VwGH Ro 2014/04/0066

VwGHRo 2014/04/00667.3.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revision der Bietergemeinschaft bestehend aus 1. K Gesellschaft m.b.H., 2. H GmbH und 3. GesmbH, alle in W, vertreten durch die KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Fleischmarkt 1, 3. Stock, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 13. März 2014, Zl. VGW- 123/077/10225/2014-5, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (mitbeteiligte Partei: Stadt Wien, vertreten durch die Schramm Öhler Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Bartensteingasse 2), den Beschluss gefasst:

Normen

BVergG 2006 §129 Abs1 Z7;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art133 Abs6 Z1;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §34 Abs1;
BVergG 2006 §129 Abs1 Z7;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art133 Abs6 Z1;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen der in Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 1. Die mitbeteiligte Partei (Auftraggeberin) führte ein offenes Verfahren im Oberschwellenbereich zur Vergabe von Maler- und Anstreicharbeiten in fünf Losen mit einer Laufzeit von drei Jahren.

Die Revisionswerberin legte ein Angebot für die Lose 1 bis 4, das von der mitbeteiligten Auftraggeberin - gestützt auf mehrere Ausscheidensgründe - gemäß § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG 2006 ausgeschieden wurde.

2 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den Antrag der Revisionswerberin auf Nichtigerklärung dieser Ausscheidensentscheidung ab (1.) und sprach aus, dass die Revisionswerberin die von ihr entrichteten Pauschalgebühren selbst zu tragen habe (2.) und die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sei (3.).

3 Das Verwaltungsgericht hielt begründend fest, dass entsprechend einer näher bezeichneten Position das Imprägnieren von Deckbeschichtungen anzubieten gewesen sei. Bei den zu beschichtenden Holzflächen handle es sich im Wesentlichen um Fenster und Türen. Das von der Revisionswerberin in ihrem Angebot zur Durchführung der Imprägnierung genannte Mittel sei laut Herstellerangaben für die Grundierung von Parkettböden vorgesehen. Eine allfällige Verwendung des angebotenen Mittels für die Grundierung von Türen und Fenstern entspreche nicht dem vom Hersteller angegebenen Verwendungszweck. Das Verwaltungsgericht ging daher davon aus, dass die im Angebot vorgesehene Grundierung der Fenster und Türen mit einem für Parkettböden gedachten Mittel nicht den Ausschreibungsbestimmungen entspreche, zumal diesen zu Folge die einschlägige ÖNORM B 2230 als Bestandteil der Ausschreibung gelte und gemäß Pkt. 5.3.1.2. des Teiles 2 der zitierten ÖNORM bei der Bearbeitung der Beschichtungsmaterialien die Richtlinien der Hersteller zu beachten seien.

4 "Der Vollständigkeit halber" führte das Verwaltungsgericht aus, dass die mitbeteiligte Auftraggeberin nach Prüfung des Angebots die Revisionswerberin auf das nicht entsprechende Mittel hingewiesen und ihr beispielhaft Produkte genannt habe, die den Kriterien genügten. Die Revisionswerberin habe daraufhin mitgeteilt, dass ein näher bezeichnetes, von der mitbeteiligten Auftraggeberin genanntes Mittel zur Anwendung komme werde. Die mitbeteiligte Auftraggeberin habe dieses Produkt jedoch in der Folge als nicht systemgerecht angesehen, weil es in Kombination mit den Produkten anderer Hersteller eingesetzt werde. Aus dem Leistungsverzeichnis gehe hervor, dass eine solche Kombination nur ausschreibungskonform sei, wenn die Verträglichkeit der Produkte nachgewiesen werde. Die Revisionswerberin habe einen derartigen Nachweis nicht erbracht.

5 Die Revisionswerberin habe in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, für den Fall, dass das von ihr angebotene Mittel nicht entsprechen sollte, gelte das von der mitbeteiligte Auftraggeberin in der Musterkalkulation angeführte Produkt als angeboten. Dem hielt das Verwaltungsgericht entgegen, dass die Ausschreibung diesbezüglich die Vorgabe eines Leitproduktes nicht beinhalte. Die Musterkalkulation habe ihrem objektiven Erklärungswert zu Folge nicht die Funktion, das Leistungsverzeichnis durch die Vorgabe von Leitprodukten zu ergänzen, sondern stelle lediglich die Grundlage für die von den Bietern auszuarbeitende Kalkulation im festgelegten Preisaufschlags-/Preisnachlassverfahren dar.

6 Das Verwaltungsgericht stellte zudem klar, dass die Ausschreibungsbestimmungen einen Austausch von Produkten mit Zustimmung der Auftraggeberin nur in der Phase der Vertragsabwicklung, die nach Zuschlagserteilung an das beendete Vergabeverfahren anschließe, zuließen. Eine Auslegung der Ausschreibungsbestimmungen, wonach die Möglichkeit von Angebotsänderungen während eines offenen Verfahrens bestehe, komme nicht Betracht. Der Tatsache, dass die mitbeteiligte Auftraggeberin die Revisionswerberin zur Angebotsänderung aufgefordert habe, komme keine vergaberechtliche Relevanz zu.

7 Darüber hinaus kam das Verwaltungsgericht zum Ergebnis, dass die weiteren, von der mitbeteiligten Auftraggeberin herangezogenen Ausscheidensgründe - unter anderem die der Revisionswerberin angelasteten Kalkulationsmängel - nicht vorlägen.

8 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision.

Die mitbeteiligte Auftraggeberin erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Abbzw. Zurückweisung der Revision beantragt.

9 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Bei dieser Beurteilung ist der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a VwGG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

10 Um den Begründungserfordernissen für den Ausspruch der Zulässigkeit einer Revision durch das Verwaltungsgericht nach § 25a Abs. 1 zweiter Satz VwGG zu genügen, ist es erforderlich darzulegen, welche konkret auf die vorliegende Revisionssache bezogene grundsätzliche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof (erstmals) zu lösen habe (vgl. den hg. Beschluss vom 23. März 2016, Ro 2015/12/0016, mwN).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Revisionswerber auch in der ordentlichen Revision von sich aus die Gründe der Zulässigkeit der Revision darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. den hg. Beschluss vom 21. Dezember 2016, Ro 2016/04/0049, mwN).

11 5. Das Verwaltungsgericht begründete die Zulässigkeit der ordentlichen Revision damit, dass im Verfahren Fragen zu Kalkulationsmängeln abgehandelt worden seien und diesbezüglich ausreichend Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle, ob und inwieweit es auf die betragsmäßige Relevanz etwaiger Kalkulationsmängel ankomme. Um eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG handelt es sich dabei schon deshalb nicht, weil sich das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis ausschließlich auf den Ausscheidensgrund des nicht ausschreibungskonformen Imprägniermittels stützt. Die Entscheidung über die Revision hängt somit nicht von der Lösung der vom Verwaltungsgericht als grundsätzlich angesehenen Rechtsfrage ab. Für die Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof auf Grund von Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG nicht zuständig (vgl. den hg. Beschluss vom 23. November 2016, Ra 2016/04/0114, mwN). Dies trifft in gleicher Weise auf das Zulässigkeitsvorbringen der Revisionswerberin zu, wonach das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, weil es gegen die Pflicht zur materiellen Wahrheitsfindung in Bezug auf die vermeintlichen Kalkulationsmängel verstoßen habe.

12 Ausgehend von der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses kommt es im vorliegenden Fall auch nicht auf die von der Revisionswerberin als grundsätzlich erachtete Rechtsfrage an, inwiefern ein Bieter einer rechtswidrigen Aufforderung durch den Auftraggeber während der Zuschlagsfrist nachkommen müsse und ob das Nachkommen dieser rechtswidrigen Aufforderung zum Ausscheiden des Bieters führen dürfe. Das Verwaltungsgericht hat diesen vermeintlichen Ausscheidensgrund nämlich nicht tragend herangezogen.

13 Das Zulässigkeitsvorbringen der Revisionswerberin, es sei zu klären, wann genau eine Bieterlücke im Sinne des § 98 Abs. 2 BVergG 2006 vorliege, die bei mangelnder Gleichwertigkeit des vom Bieter angebotenen Erzeugnisses dazu führe, dass das ausgeschriebene Erzeugnis als angeboten gelte, bezieht sich auf die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Ausschreibung keine Vorgabe eines Leitprodukts enthalte und die vorgegebene Musterkalkulation lediglich die Grundlage für die von den Bieterin auszuarbeitende Kalkulation darstelle.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass die in vertretbarer Weise vorgenommene einzelfallbezogene Auslegung von Parteierklärungen oder Ausschreibungsunterlagen nicht revisibel ist bzw. dass einer vertretbaren Auslegung keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall wäre nur dann als revisibel anzusehen, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (siehe den hg. Beschluss vom 1. Dezember 2016, Ra 2015/04/0067, mwN). Dass dies hier der Fall sei, vermochte die Revision nicht darzulegen.

14 6. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

15 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 7. März 2017

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