführer an, sie wohne weiterhin an derselben Adresse, an der er seinem Vorbringen zufolge am 06.11.1998 bei einem Fluchtversuch angeschossen wurde, um danach als Grund, warum sie nicht verfolgt werde, anzuführen, dass sie ihren Mädchennamen behalten habe. Abgesehen davon, dass dies im Kulturraum des Beschwerdeführers nicht unüblich ist, ist angesichts des Umstandes, dass die gemeinsamen Kinder den Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung zufolge seinen Familiennamen tragen und an seiner Adresse wohnen, völlig unplausibel, inwieweit der unterschiedliche Familiennamen seiner Gattin nach muslimischem Ritus diesbezüglich Schutz vor staatlicher Verfolgung bieten sollte. Weiters spricht gegen eine Verfolgung seiner in Tadschikistan lebenden Gattin nach muslimischem Ritus, dass sie weiterhin im Staatsdienst arbeitet. Dass seine Gattin nach muslimischem Ritus immer, wenn es unruhig werde, nach dem Verbleib des Beschwerdeführers gefragt werde bzw. zum Schutz vor Verfolgung angebe, dass sie alleinstehend sei, ist auch aus dem Grund unplausibel, dass der Beschwerdeführer angibt, sie würden alle zwei Wochen miteinander telefonieren. Es kann den Sicherheitsbehörden und dem KGB, die seinen Angaben zufolge seine Gattin regelmäßig verhören, auf Grund des regelmäßigen Kontakts nicht unterstellt werden, sie könnten den Kontakt zum Beschwerdeführer nicht nachverfolgen. Völlig unglaubwürdig ist aber die Angabe des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung, seine Gattin werde auch aktuell noch nach seinem Verbleib gefragt, nachdem das Auslieferungsverfahren zwischen Österreich und Tadschikistan geführt und die Auslieferung durch Österreich abgelehnt wurde, da den tadschikischen Behörden sohin offiziell bekannt ist, dass sich der Beschwerdeführer in Österreich aufhält.

 

Aus den Angaben des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass seine Familienangehörigen keinen Schwierigkeiten ausgesetzt sind, die über die allgemeinen Lebensumstände (der Beschwerdeführer gibt an, dass in Tadschikistan alle schlecht leben, weil der Präsident nichts für das Volk mache) hinausgehen.

 

Die Feststellungen zu den Sprachkenntnissen und zur Schulbildung des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der polizeilichen Erstbefragung, in der hg. mündlichen Verhandlung und dem vorgelegten Diplom. Die Angaben zur Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers in Tadschikistan ergeben sich aus seinen Angaben in der polizeilichen Erstbefragung und der niederschriftlichen Einvernahme; ob der Beschwerdeführer während seines Engagements für die Tadschikische Volksfront von 1991 bis 1993 von der Geflügelfarm weiterhin entlohnt wurde, kann nicht festgestellt werden, da der Beschwerdeführer in der hg. mündlichen Verhandlung angab, in dieser Zeit wegen seiner Tätigkeit für die Volksfront nicht gearbeitet zu haben ("1992-1993 habe ich eine kurze Pause gemacht. Es war ein Krieg in Tadschikistan und daher habe ich nicht gearbeitet") und auf Grund des hg. eingeholten Gutachtens feststeht, dass die Loyalität innerhalb der Volksfrontmilizen u.a. dadurch entstand, dass die Kombattanten in den Milizen eine finanzielle Kompensation erhielten.

 

Die Tätigkeit des Beschwerdeführers für die russischen Streitkräfte wird durch die vom Beschwerdeführer vorgelegte Bescheinigung der UdSSR aus 1986 belegt.

 

Die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur Tadschikischen Volksfront wird bereits durch das vom Beschwerdeführer als Beweismittel vorgelegte Buch belegt und entspricht den Angaben des Beschwerdeführers, ebenso, dass er für die Volksfront auch organisatorische und agitatorische Tätigkeiten wahrnahm. Seine Volksgruppenzugehörigkeit steht dem nicht entgegen, da auf Grund des hg. eingeholten Gutachtens feststeht, dass die Region XXXX , zu der die Ortschaft XXXX gehört, von einer signifikanten usbekischen Minderheit bewohnt wird, die in den lokalen Volksfrontmilizen überrepräsentiert war. Dass er hingegen Gründungsmitglied der Volksfront war, wie er in der hg. mündlichen Verhandlung behauptete ("Als die Wahabiten gekommen sind, mussten wir etwas unternehmen. So haben wir diese Volksfront organisiert. D.h. sie waren Gründungsmitglied der Volksfront? Andere und ich auch."), oder sonst eine herausragende Position innerhalb der Volksfront innehatte, kann weder auf Grund der Aussagen des Beschwerdeführers, noch auf Grund der Länderberichte oder des hg. eingeholten Gutachtens festgestellt werden.

 

Unglaubwürdig ist hingegen das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe sich nur mit friedlichen Mitteln für die Volksfront engagiert und nicht für diese gekämpft: Der Beschwerdeführer ist als ehemaliger Militärangehöriger vielmehr beim Wort zu nehmen, wenn er in der niederschriftlichen Einvernahme am 08.11.2010 angibt, "Ich habe im Jahr 1992, 1993 gegen die Wahabiten in meinem Heimatland gekämpft. [ ] Wir haben gegen die Wahabiten gekämpft, diese wären dann mit Waffen gewesen und wir ohne. [ ] 1992, 1993 haben wir das Land von Wahabiten befreit, [ ] während meines Militärdienstes 1983 habe ich in Afghanistan gegen die Wahabiten gekämpft und 1992 dann in Tadschikistan. Und dann habe ich 1997 gegen die Wahabiten demonstriert." Seit der Vollmachtslegung durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter versucht der Beschwerdeführer jedoch, seine Beteiligung an Kampfhandlungen in Abrede zu stellen. So verstieg er sich in der Einvernahme im Auslieferungsverfahren am 12.12.2012 als Veteran des sowjetischen Afghanistankrieges sogar zu der Aussage, er habe noch nie jemanden getötet und könne überhaupt nicht schießen; der bezughabende Antrag auf Protokollberichtigung wurde mit Beschluss vom 25.01.2013 vom Landesgericht für Strafsachen XXXX abgewiesen. Vielmehr ergibt sich aus dem hg. eingeholten länderkundigen Gutachten, dass die Veteranen des sowjetischen Afghanistaneinsatzes – wie der Beschwerdeführer – wegen ihrer Ausbildung, ihres militärischen Geräts und ihrer Kampferfahrung von den Kommandanten geschätzt wurden. Auch das Aussageverhalten des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung zu dieser Frage war offensichtlich unglaubwürdig: Der Beschwerdeführer machte (abgesehen von der Frage betreffend ethnische Säuberungen durch die tadschikische Volksfront 1992) nicht von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, sondern antwortete auf die ausführliche Befragung nach der Art seines Engagements für die tadschikische Volksfront in der mündlichen Verhandlung am 21.04.2015 mehrfach und ohne jegliche Angabe von Details offenkundig nicht willens, nähere Angaben zu machen, ausschließlich mit den Stehsätzen, er habe alles organisiert und "sie" hätten sich verteidigt ("Ich habe mit Leuten gesprochen, weil alle Leute mich geschätzt haben. Ich habe allen erklärt, was und wie. [ ] Während des Krieges gab es viele Diebe und wir mussten unsere Häuser verteidigen. So haben wir uns organisiert, dass wir gegen diese Leute etwas tun können. [ ] Ich habe immer was organisiert, weil die Leute mich geschätzt haben. [ ] Wie ich schon gesagt habe, es war Krieg und wir mussten unsere Häuser verteidigen. So haben wir das gemacht und alles habe ich organisiert. [ ] Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich habe alles organisiert, wie gesagt, dass wir uns verteidigen können. [ ] Wie ich schon gesagt habe, ich habe alles organisiert."). Dieses Vorbringen war jedoch auf Grund des Eindrucks in der mündlichen Verhandlung unglaubwürdig. Dies trifft auch auf die diesbezüglichen Einlassungen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung am 24.05.2016 zu, in der der Beschwerdeführer in derselben Art wie in der mündlichen Verhandlung am 21.04.2015 mehrfach und ohne Angabe von Details offenkundig nicht willens, nähere Angaben zu machen, ausschließlich mit den Stehsätzen, er habe alles organisiert, damit es keinen Stillstand gebe und es nachts Patrouillen zum Schutz der Infrastruktur vor Banditen gebe, antwortete ("Ich habe mit den Anführern gesprochen, dass die Leute zu Kundgebungen und Demonstrationen gehen, damit die Organisation aktiv ist und keinen Stillstand erlebt. [ ] Es war wichtig, dass möglichst viele Leute zu den Kundgebungen gehen, damit die Organisation aktiv ist und keinen Stillstand erlebt. [ ] Wie soll ich das sagen, ich musste die Leute organisieren, damit die Organisation keinen Stillstand erlebt, damit die Organisation aktiv ist. Es wurden Fachleute dorthin geschickt, wo sie notwendig sind, damit es keinen Stillstand gibt. [ ] Am Abend wurden Personengruppen zwecks Überwachung organisiert. Es geht darum, dass die Feinde uns keinen Schaden zufügen, zB bei den Elektrowerken. Es ging darum, dass die Leute Patrouillengruppen bilden, herumgehen und aufpassen. [ ] Bei uns ist es so, dass sich in unserem Dorf viele Unternehmen befinden und man musste schauen, dass die Feinde uns keinen Schaden zufügen. Während des Krieges war die Organisation aktiv. [ ] Ich habe während des Krieges nicht gekämpft, ich habe nur die Leute organisiert, dass Ordnung herrscht. [ ] Wissen sie, dort wo es Krieg gibt, gibt es Gesetzlosigkeit, wir haben patrouilliert, ich habe die Gruppen festgelegt und die Leute sind herumgegangen und haben patrouilliert. [ ] Das habe ich bereits geschildert, das waren die Patrouillen, wegen der Diebe und Plünderer. Es sollten auch die Betriebe geschützt werden, wie zB Elektrowerke, damit die Feinde diese Betriebe nicht sprengen. Wir mussten in der Nacht die Betriebe schützen."). Das Aussageverhalten des Beschwerdeführers spiegelt sich auch in der Art der Beweismittelvorlage durch ihn wieder:

Während er in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt noch angab, er könne keine Dokumente oder Urkunden vorlegen, die seine Identität bzw. Nationalität nachweisen könnten, legte er nach der Einvernahme die Kopie der einen Seite aus dem Buch von XXXX vor, in dem sein Steckbrief abgebildet war. Erst im Verfahren vor dem Asylgerichtshof legte der Beschwerdeführer Kopien des Diploms, der Bescheinigung des Rayons-Wehrkommissars und der Kopie seines Inlandsreisepasses vor. Erst im Auslieferungsverfahren legte er schließlich seinen Inlandsreisepass im Original vor. Erst im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht legte er das Buch von XXXX im Original vor, gab aber an, das Gericht brauche das Buch nicht übersetzen lassen, er komme nur auf der einen Seite vor, die er in Kopie vorgelegt habe. Der hg. erteilte Übersetzungsauftrag ergab Gegenteiliges – der Beschwerdeführer wird an anderer Stelle als Befehlshaber der Volksfront erwähnt. In der fortgesetzten Verhandlung bestritt der Beschwerdeführer überdies, dies gesagt zu haben. Zur Erlangung seines Inlandsreisepasses verweigerte der Beschwerdeführer im ersten Verhandlungstermin überdies grundlos die Aussage, wobei sein rechtsfreundlicher Vertreter angab, dies sei nicht besprochen worden; in der fortgesetzten Verhandlung gab er dann an, der Pass sei ihm vom Schlepper nachgebracht worden, weil es besser sei, ohne Pass einzureisen. Grob widersprüchlich ist überdies, dass der Beschwerdeführer 2015 noch angab, er sei einfach Mitglied der Volksfront geworden, weil ihn alle in der Nachbarschaft gemocht hätten, es gebe aber kein Dokument, das das beweise, während er 2016 angab, er sei für die Volksfront ausschließlich in zivil tätig gewesen und habe sich bei seiner Tätigkeit mit einem Ausweis als Mitglied der Volksfront legitimiert. Hinzu kommt, dass der beigezogene länderkundige Sachverständige ebenfalls angab, dass ihm keine Fälle von politischen Akteuren im Bereich der Volksfront, die nicht bewaffnet waren, bekannt sind. Es steht auf Grund der unglaubwürdigen Ausführungen in der hg. mündlichen Verhandlung sohin fest, dass der Beschwerdeführer – wie er vor dem Bundesasylamt noch selbst angab – für die tadschikische Volksfront kämpfte und nicht nur organisatorische und agitatorische Aufgaben wahrnahm.

 

Dass der Beschwerdeführer für die Volksfrontmiliz der Ortschaft XXXX tätig war, ergibt sich aus seinen Angaben in der hg. mündlichen Verhandlung, die durch das von ihm vorgelegte Buch von XXXX bestätigt werden. Auf Grund des hg. eingeholten Gutachtens, das sich in diesem Punkt mit den Angaben des Beschwerdeführers deckt, steht fest, dass der Beschwerdeführer kein hochrangiger Kommandant einer eigenen Miliz war. Aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 24.05.2016 ergibt sich auch, dass er direkt dem von ihm als Rayonskommandanten bezeichneten Milizführer XXXX unterstellt war, der ausweislich des hg. eingeholten Gutachtens der einflussreichste Kommandant in XXXX war. XXXX koordinierte ausweislich des hg. eingeholten Gutachtens die Milizen der Volksfront der Region XXXX , zu der auch XXXX gehört, und setzte sie gegen die Übergangsregierung in XXXX ein.

 

In dem vom Beschwerdeführer als Beweismittel vorgelegten Buch wird im Steckbrief des Beschwerdeführers nur "Mitglied der Volksfront" angegeben, in der weiteren Folge (auf einer anderen Seite) wird der Beschwerdeführer jedoch gemeinsam mit XXXX und XXXX (diese für die Stadt XXXX ) – zwei der laut dem hg. eingeholten Gutachten wichtigsten Akteure in dieser Region –, XXXX und drei weiteren Personen als Befehlshaber/Feldkommandant im Landkreis XXXX erwähnt. Laut der fernmündlichen Befragung des Gutachtes in der hg. mündlichen Verhandlung ist diese Erwähnung allein nur bedingt als Beweis dafür tauglich, dass der Beschwerdeführer Befehlshaber/Feldkommandant war, weil die Tätigkeit des Beschwerdeführers in in Europa einsehbaren, komplimentären Quellen nicht belegt werden kann. Dass der Beschwerdeführer allerdings von XXXX in seinen Memoiren nur "ehrenhalber" als Befehlshaber/Feldkommandant bezeichnet wurde, wie der Beschwerdeführer in der hg. mündlichen Verhandlung angab, erachtet das Gericht jedoch auf Grundlage der fernmündlichen Angaben des Gutachtes in der hg. mündlichen Verhandlung, wonach keine derartigen Fälle bekannt seien, als unglaubwürdig. Soweit der Vertreter des Beschwerdeführers darauf hinweist, dass der Beschwerdeführer in den Memoiren von XXXX nicht unter den Kommandanten der zentralen Stabstellen angeführt wird, spricht nicht gegen dieses Ergebnis, da dem Vorbringen des Beschwerdeführers folgend davon ausgegangen wird, dass er der lokalen Volksfrontmiliz von XXXX angehörte. Dass der Beschwerdeführer jedoch selbst in der Position war, anderen Befehle zu erteilen, wenn er auch dem "großen Rayonskommandanten"/Milizführer XXXX verantwortlich war, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers auf die Befragung durch seinen Vertreter in der hg. mündlichen Verhandlung, "Ich habe keine eigenen Befehle erteilt, ich habe diese Befehle nur weitergeleitet." Dieser Eindruck wird durch das hg. eingeholte Gutachten weiter erhärtet, wonach die Legitimationsnarrative des Beschwerdeführers unmittelbar den Narrativen der Feldkommandeure und politischen Akteure entsprechen und den Ausführungen des Gutachtes in der hg. mündlichen Verhandlung, der Begriff des "politischen Akteurs" sei von dem des "Befehlshabers" verschieden. Auf Grund der Gesamtheit der Beweismittel steht sohin fest, dass der Beschwerdeführer kein hochrangiger Kommandant einer eigenen Miliz war, sondern dem Milizführer XXXX untergeordneter Befehlshaber/Feldkommandant.

 

Der Beschwerdeführer brachte in der hg. mündlichen Verhandlung vor, er habe sich ausschließlich gegen "Banditen" und "Wahabiten", dh. "Islamisten" engagiert. Der Vertreter des Beschwerdeführers versuchte die Tätigkeit der Volksfront dadurch zu rechtfertigen, dass die Bewegung der islamischen Wiedergeburt als radikal islamistischer Flügel bezeichnet werden könne; auf Seiten der Volksfront hätten sich hingegen zahlreiche politische Verantwortungsträger der ehemaligen UdSSR gefunden. Damit vermag der Vertreter des Beschwerdeführers jedoch keine Legitimität der Handlungen der Volksfront zu begründen: Ausweislich des hg. eingeholten Gutachtens war die Volksfront eine heterogene Gruppe lokaler Gewaltakteure, die die Desintegration des Staates durch den Zerfall der Sowjetunion ausnutzen, um sich den Zugriff auf lokale Ressourcen zu sichern, wobei die Anführer zum einen Angehörige der ehemaligen Sowjetnomenklatur und zum anderen Repräsentanten der organisierten Kriminalität der ausgehenden Sowjetzeit waren und eine Komplizenschaft zwischen repressiven Sicherheitskräften und dem organisierten Verbrechen evident war. Gleiches gilt auch insofern, als der Vertreter des Beschwerdeführers die Aktivitäten der Volksfront als Kampf gegen "Islamisten" schilderte, da die Volksfront ihre politischen Gegner zwar als "Wahabiten" diffamierte, es sich bei diesen aber um die Angehörigen der Opposition, v.a. der Partei der islamischen Wiedergeburt und der Demokratischen Partei Tadschikistans handelte, die zu keinem Zeitpunkt die konservative Auslegung der Wahabiten teilten.

 

Dass die Volksfrontmilizen aus XXXX von 1992 bis 1993 keineswegs nur in der Verteidigung der Nachbarschaftsquartiere, sondern aktiv an offensiven Kampfhandlungen teilnahmen, in denen Angehörige bestimmter Bevölkerungsgruppen vertrieben bzw. getötet wurden, ergibt sich ebenso aus dem hg. eingeholten Gutachten, als dass es sich bei den Opfern von Vertreibung und Gewalt überwiegend um sog. XXXX handelte, die bei Ausbruch des Bürgerkrieges eine Gruppe mit eigener regionaler Identität geformt hatten, und dass ca. 800.000 Menschen vor den Kampfhandlungen im Süden und Westen Tadschikistans flohen und der Bürgerkrieg 60.000 bis 120.000 Tote forderte, wobei auf Grund der Art des Bürgerkrieges keine genauen Zahlen angegeben werden können (das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation spricht von bis zu 100.000 Toten, bestätigt die Teilnahme der XXXX Milizen an der Machtergreifung in XXXX , geht von 500.000 Flüchtlingen aus und rechnet mit 60.000 Menschen, die nach Afghanistan flohen, HUMAN RIGHTS WATCH geht von 20.000-50.000 Toten und 500.000 Flüchtlingen aus). Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation bestätigt, dass die Volksfrontmilizen nach der Eroberung XXXX ethnische Säuberungen begingen. Auch der Bericht von HUMAN RIGHTS WATCH bekräftigt die standrechtlichen Hinrichtungen und Erschießungen von XXXX und XXXX durch die Volksfront in XXXX und den Dörfern und Vororten von XXXX und geht von einem Feldzug gegen XXXX und XXXX von Dezember 1992 bis Februar 1993 aus. Dagegen spricht auch nicht, dass der Beschwerdeführer einen Schulfreund hat, der in der Nachbarstraße wohnte und der Minderheit der XXXX angehörte, da auf Grund der fernmündlichen Angaben des länderkundigen Sachverständigen in der hg. mündlichen Verhandlung feststeht, dass persönliche und nachbarschaftliche Beziehungen vor Vertreibung und Verfolgung schützen konnten.

 

Dass die Volksfrontmilizen aus XXXX zudem am Angriff auf das nur 20 km entfernte XXXX im Oktober 1992, der Blockade von XXXX von Oktober bis Dezember 1992 und der systematischen Verfolgung der Minderheit der XXXX nach der Einnahme von XXXX im Dezember 1992 beteiligt waren, ergibt sich aus dem hg. eingeholten Gutachten und wird durch das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation belegt.

 

Ein Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer persönlich diese Taten beging, liegt auf Grund der in Europa vorhandenen Quellen nicht vor.

 

Das Vorbringen des Vertreters des Beschwerdeführers, dass die zuständigen Organe des öffentlichen Rechts bis zum heutigen Zeitpunkt nicht festgestellt hätten, dass es sich hiebei um Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen den Frieden oder Menschlichkeit gehandelt habe, trifft zu. Aus dem Bericht von HUMAN RIGHTS WATCH ergibt sich jedoch, dass die Russische Föderation, ein ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat, im Bürgerkrieg auf der Seite der (nunmehrigen) Regierung involviert war und auch das US-Außenministerium, eines weiteren Mitglieds im UN-Sicherheitsrat, beinahe völliges Stillschweigen bewahrte. Österreich erachtete die Verfolgung der XXXX und von Angehörigen der Oppositionsparteien durch die tadschikische Volksfront 1992/1993 als asylrelevante Verfolgung und gewährte diesen Asyl.

 

Dass die Kombattanten der Milizen von der extremen Gewalt in der frühen Phase des Bürgerkrieges Kenntnis hatten, ergibt sich entgegen der Angaben des Beschwerdeführers aus dem hg. eingeholten Gutachten, das vor dem Hintergrund, dass es sich bei den Milizen ausweislich dieses Gutachtens um relativ kleine Gruppen von 15 bis 40 Mann handelte, besonders plausibel ist. Unglaubwürdig ist hingegen, dass der Beschwerdeführer, der angab, er habe Wachbataillone zum Schutz der Infrastruktur vor den "Banditen" organisiert, von der weitreichenden Zerstörung der Infrastruktur sowie ganzer Wohnviertel in XXXX 1992/1993 nichts bemerkte, wie er in der hg. mündlichen Verhandlung angab.

 

Dass der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgrund, er werde verfolgt, weil er im August 1997 demonstriert habe, nicht zutrifft, ergibt sich aus folgenden Umständen:

 

So gab der Beschwerdeführer in der Erstbefragung noch an, an diversen Demonstrationen teilgenommen zu haben, während er in der niederschriftlichen Einvernahme im Asylverfahren angab, er habe an einer Demonstration teilgenommen, im Auslieferungsverfahren aber wiederum, er habe an regierungskritischen Demonstrationen bzw. an politischen Demonstrationen teilgenomen und werde aus diesem Grund verfolgt. In der niederschriftlichen Einvernahme im Asylverfahren gab der Beschwerdeführer an, er habe an der Demonstration am 12. oder 13.08.1997 teilgenommen, die Demonstrationsteilnehmer seien von der Regierung mit Gewalt vertrieben worden. In weiterer Folge gab der Beschwerdeführer aber an, die Kundgebung habe von 08.08.1997 bis 12.08.1997, sohin vier Tage lang gedauert. Er habe an der Demonstration in XXXX teilgenommen, insgesamt habe die Kundgebung im Westen in drei Städten bzw. Rajonen im Westen stattgefunden, es hätten im Westen insgesamt ca. 1000 Personen demonstriert. Er habe Tadschikistan am 12. oder 13.08.1997 verlassen. 1997 habe es diese eine große Demonstration gegeben, 1996 habe es viele Demonstrationen wegen XXXX gegeben. Auch die Angaben des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung in diesem Punkt sind widersprüchlich: So gab der Beschwerdeführer einerseits an, er habe an einem "Meeting" am 08.08.1997 in XXXX teilgenommen, das mehr als 1000 Teilnehmer gehabt habe, um später auszuführen, er habe an allen drei Demonstrationen im Westen teilgenommen, alle drei hätten am 08.08.1997 stattgefunden, um auf Nachfrage, wie er dies zeitlich bewerkstelligt habe, anzugeben, er habe nur an der einen Demonstration in XXXX teilgenommen, sie habe vier Tage lang gedauert.

 

Dem Beschwerdeführer gelang es sohin nicht, gleichbleibende Angaben zur Anzahl der Kundgebungen, ihrem Ort und ihrem Zeitpunkt zu machen. Die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens in diesem Punkt beruht aber auch auf dem persönlichen Eindruck des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung, der auf alle Fragen zur Demonstration äußerst ausweichend antwortete und die Antworten erst nach Fragewiederholungen, auch dann aber völlig detail- und emotionslos gab. Auch in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasyamt gab der Beschwerdeführer an, seine Fluchtgründe nicht näher ausführen zu wollen. Die ausweichende Fragebeantwortung in der hg. mündlichen Verhandlung ist insbesondere betreffend die Schilderung der behaupteten Versammlungsauflösung durch das Militär (zB: "R: Beschreiben Sie mir bitte noch einmal die Versammlungsauflösung! BF: Im Jahr 92 – 93 war Krieg gegen die Wahhabiten. Dann sind Sie nach Afghanistan geflüchtet und dann wieder zurückgekommen. R: Meine Frage war: Wie hat das Militär die Versammlung aufgelöst? BF: Natürlich, wenn das Militär schießt, muss man flüchten. R: Wiederholt die Frage. BF: Die Demonstration hat am 08. b[e]gonnen, 4 Tage gedauert und dann ist das Militär gekommen, hat geschossen und so hat sich die Demonstration aufgelöst.") augenfällig, da es völlig unplausibel ist, dass ein ausgebildeter Soldat keine präzisiere Schilderung einer Versammlungsauflösung durch das Militär erstatten kann. Der Beschwerdeführer konnte oder wollte auch die Frage nicht beantworten, wie er die – viertätige – Demonstration organisierte.

 

Zudem konnte das Vorbringen des Beschwerdeführers auch durch die hg. Ermittlungen nicht bestätigt werden, vielmehr ergibt sich aus dem Bericht von ACCORD vom 29.04.2015, dass keine Demonstrationen von ehemaligen Mitgliedern der Volksfront, die über sehr kleine Kundgebungen etwa vor einem Regierungsgebäude, um eine Soldatenpension zu fordern, hinausgegangen seien, festgestellt werden konnten, ebensowenig Demonstrationen durch die Volksfront seit dem Frühjahr 1992.

 

Dass der Beschwerdeführer an der militärischen Insurrektion der Volksfront-Kommandeuere von XXXX , XXXX und XXXX , mit denen der Beschwerdeführer seinen Angaben zufolge im August 1997 demonstriert hatte, gegen den damals bereits amtierenden Präsidenten XXXX beteiligt war, kann nicht einerseits festgestellt werden, weil der Beschwerdeführer durchgehend von Demonstration/Kundgebung/Meeting sprach, dem Beschwerdeführer aber als ehemaligem Soldaten der Unterschied zwischen einer Demonstration und einem militärischen Umsturzversuch geläufig sein muss. Andererseits gab der Beschwerdeführer durchgehend an, am 12. oder 13.08.1997 in die Russische Föderation ausgereist und erst 1998 wieder nach Tadschikistan eingereist zu sein; die Insurrektion fand aber ausweislich des hg. eingeholten Gutachtens im Oktober 1997 statt, während sich der Beschwerdeführer sohin seinem Vorbringen zufolge in der Russischen Föderation aufhielt. Schließlich handelte es sich bei der Insurrektion ausweislich des ACCORD-Berichts vom 29.04.2015 um einen Marsch auf XXXX und keine stationären Demonstration in drei Städten und Rajonen in XXXX .

 

Ebensowenig kann festgestellt werden, dass der Beschwerdefürher am versuchten Einmarsch durch XXXX und seine Milzen in die Provinz SUGHD im November 1998 beteiligt war, der sowohl durch den ACCORD-Bericht vom 29.04.2015, wie auch das hg. eingeholte Gutachten bestätigt wird, zumal der Beschwerdeführer angab, sich 1997 nicht in XXXX , wo sich die Truppen XXXX sammelten, sondern in der Russischen Föderation aufgehalten zu haben. Eine Involvierung in den missglückten Einmarsch hat der Beschwerdeführer auch zu keinem Zeitpunkt behauptet. Vielmehr gab er an, auf Grund der Informationen über eine Amnestie, die er von seiner Gattin nach muslimischem Ritus per Telefon erhalten habe, zurückgekehrt zu sein und sich zu Hause bei seiner Familie aufgehalten zu haben. Weiters gab er an, bereits am 06.11.1998 Tadschikistan bereits wieder verlassen zu haben und danach nicht mehr zurückgekehrt zu sein.

 

Auch das Vorbringen zur fluchtauslösenden Verfolgung 1998 ist unplausibel und unglaubwürdig:

 

So ist bereits nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer nur auf Grund eines Telefonats mit seiner (ersten) Gattin betreffend die von ihr erwähnte Amnestie – ohne weitere Informationen einzuholen – nach Tadschikistan zurückgekehrt wäre; dies ist umsomehr der Fall, als der Beschwerdeführer, der in der Beschwerde noch angab, dass es die Amnestie 1998 gar nicht gegeben habe, in der hg. mündlichen Verhandlung hingegen angab, dass es die Amnestie 1998 gegeben habe, sie aber gar nicht auf ihn anwendbar gewesen und erst fast zwei Wochen nach seiner Einreise unterschrieben worden. Diese Vorgangsweise ist vor dem Hintergrund der vom Beschwerdeführer relevierten politischen Verfolgung wie auch seine Beziehung zu den maßgeblichen Volksfrontkommandeueren aus seiner Provinz völlig unplausibel.

 

Dies trifft auch auf die vom Beschwerdeführer relevierte Einreise nach Tadschikistan zu: Einerseits bringt der Beschwerdeführer vor, er sei so schnell von den Behörden gefunden worden, weil es überall Informanten gegeben habe, andererseits, er sei so schnell von den Behörden gefunden worden, weil in den Memoiren von XXXX sein Steckbrief (mit falschem Geburtsdatum und falscher Adresse) abgedruckt gewesen sei. Vor diesem Hintergrund ist aber sein Vorbringen ausgeschlossen, er sei legal mit dem Zug von der Russischen Föderation nach Tadschikistan eingereist und es habe keine Probleme bei der Einreise gegeben. Es ist nicht ersichtlich, warum die Behörden ihn zuerst einreisen lassen sollten, ohne ihn festzunehmen, um ihn danach mit großem Aufwand zu suchen und zu verfolgen.

 

Davon abgesehen war das Vorbringen des Beschwerdeführers auch in diesem Punkt bereits auf Grund seines persönlichen Eindrucks in der hg. mündlichen Verhandlung unglaubwürdig: So beschrieb er den von ihm als fluchtauslösend relevierten Vorfall auch nach zwei Nachfragen nicht von sich aus und gab auch auf konkrete Nachfragen nur zögerlich Antworten.

 

Die Feststellungen zur Interpolfahndnung und dem Auslieferungsverfahren ergeben sich aus den beigeschafften Akten. Dass keine Berichte zu dem von den tadschiksichen Behörden im Auslieferungsverfahren vorgebrachten Sachverhalt gefunden werden können, sagt vor dem Hintergrund, dass 1993 elektronische Kommunikationsmittel noch nicht so weit verbreitet waren und sich der Sachverhalt während eines unübersichtlichen Bürgerkrieges ereignete, nichts aus.

 

Auf Grund der Länderberichte steht fest, dass es politisch motivierte Strafverfahren auch gegen ehemalige Angehörige der Volksfront in Tadschikistan gab und gibt und sich mehr als 150 ehemalige Mitglieder der Volksfront in Haft befinden. Im Falle des Beschwerdeführers finden sich jedoch weder auf Grund der Länderberichte, noch auf Grund seines Vorbringens Anhaltspunkte dafür, dass ein Zusammenhang zwischen der Strafverfolgung und seiner Mitgliedschaft bei der tadschikische Volksfront besteht: Der Beschwerdeführer war kein hochranigiger Kommandant und und seinen eigenen Angaben zufolge seit 1993 wieder in der Geflügelfarm von XXXX beschäftigt und nicht politisch engagiert. Eine Verfolgung des Beschwerdeführers als tatsächliche oder potentielle Bedrohung für die Regierung von XXXX scheidet daher aus; dies ist umsomehr der Fall, als der Beschwerdeführer behauptet, seit 1997 abgesehen von vier Tagen nicht mehr in Tadschikistan gelebt zu haben. Ebensowenig ergibt sich, dass der Beschwerdeführer eigene Streitkräfte oder Banden unterhalten habe. Auf Grund seiner Angaben ergibt sich auch nicht, dass er wegen Streitigkeiten über die Kriegsbeute verfolgt werden könnte; seine Angaben, er habe nach dem militärischen Engagement für die Volksfront wieder in der Geflügelfarm gearbeitet und weiterhin im Haus seiner Eltern gelebt, seine Familie in Tadschikistan bestreite ihren Lebensunterhalt durch Erwerbsarbeit, bieten keinen Anhaltspunkt dafür. Auch eine Involvierung des Beschwerdeführers in die organisierte Kriminalität, die ausweislich der Länderberichte bei Konkurrenz in diesem Bereich zu rechtsmissbräuchlichen Anklagen führen kann, konnte durch Gutachten und Länderberichte nicht festgestellt werden; Derartiges wurde vom Beschwerdeführer auch nie behauptet. Das Vorbringen zur Demonstrationsteilnahme, das der Beschwerdeführer als Grund für eine politisch motivierte Strafverfolgung releviert, ist – wie eben dargelegt – unglaubwürdig; auch eine Beteiligung an den beiden Umsturzversuchen konnte nicht festgestellt werden.

 

Der Wohnsitz des Beschwerdeführers in Tadschikistan wurde im November 1997 abgemeldet, wobei der Beschwerdeführer angab, diese Eintragung in seinem Inlandsreisepass sei durch Schmiergeldzahlung nicht korrekt zustande gekommen. Wo sich der Beschwerdeführer danach aufgehalten hat, kann nicht festgestellt werden, da sich am Stempel betreffend die Wohnsitzmeldung in der Russischen Föderation 1997 bei der kriminalpolizeilichen Untersuchung Bearbeitungsspuren zeigten. Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinem Aufenthalt in der Russischen Föderation ist weiters nicht glaubwürdig: Weder konnte der Beschwerdeführer glaubwürdig darlegen, warum er 2010 die Russische Föderation verlassen hat, noch, warum er so lange in der Russischen Föderation aufhältig geblieben ist, da er sich betreffend die behauptete Unsicherheit in der Russischen Föderation auf die Auslieferung XXXX nach Tadschikistan bezog; diese fand jedoch bereits 2002, acht Jahre vor der behaupteten Ausreise, statt.

 

Von der Einholung des vom Beschwerdeführer angeregten medizinischen Gutachtens, ob der Beschwerdeführer 1998 – sohin vor fast zwanzig Jahren – in so guter körperlicher Verfassung war, dass er mit einer Schusswunde am Bein in der Lage gewesen sei, auf einen Baum zu klettern, wird schon aus dem Grund abgesehen, dass dies faktisch nicht möglich ist. Von der Einholung des medizinischen Gutachtens zur Feststellung der Schusswunde wird schon aus dem Grund abgesehen, da es nicht möglich ist, dadurch festzustellen, wo, aus welchen Gründen und von wem der Beschwerdeführer, ein ehemaliger Soldat und Kämpfer der Volksfront, angeschossen wurde. Dass der Beschwerdeführer eine Schusswunde hat, steht fest; aktuelle gesundheitliche Probleme aus diesem Grund bringt er nicht vor.

 

Die vom Beschwerdeführer relevierten Bedenken gegen den bestellten Gutachter teilt das Gericht nicht, da dieser als Professor am XXXX der XXXX schwerpunktmäßig zum tadschikischen Bürgerkriegt forscht, seit 2006 das XXXX mit Schwerpunkt auf den tadschikischen Bürgerkrieg von 1992 bis 1997 betreibt, er von 2002 bis 2004 XXXX IN XXXX sowie von 2004 bis 2006 DIREKTOR DER OSZE-ACADEMY IN BISKEK war und somit ausgewiesener Spezialist für die Fragen des tadschikischen Bürgerkrieges im relevanten Zeitraum ist.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Gemäß § 1 VwGVG regelt dieses Bundesgesetz das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt (§ 58 Abs. 2 VwGVG).

 

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt. Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

 

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§ 28 Abs. 1 VwGVG).

 

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

 

Alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren sind gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 ab 01.01.2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 leg.cit. zu Ende zu führen.

 

Zu A.I.) Zur Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten:

 

1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschn. A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. (3)

 

Der Antrag auf internationalen Schutz ist gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht (Z 1) oder der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat (Z 2).

 

Ein Fremder ist gemäß § 6 Abs. 1 AsylG 2005 von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn und solange er Schutz gemäß Art. 1 Abschn. D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt (Z 1), einer der in Art. 1 Abschn. F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt (Z 2), aus stichhaltigen Gründen angenommen werden kann, dass der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt (Z 3) oder er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht (Z 4).

 

Gemäß § 6 Abs. 2 AsylG 2005 kann der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden, wenn ein Ausschlussgrund nach Abs. 1 vorliegt. § 8 gilt.

 

Gemäß Art. 1 Abschn. F GFK sind die Bestimmungen dieses Abkommens auf Personen nicht anwendbar, hinsichtlich derer ernsthafte Gründe für den Verdacht bestehen, dass sie ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben, und zwar im Sinne jener internationalen Einrichtungen, die ausgearbeitet wurden, um Bestimmungen gegen solche Verbrechen zu schaffen (lit. a), bevor sie als Flüchtlinge in das Gastland zugelassen wurden, ein schweres, nicht politisches Verbrechen begangen haben (lit. b) oder sich Handlungen schuldig gemacht haben, die sich gegen die Ziele und Prinzipien der Vereinten Nationen richten (lit. c).

 

Auch gemäß Art. 12 Abs. 2 Status RL (Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, L 337/09) ist ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe zu der Annahme berechtigen, dass er ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen (lit. a), eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Aufnahmelandes begangen hat, bevor er als Flüchtling aufgenommen wurde, das heißt vor dem Zeitpunkt der Ausstellung Flüchtlingseigenschaft; insbesondere grausame Handlungen können als schwere nichtpolitische Straftaten eingestuft werden, auch wenn mit ihnen vorgeblich politische Ziele verfolgt werden (lit. b) oder sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen (lit. c). Abs. 2 findet gemäß Abs. 3 auf Personen Anwendung, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

 

Es ist daher zu prüfen, ob die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Kämpfer und Befehlshaber/Feldkommandant der Tadschikischen Volksfront im tadschikischen Bürgerkrieg von 1992 bis 1993 einen Ausschlussgrund iSd § 3 Abs. 3 Z 2 iVm § 6 Abs. 1 AsylG 2005 darstellt. Für die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen ist es irrelevant, dass diese Taten schon länger zurückliegen, da sich Art. 1 Abschn. F lit. a und c auf Verbrechen unabhängig davon beziehen, wann und wo sie begangen wurden (UNHCR, 5. Richtlinie zum internationalen Schutz, Rz 5). Weiters ist es hiefür unbeachtlich, ob von der betreffenden Person eine gegenwärtige Gefahr für den Aufnahmemitgliedstaat ausgeht, da diese beiden Ausschlussgründe Handlungen ahnden sollen, die in der Vergangenheit begangen wurden (vgl. zur Vorgängerbestimmung der RL 2004/83/EG EuGH 09.11.2010, Rs C-57/09 und C-101/09 , Fall B und D, Rn. 103 f.).

 

Ursprünglich sollte mit der Ausschlussklausel Art. 1 Abschn. F lit. a GFK erreicht werden, dass alle Personen von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen sind, bei denen begründeter Anlass besteht, anzunehmen, dass sie in amtlicher Funktion "ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben". Der Beschwerdeführer war Mitglied der Tadschikischen Volksfront, die gegen die zu Beginn des Bürgerkrieges 1992 im Amt befindliche Übergangsregierung kämpfte, und hatte sohin keine amtliche Funktion inne. Diese Ausschlussklausel ist jedoch auch auf alle Personen anwendbar, die solche Verbrechen im Rahmen verschiedener nichtstaatlicher Zusammenschlüsse begangen haben, gleichgültig, ob diese Zusammenschlüsse offiziell anerkannt oder geheimer Natur sind (UNHCR, Handbuch, über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, Dezember 2011, Rz 178).

 

Die Beweislast im Hinblick auf den Ausschluss liegt beim Staat und im Zweifelsfall sollte zugunsten des Antragstellers entschieden werden. Wurde die Person jedoch von einem internationalen Strafgericht verurteilt oder ist davon auszugehen, dass sie, persönlich Handlungen zu verantworten hat, die den Ausschluss nach sich ziehen, liegt die Beweislast beim Betroffenen und es liegt an ihm, die vermutete Anwendbarkeit des Ausschlusses zu widerlegen (UNHCR, 5. RL, Rz 34 f.).

 

Die Taten der Tadschikischen Volksfront im tadschikischen Bürgerkrieg wurden von keinem internationalen Strafgericht verfolgt, wobei die Jurisdiktion des International Criminal Court bereits rationae temporis nicht gegeben ist (Art. 11 Abs. 1 ICC-Statut). Sie wurden auch nicht in Resolutionen des UN-Sicherheitsrates verurteilt, wobei beachtlich ist, dass den Länderberichten zufolge ein ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates, dem sohin im Sicherheitsrat ein Veto betreffend Resolutionen zukommt, zumindest indirekt am tadschikischen Bürgerkrieg involviert war. Auch der Bericht der OSCE Fact Finding Mission erreichte das politische und rechtliche Level nicht.

 

Es ist sohin auf Grund des hg. Ermittlungsverfahrens festzustellen, ob betreffend den Beschwerdeführer ernsthafte Gründe für den Verdacht bestehen, dass er Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat, indem er zumindest in sonstiger Weise an diesen beteiligt war (vgl. Art. 12 Abs. 3 StatusRL).

 

2. Bei der Erwähnung der Verbrechen gegen den Frieden, der Kriegsverbrechen oder der Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezieht sich das Abkommen ganz allgemein auf "internationale Vertragswerke, die ausgearbeitet wurden, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen". In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg bis heute hat es eine beträchtliche Anzahl solcher Verträge gegeben. In all diesen Vertragswerken finden sich Definitionen zu der Frage, was als "Verbrechen gegen den Frieden, als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzusehen ist. Die umfassende Definition findet sich in dem Londoner Abkommen und der Charta des Internationalen Militärgerichtshofes 1945 (UNHCR, Handbuch, Dezember 2011, Rz 150). Diese definierte in Art. 6 lit. c Verbrechen gegen die Menschlichkeit als Mord, Ausrottung, Versklavung, Deportation und andere Akte der Unmenschlichkeit gegenüber der Zivilbevölkerung vor oder während des Krieges; dazu zählen auch die Verfolgung aus politischen Gründen oder wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse oder Religionsgemeinschaft bei der Ausführung oder in Verbindung mit einem in den Zuständigkeitsbereich des Gerichts fallenden Verbrechen, ungeachtet der Tatsache, ob es sich hiebei um eine Verletzung des innerstaatlichen Rechts des Landes, wo das Verbrechen begangen wurde, handelt, oder nicht.

 

Bestimmte Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht stellen Kriegsverbrechen dar. Solche Verbrechen können sowohl in internationalen als auch in internen bewaffneten Konflikten verübt werden, wobei es von der Art des Konfliktes abhängt, wie das Verbrechen beschaffen sein muss. Als Kriegsverbrechen werden Straftaten qualifiziert, wie etwa die vorsätzliche Tötung und Folterung von Zivilpersonen, wahllose Angriffe auf die Zivilbevölkerung und das mutwillige Vorenthalten eines fairen und ordnungsgemäßen Gerichtsverfahrens gegenüber einem Zivilisten oder einem Kriegsgefangenen. Die hievon zu unterscheidenden Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die Handlungen wie Völkermord, Mord, Vergewaltigung und Folter einschließen, sind dadurch charakterisiert, dass sie Teil eines groß angelegten oder systematischen Angriffs auf die Zivilbevölkerung sein müssen. Aber auch eine einzelne Handlung kann ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen, wenn sie Teil eines kohärenten Systems oder einer Reihe systematischer und wiederholter Handlungen ist (UNHCR, 5. RL, Rz 12 f.).

 

3. Für die Anwendung der Ausschlussklauseln genügt es, festzustellen, dass "schwerwiegende Gründe dafür sprechen", dass eine der genannten strafbaren Handlungen begangen wurde. Ein formeller Beweis für das Vorliegen einer früheren Strafverfolgung wird nicht gefordert. In Anbetracht der schwerwiegenden Folgen, die ein Ausschluss für die betreffende Person hat, sind diese Ausschlussklauseln jedoch restriktiv auszulegen (UNHCR, Handbuch, Rz 149).

 

Der für die Anwendung von Art. 1 Abschn. F erforderliche Beweisstandard verlangt klare und glaubwürdige Beweise. Ein Antragsteller muss nicht unbedingt wegen einer Straftat verurteilt worden sein, es ist auch nicht der im Strafrecht nötige Beweisstandard anzulegen. Es können zum Beispiel Geständnisse und Zeugenaussagen genügen, wenn diese vertrauenswürdig sind. Mangelnde Bereitschaft des Antragstellers zur Zusammenarbeit ist an sich noch kein Schuldbeweis für die zum Ausschluss führende Handlung, wenn keine eindeutigen und überzeugenden Beweise vorliegen. Es kann jedoch irrelevant sein, den Ausschluss zu prüfen, wenn durch fehlende Bereitschaft zur Zusammenarbeit die wesentlichen Fakten eines Asylantrages nicht ermittelt werden können (UNHCR, 5. RL, Rz 34 f.).

 

Art. 12 Abs. 2 lit. b und c der gleichlautenden RL 2004/83/EG waren nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union im Urteil vom 9.11.2010 in den verbundenen Rechtssachen C-57/09 und C-101/09 , Bundesrepublik Deutschland gegen B und D, Art. 12 Abs. 2 lit. b und c dahin auszulegen,

 

 

 

Der Verfassungsgerichtshof sprach aus, dass kein Grund zur Annahme besteht, dass für Asylausschlussgründe gemäß Art. 12 Abs. 2 lit. a Status-RL (bzw. Art. 1 Abschn. F lit. a GFK) etwas anderes gelten sollte, als für Art. 12 Abs. 2 lit. b und c Status-RL (bzw. Art. 1 Abschnitt F lit. b und c GFK). Der Verfassungsgerichtshof ging davon aus, dass in einem Fall, in dem der Asylgerichtshof allein auf Grund der Aussage des Beschwerdeführers das Vorliegen "ernsthafter Gründe für den begründeten Verdacht, dass der Beschwerdeführer [...] an Verbrechen gegen die Menschlichkeit [...] zumindest beteiligt war" angenommen habe, ohne weitere Ermittlungen etwa dahingehend getätigt zu haben, welche Handlungen während der Taliban-Herrschaft dem Kommandanten des Beschwerdeführers zuzurechnen waren oder welche Position und Aufgaben der "Leibwächter" eines Kommandanten innerhalb des Systems der Taliban hatte, der notwendige Beweismaßstab nicht erreicht worden sei (VfGH 11.06.2012, U 1092/11).

 

Der Verwaltungsgerichtshof sprach im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union zu § 6 AsylG 2005 aus, dass entscheidend sei, "ob von der betreffenden Organisation begangene Handlungen die in den genannten Bestimmungen festgelegten Voraussetzungen erfüllen und ob der betreffenden Person eine individuelle Verantwortung für die Verwirklichung dieser Handlungen zugerechnet werden kann" (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/01/0172). Der Verwaltungsgerichtshof ging weiters davon aus, dass es in einem Fall nicht ausreichte festzustellen, dass der Beschwerdeführer an bewaffneten Kampfhandlungen beteiligt war und dabei russische Militärangehörige sowie tschetschenische Zivilisten getötet habe, wenn offenbleibt, wann, bei welchen Gelegenheiten und unter welchen Umständen diese Taten vom Beschwerdeführer gesetzt worden sein sollen (VwGH 21.04.2015, Ra 2014/01/0154).

 

4. Der Beschwerdeführer war Kombattant der Volksfront-Milizen im tadschikischen Bürgerkrieg und Befehlshaber/Feldkommandant in der Miliz von XXXX , dem wichtigsten Milizführer der Volksfront in XXXX , die von XXXX koordiniert wurde. Beim tadschikischen Bürgerkrieg insbesondere in XXXX und XXXX handelte es sich von 1992 bis 1993 um einen internen bewaffneten Konflikt zwischen der tadschikischen Volksfront und der Übergangsregierung.

 

Die Milizen der Volksfront in XXXX in dieser Region operierten 1992/1993 nicht nur in der Verteidigung der Nachbarschaftsquartiere, sondern nahmen aktiv an offensiven Kampfhandlungen teil, in denen Angehörige bestimmter Bevölkerungsgruppen vertrieben bzw. getötet wurden. Bei den Opfern von Vertreibung und Gewalt handelte es sich überwiegend um sog. XXXX , dh. ethnische Tadschiken des GHARM-TALES östlich von XXXX , die bei Ausbruch des Bürgerkrieges eine Gruppe mit eigener regionaler Identität formten. Im Sommer 1992 flüchteten ca. 800.000 Menschen vor den Kampfhandlungen im Süden und Westen Tadschikistans, mehr als 20.000 Menschen kamen ums Leben. In XXXX kam es neben den Übergriffen gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen auch zur weitreichenden Zerstörung der Infrastruktur sowie ganzer Wohnviertel.

 

Beim tadschikischen Bürgerkrieg im hier maßgeblichen Zeitraum handelte es sich nicht nur um innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte oder vereinzelt auftretende Gewalttaten oder andere ähnliche Handlungen, sondern um einen bewaffneten Konflikt zwischen der tadschikischen Volksfront und der Übergangsregierung. Vorsätzliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung als solche oder auf einzelne Zivilpersonen, die an den Feinseligkeiten nicht unmittelbar teilnehmen, stellen Kriegsverbrechen dar.

 

Abgesehen von der weitgehenden Zerstörung der Infrastruktur und ganzer Wohnviertel im Rajon waren die Volksfrontmilizen aus XXXX zudem am Angriff auf die Übergangsregierung in XXXX am 24./25.11.1992 beteiligt, bei der 100 bis 120 Zivilsten getötet bzw. schwer verletzt wurden. Nach dem missglückten Angriff waren sie an der Blockade von XXXX von Oktober bis Dezember 1992 beteiligt – vor allem der Hauptverkehrsstraße M41 (die durch XXXX führt) und der wichtigen Schienenverbindung nach USBEKISTAN (die 5 km südlich an XXXX vorbeiführt) –, die vor allem die Zivilbevölkerung und die dort befindlichen ca. 250.000 Binnenvertriebenen betraf. Schließlich waren sie an der Eroberung XXXX nach schweren Kämpfen beteiligt und der systematischen Verfolgung der Minderheit der PAMIRIS nach der Besetzung XXXX , bei der ca. 600 Minderheitsangehörige ohne Verfahren exekutiert wurden.

 

Die Verfolgung der PAMIRIS (zB UBAS 04.10.2000, 209.315/0-VII/20/99) und der Angehörigen der Opposition nach der Machtergreifung durch die Volksfrontmilizen in XXXX Ende 1992 wurde in Österreich als asylrelevante Verfolgung durch die Volksfront eingestuft und den Betroffenen Asyl gewährt (zB UBAS 28.10.1999, 209.289/0-VIII/23/99); die Übergriffe fanden in einer Reihe systematischer und wiederholter Handlungen statt und betrafen Zivilpersonen, denen zudem faire und ordnungsgemäße Gerichtsverfahren vorenthalten wurden. Doch auch die Ermordung und Vertreibung der GHARMIS stellt einen systematischen Angriff auf die Zivilbevölkerung dar, ungeachtet der Frage, ob die GHARMIS zusätzlich eine Rasse, Religionsgemeinschaft oder politische Gruppe iS völkerrechtlicher Bestimmungen darstellen.

 

Die Milizen der tadschikischen Volksfront aus XXXX begingen sohin im tadschikischen Bürgerkrieg von 1992 bis 1993, als der Beschwerdeführer ihnen als Kombattant und Befehlshaber/Feldkommandant angehörte, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen.

 

5. Ein Ausschluss ist nur dann gerechtfertigt, wenn die persönliche Verantwortung für ein Verbrechen nach Art. 1 Abschn. F GFK nachgewiesen ist. Im Allgemeinen liegt eine persönliche Verantwortung dann vor, wenn eine Person die Straftat begangen hat oder in dem Bewusstsein, dass ihre Handlung oder Unterlassung die Ausübung des Verbrechens erleichtern würde, wesentlich zu ihrer Durchführung beigetragen hat. Die Person muss das Verbrechen nicht persönlich begangen haben. Es kann genügen, wenn sie zu einem gemeinsamen verbrecherischen Unternehmen angestiftet, ihm Vorschub geleistet oder daran teilgenommen hat. Der Umstand, dass eine Person zu irgendeinem Zeitpunkt ein ranghohes Mitglied einer repressiven Regierung oder Mitglied einer Organisation war, der gesetzwidrige Gewalt vorgeworfen wird, begründet allein noch keine persönliche Verantwortung für Straftaten, die unter Art. 1 Abschn. F GFK fallen. Eine Vermutung für die Verantwortung kann allerdings dann vorliegen, wenn die Person Mitglied einer Regierung blieb, die eindeutig Handlungen Im Sinne von Art. 1 Abschn. F GFK begangen hat. Außerdem sind die Ziele, Aktivitäten und Methoden mancher Gruppen so außerordentlich gewalttätig, dass aus der freiwilligen Mitgliedschaft in solchen Gruppen auch die Vermutung einer persönlichen Verantwortung abgeleitet werden kann. Im Fall einer solchen Vermutung müssen verschiedene Fragen sorgfältig geprüft werden, etwa die aktuellen Aktivitäten der Gruppe, ihre Organisationsstruktur, die Stellung der Person in der Organisation und ihre Fähigkeit, maßgeblich Einfluss auf die Aktivitäten der Gruppe zu nehmen, sowie die mögliche Fragmentierung der Gruppe. Außerdem können derartige Vermutungen im Zusammenhang mit dem Asylverfahren relativiert werden. Bei ehemaligen Kombattanten sollte nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass sie auszuschließen sind, natürlich abgesehen von Fällen, in denen Berichte über schwere Verstöße gegen Menschenrechtsnormen und das humanitäre Völkerrecht vorliegen und die betreffende Person damit in Verbindung gebracht wird (UNHCR, 5. RL, Rz 18 ff.).

 

Ist der subjektive Tatbestand nicht gegeben, etwa weil der Person eine wesentliche Tatsache nicht bekannt war, kann keine persönliche strafrechtliche Verantwortung angenommen werden. Es sollen Faktoren in Betracht gezogen werden, die allgemein bei der Prüfung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe in Betracht kommen. Der Entschuldigungsgrund des Handelns auf Befehl kann nur dann gelten, wenn die Person rechtlich verpflichtet war, dem Befehl nachzukommen, oder wenn sie von dessen Gesetzwidrigkeit keine Kenntnis hatte und wenn der Befehl an sich nicht offensichtlich rechtswidrig war. Handlungen zur Selbstverteidigung oder zur Verteidigung anderer oder von Eigentum müssen in Bezug auf die Bedrohung sowohl angemessen als auch verhältnismäßig sein. Gilt das Verbrechen als verbüßt, ist die Anwendung der Ausschlussklauseln möglicherweise nicht mehr gerechtfertigt. Das kann der Fall sein, wenn die Person die Strafe für das betreffende Verbrechen verbüßt hat oder wenn die Straftat lange Zeit zurückliegt. Maßgebliche Faktoren sind hier die Schwere der Tat, die vergangene Zeit und der Ausdruck des Bedauerns durch die betreffende Person. Bei der Beurteilung der Auswirkungen einer Begnadigung oder Amnestie sollte berücksichtigt werden, ob diese Ausdruck des demokratischen Willens des betreffenden Landes ist und ob die Person auf andere Weise zur Verantwortung gezogen wurde. Einige Verbrechen sind jedoch so schwerwiegend und verabscheuungswürdig, dass die Anwendung von Art. 1 Abschn. F selbst im Fall einer Begnadigung oder Amnestie als gerechtfertigt angesehen wird (UNHCR, 5. RL, Rz 21 ff.).

 

Auf Grundlage der in Europa öffentlich zugänglichen Quellen kann eine individuelle Tatbegehung durch den Beschwerdeführer weder betreffend die Verfolgung der GHARMIS in XXXX und die Zerstörung der Wohnviertel und Infrastruktur in diesem Gebiet, noch betreffend den Tod von Zivilisten bei der versuchten Eroberung XXXX , die Verfolgung der PAMIRIS und der Opposition in XXXX sowie die Blockade von XXXX und die Tötung von Zivilisten bei der Eroberung von XXXX nachgewiesen werden, sondern nur, dass der Beschwerdeführer Kombattant und Befehlshaber/Feldkommandant der diese Taten begangen habenden Milizen der tadschikischen Volksfront im maßgeblichen Zeitraum war und von der Ausübung dieser extremen Gewalt durch die tadschikische Volksfront in Kenntnis war und dieser dennoch bis 1997 weiterhin freiwillig angehörte.

 

Die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit sieht Art. 25 ICC-Statut auch in den Fällen vor, in denen der Betreffende zur Erleichterung ein solchen Verbrechens Beihilfe oder sonstige Unterstützung bei der Begehung oder versuchten Begehung leistet, einschließlich der Bereitstellung der Mittel für die Begehung, oder auf sonstige Weise zur Begehung oder versuchten Begehung eines solchen Verbrechens durch eine mit einem gemeinsamen Ziel handelnde Gruppe von Personen beiträgt. Die Ausschlussgründe, die von der Organisation als solcher verwirklicht wurden und nach ihrer Struktur von ihr verantwortet werden müssen, können sohin auch dem einzelnen Mitglied persönlich zugerechnet werden, da der Begriff der Beteiligung "in sonstiger Weise" über den Personenkreis der Täter und Teilnehmer im Sinne des Strafrechts hinausgeht und auch andere Unterstützungsformen innerhalb einer Organisation erfasst (vgl. Bayrischer Verwaltungsgerichtshof, 11.01.2010, 9 B 08.30223 Rz 28; vgl. auch OLG München, 15.07.2015, 7 St 7/14, zur Mitgliedschaft in terroristischen Vereinigung und Beihilfe zu Tötungsdelikten; ferner EuGH 31.01.2017, Rs C-573/14 , Lounani).

 

Als ausgebildeter Soldat und ehemaliger Angehöriger der regulären Streitkräfte der UdSSR und wegen seines Kampfeinsatz im sowjetischen Afghanistankrieg war der Beschwerdeführer in Kenntnis des ius in bello. Bei der tadschikischen Volksfront handelte es sich nicht um eine staatliche bewaffnete Formation, sondern um einen freiwilligen Zusammenschluss repressiver Vertreter der ehemaligen Nomenklatura und Vertretern des organisierten Verbrechens; der Beitritt des Beschwerdeführers zur Volksfront, sein Engagement für diese und seine Zugehörigkeit bis 1997 waren ausschließlich freiwilliger Natur. Der Beschwerdeführer kann sich sohin weder durch Rechtsirrtum noch durch Befehlsnotstand rechtfertigen. Der Beschwerdeführer war überdies nicht ausschließlich Befehlsempfänger, sondern in der Position, Befehle an weitere Kombattanten zu erteilen. Noch in der hg. mündlichen Verhandlung rechtfertigte er sein Engagement für die Volksfront mit dem – faktisch unzutreffenden – Legitimationsnarrativ der Feldkommandanten und politischen Akteure der tadschikischen Volksfront, bei der Opposition habe es sich um "Wahabiten" bzw. "Islamisten" gehandelt; es war nicht nur kein Ausdruck des Bedauerns fassbar, der Beschwerdeführer reflektierte die Verbrechen, die durch die Volksfrontmilizen 1992/1993 begangen worden waren, vielmehr nicht einmal im Ansatz. Dass seine Beteiligung an der Volksfront in Tadschikistan nie geahndet wurde, entspricht dem Vorbringen des Beschwerdeführers; auch die Fahndung über INTERPOL bezieht sich auf einen Tatzeitpunkt nachdem die Volksfront XXXX eingenommen hatte, sohin nach dem hier beachtlichen Zeitraum. Betreffend eine mögliche Amnestie ist ungeachtet des Umstandes, dass der Beschwerdeführer selbst angibt, die Amnestiegesetze seien auf ihn nicht anwendbar gewesen, darauf abzustellen, dass diese unter dem Präsidenten erlassen wurden, der selbst von der Volksfront an die Macht gebracht wurde und auf eine Aufarbeitung der Kriegsverbrechen 1992/1993 aus diesem Grund verzichtete. Auch sonstige Gründe für den Ausschluss der strafrechtlichen Verantwortlichkeit etwa im Hinblick auf Alter, geistige Gesundheit oder Intoxikation haben sich nicht ergeben.

 

Die von den Milizen der tadschikischen Volksfront aus XXXX von 1992 bis 1993 im Rahmen des tadschikischen Bürgerkrieges in XXXX und XXXX begangenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind sohin dem Beschwerdeführer zuzurechnen, er ist für diese auch individuell verantwortlich.

 

6. Die Ausschlussklauseln müssen, wie bei jeder Ausnahme von einem garantierten Menschenrecht, unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit zum verfolgten Ziel angewendet werden, dh. dass die Schwere der betreffenden Tat und die Folgen eines Ausschlusses gegeneinander abzuwägen sind. Diese Verhältnismäßigkeitsprüfung wird in der Regel bei Verbrechen gegen den Frieden, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Handlungen nach Art. 1 Abschn. F lit. c GFK nicht notwendig sein, da es sich bei diesen um besonders verabscheuungswürdige Verbrechen handelt. Von Bedeutung ist und bleibt sie jedoch im Fall von Verbrechen nach Art. 1 Abschn. F lit. b und weniger schweren Kriegsverbrechen nach Art. 1 F lit. a (UNHCR, 5. RL, Rz 24).

 

Im Zusammenhang mit dem Ausschlusstatbestand des Art. 1 Abschn. F lit. b GFK hat der Verwaltungsgerichtshof überdies betont, dass der Ausschlusstatbestand eine Abwägung zwischen der Verwerflichkeit der Tat, derer der Asylwerber verdächtig ist, und seinen Schutzinteressen (Grad der befürchteten Verfolgung) erfordert. Das setzt wiederum eine umfassende Klärung des Sachverhalts voraus. So sind z.B. Milderungsgründe, Schuldausschließungs- und Rechtfertigungsgründe zu berücksichtigen und die Tat muss auch in subjektiver Hinsicht schwer wiegend sein (vgl. VwGH 31.01.2002, 99/20/0372; 21.03.2002, 2000/20/0189).

 

Der Beschwerdeführer konnte aus folgenden Gründen keine asylrelevante Verfolgung in seinem Herkunftsstaat glaubhaft machen:

 

Eine Verfolgung des Beschwerdeführers aus politischen Gründen machte er nicht glaubhaft: Sein Vorbringen sowohl zur behaupteten Versammlungsteilnahme 1997 als auch zur Verfolgung aus diesem Grund 1998 ist aus den in der Beweiswürdig dargelegten Gründen nicht glaubwürdig.

 

Auch die INTERPOL-Fahndung durch Tadschikistan wegen des Tötungsdeliktes am 07.11.1993 stellt keine politische Verfolgung des Beschwerdeführers dar: Eine generelle Verfolgung ehemaliger Volksfrontkämpfer und ehemaliger Befehlshaber/Feldkommandeure kann den Länderberichten nicht entnommen werden, ebensowenig eine dem Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt entsprechende Verfolgung der Volksfront durch den Präsidenten seit 1994; dies ist schon aus dem Grund der Fall, dass der Beschwerdeführer angibt, bis 1997 ohne Probleme im Herkunftsstaat gelebt und der Volksfront angehört zu haben, dies obwohl die Memoiren von XXXX , auf die er seine Verfolgung stützt, bereits 1994 publiziert wurden. Aus den in der Beweiswürdigung dargelegten Gründen ergibt sich, dass im Falle des Beschwerdeführers keine Anhaltspunkte dafür festgestellt werden konnten, dass er als reelle oder potentielle Gefahr für die Regierung des Präsidenten, auf Grund von Streitigkeiten wegen Kriegsbeute oder wegen Revierkämpfen im Zusammenhang mit kriminellen Aktivitäten der Gefahr einer rechtsmissbräuchlichen Anklage ausgesetzt wäre. Dem Beschwerdeführer droht sohin im Falle der Rückkehr keine Verfolgung aus politischen oder unterstellten politischen Gründen auf Grund seiner Mitgliedschaft in der Volksfront. Ein weiters politisches Engagement brachte der Beschwerdeführer nicht vor.

 

Sonstige Fluchtgründe machte der Beschwerdeführer darüber hinaus nicht geltend: Er behauptete insb. weder eine Verfolgung aus religiösen Gründen, noch auf Grund seiner ethnischen Zugehörigkeit zur Minderheit der Usbeken. Dass er aktuell aus diesen Gründen keiner Verfolgung ausgesetzt ist, ergibt sich auch aus den Länderberichten.

 

Selbst wenn man angesichts des Umstandes, dass dem Beschwerdeführer keine unmittelbare Tatbegehung sondern nur eine sonstige Beteiligung an Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nachgewiesen werden kann, von "weniger schweren Kriegsverbrechen" ausginge, würde dies sohin im Rahmen der Abwägung nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Anwendung des Ausschlusstatbestandes führen.

 

Zu A.II.) Zur Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:

 

1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen ist und ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

 

Einem Fremden ist gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen (Z 1), er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat (Z 2) oder er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (Z 3). Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung gemäß Abs. 2 auch dann zu erfolgen, wenn einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt (Z 1), der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt (Z 2) oder der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist (Z 3). Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

 

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.

 

2. Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 22.04.2014 wurde die Auslieferung des Beschwerdeführers nach TADSCHIKISTAN für unzulässig erklärt, da die reale Gefahr bestehe, dass der Beschwerdeführer in TADSCHIKISTAN der Todesstrafe unterworfen werde und die Auslieferung des Beschwerdeführers sohin gegen Art. 3 EMRK verstoße.

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Frage zu beurteilen, ob dem Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten bzw. eines subsidiär Schutzberechtigten stattzugeben ist. Das Strafgericht hat die Frage zu klären, ob dem Auslieferungsersuchen stattzugeben oder dieses abzulehnen ist. Beide Gerichte haben hiebei das Vorliegen einer Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention und die Zulässigkeit des Refoulements zu beurteilen. Keines der beiden Gerichte spricht jedoch für das andere bindend über diese Rechtsfragen ab (VfSlg 19.789/2013). Asyl- und Auslieferungsrecht sehen vielmehr zwei von unterschiedlichen Gerichten parallel zu führende Verfahren – eines über den Antrag auf internationalen Schutz, eines über das Auslieferungsersuchen – vor, die bei der Identität von Herkunftsstaat und ersuchendem Staat (und nur in diesem Fall) zur parallelen Prüfung derselben Fragen im Hinblick auf Asylberechtigung und Refoulementschutz führen (in diesem Sinn auch OGH 8.7.2008, 14 Os 67/08x). § 13 ARHG sieht nur den Vorrang der Auslieferung vor der Vollziehung der Ausweisung vor, indem er die Abschiebung in den ersuchenden Staat nach asyl- oder fremdenrechtlichen Bestimmungen während des Auslieferungsverfahrens untersagt. Dementsprechend hat der Verfassungsgerichtshof auch nicht beanstandet, dass der Asylgerichtshof mit Blick auf die genannte Regelung des § 13 ARHG für eine Ausweisungsentscheidung gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 einen Durchführungsaufschub gewährt (VfSlg 19.312/2011). Aus § 13 ARHG folgt aber nicht, dass dann, wenn es sowohl im Auslieferungsverfahren wie auch im Asylverfahren um die Rückverbringung in denselben (ersuchenden und Herkunfts‑)Staat geht, das Bundesverwaltungsgericht an die Entscheidung des Strafgerichts gebunden wäre (vgl. auch die [Unzulässigkeits-]Entscheidung des EGMR 13.12.2011, Appl. 54.845/10, Fall Barnic). Daher stellt auch eine allfällige Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht, dem Asylwerber subsidiären Schutz zu gewähren, einen möglichen Grund für die Wiederaufnahme des bereits abgeschlossenen Auslieferungsverfahrens nach § 39 ARHG dar, weil sich neue Tatsachen oder Beweismittel ergeben haben, die geeignet erscheinen, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Beschlusses des Strafgerichts zu bewirken (Göth-Flemmich in WK2 ARHG § 13 Rz 2 und § 39 Rz 6).

 

3. Auf Grund der im Auslieferungsverfahren vorgelegten Unterlagen steht – entsprechend dem Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen XXXX – fest, dass die reale Gefahr besteht, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach TADSCHIKISTAN wegen eines Tötungsdeliktes, begangen am 07.11.1993, angeklagt und verurteilt werden wird.

 

Auf Grund der hg. eingeholten Länderfeststellungen zur Aussetzung der Todesstrafe in TADSCHIKISTAN und der Nichtverhängung der Todesstrafe auch gegen hochrangige ehemalige Volksfront-Kommandeure steht jedoch fest, dass ein reales Risiko, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach TADSCHIKISTAN der Todesstrafe unterworfen würde, nicht besteht.

 

Auf Grund der hg. eingeholten aktuellen Berichte zur Lage in den Haftanstalten und zum Vorkommen von Folter (ACCORD 29.04.2015), denen das Bundesamt auch nicht entgegentrat, steht aber fest, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach TADSCHIKISTAN einem realen Risiko ausgesetzt wäre, in der Haft einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein.

 

4. Aus den in der Begründung zu A.I. dargelegten Erwägungen steht jedoch fest, dass der Beschwerdeführer den Asylausschlussgrund gemäß § 3 Abs. 3 Z 2 iVm § 6 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 verwirklicht hat. Aus denselben Gründen hat er jedoch auch den Tatbestand des § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 verwirklicht, der zum Ausschluss vom Status eines subsidiär Schutzberechtigten führt. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten ist daher gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 abzuweisen.

 

Zu A.III. und A.IV) Zur Feststellung der Unzulässigkeit einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat und zur ersatzlosen Behebung der Ausweisung:

 

1. Gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

 

Aus den in der Begründung zu A.II. dargelegten Gründen ist daher festzustellen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach TADSCHIKISTAN unzulässig ist.

 

2. Aufgrund der Feststellung, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach TADSCHIKISTAN unzulässig ist, liegen die Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG nicht mehr vor.

 

Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides (Ausweisungsentscheidung) ist daher ersatzlos zu beheben (vgl. dazu VfGH 13.9.2013, U 370/2012; 5.6.2014, U 1083/2013).

 

3. Bestätigt das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des § 75 Abs. 19 AsylG 2005 in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes (Z 1), jeden weiteren einer abweisenden Entscheidung folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes (Z 2), den zurückweisenden Bescheid gemäß § 4 des Bundesasylamtes (Z 3), jeden weiteren einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 4 folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes (Z 4), den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt (Z 5), oder den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 aberkannt wird (Z 6), so hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Z 5 und 6 darf kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegen.

 

Im Falle des Beschwerdeführers wird die Beschwerde gegen den abweisenden Bescheid mit der Maßgabe abgewiesen, dass ein Fall des § §§ 8 Abs. 3a iVm 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

 

Eine Unzulässigkeit der der Abschiebung des Beschwerdeführers nach TADSCHIKISTAN aus den Gründen des Art. 8 EMRK würde sich im Hinblick auf das Familienleben nicht ergeben, da die in Österreich im Bewusstsein um den unrechtmäßigen Aufenthalt geschlossene, kinderlose Ehe nach muslimischem Ritus ungeachtet der Frage ihres rechtmäßigen Zustandekommens (beide Gattinnen wissen nichts von der Existenz der jeweils anderen) schon aus dem Grund nicht zum Überwiegen der Interessen des Beschwerdeführers an der Fortsetzung seines Familienlebens in Österreich führen könnte, dass er parallel in TADSCHIKISTAN ebenfalls nach muslimischem Ritus verheiratet ist und überdies zwei nunmehr volljährige Kinder hat, die ebenfalls in TADSCHIKISTAN leben; hinzu kommt, dass er mit seiner in TADSCHIKISTAN lebenden Gattin nach muslimischem Ritus weiterhin in (Telefon‑)Kontakt steht und auch lange Zeit mit seiner in Österreich lebenden Gattin nach muslimischem Ritus nicht im gemeinsamen Haushalt lebte. Eine Unzulässigkeit der Abschiebung nach Tadschikistan aus den Gründen des Art. 8 EMRK würde sich auch im Hinblick auf das Privatleben des 50-jährigen Beschwerdeführers nicht ergeben, der seit sieben Jahren als Asylwerber in Österreich lebt, aber in TADSCHIKISTAN aufwuchs, wo er sozialisiert wurde, die Landessprachen spricht, die prägenden Jahre der Adoleszenz verbrachte, seine Ausbildung absolvierte, in den Arbeitsmarkt integriert war und über einen Freundeskreis sowie Verwandtschaft verfügt, während er in Österreich zwar Deutschkenntnisse erwarb, aber weder seine Ausbildung nostrifizieren ließ noch Bildungsabschlüsse erwarb, nie legal erwerbstätig war, sondern seinen Lebensunterhalt durch Grundversorgung bestritt und erst vor drei Monaten nach WIEN zu seiner (zweiten) Gattin nach muslimischen Ritus zog.

 

Da die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach TADSCHIKISTAN jedoch aus den in der Begründung zu A.II. und A.III dargelegten Gründen gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 unzulässig ist, ist das Verfahren schon aus diesem Grund nicht gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 nicht zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückzuverweisen.

 

Ergänzend sei angemerkt, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers bislang im Rahmen des Asylverfahrens und nicht gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG geduldet war und sohin auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz schon aus diesem Grund im Entscheidungszeitpunkt gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 nicht vorliegen.

 

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt, wenn sie in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird oder wenn sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

 

Die – im Erkenntnis wiedergegebene – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 6 AsylG 2005 bezieht sich vor allem auf die Fragen der notwendigen Ermittlungen und die Verhältnismäßigkeit der Anwendungen der Ausschlussbestimmungen; ein Rechtsprechung zu den Fragen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Tatbegehung durch sonstige Beteiligung und individuelle Zurechenbarkeit liegt hingegen nicht vor. Schon aus diesem Grund ist die Revision zulässig.

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